Mittwoch, 12. August 2015

Wittum Dorotheas



"... ohne Malefiz oder hohe Frevel ..."
 (Wittum Dorotheas 1556)
 Von Dr. Hans Ammon

Isabella, Karls V. Schwester, hatte den nordischen König Christiern von Dänemark, Norwegen und Schweden geehelicht (1515), war die Mutter dreier Kinder: Hans, Dorothea und Christina, hatte Unheil und Unglück ihres Mannes mit dem schreckhaften Blutbad zu Stockholm 1520 und die Flucht nach dem Reich überstanden, hatte zu Nürnberg lutherisch gebeichtet und kommuniziert und war 1526 früh verstorben. Christiern suchte weiter, den Norden wieder zu gewinnen ‑ aber Gefangenschaft setzte seinem Drängen ein Ende. Hans starb in jungen Jahren, Christina heiratete einen Sforza von Mailand 1533, Dorothea 1535 den alternden Pfalzgrafen Friedrich (der in jungen Jahren die Schwester ihrer Mutter, Eleonore, aufrichtig verehrt hatte!). Bis 1544 residierten sie als Statthalter der oberen Pfalz zu Amberg und Neumarkt, 1544 zogen sie als Kurfürstenpaar nach Heidelberg, 1556 stand Dorothea mit 36 Jahren als Witwe allein. Ottheinrich, der neue Kurfürst, Witwer seit 1543, hielt sich an die früheren Verträge und gab durch Vergleichung am 1. Mai 1556 und Erlaß zur Vollstreckung am 8. August 1556, Dorothea vertragsgemäß das Wittum (Widemb) Neumarkt. Weshalb beide nicht zur Ehe miteinander schritten, hätte man gern erfahren: Ottheinrich war 54 Jahre und Dorothea 36, also beide durchaus noch ehereif ‑ dem guten Lande der unteren und der oberen Pfalz wäre mit beider Leibeserben viel Leid erspart geblieben! ‑ aber auch dieser Zu‑ und Ausfall gehört zu den Eigentümlichkeiten der Geschichte unserer Pfalzen.

Am 1. Mai 1556 waren in Alzey neben Ottheinrichs Vertretern (leider ungenannt) zugegen die kaiserlichen Kommissare Georg zu Beaufort und Felix Hornung, Dr. jur., Präsident zu Luxemburg (das war noch reichisch!), und als Dorotheas Vertreter Wilhelm zu Waldburg.

Verhandlungsgegenstand war die "Abfertigung der jungen Witwe des verstorbenen Kurfürsten Friedrich" für ihr ausgemachtes Wittum Neumarkt in der oberen Pfalz. Termin der Inbesitznahme: 24. Juni 1556.

Das Heiratsgut von 60 000 fl vom Jahre 1535 wird erwähnt, die Pension von 5 500 fl jährlich ebenso. Pension wird zeitgemäß in bar und Naturalien gereicht.

Das Bargeld wird aus den Zinsen, Renten etc. des vertragsgemäßen Wittums Neumarkt gegeben.

Der Hausrat aus Heidelberg wird ihr am 2. August zugestellt. Anläßlich der Erwähnung der Huldigung läßt Ottheinrich  vorsorglich hinweisen ‑ es war ja der Friedensreichstag zu Augsburg knapp ein Jahr zurückgewesen mit seiner weitreichenden Bestimmung ‑ "... soll und will dieselbige Ihre Kurfürstliche Gnaden hierzu Maß und Ordnung halten, damit dann noch die Kirche und Untertanen gottseliglich versehen und allweg bei der Erkenntnis der reinen und wahren Lehre des heiligen Evangeliums, auch Administration der Sakramente nach christlicher Einsetzung und hochgemeldeten Pfalzgrafen Ottheinrich Kirchenordnung (1543) gelassen und davon mitnichten abgehalten ...".

Auch sollten die Untertanen bei ihren Rechten nicht beschwert noch gedrungen werden.

"... Die Öffnung mitsamt Erbhuldigung obliegt den Landesfürsten, Reis‑ und Landsteuer samt Ungeld ebenso."

Dorothea muß ihre Amtleute unterhalten (erhalten) aus den Einkünften des Wittums. Wegen der Fahrnis ‑ es sind die kurfürstlichen mobilia ‑ reicht ihr Ottheinrich 3 000 fl. Das Silbergeschirr und Tapezereien werden Dorothea zugestellt.

Die Ämter Auerbach und Eschenbach werden, wie früher ausgemacht, die fehlenden Pensionsgelder aufbringen.

Am 8. August wird der "Abschied" vom 1. Mai vollstreckt: Dabei wird noch vermerkt, daß das zu liefernde Getreide (Teil der Pension) aus den Neumarkter Ämtern stammen wird. Stroh für die Hofhaltung in Neumarkt wird ebenfalls von dort geliefert, wobei man den Schober zu 1/2 fl anrechnet. Ungewöhnliches Scharwerk darf von den Untertanen nicht verlangt werden. Die sogenannten kleinen Wändel (Fälle), Frevel und Bußen, bis jetzt in kurfürstlicher Hand, werden "zur Erhaltung des Gehorsams der Untertanen" ihr überlassen. Aber die Malefizfälle oder hohe Frevel bleiben kurfürstlich.

Es muß aber Ernst gebraucht werden, "damit nicht aus Zusehung oder linder Straf des Übels die Leichtfertigkeit überhandnehme ..."!

Die angesetzten Strafgebühren "sollen der Wittibin, Frau Dorothea, der dritte Teil zur Ergötzlichkeit an Unterhaltung der Diener und Amtleute gefolgt und die anderen zwei Drittel Ihrer kurfürstlichen Gnaden .."

Amtsregister und Salbücher sollen zum Schultheißen in Neumarkt gebracht werden. Besetzung der Ämter mit tauglichen Personen bleibt Dorothea überlassen.

"Und dieweil auch jüngstem Abschied nach Ihre Fürstlich Durchlaucht der christlichen Religion halb sich bewilligt hat, darin solche Maß und Ordnung zu halten, damit die Kirche und Untertanen gottseliglich versehen und allweg bei der Erkenntnis der reinen und wahren Lehre der Evangelii samt Administration der Sakramente nach christlicher Einsetzung und hochgedachten Kurfürsten Kirchenordnung verbleiben, so soll es auch nochmal dabei bestehen; allein da etwa die Amtleute derlei Änderung vornehmen würden, soll sich Ihre Kurfürstlichen Gnaden zu Ihrer Durchlaucht des freundlich getrösten, wie sie selbst demselben nicht werden stattgeben, sondern mit allem Fleiß und Ernst unterbauen und abwenden, wie sie sich dessen zu tun selbst christlich erboten hat".

Mit der landesfürstlichen Obrigkeit, Erhaltung des Geleites, der Land‑ und Reichsstraßen, der zwei Geleitknechte zu Neumarkt, der Zölner zu Erasbach, des Stadtknechtes etc. hat Dorothea nichts zu tun.

Die Besichtigung der Gebäude (die ihr zustehen) wird von Amberg aus erfolgen. Ottheinrich wird Dorothea vom kurfürstlichen Kasten zu Neumarkt "zu Anfang der Haushaltung allerhand Getreide, was sie braucht, vorsetzen (= vorstrecken)". Dasselbe darf der Kastner auch in den folgenden Jahren tun.

Die Jahrespension von 5 000 fl (bar und in natura) wird nochmals bestätigt. — Bei dieser "Vollstreckung" waren zugegen Ottheinrichs Räte Chrsistoph Landschad von Neckarsteinach, Johann Ludwig Castner, Lic. jur., Kanzleiverwalter und Hans Steinhauser, Rentmeister zu Amberg.

Man wird unschwer erkennen, daß Ottheinrich der "Prinzeß der nordischen Reiche, der Kaiserlichen Majestät Mömlein, Durchlauchtigste Dorothea" aufnmerksam entgegengekommen ist.

Freilich bedauert es der Verfasser dieser Zeilen, daß er nicht staatsrechtskundlich geschult und ergesetzlich ausgebildet ist. Aber er wollte trotzdem diese wertvollen acat in irgendeiner Weise vorzeigen und mit diesem actu geehrte Juristen auf Doctoratssuche an Universitäten reizen, Dorotheas Heiratsverschreibung 1535 und Wittumszuteilung 1535 bzw. 1556 juristisch zu durchsuchen. Erst dann wird die volle Klarheit in diesen Dingen herrschen. Jedenfalls bleibt es eine Ungereimtheit der Welt— und Reichs— und Kirchengeschichte, daß die Schwester des Kaisers, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, evangelisch geworden ist und in Dorothea zu Neumarkt, Amberg und Heidelberg eine gleichgesinnte Nachfolgerin — ohne Zwang! gefunden hat. Wer kann die Herzen ergründen? Wer das große Werk Karls V. etwa durch K. Brandis reiches Buch kennengelernt hat, wird ihm vollen Respekt zuteil werden lassen für seine religiöse, konfessionelle Einstellung!

Und wer seiner Schwester Isabella, Königin der nordischen Reiche, und ihrer fröhlichen Tochter Dorothea, Statthalterin der oberen Pfalz, Kurfürstin bei Rhein, Witwe zu Neumarkt, Geschick und Leben kennt, wird ihnen auch nicht den Respekt versagen für ihre andere Gesinnung. Es galt auch bei den Fürstlichkeiten unseres alten Reiches, was im einfachen Volk galt: wir sind Brüder, aber verschieden. Und wir sind Geschwister, aber verschieden. Gott ist kein Fabrikant der genormten Dinge, sondern ein unergründlicher, reicher Schöpfer der vielfältigen Kreaturen ‑ auch in einer einzigen Familie!

Und das sollte uns in unserer kirchlichen, politischen, wirtschaftlichen und anderen Verhältnissen und Aufgaben zum göttlichen Respekt voreinander bewegen ‑ ohne den Terror der Straße, ohne den Terror der Ideologien, ohne den Terror der einrissigen politischen Systeme auch der Moderne! Gottes Einheit und Einigung besteht nicht in der äußeren Uniformierung ‑ die braucht der Soldat zum öffentlichen Schutz seines Sonderstandes ‑, sondern in der Darbeitung, Entfaltung und Symphonie seiner vielfältigen Farben, Töne, Arten, Menschen!

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