Dichtung und Wahrheit um Dr. Fausts Wanderfahrten.
War Faust in Regensburg?
Von Dr. Josef Ehrlich
War Faust in Regensburg?
Von Dr. Josef Ehrlich
Grenzenlos
wuchs nach dem Tode des Erzzauberers, Nikromanten und Teufelsbündners
Dr Johann Faust (um 1540) der Kreis der Sagen über seine Zaubereien,
Hellseherkünste und Gauklerwerke. Das Anschwellen der Fama nahm von Jahr
zu Jahr zu und wurde durch den Geist der damaligen, theologisch
erregten, übersinnlich denkenden Zeit außerordentlich begünstigt. Selbst
solche Taten, die zeitgenössische Magier, Alchemisten oder Wahrsager
für sich hättten buchen können, wurden kurzerhand — nach entsprechender
Ausschmückung — dem Faust, als dem Liebling des deutschen Volkes
gutgeschrieben.
Da sich nun Mephisto durch den Pakt ausdrücklich zu jeglicher Dienstleistung verpflichtet hatte,
"ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinem Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wiederfinden,
So sollst du mir das Gleiche tun"
So
mußte er sich auf Wunsch seines Herrn schleunigst in ein geflügeltes
Pferd verwandeln, um den Doktor in eiligem Flug durch die Länder tragen
zu können. Auf diesen Luftfahrten wurde dann, wie das Faustbuch von 1587
(bei Johann Spies in Frankfurt) berichtet, Deutschland und Ungarn,
"Böhem" und Polen, Pannonien und Thrazien, das "Moskwiterland",
Nordafrika und Ägypten besucht; ja sogar beim Sultan Soliman in
Konstaninopel landeten Roß und Reiter, dessen Schloß und Serail mit
großem Interesse besichtigt wurden. Ebenso schnell tauchten die Beiden
dann wieder in Magdeburg, Erfurt und Wittenberg auf.
Während sich nun Frau Fama nicht genug daran tun kann, ihren Liebling mit ungezählten Städten in Verbindung zu bringen und seine dort volbrachten Zaubertaten zu schildern, sind exakte urkundliche Belege über Städtebesuche des Dr. Faust nur in außerordentlich geringer Anzahl vorhanden.
Das Ausgabebuch des Kammermeisters des Fürstbischofs Georg III., Schenken von Limburg, in Bamberg, der von Goethes Götz her bekannt ist, weist einen Eintrag vom 15. Februar 1520 aus, wonach "Doktor Faustus Pilosophus" seinem Herrn eine "Nativität" aus den Sternen gestellt und dafür 10 Goldgulden erhalten hat. Die Astrologie stand, wie bekannt, damals in hoher Blüte, die Sternekundigen fanden viel Zulauf und es besaß in der damaligen Zeit fast jeder Fürst, Feldherr oder Staatsmann seinen "Seni", wie ihn Wallenstein hatte. Und so ließ sich dann auch der Bamberger Bischof, der übrigens ein durch Bildung ausgezeichneter Mann und Kunstförderer (Dürer) war, vom Faust ein Horoskop erstellen.
Des weiteren ist durch das Ratsprotokoll der Stadt Ingolstadt vom 17. Juni 1528 ein Besuch Fausts in diesem Ort festgehalten. Dort hat man allerdings mit dem Zauberer anscheinend keine guten Erfahrungen gemacht; weist doch das erwähnte Protokoll den Eintrag auf, "Es solle dem Wahrsager befohlen werden, daß er zu der Stadt ausziehe und seinen Pfennig wo anders verzehre". Der vorsichtige Rat hat ihm aber dabei das Versprechen abgenommen, daß er seine Ausweisung weder "ahnden" noch "äffen" dürfe.
Endlich ist noch durch den hochinteressanten "Ratsverlaß" der Reichsstadt Nürnberg vom 15. Mai 1532 ein Aufenthalt Fausts, zwar nicht in Nürnberg, aber in — Fürth nachgewiesen; diese Verfügung besagt nämlich, es sei dem von Fürth aus nach Nürnberg Einlaß begehrenden "Doktor Fausto, dem großen Sodomitten und Nigromantico zu Fürt" das freie Geleit nach Nürnberg zu verweigern. Mit der Bezeichnung "Sodomit" ist offenbar auf die Verfehlungen des Faust in Kreuznach angespielt, wo sich das liederliche Tuch als Schullehrer in Franz von Sickingens Dienst an Knaben vergangen hat.
Ein Besuch des Wahrsagers in Nürnberg selbst ist übrigens nicht urkundlich belegt, wenngleich durch die von dem Humanisten Manlius aufgezeichneten Gespräche Melanchthons sehr wahrscheinlich gemacht.
Diese Frage ist schlechthin zu verneinen; aber die Sage, nämlich das Faustbuch von Johann Spies (aus dem Jahr 1587) weiß von einem Besuch eines Wunderdoktors in der alten Römerstadt.
Nach den niedergelgten Berichten ist Faust — in welchem Jahr ist in Dunkel gehüllt — auf seinem Zauberroß von Augsburg her nach Regensburg geflogen. Der seltsame Reiter wollte anfänglich in seinem Drang nach vorwärts über die Stadt wegfliegen, aber das Zauberroß Mephisto, das zugleich als Mentor und Reiseführer fungierte, machte seinen Schutzbefohlenen sogleich auf die Bedeutung der berühmten Reichsstadt aufmerksam, erklärte ihm die der Stadt zukommenden sechs anderen Namen (Tiberia, Quadrata, Hyaspolis, Ratisbona u.s.w.) — das Rößlein hatte sich offenbar vor Antritt der Reise an der Hand von Michael Behaims "Chronika und Geschicht" vom Jahr 1465 gut vorbereitet — und hieß den Reiter absteigen. Mephisto führte den Faust auf die "anno 1115 auffgerichtete, künstliche, berümpte, gewölbte Brück" wie auch in eine "Kirch, die zu rühmen ist, zu St. Remigten, ein künstlich werck" (welche Kirche gemeint ist, ist unklar; in Walderdorffs Werk findet sich nichts über eine Remigiuskirche).
Was übrigen das edle Paar veranlaßt hat, die Kirche zu besuchen, ist schwer zu ermitteln; denn gleich darauf hat der Vagant "einen Diebstall getan", welcher Art ist unbekannt. Nechdem noch der Keller des Wirtes zum "Hohen Busch" (vielleicht wegen des guten Weines) besucht worden war, ist dann Faust bald wieder "fortgeruckt" und nach München "ins Beyerland, ein recht fürstkich land" geflogen.
So das Faustbuch.
Nun ist natürlich in diesem phantasieumrankten Bericht für die Frage des Faustaufenthaltes in Regensburg nicht viel gewonnen.
Gleichwohl wird man, trotz des Mangels beweisender Zeugnisse annehmen dürfen, daß der viel umhergeschlagene Abenteurer, der als Wahrsager, Astrolog, Zauberer und Gaukler auf das Publikum größerer Städte angewiesen war, auch die ansehnliche und bedeutende Reichsstadt Regensburg einmal mit einer Gastrolle beehrt hat, zumal er ja auch im nahen Ingolstadt war.
Es wäre also kein falsches noch unhistorisches Bild (im Sinne einer höheren Wahrheit gesprochen), wenn sich der Regensburger etwa vorstellen sollte, wie das "hochruckige" graubärtige Männlein Dr. Faust sinnend vor dem Portal der uralten Schottenkirche steht und seinen Blick über die krausen Skulpturen gleiten läßt.
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