Abt Hermann von Kastl
(1322— 1356)
Von Georg Widenbauer
In der Reihe der 31 Äbte, die von
1103 (Jahr der Gründung) bis 1460 (Auflösung des Klosters) der hochangesehenen
Benediktinerabtei Kastl auf dem bayerischen Nordgau vorstanden, nimmt Abt
Hermann, der 19. Lenker der Geschicke des Stifts, einen hervorragenden Platz
ein. Er war der Nachfolger des Abtes Siboto, der aus einem
Ministerialengeschlecht stammte, das in unmittelbarer Nähe von Kastl seinen
Sitz hatte.
Wenn man die umfassende segensreiche
Tätigkeit Abt Hermanns genauer würdigen will, muß man sich vor Augen halten,
mit welchen Schwierigkeiten das Stift im vor ausgehenden Jahrhundert zu kämpfen
gehabt hatte, durch die es beinahe an den Ruin gelangt war. Das vergangene
Jahrhundert war eine Zeit schwerster Bedrängnis von außen her, aber auch
innerer Mißhelligkeiten gewesen, die das Kloster an den Rand des Verderbens
gebracht hatten.
1217 fand ein Überfall auf das
Kloster statt, bei dem es in Flammen aufging. Die Übeltäter waren die benachbarten
Scharffenberger, 9 Brüder, die auf einem Burgstall in der Nähe von Ursensollen
saßen. Sie waren mit dem Kloster in einen Streit geraten, des Begräbnisrechtes
halber, brandschatzten das Stift, weil der Abt sich weigerte, einen Angehörigen
ihres Geschlechts, der fern der Heimat (in Italien?) gestorben war, auf Kosten
des Klosters in die Heimat zu überführen, um ihm in der Klosterkirche der Ehre
des Erbbegräbnisses teilhaft werden zu lassen.
Auf Beschwerden des Abtes vollzogen die
Markgrafen von Hohenburg als Reichsvögte der Staufer die Acht, steckten die
Burg der Frevler in Brand. Das Kloster wurde aus den Trümmern des
Scharffenbergs und der schon länger verfallenen Burg Thierenstein (Stammsitz
der Schweppermänner) wieder aufgebaut. Die Kirche wurde vom Bischof Hartwig von
Eichstätt 1219 neu geweiht.
Wiederholt wurde Kastl in die
kriegerischen Streitigkeiten verwickelt, die sich während der erbitterten
Kämpfe zwischen dem Staufer Friedrich I und den Papst und während der
kaiserlosen, schrecklichen Zeit des Interregnums entspannen. Es wurde
Kriegsgebiet um 1242 in dem Streit um die Vogtei zwischen den Hohenfelsern und
Hirschbergern, die als Nachfolger der Grafen von Kastl-Sulzbach ihre alten
Rechte auf Kastl mit dem Schwerte verteidigten. Obwohl das Stift in dem Kampfe
zwischen Kaisertum und Papsttum neutral zu bleiben suchte, wurde es doch
wiederholt gebrandschatzt und mußte zur Befriedigung seiner Peiniger Schulden
machen. Schließlich wurde das Stift beinahe in den finanziellen Ruin des
letzten Erbvogts Gebhard VII. von Hirschberg verstrickt, der von den
Regensburger Juden Geld aufnehmen mußte. Endlich entstanden widerliche
Erbstreitigkeiten beim Aussterben der Hirschberger. Deren letzter Sproß hatte
dem Kloster ein ansehnliches Vermächtnis zuerkannt, was aber von den
bayerischen Herzogen als Haupterben bestritten wurde. Erst im Dezember 1307 er
folgte ein Ausgleich auf einem Tag zu Nürnberg. Das Stift mußte einen nicht
geringen Teil der ihm zugefallenen Schenkungen herausgeben, trotzdem aber dem Guttäter
ein großartiges „Seelgeräte“ stiften.
Während dieser Wirren war die
Klosterzucht gesunken und war Unfriede im Konvent eingekehrt. Das beweist die
rasche Aufeinanderfolge der Äbte, die nach kurzer Amtszeit meist freiwillig
oder gezwungen abdankten oder vertrieben wurden. Selbst der tüchtige Abt Albert
von Blankstetten, der 1293 in Kastl eingesetzt, aber von 1294 bis 1297
vertrieben worden war, mußte. 1306 resignieren. Das zeigt genugsam von dem
Tiefstand des klösterlichen Lebens.
Auch die äußere politische
Stellung des Stifts war damals schwer bedroht. Die zielbewußte wittelsbachische
Territorialpolitik suchte ihre Herrschaft auf dem Nordgau immer weiter
auszubreiten und umklammerte Kastl von allen Seiten. Besonders wertvoll war für
sie die Erwerbung des ausgedehnten Besitzes der Grafen von Hirschberg. Dadurch
fiel den Wittelsbachern eine Reihe von Ämtern und Unterämtern zu, in denen das
Stift selbst begütert war, so Sulzbach, Rosenberg, Pfaffenhofen, Ammertal,
Werdenstein. Seit 1270 saßen die Wittelsbacher auch in Amberg, ebenso gehörte
ihnen das Amt Bärngau mit der Stadt Neumarkt, dazu das Amt Berg. Es schien nur
eine Frage der Zeit zu sein, wann auch Kastl selbst der immer weiter um sich
greifenden Landeshoheit der Wittelsbacher zum Opfer fallen mußte. Wir verstehen
es daher, daß Abt Albert unmittelbar nach dem Tode des Erbvogts 1305 beim König
Albrecht 1. in Nürnberg vorsprach, um sich die Privilegien der Stauferkaiser
von neuem bestätigen zu lassen, durch die das Stift der Reichsvogtei unterstellt
worden war.
Von der rücksichtslosen
Territorialpolitik der bayerischen Herzöge bedroht, mußte es das erste Streben
der Äbte sein, mit ihnen auf gutem Fuß zu stehen. Unter solchen Umständen kam
alles darauf an, daß sich ein Mann fand, der es verstand und der auch die Kraft
besaß, das Stift über alle Fährnisse hinweg einer neuen besseren Zukunft
entgegen zu führen.
Insbesondere hing die
Weiterentwicklung des Klosters wesentlich da von ab, ob es gelänge, dem
wittelsbachischen Territorialstreben klug zu begegnen, das sich mit dem
kastlischen wirtschaftlichen und politischen Ausdehnungsdrang kreuzte. Der
Mann, der dies meisterlich verstand, war Abt Hermann. Der Konvent hätte keine
geeignetere Persönlichkeit zur Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe finden können.
Seine erste Sorge war es, mit den
Wittelsbachern ein freundschaftlich, nachbarliches Verhältnis anzubahnen. Das
hatte schon sein Vorgänger versucht. Es war ein Glück, daß der bayerische
Herzog Ludwig 1314 zum deutschen Könige gewählt worden war. So war er durch den
Thronstreit mit seinem Gegenkönig Friedrich dem Schönen gezwungen, wenn er im
Kampfe um die Kröne über diesen obsiegen wollte, sich um Bundesgenossen umzusehen.
Eine sehr wertvolle Hilfe vermochte ihm die streitbare Ritterschaft des bayerischen
Nordgaus zu bieten. Er mußte also diese für sich zu gewinnen trachten und
weilte deshalb häufig in Amberg, von wo aus er öfters das Stift Kastl
aufsuchte. Hier wußte man seinen königlichen Ehrgeiz geschickt für die Zwecke
des Stiftes auszuspielen. Man appellierte an sein königliches Rechtsempfinden
und empfahl das Stift seiner königlichen Gunst. 1315 stellte König Ludwig dem
Kloster zu Nürnberg einen Schutzbrief aus, der die 1165, 1219 und 1305 erlangten
Freiheiten bestätigte und neuerdings die Reichsvogtei über das Kloster
anerkannte. Obwohl Ludwigs landesfürstliche Interessen denen des Reichs
zuwiderliefen, konnte er nicht umhin, hier die Rechte des Reiches wahrzunehmen,
schon um sein eigenes Gesicht als König zu wahren. Er durfte den Abt auch nicht
vor den Kopf stoßen, weil dieser großen Einfluß auf die Nordgauritterschaft
besaß, mit der er wegen des Erbbegräbnisrechtes im Kloster Kastl häufig in
Berührung kam. Ludwig war klug genug, das Stift zu einem Stützpunkt seiner
Königsmacht auszugestalten, und suchte deshalb, dessen Abte als Parteigänger
für sich zu gewinnen.
(Es sei gestattet hier einen
kurzen Überblick über die politische Lage einzuschalten. Bei Mühldorf waren
sich die feindlichen Heere bereits im Jahre 1319 kampfbereit
gegenübergestanden, als Friedrich der Schöne mit seinem Bundesgenossen, dem
Erzbischof von Salzburg, im September über Laufen ins Bayerische eingedrungen
war. Sein Bruder Leopold hatte aus den österreichischen Vorlanden seine Scharen
herangeführt. Ludwig wagte aber damals noch nicht, das Kriegsglück zu
versuchen, weil er nur seinen Neffen, den Herzog Heinrich von Niederbayern, zum
Verbündeten hatte. Dieses Zurückweichen Ludwigs vom Kampfe hatte zur Folge, daß
Friedrich und Leopold nach ihrer Vereinigung Ober- und Niederbayern aufs
furchtbarste verheerten. Sie drangen bis vor die Mauern von Regensburg vor, wo
sie sich trennten.
Ludwig hatte dadurch zwar keine
militärische, aber eine schwere moralische Niederlage erlitten. Sein Prestige
war so tief gesunken, daß er selbst an Abdankung dachte.
Da war es der Erzbischof von
Mainz, Peter von Aspelt, gewesen, der den Verzagten wieder aufrichtete. Er erschien
persönlich anfangs Februar 1320 bei ihm auf der Burg Ehrenfels und redete ihm
den Thronverzicht wieder aus. Ludwig unternahm im Sommer einen Vorstoß ins
Elsaß, wich aber neuerdings einer Schlacht mit Leopold aus. Ein k schwerer
Schlag widerfuhr ihm, als am 20. Juli 1320 Peter von Aspelt, seine Hauptstütze
unter den hohen Prälaten, starb. Seine Sache hatte dadurch einen neuen Stoß er
litten.
Umso zugänglicher mag er den
Bezeugungen treuer Anhänglichkeit gewesen sein, die ihm bei seinen Besuchen im
Kloster Kastl zuteil wurden. Hier fand er gar bald in Pater Hermann den
congenialen, verständnisvollen Freund und Förderer seiner Pläne, den Mann, den
er so nötig brauchte, um die wertvolle Unterstützung der nordgauischen Ritter-
und Bürgerschaft und des Burggrafen von Nürnberg zu gewinnen. Denn erst da
durch erlangte er die dringend nötige militärische Stärke, um den
habsburgischen Widersachern mit Aussicht auf Erfolg gegenübertreten und ein
baldiges Ende des langwierigen Krieges herbeiführen zu können. Darum lenkte er
wohl selbst bei der bevorstehenden Abtwahl bewußt die Beschlüsse des Konvents
auf Pater Hermann. Er brauchte bei seiner seelischen Verfassung einen
zuverlässigen, treuergebenen Freund, und daß er sich in Abt Hermann nicht
getäuscht hatte, beweist am deutlichsten die hohe Ehre, die er ihm da durch
zuteil werden ließ, daß er ihn fortan „Freund und Gevatter“ nannte.)
Am 4. Januar 1319 weilte der
Kaiser in Amberg und schloß am 12. Januar einen Vergleich mit dem Burggrafen
Friedrich von Nürnberg. Dann fuhr er mit seiner Familie nach Kastl. Hier
erkrankte sein Lieblingstöchterlein, das kleine 3jährige Ännchen und starb am
27. Januar. Es wurde in der Klosterkirche begraben, wodurch der kaiserliche
Vater nur noch inniger mit dem Stift verbunden war. Am 13. Januar 1321 suchte
er Kastl wieder auf und stiftete einen Jahrtag, wozu er den leibeigenen Ulrich
Scherub von Ransbach und sein Weib Diemut nebst ihrem Sohn freisprach, gegen
Zahlung von 3 Schilling langer und 1/2 Schilling Regensburger Pfennige durch
ihn und seine Nachkommen.
Am 22. März 1322 wurde Hermann
vom Konvent zum Vorsteher erwählt. Der Chronist rühmt ihn als „einen in jeder
Hinsicht vortrefflichen Mann, einen frommen Priester, einen für die damalige
Zeit ansehnlichen Gelehrten und würdigen Vorstand des Klosters. In der Tat hat
sich denn auch Abt Hermann, über dessen Herkunft nichts Näheres zu erfahren
ist, in jeder Hinsicht trefflich bewährt. Er war ein kluger, feinsinniger Kopf,
ein geschickter Politiker und Diplomat und ein äußerst umsichtiger und
tatkräftiger Wirtschaftsorganisator.
Seine nächste Aufgabe erblickte
er darin, König Ludwig noch enger mit dem Kloster zu verknüpfen. In diesem
Bestreben kamen ihm die augenblicklichen Zeitereignisse vor teilhaft entgegen.
Der Thronstreit stand eben auf dem Höhepunkte. Hier setzte sich Abt Hermann mit
Rat und Tat für König Ludwig und seine gerechte Sache ein. Aus der Tatsache, daß
die Nordgauritter und der schon bei Gammelsdorf (1313) rühmlichst her
vorgetretene Feldhauptmann Seyfried Schweppermann, der in engen Beziehungen zum
Stift stand, in dem neuerlichen Kampfe mit den Hauptausschlag gaben zum
glorreichen Sieg, in der denkwürdigen Schlacht bei Mühldorf (28. September
1322), darf man wohl schließen, daß Abt Hermann auf sie tatkräftig eingewirkt
hat, um sie für die Sache des Kaisers zu gewinnen. Vor allem aber ist die
Tatsache, daß das Dankesfest für diesen herrlichen Sieg am 8. Januar 1323 in
der Klosterkirche zu Kastl gefeiert wurde, der beste Beweis dafür, daß sich der
Kaiser dem Abte für die ihm geleistete wertvolle Beihilfe zu innigstem Danke
verpflichtet fühlte. Hiefür spricht auch der Umstand, daß er den Einwohnern von
Kastl damals Markgerechtsame verlieh. Mit einem Schlage waren so Kastl und sein
„Gewaltiger Abt“, wie sein offizieller Titel lautete, ins hellste Licht der Öffentlichkeit
gerückt und durch die Auszeichnung des sagenumwobenen Nordgau recken und
bayerischen Nationalhelden Schweppermann in die Geschichte eingegangen.
Wohlbefriedigt konnte Abt Hermann
auf diese glänzendsten Tage in der Geschichte des Stifts zurückblicken. Er
hatte erreicht, was er erstrebt hatte, hatte sich die Gunst seines hohen
kaiserlichen Herrn für immer gewonnen. Das kam dem Stift ganz außer ordentlich
zustatten.
Insbesondere hatte das stolze
Siegesfest, das die Mehrzahl der nordgauischen Ritter in Kastl um den Kaiser vereinigt
hatte, das Ansehen und die Stellung des Abtes bedeutend gehoben und zugleich
auch seinen Einfluß auf die nordgauische Ritterschaft ganz erheblich gestärkt.
Das Stift begann aufzublühen. Während die meisten übrigen bayerischen Klöster,
so Tegernsee, Scheyern, Rott, Polling u. a. wirtschaftlich zurückgingen und nur
durch außerordentliche Steuererleichterungen des Landesherrn vor dem gänzlichen
Verfall bewahrt blieben, erlebte Kastl als eifrigster Parteigänger des Kaisers
einen ungeahnten Aufschwung. Das verdankt es vor allem der Klugheit, dem Fleiß
und der Willenskraft seines Lenkers.
So sehen wir, wie die
Freundschaft zwischen dem Kaiser und dem Abte sich immer inniger gestaltete.
Zur Vertiefung derselben trug gewiß auch der Umstand bei, daß Abt Hermann einen
Mönch seines Klosters beauftragte, die bereits in lateinischer Prosa vorhandene
Chronik des Klosters in deutsche Verse zu übertragen. Diese Gründungsgeschichte
des Stifts, kurzweg die „Kastler Reimchronik“ genannt, schien ihm geeignet, die
lebhafteste Anteilnahme des Kaisers an den Geschicken des Klosters zu erwecken.
Sie bildet, indem sie weniger das Stift selbst, als die Verdienste der Stifter
und ihrer erlauchten hochfürstlichen Verwandten ins hellste Licht rückt,
gleichsam das reklamehafte Aushängeschild zur Erlangung politischer und
wirtschaftlicher Vorteile und diente, wie die Verbrüderung mit zahlreichen
anderen angesehenen Klöstern, dazu, dem Stift nach außen hin höhere Geltung zu
verschaffen.
Mit der Zeit wurde Abt Hermann
seinem kaiserlichen Herrn als politischer Ratgeber immer unentbehrlicher, zumal
in jenen stürmischen Zeiten, als er dem Bannstrahl des damals in Avignon
residierenden Papstes Johann XXII. verfallen war (23. März 1324), der sich ganz
im Fahrwasser der deutschfeindlichen französischen Politik bewegte. Da brauchte
der von allen Seiten bedrängte Kaiser in seinen Gewissensnöten einen Freund,
dem er sein Herz ausschütten konnte, der ihm in den schwierigen politischen
Lagen als kluger Berater hilfreich zur Seite stand, der auch dem Gebannten die
Treue hielt, wie auch andere hohe geistliche Würdenträger und der Orden der
Franziskaner-Minoriten. Jedenfalls aber suchte er stets ausgleichend zu
vermitteln und leistete insbesondere bei der Aussöhnung mit dem in Trausnitz in
ritterlicher Haft gehaltenen Gegenkönig Friedrich dem Schönen wertvolle
Dienste. So schuf er die Grundlage dazu, daß Ludwig, nun im Rücken frei, seinen
Römerzug unternehmen und sich in Italien die Kaiserkrone holen konnte. Abt
Hermann durfte ihn dabei begleiten und war Zeuge der glanzvollen Feste, bei
denen Ludwig am 31. Mai 1327 zu Mailand die lombardische Königskrone und am 27.
Januar 1328 zu Rom die Kaiserkrone erhielt. Vielleicht hat er auch einen nicht
geringen Anteil an der Errichtung der deutschen Gralsburg Ettal, die der Kaiser
nach seiner glücklichen Rückkehr aus Italien stiftete. Darauf läßt schon der
Umstand schließen, daß dessen erster Abt aus dem kastlischen Tochterkloster
Reichenbach berufen wurde.
(Auf italischem Boden erfolgte
auch die Aussöhnung Ludwigs mit seinem Neffen Rudolf in dem berühmten
Teilungsvertrag von Pavia (4. August 1329), wonach die Söhne und Enkel Rudolfs
die pfälzischen Lande und die später als obere Pfalz bezeichneten Gebiete des
bayerischen Nordgaus erhielten. Ludwig behielt Oberbayern, einige Besitzungen
nördlich der Donau mit dem Vitztumamt (Burg)Lengenfeld, dessen Sitz nun nach Amberg
verlegt wurde. Durch diesen Hausvertrag kam das Kloster Kastl zum pfälzischen
Kuranteil, was den Kaiser sehr geschmerzt haben mag. Seine lebhafte Sorge um
das ihm so vertraute Stift fand beredten Ausdruck in einer zu Trient
ausgestellten Urkunde von 1330, in der er seinen Verwandten Kastl
angelegentlichst ans Herz legte. „Da die Vogtei über das Gotteshaus Kastl von
Reichswegen Uns gebührt, so empfehlen Wir Euch fleißig den Abt und Konvent
desselben sowie ihre Leute und ihr Gut. Wir bitten Euch ernstlich und wollen
auch, daß Ihr sie in Güte und von Unsertwegen beschirmt und bei Ihren Rechten
belasset. Dadurch erzeuget Ihr Uns sonderliche Lieb und Treue.“
Wir haben allen Grund anzunehmen,
daß hinter diesem Schutzbrief für das Kloster Abt Hermann stand. Wenn er auch
später nicht mehr so häufig mit den Kaiser in engere Berührung kam — er
beschwor noch 1340 einen Landfrieden mit — so ist doch glaubhaft, daß die
Freundschaft beider bis zum jähen Ende des Kaisers (1347), fortdauerte. Ein
Bindeglied zwischen dem Kloster und dem Kaiser bildete wohl der biedere
Seyfried Schweppermann, der von Deinschwang oder dem nahen Pfaffenhofen aus Kastl
öfters besuchte und hier nach seinem Tode 1337 im südlichen Kreuzgang des Klosters
seine letzte Ruhestätte fand. Jedenfalls hat der Kaiser auf Anregung des Abtes
ihm den schlichten Grabstein setzen lassen, der sich heute am nördlichen
Chorbogenpfeiler erhebt.)
Nachdem das Königtum Ludwigs des
Bayern fest gegründet war und durch Übertragung der Kaiserkrone seine höhere
Weihe erhalten hatte, gewann Abt Hermann die wohl schon seit langem ersehnte
Muße, die es ihm erlaubte, sich von der sorgenvollen, aufregenden Politik mehr
und mehr zurückzuziehen und fortan sich mit größter Hingabe dem inneren und
äußeren Aufbau des Stifts zu widmen. Das dünkte dem pflichtbewußten, schaffensfreudigen
Mann die Hauptaufgabe seines Lebens.
Dieser Einsatz war ihm nun umso
leichter möglich, als er bei seinen Maßnahmen zur Hebung des Stifts auf die
wertvolle Unterstützung seines kaiserlichen Freundes rechnen konnte und nicht
mehr befürchten mußte, dabei durch die Willkür eines Vogtes gehemmt zu werden.
Denn das Stift war, durch das Testament des letzten Grafen von Hirschberg, seit
1315 von der einengenden Vormundschaft eines Vogtes befreit worden. Sein Lenker
konnte nun, zum größten Segen des Stifts, ungehindert schalten und walten, wie
es dessen Interesse gebot. Zum größten Vorteil gereichte, daß Abt Hermann eine
verhältnismäßig lange Regierungszeit beschieden war. Volle 34 Jahre stand er
seinem Kloster vor und bereicherte es mit seinem unermüdlichen Schaffensdrang,
seinem tiefen Wissen, seinem Weitblick und seinen Erfahrungen.
Um eine genauere Kenntnis von
Umfang und Stand des klösterlichen Besitzes zu gewinnen, ließ Abt Hermann
zwischen 1334 und 1338 ein übersichtliches Wirtschaftsbuch anlegen, das älteste
Kastler Urbar, für uns Heutige eine Wirtschaftsquelle ersten Ranges, das uns
über die Entstehung und Entwicklung des gesamten Klosterbesitzes wert volle
Aufschlüsse gibt und insbesondere die Pachtverhältnisse eingehend beleuchtet,
eben so die Erträgnisse der inkorporierten Pfarreien darstellt.
Es ist hier nicht Raum genug,
alle die Gebietsvergrößerungen des Stifts, die von dem rührigen Abt veranlaßt
wurden oder die dem Kloster durch freigebige Schenkungen zu flossen, in ihren
Einzelheiten aufzuführen. Die Monumenta Boica, Bd. XXIV, geben hierüber den
nötigen Aufschluß. Auf ihnen fußt Prof. Bosl in seiner Geschichte des Klosters
Kastl (VHO 89. Bd., 1939). Abt Hermann war es nicht bloß darum zu tun, den Wirtschaftsbereich
des Stifters auszudehnen, wie dies besonders durch Wiederbegründung von
aufgelassenen Dörfern jenseits der Naab, gegen Böhmen zu, geschah, wo er Heumaden,
Pockstrauf, Braunhartsreut, Pruck, Putzenreut, die mehr als 100 Jahre verödet
gelegen hatten, mit stiftskastlischen Untertanen neu kolonisierte.
Nicht minder lag ihm die innere
Verfassung des Klosters am Herzen, die Aufrechterhaltung und Belebung des
benediktinischen Ordensgeistes. Diesem edlen Zweck dien ten vor allem die
zahlreichen Verbrüderungen, die er mit geistesverwandten Klöstern, auch
Frauenklöstern, z. B. Niederaltaich, 1326 mit dem böhmischen Kloster Kladrau,
ebenso mit dem Zisterzienserinnen von Seligenporten, 1327 mit Metten, 1334 mit
den Zisterzienserinnen von Pielenhofen feierte.
Seine besondere Fürsorge galt
auch dem Siechenhaus, das mit der Zeit in Verfall geraten, 1302 aber neuerdings
reich begabt und an den Fuß des Berges verlegt worden war. Der treusorgende
Stiftsherr ordnete dessen Wiederverpflanzung in den engeren Bereich des
Klosters auf dem Berge an. Der Bischof von Eichstätt erklärte dazu 1323 seine
Zustimmung. Im Translationsbrief heißt es: „Das Spital ursprünglich auf dem
Klosterberg gestiftet, sei 1302 auf Andringen des gestrengen Markwarts von
Neumarkt, der es bei Lebzeiten verwaltete, aus vernünftigen Gründen an den Fuß
des Berges verlegt worden. In neuerer Zeit aber habe das Spital bei der Bosheit
der Menschen, bei der Last harter Fehden im Kriege, am Fuße des Berges keinen
sicheren Bestand gehabt, und demnach sei es durchaus unmöglich, Gebrechliche,
Kranke, Fremdlinge und andere über all herzuströmende Dürftige zu versorgen und
ihnen die gewöhnlichen Liebeswerke zu reichen.“
Auf die Mehrung der allzu
schmalen Klosterpräbenden bedacht, veranlaßte Abt Hermann den Bischof Gebhard
III. von Eichstätt zur Inkorporierung der alten Pfarreien Lauterhofen und Illschwang,
für die dem Abte von Kastl seit je das Präsentationsrecht zustand. Doch war
dabei ausbedungen, daß die beiden Inhaber dieser Pfarrpfründe bei ihren
Lebzeiten in ihren Einkünften nicht geschmälert werden dürften. Schon am 10.
Mai 1310 hatte Bischof Philipp von Eichstätt die Pfarreien Pfaffenhofen und
Dietkirchen dem Kloster inkorporiert. Dadurch hatte der Konvent eine größere
Unabhängigkeit erlangt.
Nach einer äußerst fruchtbaren
Tätigkeit von beinahe 3 1/2 Jahrzehnten starb am 27. Januar 1356 der so rührige
Mann. Man wird gewiß dem Chronisten Brunner beipflichten, der der Ansicht
Ausdruck verleiht, daß der um Kastl so hochverdiente Abt ein Denkmal in der
Klosterkirche verdient hätte. Aber vielleicht ist ihm eins gesetzt worden und
hat sich nur nicht bis auf unsere Zeit erhalten.
Das beste Zeugnis für die
Lauterkeit und den Ernst seines eifrigen Strebens hat er sich, wie die MB XXIV,
374 berichten, selbst ausgestellt, mit der Versicherung, „daß er sich
unablässig bemüht habe, für die zeitlichen Güter und Vorteile des Klosters zu
sorgen, die Besitzungen vor schweren Beschatzungen und Beschädigungen zu bewahren,
aber auch mit Hilfe der zeitlichen Güter den Dienst zur Ehre Gottes zu mehren
und das Seelenheil der Gläubigen zu befestigen und zu sichern“.
Darum ist er auch des hohen Lobes
würdig, das Prof. Bosl ihm in seiner Geschichte des Nordgauklosters Kastl
zollt: „Wir wissen nicht, welchem Geschlechte er entstammte, ob er bürgerlich
oder adelig war, eins aber wissen wir ohne Lebensbeschreibung, daß er eine
Führernatur mit Energie, Klugheit, Erfahrung und Weitblick war. Er hat das Kloster
auf jene wirtschaftliche und geistige Höhe gebracht, die es schon seinem
zweiten Nachfolger Abt Otto Nortweiner (1378—1399) ermöglichte, die Kastler
Klosterreform zu begründen, die der Kastler Benediktinerabtei für längere Zeit
die geistige Führung einer Anzahl von Schwesterabteien nicht bloß in Süd- und
Mitteldeutschland, sondern auch im deutschen Westen verschaffte.“
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