Samstag, 5. September 2015

Abt Hermann von Kastl



Abt Hermann von Kastl (1322— 1356)
Von Georg Widenbauer

In der Reihe der 31 Äbte, die von 1103 (Jahr der Gründung) bis 1460 (Auflösung des Klosters) der hochangesehenen Benediktinerabtei Kastl auf dem bayerischen Nordgau vorstanden, nimmt Abt Hermann, der 19. Lenker der Geschicke des Stifts, einen hervorragenden Platz ein. Er war der Nachfolger des Abtes Siboto, der aus einem Ministerialengeschlecht stammte, das in unmittelbarer Nähe von Kastl seinen Sitz hatte.

Wenn man die umfassende segensreiche Tätigkeit Abt Hermanns genauer würdigen will, muß man sich vor Augen halten, mit welchen Schwierigkeiten das Stift im vor ausgehenden Jahrhundert zu kämpfen gehabt hatte, durch die es beinahe an den Ruin gelangt war. Das vergangene Jahrhundert war eine Zeit schwerster Bedrängnis von außen her, aber auch innerer Mißhelligkeiten gewesen, die das Kloster an den Rand des Verderbens gebracht hatten.

1217 fand ein Überfall auf das Kloster statt, bei dem es in Flammen aufging. Die Übeltäter waren die benachbarten Scharffenberger, 9 Brüder, die auf einem Burgstall in der Nähe von Ursensollen saßen. Sie waren mit dem Kloster in einen Streit geraten, des Begräbnisrechtes halber, brandschatzten das Stift, weil der Abt sich weigerte, einen Angehörigen ihres Geschlechts, der fern der Heimat (in Italien?) gestorben war, auf Kosten des Klosters in die Heimat zu überführen, um ihm in der Klosterkirche der Ehre des Erbbegräbnisses teilhaft werden zu lassen.

 Auf Beschwerden des Abtes vollzogen die Markgrafen von Hohenburg als Reichsvögte der Staufer die Acht, steckten die Burg der Frevler in Brand. Das Kloster wurde aus den Trümmern des Scharffenbergs und der schon länger verfallenen Burg Thierenstein (Stammsitz der Schweppermänner) wieder aufgebaut. Die Kirche wurde vom Bischof Hartwig von Eichstätt 1219 neu geweiht.

Wiederholt wurde Kastl in die kriegerischen Streitigkeiten verwickelt, die sich während der erbitterten Kämpfe zwischen dem Staufer Friedrich I und den Papst und während der kaiserlosen, schrecklichen Zeit des Interregnums entspannen. Es wurde Kriegsgebiet um 1242 in dem Streit um die Vogtei zwischen den Hohenfelsern und Hirschbergern, die als Nachfolger der Grafen von Kastl-Sulzbach ihre alten Rechte auf Kastl mit dem Schwerte verteidigten. Obwohl das Stift in dem Kampfe zwischen Kaisertum und Papsttum neutral zu bleiben suchte, wurde es doch wiederholt gebrandschatzt und mußte zur Befriedigung seiner Peiniger Schulden machen. Schließlich wurde das Stift beinahe in den finanziellen Ruin des letzten Erbvogts Gebhard VII. von Hirschberg verstrickt, der von den Regensburger Juden Geld aufnehmen mußte. Endlich entstanden widerliche Erbstreitigkeiten beim Aussterben der Hirschberger. Deren letzter Sproß hatte dem Kloster ein ansehnliches Vermächtnis zuerkannt, was aber von den bayerischen Herzogen als Haupterben bestritten wurde. Erst im Dezember 1307 er folgte ein Ausgleich auf einem Tag zu Nürnberg. Das Stift mußte einen nicht geringen Teil der ihm zugefallenen Schenkungen herausgeben, trotzdem aber dem Guttäter ein großartiges „Seelgeräte“ stiften.

Während dieser Wirren war die Klosterzucht gesunken und war Unfriede im Konvent eingekehrt. Das beweist die rasche Aufeinanderfolge der Äbte, die nach kurzer Amtszeit meist freiwillig oder gezwungen abdankten oder vertrieben wurden. Selbst der tüchtige Abt Albert von Blankstetten, der 1293 in Kastl eingesetzt, aber von 1294 bis 1297 vertrieben worden war, mußte. 1306 resignieren. Das zeigt genugsam von dem Tiefstand des klösterlichen Lebens.

Auch die äußere politische Stellung des Stifts war damals schwer bedroht. Die zielbewußte wittelsbachische Territorialpolitik suchte ihre Herrschaft auf dem Nordgau immer weiter auszubreiten und umklammerte Kastl von allen Seiten. Besonders wertvoll war für sie die Erwerbung des ausgedehnten Besitzes der Grafen von Hirschberg. Dadurch fiel den Wittelsbachern eine Reihe von Ämtern und Unterämtern zu, in denen das Stift selbst begütert war, so Sulzbach, Rosenberg, Pfaffenhofen, Ammertal, Werdenstein. Seit 1270 saßen die Wittelsbacher auch in Amberg, ebenso gehörte ihnen das Amt Bärngau mit der Stadt Neumarkt, dazu das Amt Berg. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, wann auch Kastl selbst der immer weiter um sich greifenden Landeshoheit der Wittelsbacher zum Opfer fallen mußte. Wir verstehen es daher, daß Abt Albert unmittelbar nach dem Tode des Erbvogts 1305 beim König Albrecht 1. in Nürnberg vorsprach, um sich die Privilegien der Stauferkaiser von neuem bestätigen zu lassen, durch die das Stift der Reichsvogtei unterstellt worden war.

Von der rücksichtslosen Territorialpolitik der bayerischen Herzöge bedroht, mußte es das erste Streben der Äbte sein, mit ihnen auf gutem Fuß zu stehen. Unter solchen Umständen kam alles darauf an, daß sich ein Mann fand, der es verstand und der auch die Kraft besaß, das Stift über alle Fährnisse hinweg einer neuen besseren Zukunft entgegen zu führen.

Insbesondere hing die Weiterentwicklung des Klosters wesentlich da von ab, ob es gelänge, dem wittelsbachischen Territorialstreben klug zu begegnen, das sich mit dem kastlischen wirtschaftlichen und politischen Ausdehnungsdrang kreuzte. Der Mann, der dies meisterlich verstand, war Abt Hermann. Der Konvent hätte keine geeignetere Persönlichkeit zur Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe finden können.

Seine erste Sorge war es, mit den Wittelsbachern ein freundschaftlich, nachbarliches Verhältnis anzubahnen. Das hatte schon sein Vorgänger versucht. Es war ein Glück, daß der bayerische Herzog Ludwig 1314 zum deutschen Könige gewählt worden war. So war er durch den Thronstreit mit seinem Gegenkönig Friedrich dem Schönen gezwungen, wenn er im Kampfe um die Kröne über diesen obsiegen wollte, sich um Bundesgenossen umzusehen. Eine sehr wertvolle Hilfe vermochte ihm die streitbare Ritterschaft des bayerischen Nordgaus zu bieten. Er mußte also diese für sich zu gewinnen trachten und weilte deshalb häufig in Amberg, von wo aus er öfters das Stift Kastl aufsuchte. Hier wußte man seinen königlichen Ehrgeiz geschickt für die Zwecke des Stiftes auszuspielen. Man appellierte an sein königliches Rechtsempfinden und empfahl das Stift seiner königlichen Gunst. 1315 stellte König Ludwig dem Kloster zu Nürnberg einen Schutzbrief aus, der die 1165, 1219 und 1305 erlangten Freiheiten bestätigte und neuerdings die Reichsvogtei über das Kloster anerkannte. Obwohl Ludwigs landesfürstliche Interessen denen des Reichs zuwiderliefen, konnte er nicht umhin, hier die Rechte des Reiches wahrzunehmen, schon um sein eigenes Gesicht als König zu wahren. Er durfte den Abt auch nicht vor den Kopf stoßen, weil dieser großen Einfluß auf die Nordgauritterschaft besaß, mit der er wegen des Erbbegräbnisrechtes im Kloster Kastl häufig in Berührung kam. Ludwig war klug genug, das Stift zu einem Stützpunkt seiner Königsmacht auszugestalten, und suchte deshalb, dessen Abte als Parteigänger für sich zu gewinnen.

(Es sei gestattet hier einen kurzen Überblick über die politische Lage einzuschalten. Bei Mühldorf waren sich die feindlichen Heere bereits im Jahre 1319 kampfbereit gegenübergestanden, als Friedrich der Schöne mit seinem Bundesgenossen, dem Erzbischof von Salzburg, im September über Laufen ins Bayerische eingedrungen war. Sein Bruder Leopold hatte aus den österreichischen Vorlanden seine Scharen herangeführt. Ludwig wagte aber damals noch nicht, das Kriegsglück zu versuchen, weil er nur seinen Neffen, den Herzog Heinrich von Niederbayern, zum Verbündeten hatte. Dieses Zurückweichen Ludwigs vom Kampfe hatte zur Folge, daß Friedrich und Leopold nach ihrer Vereinigung Ober- und Niederbayern aufs furchtbarste verheerten. Sie drangen bis vor die Mauern von Regensburg vor, wo sie sich trennten.

Ludwig hatte dadurch zwar keine militärische, aber eine schwere moralische Niederlage erlitten. Sein Prestige war so tief gesunken, daß er selbst an Abdankung dachte.

Da war es der Erzbischof von Mainz, Peter von Aspelt, gewesen, der den Verzagten wieder aufrichtete. Er erschien persönlich anfangs Februar 1320 bei ihm auf der Burg Ehrenfels und redete ihm den Thronverzicht wieder aus. Ludwig unternahm im Sommer einen Vorstoß ins Elsaß, wich aber neuerdings einer Schlacht mit Leopold aus. Ein k schwerer Schlag widerfuhr ihm, als am 20. Juli 1320 Peter von Aspelt, seine Hauptstütze unter den hohen Prälaten, starb. Seine Sache hatte dadurch einen neuen Stoß er litten.

Umso zugänglicher mag er den Bezeugungen treuer Anhänglichkeit gewesen sein, die ihm bei seinen Besuchen im Kloster Kastl zuteil wurden. Hier fand er gar bald in Pater Hermann den congenialen, verständnisvollen Freund und Förderer seiner Pläne, den Mann, den er so nötig brauchte, um die wertvolle Unterstützung der nordgauischen Ritter- und Bürgerschaft und des Burggrafen von Nürnberg zu gewinnen. Denn erst da durch erlangte er die dringend nötige militärische Stärke, um den habsburgischen Widersachern mit Aussicht auf Erfolg gegenübertreten und ein baldiges Ende des langwierigen Krieges herbeiführen zu können. Darum lenkte er wohl selbst bei der bevorstehenden Abtwahl bewußt die Beschlüsse des Konvents auf Pater Hermann. Er brauchte bei seiner seelischen Verfassung einen zuverlässigen, treuergebenen Freund, und daß er sich in Abt Hermann nicht getäuscht hatte, beweist am deutlichsten die hohe Ehre, die er ihm da durch zuteil werden ließ, daß er ihn fortan „Freund und Gevatter“ nannte.)

Am 4. Januar 1319 weilte der Kaiser in Amberg und schloß am 12. Januar einen Vergleich mit dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg. Dann fuhr er mit seiner Familie nach Kastl. Hier erkrankte sein Lieblingstöchterlein, das kleine 3jährige Ännchen und starb am 27. Januar. Es wurde in der Klosterkirche begraben, wodurch der kaiserliche Vater nur noch inniger mit dem Stift verbunden war. Am 13. Januar 1321 suchte er Kastl wieder auf und stiftete einen Jahrtag, wozu er den leibeigenen Ulrich Scherub von Ransbach und sein Weib Diemut nebst ihrem Sohn freisprach, gegen Zahlung von 3 Schilling langer und 1/2 Schilling Regensburger Pfennige durch ihn und seine Nachkommen.

Am 22. März 1322 wurde Hermann vom Konvent zum Vorsteher erwählt. Der Chronist rühmt ihn als „einen in jeder Hinsicht vortrefflichen Mann, einen frommen Priester, einen für die damalige Zeit ansehnlichen Gelehrten und würdigen Vorstand des Klosters. In der Tat hat sich denn auch Abt Hermann, über dessen Herkunft nichts Näheres zu erfahren ist, in jeder Hinsicht trefflich bewährt. Er war ein kluger, feinsinniger Kopf, ein geschickter Politiker und Diplomat und ein äußerst umsichtiger und tatkräftiger Wirtschaftsorganisator.

Seine nächste Aufgabe erblickte er darin, König Ludwig noch enger mit dem Kloster zu verknüpfen. In diesem Bestreben kamen ihm die augenblicklichen Zeitereignisse vor teilhaft entgegen. Der Thronstreit stand eben auf dem Höhepunkte. Hier setzte sich Abt Hermann mit Rat und Tat für König Ludwig und seine gerechte Sache ein. Aus der Tatsache, daß die Nordgauritter und der schon bei Gammelsdorf (1313) rühmlichst her vorgetretene Feldhauptmann Seyfried Schweppermann, der in engen Beziehungen zum Stift stand, in dem neuerlichen Kampfe mit den Hauptausschlag gaben zum glorreichen Sieg, in der denkwürdigen Schlacht bei Mühldorf (28. September 1322), darf man wohl schließen, daß Abt Hermann auf sie tatkräftig eingewirkt hat, um sie für die Sache des Kaisers zu gewinnen. Vor allem aber ist die Tatsache, daß das Dankesfest für diesen herrlichen Sieg am 8. Januar 1323 in der Klosterkirche zu Kastl gefeiert wurde, der beste Beweis dafür, daß sich der Kaiser dem Abte für die ihm geleistete wertvolle Beihilfe zu innigstem Danke verpflichtet fühlte. Hiefür spricht auch der Umstand, daß er den Einwohnern von Kastl damals Markgerechtsame verlieh. Mit einem Schlage waren so Kastl und sein „Gewaltiger Abt“, wie sein offizieller Titel lautete, ins hellste Licht der Öffentlichkeit gerückt und durch die Auszeichnung des sagenumwobenen Nordgau recken und bayerischen Nationalhelden Schweppermann in die Geschichte eingegangen.

Wohlbefriedigt konnte Abt Hermann auf diese glänzendsten Tage in der Geschichte des Stifts zurückblicken. Er hatte erreicht, was er erstrebt hatte, hatte sich die Gunst seines hohen kaiserlichen Herrn für immer gewonnen. Das kam dem Stift ganz außer ordentlich zustatten.

Insbesondere hatte das stolze Siegesfest, das die Mehrzahl der nordgauischen Ritter in Kastl um den Kaiser vereinigt hatte, das Ansehen und die Stellung des Abtes bedeutend gehoben und zugleich auch seinen Einfluß auf die nordgauische Ritterschaft ganz erheblich gestärkt. Das Stift begann aufzublühen. Während die meisten übrigen bayerischen Klöster, so Tegernsee, Scheyern, Rott, Polling u. a. wirtschaftlich zurückgingen und nur durch außerordentliche Steuererleichterungen des Landesherrn vor dem gänzlichen Verfall bewahrt blieben, erlebte Kastl als eifrigster Parteigänger des Kaisers einen ungeahnten Aufschwung. Das verdankt es vor allem der Klugheit, dem Fleiß und der Willenskraft seines Lenkers.

So sehen wir, wie die Freundschaft zwischen dem Kaiser und dem Abte sich immer inniger gestaltete. Zur Vertiefung derselben trug gewiß auch der Umstand bei, daß Abt Hermann einen Mönch seines Klosters beauftragte, die bereits in lateinischer Prosa vorhandene Chronik des Klosters in deutsche Verse zu übertragen. Diese Gründungsgeschichte des Stifts, kurzweg die „Kastler Reimchronik“ genannt, schien ihm geeignet, die lebhafteste Anteilnahme des Kaisers an den Geschicken des Klosters zu erwecken. Sie bildet, indem sie weniger das Stift selbst, als die Verdienste der Stifter und ihrer erlauchten hochfürstlichen Verwandten ins hellste Licht rückt, gleichsam das reklamehafte Aushängeschild zur Erlangung politischer und wirtschaftlicher Vorteile und diente, wie die Verbrüderung mit zahlreichen anderen angesehenen Klöstern, dazu, dem Stift nach außen hin höhere Geltung zu verschaffen.

Mit der Zeit wurde Abt Hermann seinem kaiserlichen Herrn als politischer Ratgeber immer unentbehrlicher, zumal in jenen stürmischen Zeiten, als er dem Bannstrahl des damals in Avignon residierenden Papstes Johann XXII. verfallen war (23. März 1324), der sich ganz im Fahrwasser der deutschfeindlichen französischen Politik bewegte. Da brauchte der von allen Seiten bedrängte Kaiser in seinen Gewissensnöten einen Freund, dem er sein Herz ausschütten konnte, der ihm in den schwierigen politischen Lagen als kluger Berater hilfreich zur Seite stand, der auch dem Gebannten die Treue hielt, wie auch andere hohe geistliche Würdenträger und der Orden der Franziskaner-Minoriten. Jedenfalls aber suchte er stets ausgleichend zu vermitteln und leistete insbesondere bei der Aussöhnung mit dem in Trausnitz in ritterlicher Haft gehaltenen Gegenkönig Friedrich dem Schönen wertvolle Dienste. So schuf er die Grundlage dazu, daß Ludwig, nun im Rücken frei, seinen Römerzug unternehmen und sich in Italien die Kaiserkrone holen konnte. Abt Hermann durfte ihn dabei begleiten und war Zeuge der glanzvollen Feste, bei denen Ludwig am 31. Mai 1327 zu Mailand die lombardische Königskrone und am 27. Januar 1328 zu Rom die Kaiserkrone erhielt. Vielleicht hat er auch einen nicht geringen Anteil an der Errichtung der deutschen Gralsburg Ettal, die der Kaiser nach seiner glücklichen Rückkehr aus Italien stiftete. Darauf läßt schon der Umstand schließen, daß dessen erster Abt aus dem kastlischen Tochterkloster Reichenbach berufen wurde.

(Auf italischem Boden erfolgte auch die Aussöhnung Ludwigs mit seinem Neffen Rudolf in dem berühmten Teilungsvertrag von Pavia (4. August 1329), wonach die Söhne und Enkel Rudolfs die pfälzischen Lande und die später als obere Pfalz bezeichneten Gebiete des bayerischen Nordgaus erhielten. Ludwig behielt Oberbayern, einige Besitzungen nördlich der Donau mit dem Vitztumamt (Burg)Lengenfeld, dessen Sitz nun nach Amberg verlegt wurde. Durch diesen Hausvertrag kam das Kloster Kastl zum pfälzischen Kuranteil, was den Kaiser sehr geschmerzt haben mag. Seine lebhafte Sorge um das ihm so vertraute Stift fand beredten Ausdruck in einer zu Trient ausgestellten Urkunde von 1330, in der er seinen Verwandten Kastl angelegentlichst ans Herz legte. „Da die Vogtei über das Gotteshaus Kastl von Reichswegen Uns gebührt, so empfehlen Wir Euch fleißig den Abt und Konvent desselben sowie ihre Leute und ihr Gut. Wir bitten Euch ernstlich und wollen auch, daß Ihr sie in Güte und von Unsertwegen beschirmt und bei Ihren Rechten belasset. Dadurch erzeuget Ihr Uns sonderliche Lieb und Treue.“

Wir haben allen Grund anzunehmen, daß hinter diesem Schutzbrief für das Kloster Abt Hermann stand. Wenn er auch später nicht mehr so häufig mit den Kaiser in engere Berührung kam — er beschwor noch 1340 einen Landfrieden mit — so ist doch glaubhaft, daß die Freundschaft beider bis zum jähen Ende des Kaisers (1347), fortdauerte. Ein Bindeglied zwischen dem Kloster und dem Kaiser bildete wohl der biedere Seyfried Schweppermann, der von Deinschwang oder dem nahen Pfaffenhofen aus Kastl öfters besuchte und hier nach seinem Tode 1337 im südlichen Kreuzgang des Klosters seine letzte Ruhestätte fand. Jedenfalls hat der Kaiser auf Anregung des Abtes ihm den schlichten Grabstein setzen lassen, der sich heute am nördlichen Chorbogenpfeiler erhebt.)

Nachdem das Königtum Ludwigs des Bayern fest gegründet war und durch Übertragung der Kaiserkrone seine höhere Weihe erhalten hatte, gewann Abt Hermann die wohl schon seit langem ersehnte Muße, die es ihm erlaubte, sich von der sorgenvollen, aufregenden Politik mehr und mehr zurückzuziehen und fortan sich mit größter Hingabe dem inneren und äußeren Aufbau des Stifts zu widmen. Das dünkte dem pflichtbewußten, schaffensfreudigen Mann die Hauptaufgabe seines Lebens.

Dieser Einsatz war ihm nun umso leichter möglich, als er bei seinen Maßnahmen zur Hebung des Stifts auf die wertvolle Unterstützung seines kaiserlichen Freundes rechnen konnte und nicht mehr befürchten mußte, dabei durch die Willkür eines Vogtes gehemmt zu werden. Denn das Stift war, durch das Testament des letzten Grafen von Hirschberg, seit 1315 von der einengenden Vormundschaft eines Vogtes befreit worden. Sein Lenker konnte nun, zum größten Segen des Stifts, ungehindert schalten und walten, wie es dessen Interesse gebot. Zum größten Vorteil gereichte, daß Abt Hermann eine verhältnismäßig lange Regierungszeit beschieden war. Volle 34 Jahre stand er seinem Kloster vor und bereicherte es mit seinem unermüdlichen Schaffensdrang, seinem tiefen Wissen, seinem Weitblick und seinen Erfahrungen.

Um eine genauere Kenntnis von Umfang und Stand des klösterlichen Besitzes zu gewinnen, ließ Abt Hermann zwischen 1334 und 1338 ein übersichtliches Wirtschaftsbuch anlegen, das älteste Kastler Urbar, für uns Heutige eine Wirtschaftsquelle ersten Ranges, das uns über die Entstehung und Entwicklung des gesamten Klosterbesitzes wert volle Aufschlüsse gibt und insbesondere die Pachtverhältnisse eingehend beleuchtet, eben so die Erträgnisse der inkorporierten Pfarreien darstellt.

Es ist hier nicht Raum genug, alle die Gebietsvergrößerungen des Stifts, die von dem rührigen Abt veranlaßt wurden oder die dem Kloster durch freigebige Schenkungen zu flossen, in ihren Einzelheiten aufzuführen. Die Monumenta Boica, Bd. XXIV, geben hierüber den nötigen Aufschluß. Auf ihnen fußt Prof. Bosl in seiner Geschichte des Klosters Kastl (VHO 89. Bd., 1939). Abt Hermann war es nicht bloß darum zu tun, den Wirtschaftsbereich des Stifters auszudehnen, wie dies besonders durch Wiederbegründung von aufgelassenen Dörfern jenseits der Naab, gegen Böhmen zu, geschah, wo er Heumaden, Pockstrauf, Braunhartsreut, Pruck, Putzenreut, die mehr als 100 Jahre verödet gelegen hatten, mit stiftskastlischen Untertanen neu kolonisierte.

Nicht minder lag ihm die innere Verfassung des Klosters am Herzen, die Aufrechterhaltung und Belebung des benediktinischen Ordensgeistes. Diesem edlen Zweck dien ten vor allem die zahlreichen Verbrüderungen, die er mit geistesverwandten Klöstern, auch Frauenklöstern, z. B. Niederaltaich, 1326 mit dem böhmischen Kloster Kladrau, ebenso mit dem Zisterzienserinnen von Seligenporten, 1327 mit Metten, 1334 mit den Zisterzienserinnen von Pielenhofen feierte.

Seine besondere Fürsorge galt auch dem Siechenhaus, das mit der Zeit in Verfall geraten, 1302 aber neuerdings reich begabt und an den Fuß des Berges verlegt worden war. Der treusorgende Stiftsherr ordnete dessen Wiederverpflanzung in den engeren Bereich des Klosters auf dem Berge an. Der Bischof von Eichstätt erklärte dazu 1323 seine Zustimmung. Im Translationsbrief heißt es: „Das Spital ursprünglich auf dem Klosterberg gestiftet, sei 1302 auf Andringen des gestrengen Markwarts von Neumarkt, der es bei Lebzeiten verwaltete, aus vernünftigen Gründen an den Fuß des Berges verlegt worden. In neuerer Zeit aber habe das Spital bei der Bosheit der Menschen, bei der Last harter Fehden im Kriege, am Fuße des Berges keinen sicheren Bestand gehabt, und demnach sei es durchaus unmöglich, Gebrechliche, Kranke, Fremdlinge und andere über all herzuströmende Dürftige zu versorgen und ihnen die gewöhnlichen Liebeswerke zu reichen.“

Auf die Mehrung der allzu schmalen Klosterpräbenden bedacht, veranlaßte Abt Hermann den Bischof Gebhard III. von Eichstätt zur Inkorporierung der alten Pfarreien Lauterhofen und Illschwang, für die dem Abte von Kastl seit je das Präsentationsrecht zustand. Doch war dabei ausbedungen, daß die beiden Inhaber dieser Pfarrpfründe bei ihren Lebzeiten in ihren Einkünften nicht geschmälert werden dürften. Schon am 10. Mai 1310 hatte Bischof Philipp von Eichstätt die Pfarreien Pfaffenhofen und Dietkirchen dem Kloster inkorporiert. Dadurch hatte der Konvent eine größere Unabhängigkeit erlangt.

Nach einer äußerst fruchtbaren Tätigkeit von beinahe 3 1/2 Jahrzehnten starb am 27. Januar 1356 der so rührige Mann. Man wird gewiß dem Chronisten Brunner beipflichten, der der Ansicht Ausdruck verleiht, daß der um Kastl so hochverdiente Abt ein Denkmal in der Klosterkirche verdient hätte. Aber vielleicht ist ihm eins gesetzt worden und hat sich nur nicht bis auf unsere Zeit erhalten.

Das beste Zeugnis für die Lauterkeit und den Ernst seines eifrigen Strebens hat er sich, wie die MB XXIV, 374 berichten, selbst ausgestellt, mit der Versicherung, „daß er sich unablässig bemüht habe, für die zeitlichen Güter und Vorteile des Klosters zu sorgen, die Besitzungen vor schweren Beschatzungen und Beschädigungen zu bewahren, aber auch mit Hilfe der zeitlichen Güter den Dienst zur Ehre Gottes zu mehren und das Seelenheil der Gläubigen zu befestigen und zu sichern“.

Darum ist er auch des hohen Lobes würdig, das Prof. Bosl ihm in seiner Geschichte des Nordgauklosters Kastl zollt: „Wir wissen nicht, welchem Geschlechte er entstammte, ob er bürgerlich oder adelig war, eins aber wissen wir ohne Lebensbeschreibung, daß er eine Führernatur mit Energie, Klugheit, Erfahrung und Weitblick war. Er hat das Kloster auf jene wirtschaftliche und geistige Höhe gebracht, die es schon seinem zweiten Nachfolger Abt Otto Nortweiner (1378—1399) ermöglichte, die Kastler Klosterreform zu begründen, die der Kastler Benediktinerabtei für längere Zeit die geistige Führung einer Anzahl von Schwesterabteien nicht bloß in Süd- und Mitteldeutschland, sondern auch im deutschen Westen verschaffte.“

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