Sonntag, 2. August 2015

Aus alten Akten der Oberpfalz

Alte Akten der Oberpfalz erzählen von unsicheren Zeiten: „ ... welcher nur das bloße Hemd, auch 7 Schuß und Stich an seinem Leib gehabt."

1632 - das 14. Jahr des 30jährigen Krieges! Schweden und Kaiserliche hatten sich an der alten Veste wochenlang erfolglos bekämpft und nach dem Abzug beider Heere war das Land weithin ausgeblutet, verwüstet und ausgeraubt wie überall im armen heiligen römischen Reich. Wie immer nach großen Kampfhandlungen, trieb sich marodierendes Raub- und Mordgesindel im Land umher und natürlich war diesen Banden das offene Land, dessen Bewohner keine schützenden Mauern um sich hatten, fast schutzlos ausgeliefert. Von einer Mordgeschichte, wie sie sich in diesen Tagen öfters ereigneten, berichtet uns ein Grenzbereitungsakt vom Jahr 1639, aus den Beständen des Staatsarchives Amberg:
In Lengenfeld bei Velburg amtierte im Jahr 1632, als Gerichtsschreiber des damaligen Pflegers Michael Blob, Christof Perstaller und bemühte sich in diesen unruhigen Zeitläuften seine Pflichten so gut als möglich zu erfüllen.

An einem Novemberabend hörten die Bewohner von Kleinalfalterbach aus dem „Zieget", (einer Waldabteilung zwischen Finsterweiling und Harenzhofen) wüstes Lärmen und Schießen. Kurz danach polterte ein Trupp Reiter durchs Dorf und verschwand wie ein Spuk im Dunkel der Nacht. In diesen unsicheren Zeiten war es kein Wunder, daß - wie Perstaller berichtet - „... als die Unterthanen solches Schießen und Lärmen gehört, hat deren keiner sich, weilen es Herbstzeit und ganz kalt, auch gegen die Nacht gewesst, aus Furcht nicht hinaus gewollt". Man kann es sich gut vorstellen, wie die Kleinalfalterbacher vor Angst und Schrecken hinter ihren verrammelten Haustüren zitterten, aber dann scheint doch die Neugierde über die Angst gesiegt zu haben, und einige gingen vorsichtig in den Wald hinauf, um zu sehen was sich da ereignet hatte, denn Perstaller fährt in seinem Bericht fort: „ . .. und ist solcher Reuter, von der Wahlstatt, wo er durch seine Mitgesellen erschossen, guter Ackerlängen dreien über das Feld hinunter gegen den Loppenbach in Lorenz Röhlns Holz an die Spitz hinein getragen und mit einem Gipfel von einer Forchen zugedeckt worden". Perstaller erfuhr von dieser Angelegenheit, als am andern Morgen der Gehilfe des Lengenfelder Amtsknechtes von einer Dienstverrichtung aus Kleinalfalterbach zurückkam und von diesem Vorfall Bericht erstattete. Da der Pfleger Blob über Land geritten war, mußte sich Perstaller als einzige vorhandene Amtsperson selbst dieser Sache annehmen, und er berichtet darüber : „ ... darauf ich nicht unterlassen (um) solches pflichtschuldigermaßen meinem Herrn zu berichten und neben etlichen Musketieren mich mit einem Wagen hinaus begeben und solchen erschossenen Reuter, welcher nur noch das blose Hemd, auch 7 Schuß und Stich an seinem Leib gehabt, aufzuladen, nach Lengenfeld zu führen und allda auf Bewilligung Herrn Pfarrers M. Elias Büllings, als welcher solcher Abholung selbst in Person beigewohnt, in den Freithof begraben zu lassen". Da die Leiche auf oder hart an der Grenze gelegen hatte, wollte auch das Pflegamt Velburg, nachdem es ebenfalls von diesem Vorfall Kenntnis erhalten hatte, den Toten abholen, kam aber zu spät, da Perstaller der Schnellere gewesen war. So erhob der Velburger Pfleger dreimal Protest und drohte den Toten mit Gewalt aus dem Lengenfelder Friedhof ausgraben und dann in Velburg begraben zu lassen. Doch blieb es nur bei der Drohung, und die Ruhe des Toten wurde nicht gestört. Besonders bemerkenswert ist es, wenn Perstaller in seinem Bericht fortfährt: „ ... Da aber dieselben Reuter bei jenen Unterthanen vorüber und meines Dafürhaltens (Wissens) selbe Nacht in der Grafschaft Breiteneck einen Bauern noch geplündert und der Erfahrung nach zu Leinburg im nürnberger Gebiet ihre Beute untereinander geteilt haben ....". Perstaller erfuhr - und wie es scheint - fast schneller als die heutige Polizei, die weiteren Untaten und den Weg dieser Raub- und Mordbande, obwohl ihm noch keines der heutigen Nachrichtenmittel zur Verfügung stand. Aber er hatte das, was heute noch z.B. in Kanada und Alaska der als „Buschtelegraph" bezeichnete Nachrichtendienst besitzt: die Weitergabe aller Vorfälle und Neuigkeiten durch reisende und herumziehende Händler, Kaufleute, Landstreicher, Handwerksburschen und all das Volk, welches damals die Straßen bevölkerte. Die Behörden, der aneinander grenzenden Länder und Ländlein halfen sich gegenseitig wenig, eher warfen sie sich Prügel zwischen die Beine.
In der Turbulenz dieser Zeit waren solche Mordgeschichten nahezu an der Tagesordnung, und nur wegen der damit verbundenen Grenzstreitigkeit erwähnt Perstaller sie in einer Grenzbeschreibung im Jahr 1639. Aber darüber hinaus wird uns durch dieses Episode ein lebendiges Bild jener Tage vermittelt und die Kenntnis davon, wie unsere Vorfahren mit ihren Problemen fertig werden mußten.
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Quelle: Staatsarchiv Amberg Generalgrenzakten 15 I a.

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