Mittwoch, 20. Mai 2015

Dorothea „Durchlauchtigste Kurfürstin bei Rhein“

Dorothea
(Titel und Anrede)
Von Dr. Hans Ammon

In der Kurpfalz an Neckar und Rhein und in der oberen Pfalz der Amberger Statthalter sollte man sie nicht vergessen, die insgesamt 33 Jahre als Fürstin zu Neumarkt und Amberg und 12 Jahre zu Heidelberg verbracht hat, vor langen Zeiten. Ihr prächtiges Bild aus dem Jahre 1545, von Hans Besser aus Aachen zu Heidelberg gemalt, zeigt uns ihre Figur von Kopf bis Fuß und, wenn auch das stattliche Gewand der „Durchlauchtigsten Kurfürstin bei Rhein“ zwei Drittel des Gemäldes einnimmt  natürlich köstlich verziert und geschmückt, so bringt doch der Kopf, das Antlitz ihr Eigenwesen zum Vorschein: Selbstbewußtheit und Jugend und Unbekümmertheit. Obwohl durch ihre Mutter Isabella den Habsburgern zugehörig, hat sie doch die berühmte habsburgische Unterlippe verloren und bezeigt ein frisches, fröhliches, unbekümmertes Frauenantlitz und Leben, weibliche Abwandlung ihres leidenschaftlichen Vaters Christiern (Christian II.).

Dorothea

1520  im Schreckensjahr Schwedens  geboren (wo, das zeigt uns niemand von den Geschichtsschreibern an, vielleicht in Kopenhagen) als zweites Kind und erste Tochter des dänischen Königs Christiern II. und der Schwester Karls V., der frühvollendeten Isabella, mußte sie mit Vater und Mutter und Bruder Hans und Schwester Christina 1523 das nordische Dreiländerreich verlassen und verbrachte als Kind die Jahre der väterlichen Verbannung zu Brüssel in den Niederlanden  dort starb die Mutter 1526!  und zu Lochau in Sachsen. 15 Jahre alt wurde sie nach kaiserlichem Willen dem älteren Pfalzgrafen Friedrich (geb. 1485!) zu Heidelberg angetraut und lebte mit ihm, dem pfälzischen Statthalter der oberen Pfalz, bis 1544 in Amberg und Neumarkt, zog mit dem Herrn Gemahl 1544 als Kurfürstin nach Heidelberg, verlebte dort die hohe Zeit ihres Lebens, wenn man die Ehre bedenkt, bis 1566, da ihr Gatte verstarb und Ottheinrich, der Nachfolger, den Herrn und Gemahl ablöste. Da reiste sie in ihr Wittum Neumarkt und Umgebung und blieb dort 24 Jahre stille Regentin des Landes, soweit nicht die übergreifende staatliche Notwendigkeit durch Amberg und Heidelberg geregelt wurde. In einem Akt der Gemeinde Markstetten bei Hohenfels fanden wir verschiedene amtliche Schreiben ihrer kleinen Kanzlei zu Neumarkt, auch ein Schreiben mit ihrer persönlichen Unterschrift: Dorothea. Die Schrift ist breit und groß, gemütlich und schön. Zeichen und Zeugnis einer Frau, die sich Zeit nimmt zur Schreibung ihres Namens.

Voran steht  nach altem deutschen Brauch (auch anderswo üblich) die Titulatur:
Dorothea von Gottes Gnaden Pfalzgräfin bei Rhein, Herzogin in Bayern, Wittibin, der Königreiche Dänemark, Schweden und Norwegen geborene Prinzessin und Erbin.“

Bedenken wir einmal ihre Titulatur, zugleich Angabe des Absenders.

Zunächst ihr freundlicher Name: Dorothea, der griechischen Sprache entstammend und zu gut Deutsch heißend: Geschenk Gottes, also ein wohlbedachter Name für viele Mädchen (die Knaben heißen Theodor; da sind die griechischen Silben nur umgestellt!). wo sie getauft wurde? Wer ihre edle Gevatterin war? Fragen und noch keine Antworten, trotz mancher Studien zu ihrem Leben.

Von Gottes Gnaden  uns alten Leuten noch vertraut aus unserer Kindheit vor 1918 durch die Beifügung bei den Namen unserer Fürstlichkeiten und leider vielfach bereits damals höhnisch und lächerlich gebraucht und gemacht bei unverständigen Leuten unserer Volkes und nach 1918 erst recht durch Geschwätz, Lächerlichkeit, Verhöhnung tausendfach gezogen und doch! Was war denn der eigentliche Sinn dieser drei deutschen Worte „von Gottes Gnaden?“ doch dies, wie alles, was mit der Gnade, Gunst, Huld, Freundlichkeit Gottes zusammenhängt, der Hinweis auf die unverdiente Standeshöhe und Erhöhung unter Menschen und damit die öffentliche Bezeugung des Dankes für solche Gnade und Huld und damit der Anreiz zur Weitergabe der empfangenen Gnade und Huld an die anvertrauten Menschen eines Volkes und Landes. Gewiß rührt sich auch da bei manchen Fürsten die Menschlichkeit in selbstsüchtiger Weise und in Stolz  aber der eigentliche Sinn blieb von Anfang bis zum Ende des Gebrauches dieser Beifügung deutlich und klar. Gilt diese Beifügung schließlich nicht auch für jeden Menschen aus Gottes Hand, der bewußt wird seiner Menschlichkeit aus Gott?

Pfalzgräfin bei Rhein: das ist die Bezeugung ihrer Zugehörigkeit zum großen, weitverzweigten pfälzischen Haus am Rhein und Neckar, ihr verliehen durch die ehrliche Heirat mit Pfalzgraf Friedrich, ab 1535 Statthalter in der oberen Pfalz, ab 1544 Kurfürst bei Rhein. Herzogin in Bayern: Alle Pfalzgrafen bei Rhein führen diese Titulatur als Erbanspruch des pfälzischen Hauses, auch wenn sie nicht zur tatsächlichen Herrschaft und Regierung in Bayern gelangten. (Ihr pfälzisches Haus starb ja 1685 aus, da rückte dann der Pfalzgraf von Neuburg nach und 1743 der kleine Pfalzgraf von Sulzbach und 1799 der kleinste Pfalzgraf des rheinischen Stammes von Birkenfeld! Die Geschichte kümmert sich also schon, wenn es Zeit ist, auch um ihre kleinen Leute!).

Wittibin: Das ist die Bezeichnung ihres Standes, ehrlich, redlich, zugleich ein Schutz in gewissen Gefährlichkeiten des menschlichen Lebens. Dorothea hatte ihren Witwenstand ehrlich hingebracht: mit 36 Jahren Witwe, mit 60 Jahren verstorben ohne die berüchtigten Geschichten, die bei gewissen Frauen üblich sind!

Der Königreiche Dänemark, Schweden und Norwegen geborene Prinzessin und Erbin: Das ist ihr väterliches Erbe, gewiß ein schweres Erbe; denn ihr Vater Christiern hat seinem Hause und seinen Kindern einen wilden und blutbefleckten Namen hinterlassen durch das schreckliche Blutbad in Stockholm 1520 … aber er hat es abgebüßt mit seiner Gefangenschaft in Dänemark 1531 — 1559! Dorothea behielt mit Absicht die Titulatur für jene Lande bei, auch als ihr Herr Onkel Karl V. den Nachfolger ihres gefangenen Vaters 1544 anerkannte und also  in gewisser Weise den beiden noch lebenden Töchtern Christierns Abbruch tat. Daß sie bei dieser hohen Titulatur trotzdem geblieben ist, bezeugt doch auch ihre echte Menschlichkeit. Ihr neuerer Biograph bezeugt das in manchen Briefen aus ihrer Hand.

Derselbe Markstettener Akt bezeugt auch in einigen Beispielen die Anrede, die sie von ihrem Verwandten, Pfalzgraf Ludwig (später 1576 Kurfürst Ludwig VI.) in Briefen erhielt. Da schreibt Ludwig aus Amberg  er war dort Statthalter vor 1576  z. B. am 5. Juni 1574 der edlen Frau in Neumarkt: „Hochgeborene Fürstin, freundliche liebe Frau Mu(h)m, Mutter und Gevatterin!“

Mit der Fürstinanrede und dem Hochgeboren wahrt er den auch bei Fürsten geltenden Respekt.

Mit der Muhme bekundet er die Verwandtschaft, mit der Mutter (natürlich nur übertragen gemeint) die ältere nahverwandte Frau, mit der Gevatterin die christliche besondere Verwandtschaft durch die Patenstelle bei seinem Töchterlein Dorothea ich nehme an, daß sie die Gevatterin Dorotheas ist; sie liegt in S. Martin zu Amberg begraben mit ihren Geschwistern und hat zum Gedächtnis noch dort ihr kleines Epitaph.

Und umgekehrt, Dorothea redet ihn brieflich an: „Hochgeborener Fürst, freundlicher Oheim, Sohn und Gevatter!“ Da wahrt auch sie, die ältere Frau den fürstlichen Respekt, achtet die Verwandtschaft im (Titel) Oheim, bezeugt ihre Mütterlichkeit zu dem jungen Kurprinzen im Sohn und die christliche Verbundenheit im Gevatter (auch wenn er ihr keine Patenschaft stellte, weil sie ja keine Kinder hatte!)

Für Freunde Dorotheas darf noch hingewiesen werden auf zwei wertvolle Schriften: Alexander von Reitzenstein hat ihr in seinem Ottheinrichbuch 1939, mit ihrem Gemahl Friedrich, zwei Bildseiten gewidmet und R. Raubenheimer in den Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 1957 ein kleines Lebensbild gezeichnet. Er verweist auf weitere Schriften, die Dorotheas Leben und Briefe bezeugen. Beide Bücher seien den echten Palatinis herzlich empfohlen! Und vielleicht findet sich doch auch einmal ein Historienkenner und Dichter, der unserer verehrten „Durchlauchtigsten Dorothea“ ein Denkmal setzt. Die edle Frau, die trotz hoher Verwandtschaft zum Kaiser wagte ohne Zwang! das Christentum der lutherischen Konfession zu praktizieren und dem Nachfolger an Neckar und Rhein, Herrn Friedrich III. und seiner Kalvinisierung energisch entgegenzutreten, sollte nicht dem üblem Verdikt verfallen bleiben, sondern unter uns mit Ehren und Dankbarkeit genannt werden. Das war unsere lutherische Habsburgerin! (Ihre verehrte frühvollendete Mutter Isabella praktizierte ebenso!)

Ich schreibe das nicht, um gewisse Feuer weiterzuschüren, sondern als Tatsache, die uns in unserer so wandelbaren Gegenwart über scharfen Generationengegensatz hinweghelfen sollte; der ist nicht neu, sondern uralt.

Siehe Karl V. und Isabella-Dorothea!
Phillip Ludwig und Wolfgang Wilhelm!
Gustav Adolf und Christine!

Und tausendfach wiederholte sich seitdem unter uns hinüber und herüber doch Zeichen und Zeugnis des aufmerksamen Lebens!

Quelle: Staatsarchiv Amberg, Beziehungen zu Pfalzneuburg, Nr. 132/I.

(Veröffentlicht in „Die Oberpfalz“, 1971  59. Jahrgang)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen