Samstag, 2. Mai 2015

Die Babenberger auf dem Nordgau

Bilder aus ihrer Geschichte zusammengetellt von Konstantin Trammer

In der Geschichte der Markgrafschaft auf dem Nordgau nimmt einen breiten Raum das Geschlecht der Babenberger ein. Ihr Stammschloß stand auf hohem Felsen an der Rednitz, nahe bei Bamberg. Feuerköpfe müssen diese Babenberger gewesen sein, dämonisch in der Liebe und im Haß. Ihre Geschichte ist reich an Wechselfällen, reich aber besonders an Katastrophen, die, selbst im Spiegel jener rauhen Zeit gesehen, erschütternd wirken.

Der Nordgau
Zu Theres (Bez.-A. Haßfurt) modern die Gebeine des unglücklichen Adelbert des Babenbergers, von dessen Mutter, der sächsischen Fürstentocher Baba, die Stadt Bamberg den Namen bekommen haben soll. Sein Vater, Graf Heinrich war 840 im Kampf gegen die Normannen vor Paris gefallen. Damals gebot es die Ritterehre, jedes erlittene Unrecht blutig zu rächen. Was hieß für die Herren jenér Zeit Recht? Was sie mit Gewalt behaupten und, wenn es ihnen danach gelüstete, erraffen konnten. Wohl sprach der König Recht über sie, gebot den Hadernden Landfrieden oder verhängte Strafen, ja die Acht über den, der im Unrecht zu sein schien. Aber auch das war häufig nur der Schwächere von ihnen, oder der getroffene trotzte dem königlichen Spruche und pochte auf sein Schwert.

So lag Adelbert jahrelang in Fehde mit dem Bischof zu Würzburg. Anfänglich aufs Haupt geschlagen wobei zwei seiner Brüder auf der Wahlstatt blieben, fiel er mit verdoppelter Macht im Würzburgischen ein, nach damaligem Kriegsbrauch sengend und mordend. Zwar Gebot im der König (Ludwig IV. das Kind) Einhalt. Aber im Frühjahr 905 unternahm er einen dritten Zug gegen den Bischof und erschlug dessen Feldhauptmann, den Herzog Konrad von Friedeslav (Fritzlar) mit eigener Hand. Nun lud ihn der König nach Tribur, wo Reichstag gehalten wurde, und sagte ihm, als er den königlichen Boten mit Hohn heimschickte, selbst die Fehde an.

Die Abendsonne vergoldete die Zinnen und den hochragenden Bergfried der Burg des Babenbergers und tauchte die Wipfel der herbstlich verfärbten Buchen- und Eichenwälder, die sich ringsum ausbreiteten, in ein Feuermeer. Im Burghof herrschte ein kriegerisches Treiben. Hoch vom Turm herab ertönen Hornstöße. Fern im Tal bewegt sich in einer Staubwolke ein Zug Berittener heran. Das Falkenauge des Türmers erkennt an ihren Wimpeln die Farben des Erzischofs von Mainz. In ihrer Mitte führen sie eine von zwei Maultieren getragene reichsgeschmückte Sänfte. Dies meldete der Wachsame vom Turm. Nicht lange währte es, da hielt vor dem äußeren Burggraben ein Herold auf einem schäumenden Roß und verkündete den Anruf: "Mein gnädigster Herr, der Erzbischof Hatto von Mainz, Erzkanzler von des Königs Majestät, entbietet Gruß und Heil dem edlen Herrn von Babenberg, der ihm für eine Nacht Herberge auf der  Burg gewähren möge." Die Zugbrücke rasselte hernieder, unter  den sich öffnenden Torflügeln tauchte die hohe Gestalt des Burgherrn auf. "Hinterbringe deinem Herrn meinen ehrerbietigen Gruß, er soll in meinem Haus willkommen sein," sprach er in gemessenen Ton. Während der Herold zurücksprengte, eilte der Ritter zu seinem Weibe, der edlen Brunhilde, die mit ihrem einzigen Kind, dem fünfjährigem Söhnchen Adelbert, auf dem Söller der Burg weilte.

"Was soll dieser ungewöhnliche Besuch? Bedeutet er Gutes oder Schlimmes? Sei ihm wie ihm wolle., über Mangel an Gastfreundschaft in unserer Burg, soll der Gesalbte sich nicht zu beklagen haben." Brunhilde trug schon längst bange Sorge über die kriegerischen Unternehmungen ihres Gemahls im Herzen. Vermessen schien es ihr, der Macht des Königs zu trotzen. Konnte solches gut enden? Sie wagte es nicht, dem Gatten darüber vorhalt zu machen. Man hoffte so gerne, was man wünscht. Deshalb versprach sie sich von dem Besuch des Prälaten eine Lösung der Schwierigkeiten, wenn sie auch nicht jeden Argwohn unterdrücken konnte. Sie antwortete dem Ritter schlicht: "Du wirst die Ehre Deines Hauses und das Heil der Deinen zu wahren wissen. Gott sei mit uns!" Dann eilte sie hinweg um die nötigen Anordnungen für die Aufnahme des Gastes zu treffen.

Dieser ließ nicht lange auf sich warten. Der Sänfte entstieg der bereits unter der Last der Jahre leicht gebeugte Kirchenfürst mit seinem Kanzler Luitpold. Nach feierlicher Begrüßung, der auch Brunhilde beiwohnte, geleitete der Ritter die beiden in die für sie bestimmten Gemächer, während das Gefolge sich unter die Leute der Burg mischte.

An jenem Abend fand in der gewölbten Gaststube der Burg eine lange Besprechung zwischen Hatto und dem Babenberger statt. War dieser an seinem Sterne irregeworden, trübte die Sorge um Weib und Kind seinen Blick oder bewahrheitete sich auch bei ihm , was die Sage von manchem Helden überliefert, daß der Starke schleichender Tücke gegenüber hilf– und arglos sei? Hatto überredete ihn, sich der Gnade des Königs anzuvertrauen und mit ihm am nächsten Morgen nach dem Schlosse Theres an das königliche Hoflager zu reiten, und er vermaß sich mit heiligem Schwur, daß er ihn unversehrt in seine Burg zurückbringen werde. Der Babenberger willigte ein und traf seine Vorbereitungen für den Ritt.

Bei Tagesgrauen wurde aufgebrochen. Hatto lehnte den Morgenimbiß ab, da er an diesem Vormittage noch unterwegs die Messe lesen wollte.. Sie waren aber noch nicht lange außer Sicht der Burg, da gab er zu erkennen, daß er sich plötzlich krank fühle. Eine alte Chronik, des "Heil. Röm. Reichs Freye Stadt Nürnberg" aus der Bücherei des Hochstifts Waldsassen läßt ihn zu dem Babenberger sagen: "So ist es doch wahr; wer das Angebotene verschmäht, muß öfters selbst bitten. Es verdrießt mich der lange Weg; denn wir werden den ganzen Tag nicht nüchtern reisen können." Daraufhin schlug der Ritter vor, auf die Burg zurückzukehren und sich an Speise und Trank zu stärken. Dies geschah; dann ging die Reise von neuem munter dem königlichen Lager zu.

Dort zog sich Hatto zurück; der Ritter wurde vor den König geführt. Dieser befahl, ihn in Ketten zu legen, und Tags darauf, am 9. September 906 überlieferte er ihn dem Henker. Hatto war schurkisch genug der Hinrichtung beizuwohnen. Als der Babenberger, der ungebeugt zum Richtblock schritt, ihn erblickte, rief er ihm zu: "Hatto, ihr seid, wenn ich sterben muß, des Meineids schuldig!" Worauf ihm dieser entgegnete: "Mit nichten! Hab ich euch nicht unversehrt auf euere Burg zurückgebracht? Warum zoget ihr zum anderenmale mit mir aus?"

Schon die Chronisten jener Zeit sprechen mit Empörung von diesem schnöden Verrrat. Wolfgang Hunger, Kanzler des Hochstifts Freising im 16. Jahrhundert nennt Hatto: "perfidum illum et infamem episcopum Morgantinum."

Der König brach die Burg Babenberg, zog die Güter Adelberts ein und verteilte sie. Brunhilde floh mit ihrem Knaben zu ihrem Vater, dem Herzog Otto von Sachsen.

Am 15. März 933 starb der Sohn des Gerichteten den Heldentod in der Schlacht bei Mersburg, in der König Heinrich die Magjaren vernichtete, die seit Jahren Deutschland und auch Bayern raubend und mordend heimsuchten. Der König überschüttete dessen Söhne Berthold und Liupold mit Gnadenbeweisen. Als sie herangewachsen waren, zählten sie zu den Edelsten der Ritterschaft und brachten das Haus der Babenberger zu höchstem Glanz. Berthold wurde, nachdem er  an der Niederwerfung der aufrührerischen Söhne des bay. Herzogs Arnulf des Bösen heldenhaften Anteil genommen hatte, mit Ammerthal ( bei Amberg) und Hersbruck belehnt und zum Markgrafen von Ostfranken und dem Nordgau erhoben, Liupold erhielt 954 Kastl (bei Amberg) als Lehen und wurde Markgraf von Östreich. Die Mark auf dem Nordgau erstreckte sich damals von Böhmen bis gegen Schweinfurt.

Liupold starb am 10. Juli 944 durch Mörderhand in Würzburg.

Bertholds Sohn, Markgraf Hezilo, htte den unheilvollen Trotz seines Urgroßvaters, jenes enthaupteten Adelbert, geerbt. Er war zu einem er ersten Feldhauptleute des Königs Heinrich emporgehoben worden, hielt sich aber für  verkürzt, da der König seiner Werbung um das erledigte bay. Lehen nicht Folge gab. Er und mit ihm Bruno, der Bruder des verstorbenen bayr. Herzogs, der sich in der gleichen Lage sah, empörten sich in offener Fehde gegen den König. Sie verleiteten Ernst, einen Enkel des ermordeten Liupold, sich zu ihnen zu gesellen. Zu Ammerthal loderte im Brachmond 1003 die Empörung auf und in ihren Flammen versank die Herrlichkeit von Herzilos Stamm.

Wanderer, wenn Du Dich, von Amberg herkommend, in jenen lieblichen Juratälern ergehst oder von ferne die noch jetzt an eine Burg gemahnenden wuchtigen zwei Türme Oberammerthals aus den bewaldeten Hügelketten emporragen siehst, so lenke den Blick zurück in alte Zeiten! Vielleicht enstehen vor deinem geistigen Auge jene Eisengepanzerte Gestalten, siehst du Gewappnete geschäftig hin und hereilen, vermeinst du das Klirren von Waffen zu vernehmen, wo jetzt der Bauer im Abendschein sorgsam die Sense dengelt, oder wo vom hochgelegenen Friedhof schlichte Grabkreuze in das einsame stille Tal hinuntergrüßen.

Altammerthal

Der König war tieferschüttert als er die Nachricht von dem Aufruhr des ihm so teuer und vertraut gewesenen Herzilo empfing. Er bot ihm, seine königliche Würde verleugnend, Frieden und Verzeihung an. Herzilo stieß die milde Hand zurück und bei Hersbruck überfielen seine Leute einen königlichen Troßzug, beraubten ihn und schleppten die reiche Beute auf die Feste Ammerthal. Der König selbt rückte nun von Regensburg aus mit drei Heeresabteilungen gegen Ammerthal an. Nicht lange widerstand die Feste, und während die Flammen zum Himmel emporzüngelten, irrten Herzilo, Bruno und Ernst als geächtete Flüchtlinge durch die dichten Wälder. Ernst fiel den königlichen Fangknechten in die Hände. Sein Leben schien verwirkt. Doch Willegis, ein Nachfolger jenes unseligen Hatto auf dem erzbischöflichen Stuhl zu Mainz, warf sich dem König zu Füßen und erflehte für den Sprößling aus dem erlauchten Geschlecht der Babenberger Gnade, eine Tat schöner Menschlichkeit und der Sühne für den Verrat Hattos.

Und auch hier sehen wir eine edle Frau in das grausige, wenn auch selbstverschuldete Schicksal eines Angehörigen verstrickt. Hezilos hochbetagte Mutter Eilswinde liegt händeringend auf den Knieen vor dem Bilde der Himmelskönigin in der Kapelle der babenbergischen Burg Schweinfurt, die der König, ebenso wie die übrigen Burgen des Rebellen, zu brechen und zu schleifen befohlen hatte. Knappen des Bischofs von Würzburg dringen in das Heiligtum ein, suchen die Unglückliche wegzuziehen und bieten ihr freies Geleit an. "Laßt mich hier den Tod finden, die Trümmer der Burg sollen mein Grabmal sein," ruft sie ihnen zu. Die rauhen Knechte zögern, von solchem Jammer gerührt, und begeben sich hinweg. Die Greisin wurde gerettet, die Kapelle blieb unversehrt.

Über Hezilos weiteres Schicksal berichtet der Chronist: "Ein Jahr irrte er unstet umher, dann warf er sich in Merseburg dem Kaiser auf Gnade und Ungnade zu Füßen. Er wurde in Ketten gelegt und in der Burg Witgenstein (bei Halle) eingekerkert. A.D. 1004 weilte der Kaiser zu Festlichkeiten in Prag. Gottschalk, der Freisinger Erzbischof, predigte nach dem feierlichen Hochamt in der hohen Halle der St. Georgenkirche über die göttliche Barmherzigkeit und hierbei wandte er sich plötzlich an den Kaiser mit den Worten: "Ich beschwöre Dich, teuerster Herr, im Namen Gottes und bei der Liebe dessen, der seinem Schuldner zehntausend Pfund erließ,, ich beschwöre Dich im Namen des Allbarmherzigen, du wolltest dich des unglücklichen Hezilo, des ehemaligen Markgrafen im Nordgau, des schwerbüßenden erbarmen; löse seine Fesseln und verleihe ihm Gnade, damit du selbst fröhlichen Gemütes mit der Gemeinde beten könnest: Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeen unseren Schuldigern!" So sprach der fromme Erzbischof und eine Ermahnung bewegte das königliche Herz seines Herrn dergestalt, daß der Kaiser laut weinte und dem gefangenen Markgrafen Verzeihung verhieß; dieser wurde bald darauf in Freiheit gesetzt."

Seine Rolle als Markgraf im Nordgau hatte Hezilo ausgespielt. Er starb 1017.

Jener Babenberger Ernst und sein Sohn gleichen Namens verstanden es, die königliche Gunst zurückzugewinnen. Jedoch beide starben eines gewaltsamen Todes und zwar letzterer, nachdem auch er in offenem Aufruhr gegen den König geraten war, nach langer Kerkerhaft und mit dem Fluch des Kirchenbanns beladen.

Längst sind jene stolzen Geschlechter in Staub gesunken. Der Föhn heult durch die spärlichen Trümmer ihrer Burgen. Eine beredte Sprache führen diese trostlosen Stätten von der Eitelkeit alles Irdischen: Ihr Ruhelosen, die ihr gierig dahinstürmt, unbekümmert um diejenigen die ächzend neben euch zusammenbrechen, vielleicht von euch selbst zu Boden gestoßen, wie lange noch, und der Wind säuselt durch die Zypressen, die das Herkommen, nicht einmal die Liebe auf euere Gräber gepflanzt hat.

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