"... ohne Malefiz oder hohe Frevel ..."
(Wittum Dorotheas
1556)
Von Dr. Hans Ammon
Isabella, Karls
V. Schwester, hatte den nordischen König Christiern von Dänemark, Norwegen und
Schweden geehelicht (1515), war die Mutter dreier Kinder: Hans, Dorothea und
Christina, hatte Unheil und Unglück ihres Mannes mit dem schreckhaften Blutbad
zu Stockholm 1520 und die Flucht nach dem Reich überstanden, hatte zu Nürnberg
lutherisch gebeichtet und kommuniziert und war 1526 früh verstorben. Christiern
suchte weiter, den Norden wieder zu gewinnen ‑ aber Gefangenschaft setzte
seinem Drängen ein Ende. Hans starb in jungen Jahren, Christina heiratete einen
Sforza von Mailand 1533, Dorothea 1535 den alternden Pfalzgrafen Friedrich (der
in jungen Jahren die Schwester ihrer Mutter, Eleonore, aufrichtig verehrt
hatte!). Bis 1544 residierten sie als Statthalter der oberen Pfalz zu Amberg
und Neumarkt, 1544 zogen sie als Kurfürstenpaar nach Heidelberg, 1556 stand
Dorothea mit 36 Jahren als Witwe allein. Ottheinrich, der neue Kurfürst, Witwer
seit 1543, hielt sich an die früheren Verträge und gab durch Vergleichung am 1.
Mai 1556 und Erlaß zur Vollstreckung am 8. August 1556, Dorothea vertragsgemäß
das Wittum (Widemb) Neumarkt. Weshalb beide nicht zur Ehe miteinander
schritten, hätte man gern erfahren: Ottheinrich war 54 Jahre und Dorothea 36,
also beide durchaus noch ehereif ‑ dem guten Lande der unteren und der oberen
Pfalz wäre mit beider Leibeserben viel Leid erspart geblieben! ‑ aber auch
dieser Zu‑ und Ausfall gehört zu den Eigentümlichkeiten der Geschichte unserer
Pfalzen.
Am 1. Mai 1556
waren in Alzey neben Ottheinrichs Vertretern (leider ungenannt) zugegen die
kaiserlichen Kommissare Georg zu Beaufort und Felix Hornung, Dr. jur.,
Präsident zu Luxemburg (das war noch reichisch!), und als Dorotheas Vertreter
Wilhelm zu Waldburg.
Verhandlungsgegenstand
war die "Abfertigung der jungen Witwe des verstorbenen Kurfürsten
Friedrich" für ihr ausgemachtes Wittum Neumarkt in der oberen Pfalz.
Termin der Inbesitznahme: 24. Juni 1556.
Das Heiratsgut
von 60 000 fl vom Jahre 1535 wird erwähnt, die Pension von 5 500 fl jährlich
ebenso. Pension wird zeitgemäß in bar und Naturalien gereicht.
Das Bargeld wird
aus den Zinsen, Renten etc. des vertragsgemäßen Wittums Neumarkt gegeben.
Der Hausrat aus
Heidelberg wird ihr am 2. August zugestellt. Anläßlich der Erwähnung der
Huldigung läßt Ottheinrich vorsorglich
hinweisen ‑ es war ja der Friedensreichstag zu Augsburg knapp ein Jahr
zurückgewesen mit seiner weitreichenden Bestimmung ‑ "... soll und will
dieselbige Ihre Kurfürstliche Gnaden hierzu Maß und Ordnung halten, damit dann
noch die Kirche und Untertanen gottseliglich versehen und allweg bei der Erkenntnis der reinen und
wahren Lehre des heiligen Evangeliums, auch Administration der Sakramente nach
christlicher Einsetzung und hochgemeldeten Pfalzgrafen Ottheinrich
Kirchenordnung (1543) gelassen und davon mitnichten abgehalten ...".
Auch sollten die
Untertanen bei ihren Rechten nicht beschwert noch gedrungen werden.
"... Die
Öffnung mitsamt Erbhuldigung obliegt den Landesfürsten, Reis‑ und Landsteuer
samt Ungeld ebenso."
Dorothea muß
ihre Amtleute unterhalten (erhalten) aus den Einkünften des Wittums. Wegen der
Fahrnis ‑ es sind die kurfürstlichen mobilia ‑ reicht ihr Ottheinrich 3 000 fl.
Das Silbergeschirr und Tapezereien werden Dorothea zugestellt.
Die Ämter
Auerbach und Eschenbach werden, wie früher ausgemacht, die fehlenden
Pensionsgelder aufbringen.
Am 8. August
wird der "Abschied" vom 1. Mai vollstreckt: Dabei wird noch vermerkt,
daß das zu liefernde Getreide (Teil der Pension) aus den Neumarkter Ämtern
stammen wird. Stroh für die Hofhaltung in Neumarkt wird ebenfalls von dort
geliefert, wobei man den Schober zu 1/2 fl anrechnet. Ungewöhnliches Scharwerk
darf von den Untertanen nicht verlangt werden. Die sogenannten kleinen Wändel
(Fälle), Frevel und Bußen, bis jetzt in kurfürstlicher Hand, werden "zur
Erhaltung des Gehorsams der Untertanen" ihr überlassen. Aber die
Malefizfälle oder hohe Frevel bleiben kurfürstlich.
Es muß aber Ernst
gebraucht werden, "damit nicht aus Zusehung oder linder Straf des Übels
die Leichtfertigkeit überhandnehme ..."!
Die angesetzten
Strafgebühren "sollen der Wittibin, Frau Dorothea, der dritte Teil zur
Ergötzlichkeit an Unterhaltung der Diener und Amtleute gefolgt und die anderen
zwei Drittel Ihrer kurfürstlichen Gnaden .."
Amtsregister und
Salbücher sollen zum Schultheißen in Neumarkt gebracht werden. Besetzung der
Ämter mit tauglichen Personen bleibt Dorothea überlassen.
"Und
dieweil auch jüngstem Abschied nach Ihre Fürstlich Durchlaucht der christlichen
Religion halb sich bewilligt hat, darin
solche Maß und Ordnung zu halten, damit die Kirche und Untertanen gottseliglich
versehen und allweg bei der Erkenntnis der reinen und wahren Lehre der
Evangelii samt Administration der Sakramente nach christlicher Einsetzung und
hochgedachten Kurfürsten Kirchenordnung verbleiben, so soll es auch nochmal
dabei bestehen; allein da etwa die Amtleute derlei Änderung vornehmen würden,
soll sich Ihre Kurfürstlichen Gnaden zu Ihrer Durchlaucht des freundlich
getrösten, wie sie selbst demselben nicht werden stattgeben, sondern mit allem
Fleiß und Ernst unterbauen und abwenden, wie sie sich dessen zu tun selbst
christlich erboten hat".
Mit der
landesfürstlichen Obrigkeit, Erhaltung des Geleites, der Land‑ und
Reichsstraßen, der zwei Geleitknechte zu Neumarkt, der Zölner zu Erasbach, des
Stadtknechtes etc. hat Dorothea nichts zu tun.
Die Besichtigung
der Gebäude (die ihr zustehen) wird von Amberg aus erfolgen. Ottheinrich wird Dorothea vom kurfürstlichen Kasten zu
Neumarkt "zu Anfang der Haushaltung allerhand Getreide, was sie braucht,
vorsetzen (= vorstrecken)". Dasselbe darf der Kastner auch in den
folgenden Jahren tun.
Die
Jahrespension von 5 000 fl (bar und in natura) wird nochmals bestätigt. — Bei
dieser "Vollstreckung" waren zugegen Ottheinrichs Räte Chrsistoph
Landschad von Neckarsteinach, Johann Ludwig Castner, Lic. jur.,
Kanzleiverwalter und Hans Steinhauser, Rentmeister zu Amberg.
Man wird
unschwer erkennen, daß Ottheinrich der "Prinzeß der nordischen Reiche, der
Kaiserlichen Majestät Mömlein, Durchlauchtigste Dorothea" aufnmerksam
entgegengekommen ist.
Freilich
bedauert es der Verfasser dieser Zeilen, daß er nicht staatsrechtskundlich
geschult und ergesetzlich ausgebildet ist. Aber er wollte trotzdem diese
wertvollen acat in irgendeiner Weise vorzeigen und mit diesem actu geehrte
Juristen auf Doctoratssuche an Universitäten reizen, Dorotheas
Heiratsverschreibung 1535 und Wittumszuteilung 1535 bzw. 1556 juristisch zu
durchsuchen. Erst dann wird die volle Klarheit in diesen Dingen herrschen.
Jedenfalls bleibt es eine Ungereimtheit der Welt— und Reichs— und
Kirchengeschichte, daß die Schwester des Kaisers, in dessen Reich die Sonne
nicht unterging, evangelisch geworden ist und in Dorothea zu Neumarkt, Amberg
und Heidelberg eine gleichgesinnte Nachfolgerin — ohne Zwang! gefunden hat. Wer
kann die Herzen ergründen? Wer das große Werk Karls V. etwa durch K. Brandis
reiches Buch kennengelernt hat, wird ihm vollen Respekt zuteil werden lassen
für seine religiöse, konfessionelle Einstellung!
Und wer seiner
Schwester Isabella, Königin der nordischen Reiche, und ihrer fröhlichen Tochter
Dorothea, Statthalterin der oberen Pfalz, Kurfürstin bei Rhein, Witwe zu
Neumarkt, Geschick und Leben kennt, wird ihnen auch nicht den Respekt versagen
für ihre andere Gesinnung. Es galt auch bei den Fürstlichkeiten unseres alten
Reiches, was im einfachen Volk galt: wir sind Brüder, aber verschieden. Und wir
sind Geschwister, aber verschieden. Gott ist kein Fabrikant der genormten
Dinge, sondern ein unergründlicher, reicher Schöpfer der vielfältigen Kreaturen
‑ auch in einer einzigen Familie!
Und das sollte
uns in unserer kirchlichen, politischen, wirtschaftlichen und anderen
Verhältnissen und Aufgaben zum göttlichen Respekt voreinander bewegen ‑ ohne
den Terror der Straße, ohne den Terror der Ideologien, ohne den Terror der
einrissigen politischen Systeme auch der Moderne! Gottes Einheit und Einigung
besteht nicht in der äußeren Uniformierung ‑ die braucht der Soldat zum
öffentlichen Schutz seines Sonderstandes ‑, sondern in der Darbeitung,
Entfaltung und Symphonie seiner vielfältigen Farben, Töne, Arten, Menschen!
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