Donnerstag, 6. August 2015

Die Mansfeldischen in der Oberpfalz

Die Mansfeldischen in der Oberpfalz
Ein geschichtlicher Beitrag von Jordan Fuchs
(1910)

In der ungemein umfangreichen Leidensgeschichte der Oberpfalz erzählt das Jahr 1621 von einer der schrecklichsten Kriegsgeißeln, die je ein Land auf Gottes Erdboden verspüren sollte. Ein wirklich bunt zusammengesetzter Heerhaufen, jedweder Menschlichkeit bar, geschart um einen rücksichtslosen Führer, wühlte und suchte sich eine Stätte, worauf der Krieg wieder den Krieg ernähren konnte und fand dabei unseren damals gottgesegneten Landstrich mit seinem zeitlich zu höchst stehenden Bergbau und Wohlstand, mit seinen wohlangebauten Fluren und geschäftslauten Dörfern, auf welche prunkende Schlösser und reiche Klöster niederschauten. Diese Soldaten mit ihren Weibern und Kindern, nach ihrem Feldherrn, dem Grafen Ernst von Mansfeld kurz die Mannsfeldischen genannt, haben wohl mit den 1633 nachfolgenden Schweden so gewaltig und in barbarisch grausamer Weise in das Geschick der Oberpfalz eingegriffen, daß nur die zäheste, ausdauerndste Liebe der nachmaligen Bewohner zur heimatlichen Scholle  es wieder ermöglichte, aus einer geschaffenen Wüstenei wieder ein einigermaßen bewohnbares und nährendes Land zu machen.
Ernst von Mansfeld
Ernst von Mansfeld, eigentlich Peter Ernst II. Graf von Thalmansfeld im jetzigen Bezirk Merseburg, war geboren 1580 in Luxemburg als Sohn des nachmaligen Fürsten Peter Ernst I. von Mansfeld aus einer kirchlich nicht anerkannten Verbindung desselben mit der schönen Niederländerin Anna von Benzareth. Nach edelmännischer Erziehung und als bereits gefürchteter Parteiführer trat er in Kriegsdienste und ward 1618 General der Artillerie und Oberst eines Infanterie-Regimentes in Diensten der gegen den Kaiser aufrührischen Böhmen. Ferdinand II. erklärte ihn deshalb in die Reichsacht. Aber er fühlte sich auch von Friedrich V., dem erwählten Böhmenkönig zurückgesetzt und übergangen und blieb deshalb bis nach der Schlacht am Weißen Berge am 8. November 1620 untätig in Pilsen, das er bereits zwei Jahre zuvor erobert hatte und seitdem besetzt hielt. Nach der bald darauf erfolgten Übergabe dieser Stadt an die Kaiserlichen sammelte er einen großen Teil des zersprengten böhmischen Heeres, zog englische und pfälzische Hilfstruppen an sich, die er alle, da er selbst ziemlich unbegütert war, durch Rauben und Plündern sich ernähren ließ.

Um die ersten Frühlingstage 1621 kündeten gewaltige im Osten aufsteigende Rauchsäulen, den Orten Waidhaus, Eslarn und Vohenstrauß, sowie deren ganzen Umgebung die Ankunft dieser barbarischen Krieger. Schon einige Nächte zuvor war in dieser Richtung Feuerschein zu bemerken. Allmählich kamen die ersten Flüchtlinge und Hiobsboten: abgehetzte Greise, bleiche, müde Kinder, zu Tod erschrockene Frauen und Mädchen, geschart um ergrimmte Männer, die eine armselige Habe auf dem Rücken mitschleppten oder auf Handkarren vor sich herschoben. Es waren größtenteils Hammerleute von den vereinsamten Werken in den Wäldern dieser Gegend. Vereinzelt wurden auch Rinder und Ziegen mitgetrieben, Hunde umkreisten die prozessionsähnlichen Wanderzüge. Viel Vieh blieb bereits auf den von den Flüchtenden gewählten, fast unpassierbaren Wegen liegen oder lief frei auf den noch mit Schnee bedeckten Fluren umher, Plan und ziellos ging der Zug des Elends und der Not weiter. Neue Flüchtlinge schlossen sich an, andere suchten Verstecke. Die beherzten Bürger der betroffenen Orte hielten in Eile öffentliche Beratungen ab. Nachdem alles meist darüber einig war, daß wegen des drohenden Vollzuges der über Friedrich und seinen Besitz ausgesprochenen Reichsacht durch die anrückenen unbekannten Truppen auf Gnade für das unglückliche Land nicht zu rechnen sei, wurde größtenteils an eine Gegenwehr nicht gedacht, sondern die Flucht vorgezogen. Nur vereinzelte Ratsversammlungen beschlossen, das Leben und die Heimatverteidigung zu wagen. Die kirchlichen Gefäße und sonstige Kostbarkeiten wurden vergraben oder in unzugängliche Verstecke gebracht. In Altentreswitz wurden die Wertgegenstände in einen geeigneten Keller geschafft, die Tür dem Erdboden gleich vermauert und eine Düngerstätte darüber errichtet. Niemand ahnte, daß unter diesem Ablageort der handsame und bare Reichtum eines bedeutenden Eisenhammerdorfes verwahrt lag. Die größte Sorge eines Familienvaters war natürlich die um die Seinen selbst, um die Frauen und die erwachsenen Töchter, wie um die Kinder. Die vorhandenen Gespanne nahmen sie meist nach herzereißendem Abschied auf, um sie womöglich nach Vohenstrauß, Wernberg, Leuchtenberg oder in eine andere der naheliegenden Festen zu bringen, wo ihnen aber oft ein noch schrecklicheres Los nach deren Eroberung bevorstand, als wenn sie in den Heimatdörfern verblieben wären. Es gab aber auch viele Leute und sogar liederliche Weibspersonen, welche in den Schenken ihre Angst durch Berauschung zu unterdrüken suchten und sagten, sie zögen mit den Mansfeldischen. Von vielen Ortsgeistlichen damalier Zeit wird berichtet, daß sie das Volk zu trösten suchten und daß sie sich bei Ankunft des Feindes meist in die damals schon ziemlich häufigen und fast in jedem größeren Orte betehenden Armenspitäler begaben um Schonung für diese selbst, den Ort und die Kirche zu erbitten. Ihnen schlossen sich auch oft die Ratsherren an. Die Kirchen waren meist der Raublust der Mansfeldischen am ärgsten ausgesetzt. Die Kirchenpfleger legten die Barbestände auf die Ältäre nieder und hingen die Schlüssel an die Kirchentüren. Überall erklangen unablässig und schaurig die Sturmglocken; sie läuteten zum Untergang des oberpfälzischen Wohlstandes und riefen, indem sie um Hilfe für Hab, Gut und Leben schrien, ihr Sterbegebet zum Himmel.

Die Zahl der Mansfeldischen dürfte bei 12000 Mann gelegen sein. Der Heerhaufe war in Fähnlein geteilt, welche unseren Kompagnien entsprochen haben mögen. Auf dem Marsche wälzte sich die Schar ganz regellos fort. Die Mansfeldischen führten Hakenbüchsen mit sich, welche Bleikugeln von 100 bis 200 g schossen. Zum Abfeuern dienten hierbei in den Boden gesteckte Auflager oder Surketten. Jedes Fähnlein plünderte auf deinem Wege für sich; die Verbindung mit dem Oberkommando war aber stetig. In der Regel erschienen vor den bedrohten Orten erst vereinzelte Reiter, welche in brüsker und barscher Weise für Mansfeld die Übergabe des Ortes auf Gnade und Ungnade verangten. Wurde diese gewährt, oder waren die Häuser überhaupt verlasssen, so quartierten sich die Vorposten ohne weiteres ein. War aber der Ort auf Gegenwehr gefaßt oder ergriff er diese sogleich, so zogen sich die Reiter zurück, um den Nachrtrupp als Verstärkung zu erwarten.
Kriegsfurie
Gewöhnlich begann dann unter Beschießung und Bearbeitung mit Brechwerkzeugen die Sprengung der Tore, bei denen häufig grauenerregende Gemetzel stattfanden, bis die Übermacht der Mansfeldischen entschied. Gefangene oder auf sonst eine andere Weise in die Hände der Mansfeldischen Gefallenen wurden mit wenigen Ausnahmen in Massen hingerichtet, Kinder wurden ihrem Schicksal überlassen. Frauen und Mädchen in unmenschlicher Weise geschändet, so daß sie oft in der Verzweiflung den schrecklichsten Selbstmord einer Gefangennahme vorzogen. Die Chronisten erzählen, daß sich solche von Türmen oder in Tiefen stürzten, in die Flammen oder in Gewässer sprangen, durch Gift töteten oder sich gar von den Ihrigen den Tod als Erlösung erbaten.

Um aus der unglücklichen Bevölkerung den letzten versteckten Pfennig oder sonst ein anderes Gut herauszupressen, verübten die Mansfelder Barbareien und Marterprozeduren, die brutale Abscheulichkeiten sondergleichen darstellen. Sicherlich wird in dieser Beziehung den nachgefolgten Schweden viel auf das Kerbholz geschrieben, was die Mansfelder anzettelten, wenn auch die Schweden rohe Gesellen waren. Aber auch die Mansfelder hatten ihre "Folterspezialitäten", wie das "I Mansfelder Laden", das "II Krähenfangen", das "III Mansfelder Fußwärmen" und die "IV Daumenbüchseln". Der Chronist Staudt aus Landshut berichtet darüber:
"Da haben sie ad I den Leuten von den Pistolen zwischen die Finger gesteckt, so lange hin- und hergefahren, bis auf das Bein hinein, danach mit Salz gerieben. Da haben sie ad II den Leuten die Köpfe mit Stricken zusammengedreht, daß ihnen die Augen weit aus dem Kopf heraustraten, da haben sie ad III die Leut barfuß mit den Fußsohlen gegen einen heißen Kachelofen gesetzt, einen Kamm genommen, die Fußsohlen damit gekitzelt, daß keine Marter das Geld habe eher herausbringen können, als diese. Da haben sie ad IV hölzerne Büchslein gehabt, wo nebenher Schrauben waren. Da haben die Leut müssen die Dauem hineinstecken. Dann haben die Soldaten die Schrauben zugeschraubt, daß das Blut in die Büchslein hineingeloffen. Und noch viel anders Gottlose und Schandbare haben sie getan an Weibern und Kindern. Ist mancher Mensch von solch furchtbarer Marter gestorben, oder sonst sein Lebtag keine gesunde Stunde mehr gehabt."

Diese Quälereien drücken dem Mansfeldischen Zug eine besondere Zügellosigkeit auf.
Einige Stunden nach der Eroberung oder Besitznahme eines Ortes traf dann der große Wagenzuig mit den Weibern und Kindern der Mansfeldischen unter starker Bedeckung ein. Die Wagen enthielten viel geraubtes Gold- und Silbergeschirr. Auf elende Karren waren die häufig mitgenommenen Geiseln, meist hochangesehene Bürger bereits verwüsteter Orte, gebunden, die nach einer gewissen Zeit hingerichtet wurden, sofern nicht ein bestimmtes Lösegeld für sie oder auch einen gefährdeten Ort erlegt wurde. Hatten die Mansfeldischen ihre Toten begraben, so begann in den besetzten Orten, auf deren Straßen und Wegen noch die vielen Leichen getöteter Ortseinwohner umherlagen, das Schmaus und Trinkgelage. Inzwischen wurden auch die Häuser tüchtig durchucht und ausgeplündert, an welch sauberem Geschäfte auch die Weiber und Kinder mittaten. Blieb der Troß längerer Zeit im Ort, was sich meist an der Menge der vorgefundenen Vorräte bemaß, so wurden Wachen ausgestellt und selbstgewählte Quartiere bezogen. Ging es aber gleich wieder weiter. so wurde der Ort angezündet. Das Feuer wurde kurz vor Aufbruch und meist von der Bedeckungsmannschaft des Weiber- und Kindertransports gelegt und beachtet. daß es auch alles ergriff.

Krieg ist etwas schreckliches, doppelt schrecklich in solcher Gestalt! Wem es damals beschieden war, ein schützendes Versteck zu erreichen und wer nach dem Wegzug der Mansfeldischen seine Heimat wieder aufsuchen konnte, was fand er? Rauchgeschwärzte Mauern und Steinhaufen, verwesende entstellte Leichen lieber Teurer und Bekannter. Zerborstene Glocken und öde Kirchen. Das Wetter verwusch das Herzblut heldenmütiger Oberpfälzer im Grunde und heiliger wird dieser Boden ihren Nachkommen.

Nach Aufzeichnungen des Bergwerksbeamten Johann German Barbing darf  entnommen werden, daß das seinerzeitige Pflegamte Treßwitz (Burgtreßwitz) die ersten Greueltaten der Mansfeldischen durchmachte. In diesem Bezirk führt Genannter als von ihnen bis auf den Grund zerstört oder niedergebrannt an die Eisen- und Schienhämmer des Pflegverwalters Bartolomäus Gering zu Gröbenstätt, des Peter Grüner zu Altentreßwitz, des Hans Sebastian von Stein zu Unterwaltenried, des Georg Willibald Kastner zu Premhof und des Melchior Widerherr in Ströbl bei Waidhaus. Es braucht wohl nicht eigens angeführt zu werden, daß alle inzwischen liegenden Ortschaften und Einöden das nämliche Schicksal ereilte. Die Mansfeldischen schienen sich dann mehr nach Süden gewandt zu haben oder es ist ein anderer Haufen Kriegsvolk über Böhmen dorthin gekommen. Im Pflegamt Tännesberg führte genannter Bericht als von ihnen zerstört an: Böhmischbruck, Woppenrieth, Teunz und Luckahammer mit ihren Eisenwerken, dann den ganzen Herrschaftsbezirk Winklarn mit Gaisthal und Schneeberg, die Hofmark Dieterskirchen und den Pflegamtsbezirk Waldmünchen. Barbing führt von 83 Hammerwerken in der Oberpfalz 64 als zerstört an. Ob nun gerade die Mansfeldischen in jede Gegend der damaligen Oberpfalz gekommen sind, möchte doch dahingestellt sein, denn es darf nicht übersehen werden, daß diese Scharen ungefähr nur von März bis August 1621 in der Oberpfalz lagen, während die 1633 nachfolgenden Schweden ebenfalls diesen Landstrich länger verheerten und Barbing seinen Bericht erst 1666 erstellte. Bei den Verwüstungen in der Neunburger und Waldmünchener Gegend traten Herzog Max und sein Feldhauptmann Tilly den Mansfeldischen Scharen entgegen und drängten sie zurück. Max I. eroberte auf seinem Zug Cham, Amberg und Neumarkt. Ernst von Mansfeld wandte sich infolgedessen mit seinen Truppen. alles verwüstend über Schwarzhofen, Nabburg und Schnaittenbach in das Landrichteramt Auerbach, um sich allmählich zu entschließen, die Oberpfalz zu verlassen.

Bei dem Schlosse Fischstein, das damals der Stadt Auerbach gehörte und nach Michelfeld zum Kloster zins- und steuerbar war, hatten die Mansfeldischen gegen Tillys Truppen bereits Kampfstellung bezogen, doch scheint dieses von Mansfeld nur ein Scheinmanöver gewesen zu sein, um für den größten Teil seines Heeres einen Vorsprung an den Rhein zu gewinnen; denn plötzlich zogen sie ab und damit dürfte die Oberpfalz zumindest von diesen Peinigern vorerst befreit geworden zu sein.

Ernst von Mansfeld ist durch viele Enttäuschungen und durch nichtgehaltene Versprechungen des Erzherzogs Leopold im jülisch-klevischen Erbfolgestreit, wo er in Schleiden bei Aachen überfallen und gefangen, aber von Leopold nicht losgekauft, ja nur mit Spott und Hohn belohnt wurde, zum Betritt zur Union veranlaßt worden. Er war von unansehlichem, sogar hälichem Äußeren. Der Tod ereilte ihn 1626 im bosnischen Dorfe Rakowitza bei Sarajewo. Er erwartete denselben im vollen Waffenschmuck und stehend, auf zwei Diener gestützt. Zu Spalato in Dalmatien liegt er begraben. Werden jetzt die schrecklichen Drangsale der Oberpfalz aufgezählt, so wird ohne bitter schmerzliche Erinnerung sein Name nicht ungenannt bleiben können.

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