(Kirchweih Eurfeld = Kircheneidenfeld 1555)
Von Dr. Hans Ammon
Von Dr. Hans Ammon
Als ich im Sommer 1930 zur Aushilfe in einer unserer ehemaligen Reichsstädte weilte, erzählte mir ein Pfarrer aus dem Hahnenkamm, daß er endlich die Kirchweih seines Ortes habe abschaffen können. Und er meinte damit den übertriebenen Rumor bei solchen Volksfesten. Ich mußte natürlich staunen über seine energische Tat, konnte aber kein rechtes Urteil zur Sache abgeben, da ich selber als geborener Kleinstädter — aber in wesentlichen Jahren im Waisenhaus aufgewachsen — etwas abseits der ländlichen Kirchweihen hatte leben müssen. Später, als ich selber in einer großen Landpfarrei auf dem Jura (90 qkm!) mit Furcht und Zittern als junger Pfarrer anfing, ging mir langsam ein helles Licht auch über die wesentliche und unwesentliche Kirchweih auf dem Lande auf, und ich konnte zwar den Pfarrer vom Sommer 1930 verstehen, aber seine Aufhebung der Kirchweih nicht gutheißen; denn der Mißbrauch hebt den rechten Gebrauch nicht auf. Und heute, da man fast jeden Tag durch die modernen Apparate Lustiges, Ulkiges, Scherzhaftes u. a. hören und sehen kann auf seinem häuslichen Sonderstuhl, schwindet natürlich die eigentliche Kraft echter Kirchweih dahin. Die tägliche oder wöchentliche Schau und Anhörung lustiger Geschichten, Bilder etc. zehrt an der echten Substanz des Lebens. Kehren wir zurück zu unsern geliebten Akten und lesen und hören wir, wie das einst war an der Grenze unserer beiden rechtsrheinischen Pfalzen.
Lutzmannstein, eine der Hofmarken der Herren Stiebar von Buttenheim bei Bamberg, gehörte zum Territorium der jungen Pfalz.
Herr Stiebar bzw. sein Pfleger auf Lutzmannstein, Jörg Grosmann, versahen bei der kleinen Kirche zu Eurfeld oder Kircheidenfeld den sogenannten Kirchweihschutz als anerkanntes Recht der Hofmark Lutzmannstein. Aber die nahe Kurpfalz hatte den sogenannten „Hohenfelser Hof zum Schenken“ in Kircheidenfeld als ein exterritoriales Stück Land in der Jungpfalz. Und das tat eben nicht gut. Das zeigte sich auch bei der Kirchweih in Kircheidenfeld 1555 und ihren aktenkundigen Nachspielen.
Herr Pfleger Grosmann mußte am 20. August 1555 seinem Herrn in Buttenheim folgendes klagen und schreiben: „Der Hohenfelser (kurpf.) Pfleger, Leonhard von Kemnath, war im „Hohenfelser Hof zum Schenken“ im Kirchweihort eingekehrt. Bei Beginn des Tanzens haben die jungen Gesellen (des Dorfes) zwei Pfeifer (wie früher) aufgestellt zum Aufspielen. Aber die Hohenfelser hatten auch zwei Pfeifer mitgebracht, und sie schafften die andern zwei ab. Der Amtsknecht — jungpfälzisch — ließ den Kirchweihfrieden ausrufen bei 10 fl Strafe. Das ist dem Hohenfelser Pfleger angezeigt worden. Dieser Pfleger verließ den Hohenfelser Hof und entfernte den Lutzmannsteiner Amtsknecht. Der wollte aus Furcht folgen, aber er wurde durch Einheimische zurückgerufen auf seinen Dienstplatz. Der (andere) Pfleger packte ihn daraufhin an und schüttelte ihn hin und her, fluchte dazu und schrie ihn an, er soll den Lutzmannsteiner Pfleger beibringen. Da kamen zwei fremde (auswärtige) Männer gelaufen. Der Hohenfelser Amtsknecht wollte sie greifen, aber der eine Geselle lief in Friedls Gut der Lutzmannsteiner Herrschaft. Der Knecht lief ihm nach (überschritt also die gebotene Grenze des Landes!) und nahm ihm seine Wehre. Der Hohenfelser Pfleger bestand auf kurpfälzischem Kirchweihschutz! Die Hohenfelser nahmen also den fremden Gesellen gewaltsam mit sich fort und führten ihn in den Hohenfelser Hof. Da wollten sie 10 fl von ihm haben, als Strafgeld; schließlich verlangten sie nur einen Taler. Da er aber das nicht hatte, ließ ihn der Hohenfelser Pfleger verstricken.
Dann schoß er wiederholt in die Luft, ritt nach Lutzmannstein hinauf und schoß auch dort. Der Lutzmannsteiner Pfleger hörte ihn an und notierte sich den kurpfälzischen Anspruch auf den Kirchweihschutz in Kircheidenfeld. Sein Bericht an die Neuburger Regierung gab ihm aber nicht recht; denn dort las man: „Der Kirchweihschutz zu Kircheidenfeld steht der Kurpfalz zu!“ So mußte sich Jörg Grosmann dazu „gehorsamst“ belehren lassen und das kurpfälzische Recht anerkennen. Von der Kirchweih im August 1555 bis zur Neuburger Antwort waren unterdessen acht Monate vergangen! Die „Amtsschimmel“ wieherten damals noch langsamer und bedächtiger als heute.
26 Jahre später — 1581 — konnten die Lutzmannsteiner Vertreter triumphierend melden: Es leben noch zwei Pfeifer, die vierzig Jahre in Eurfeld (Eidenfeld) aufgespielt haben: Hans Wirner bei 70 Jahren, Leonhard Ruepel, Schmidheim, an die 60 Jahre.
Wirner ist vierzig Jahre, Ruepel sechsunddreißig „unter der Linden auf einer Bank gestanden am Kirchweihtag und haben aufgespielt und die Tänz gemacht! und Pfarrer Endres Weiß aus Hohenfels, Kurpfalz, 27 Jahre heraufgezogen (aus dem Hohenfelser Tal) und dort (in Eidenfeld) gepredigt!“ — Da möchte man mit Walther von der Vogelweide singen und sagen: Tandaradei — unter der Linden — und möchte auch hier die guten lieben Linden unsers Landes bei solchem fröhlichen Tun in Ehren besuchen!
Vierzig Jahre später kam es abermals dort zu Irrungen. Pfleger Anton Schmauß auf Lutzmannstein stellte 1592 fest: Die Kirche zu Eidenfeld gehört zur Herrschaft Lutzmannstein. Die Malefiz (Hohes Gericht) auf den Höfen steht ebenfalls bei Lutzmannsteiner Herrschaft Stiebar. Der Pfarrer zu Hohenfels, Kurpfalz, war im Jahre nur einmal — bei der Kirchweih — zum Gottesdienst dort, sonst das ganze Jahre nicht. Die Kirche ist vernachlässigt und wird einfallen.
Das Dorf stellt sechs Mannschaften und gehört zu drei Herrschaften: 1 Hof, 1 Gut und das Huthaus gehören zum kurpfälzischen Amt Hohenfels; 1 Hof mit seiner Mannschaft gehört zum Gut Heimhof (kurpfälzisch); 2 Gütlein gehören zur Herrschaft Lutzmannstein.
Da haben wir also auf kleinstem und entlegenem Raum die ganze bunte Vielfalt und Herrlichkeit des alten Reiches.
Heute ist Lutzmannstein und sein Dörflein Eidenfeld abgesiedelt für die Zwecke des Truppenübungsplatzes Hohenfels; auch da hat die Kurpfalz noch gesiegt! Bei meiner Heimwanderung als gebrandmarkter entlassener Soldat — die Brandmarkung geschah nicht mehr auf die Haut, sondern auf die Soldatenmütze! — an Pfingsten 1945 kam ich auch über den Bergwald herunter und über Schmidheim an Eidenfeld vorbei und wanderte still nach Lutzmannstein hinauf am späten Abend, und gerade dort, etwa eine Stunde vor der einbrechenden Nacht, läutete man in Schmidheim das Gebetsglöcklein für die damals arg verstörten Umwohner (ca. 30 000 entlassene Polen, Ukrainer u. a. hausten oben im Lager Nainhof und holten nicht nur ein Lamm, sondern herdenweise das Klein- und Großvieh aus den umliegenden Orten des schönen Juralandes). Ich bin nur einem der neuen Herren aus dem Lager begegnet — man hatte mich in Hohenfels gewarnt vor der Durchwanderung Hohenfels — Eidenfeld! — aber der „Sieger“ lag stockbetrunken in einem grünen Graben! Das Abendläuten und der freundliche Abendsonnenschein auf das Ländchen dagegen erinnerten mich an den guten Frieden, und das alte Abendgebet kam auch aus meinem Mund und Herzen: „Lieber Mensch! Was mags bedeuten dieses Abendglockenläuten? Es bedeutet abermal deines Lebens Ziel und Zahl. Dieser Tag hat abgenommen — so wird auch der Tod einst kommen. Lieber Mensch, so schicke dich, daß du sterbest seliglich!“ — Damit war ich trotz Lager und Wanderung und Niederlage und Brandmarkung und verstörter Leute doch im Gebet daheim — bei Dem, der auch den Leuten des abgesiedelten Dörfleins Ursprung, Mitte und Ziel gewesen ist und gegeben hat und noch erhält!
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Quelle: Staatsarchiv Amberg, Neuburger Abgabe 1911, Nr. 12431—12434.
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