Wolf Eitel Pelckofer muß emigrieren
Von Dr. Hans Frhr. Voith von Voithenberg
Verlust von Haus und Hof, Enteignung, Austreibung aus der Heimat sind in der Geschichte immer wieder von Machthabern als Mittel gegen Gewaltunterworfene angewendet worden. Das Schicksal des Junkers Wolf Eitel Pelckofer von Moosweg auf Grafenried, der zu den 1629 aus der Oberpfalz vertriebenen adeligen Landsassen gehörte, ist zwar nur ein - gewiß tragischer - Einzelfall unter vielen beklagenswerten Vorkommnissen in der furchtbaren Zeit des 30jährigen Krieges. Es ist aber vielleicht deshalb bemerkenswert, weil die noch erhaltenen Akten der Amberger Regierung auch überraschende Aufschlüsse über die Arbeit der Bayerischen Verwaltungsbehörden geben und zeigen, wie ausgezeichnet die junge Bürokratie in dem von der Kriegsfurie schwer heimgesuchten Land funktionierte.
Maximilian I. |
Die kurfürstliche Verwaltung nahm die ihr anläßlich dieser Maßnahmen obliegenden Aufgaben zuverlässig und zeitgerecht wahr. Der Landsaß und Glashüttenherr zu Grafenried bei Waldmünchen, Wolf Eitel Pelckofer von Moosweg, hatte sich entschlossen, seinem reformierten Bekenntnis treu zu bleiben, räumte aber sein Gut nicht rechtzeitig. Vom Frühjahr 1629 an begann nun ein über Jahre hin sich erstreckendes Wechselspiel zwischen dem zur Emigration genötigten Hofmarkherrn einerseits und dem Pflegeamt Waldmünchen und der Regierung in Amberg andererseits, bis schließlich der Kurfürst selbst eine bündige Entscheidung zum Nachteil Pelckofers traf.
Die Zwölfmonatsfrist seit Erlaß des Religionsmandates war noch nicht voll verstrichen, als Wolf Eitel Pelckofer von der kurfürstlichen Regierung in Amberg am 25.2.1629 Weisung erhielt, außer Landes zu gehen und das Gut entweder zu verkaufen oder wenigstens einen katholischen Verwalter zu bestellen. Da der einspännig reisende Bote wegen des Schnees nicht bis Grafenried gelangen konnte, wurde die Zustellung der Regierungsinstruktion durch Niederlegung beim Pflegeamt Waldmünchen am 4.3.1629 bewirkt. Der Grafenrieder Gutsherr suchte Zeit zu gewinnen unter Hinweis auf die Schwierigkeiten im Winter Fuhren zusammenzustellen, seine körperliche Indisposition und seine finanzielle Lage, die ihn zwang, erst Außenstände beizutreiben. Die Behörden aber drängten und drückten. Es wurde eine Steuernachholung gefordert und ein Arrest über das Gut ausgebracht. Wolf Eitel Pelckofer erhob Gegenvorstellungen mit der Begründung, daß er in seineUntertanen wegen der Geldschulden nicht zu heftig dringen könne, weil sie sonst davonliefen, und daß die Glashütte nicht zum Erliegen kommen dürfe, da sich sonst kein Käufer finden werde; um einen katholischen Verwalter anstellen zu können, sei die gesetzte Frist zu kurz bemessen. Er fand bei den Behörden kein Entgegenkommen. Im Gegenteil, wegen der Überschreitung der Frist wurde Pelckofer trotz seiner Darlegungen, daß ihm Ungehorsam fernliege und er nicht vorsätzlich in Verzug geraten sei, in eine Strafe von 12 Reichsthalern genommen.
Für die vorgebrachten wirtschaftlichen Überlegungen blieb die Regierung in Amberg unzugänglich. Wolf Eitel Pelckofer habe genügend Zeit gehabt, das Gut zu versilbern. Einzig der Pfleger von Waldmünchen, Wolf Pelckofer, ein Vetter des Gutsherrn, zeigte nicht nur religiösen Eifer, sondern handelte auch ökonomisch. Er konnte am 23.4.1629 an die Regierung berichten, daß der Glashüttenherr seine fahrende Habe nach Regensburg verbracht habe und mit Weib und Kind dahin abgereist sei; jedoch sei die Glashütte gelöscht, Holzhauer und Aschenbrenner seien abgeschafft, das Vieh weggetrieben und die Felder unangebaut stehen gelassen. Der Pfleger habe den Emigranten aber unterwegs gestellt und überreden können, daß er die Felder anbauen und das Vieh wieder hertreiben lasse, die Holzhauer und Aschenbrenner neu anstelle und das Hauswesen dem - bereits katholischen - Untertanen Christoph Hack anvertraue. Und weil der Pfleger wußte, was die Regierung erwartetet, fügte er am Schluß hinzu, er habe Wolf Eitel bezüglich der Religion soweit gebracht, daß auf eine baldige Umkehr zu hoffen sei. In der Antwort legte die Regierung dem Pfleger die Bekehrung des Gutsherrn besonders ans Herz.Obwohl Grafenried im entlegensten Winkel des Oberpfälzer Waldes liegt, war es Wolf Eitel Pelckofer nicht möglich, sich heimlich dort aufzuhalten. Mit Recht ließ er große Vorsicht walten. Die Behörde war wachsam. Als er im Mai 1629 geschäftlich von Regensburg nach Böhmen, Taus, reiste Grafenried mied und seinen Verwalter in den außerbayerischen Ort Wassersuppen bestellte, wurde seine Durchreise durch Neunburg v. W. dem Pflegeamt und von diesem an die Regierung gemeldet. Im Juli desselben Jahres gelang es, eine dreitägige Aufenthaltserlaubnis für Grafenried zu bekommen. Das mißtrauische Pflegeamt entdeckte sogleich eine Fristüberschreitung, die der Gutsherr mit seinem Warten auf die Herren Steuercommissarien entschuldigte.
Die Regierung zeigte als gewissenhafte Verwaltungsbehörde des glaubenseifrigen Kurfürsten kein Verständnis für die Schwierigkeiten, die Pelckofer hatte, von seinem Flüchtlingswohnsitz aus das Gut in Betrieb zu halten. Sie hatte auch keine Geduld und ergriff - ungeachtet der Gefahr Landwirtschaft und Glashütte völlig zugrunde zurichten - immer härtere Maßnahmen, um den Calvinisten Pelckofer endgültig aus den kurbayerischen Landen zu vertreiben. Im Winter 1629/30 wurde den Knechten und Glasern bei Starfe verboten, Pelckofer weiterhin gehorsam zu leisten, die zur Hofmarksgerichtsbarkeit gehörigen, scharwerkspflichtigen Einwohner von Seeg wurden unter die Botmäßigkeit des Pflegeamts Waldmünchen gezogen. Bewegte Bitten nicht nur des Gutsherrn, sondern auch des Verwalters Steffan Vever namens des Glashüttenpersonals um die Möglichkeit, an Ort und Stelle Maßnahmen zugunsten von Gut und Glashütte treffen zu können, bewirkten nicht mehr als Einreiseerlaubnisse einmal für zwei und einmal für drei Tage.
Die politische und militärische Lage war für diesen harten Kurs gegenüber dem Vertriebenen günstig. Kurfürst Max I. war unangefochten Herr der Oberpfalz; er festigte seine Herrschaft sogar noch durch die Erwerbung der großen böhmischen Lehen in der Oberpfalz (25.5.1631). Danach aber gewann es den Anschein, als ob sich die Emigranten aus dem kriegerischen Erfolg der Schweden einige Hoffnung schöpfen könnten. Tillys Truppen wurden durch General Horn in die Oberpfalz getrieben, König Gustav Adolf stieß bis Neumarkt vor. Kurbayern konnte es sich nicht mehr leisten, die Güter zum Ruin zu bringen. 1631 erging ein kurfürstlicher Generalbefehl an sämtliche emigrierenden Oberpfälzischen von Adel, demzufolge sie zur Ernte- und Saatzeit, im ganzen sechs Wochen bei ihren Gütern zu sein hatten.
Wolf Eitel Pelckofer bat am 30.8.1631, etliche Tage länger bleiben zu dürfen. Die Amberger Regierung antwortete bereits am 4.9.1631 mit einer Ablehnung und schrieb " .... du waist dich nunmehr alsbalden widerumb fort vnd außerlandts zu machen ...." Es blieb keine andere Wahl als zu gehorchen.
Bedeutungsvolle Ereignisse überschatteten das Jahr 1632. Gustav Adolf rückte nach Landshut und München vor (17.5.1632) und bezog später (Juli bis September 1632) das Lager bei Nürnberg; im April war Tilly gestorben; im November schieden der Schwedenkönig Gustav Adolf und der Winterkönig Friedrich V. aus dem Leben. Ob Wolf Eitel Pelckofer die Erfolge der Evangelischen dazu nützen konnte auf sein Gut zurückzukehren, wissen wir nicht. Pflegamt und Regierung schwiegen.
Fast möchte man annehmen, daß die Kriegsereignisse - General Horn in Neumarkt, Oberst Taupadel in Cham, Herzog Bernhard von Weimar in Regensburg - ihm erlaubten, den Gutsbetrieb wieder in die Hand zu nehmen, denn im Sommer 1633 war die Landwirtschaft in Grafenried wieder zu Lieferungen von 9 Stück Rindvieh 160 Schafen und 10 Schweinen in der Lage.
Die militärischen Erfolge der Schweden hatten den bayerischen Behördenapparat vielleicht vorübergehend gelähmt, aber keinesfalls funktionsuntüchtig gemacht. Der Pfleger Wolf Pelckofer in Waldmünchen wurde schon am 4.8.1633 auf den Plan gerufen, als Wolf Eitel Pelckofer am 2.8.1633 mit der Post (man denke!) von Regensburg zu seinem Gut kam, um dem Aldringischen Hofmetzger Fische, Ochsen und Schafe zu verkaufen. Bereits am 8.8.1633 wies die Regierung ihren Waldmünchner Pfleger kathegorisch an, Wolf Eitel Pelckofer in Arrest zu nehmen und zu examinieren, warum und auf wessen Geheiß oder Concession er sich ins Land begeben. Wolf Eitel Pelckofer berief sich bei seiner Vernehmung darauf, daß die Fische, Schafe und Ochsen vom Hofmeister des Grafen Aldringen mehrmals verlangt worden seien; der General sei sogar bereit gewesen, einen Paß zu erteilen und ein Convoy von Dragonern zu stellen; er sei der Auffassung gewesen, daß man dem Herrn General nichts versagen dürfe. Bei dieser Begründung, daß die Lieferung für den kaiserlichen Generalzeugmeister erfolgt sei, begnügte sich die Regierung mit einem Verweis und der Warnung, Pelckofer solle sich fürderhin nicht mehr unterfangen, ohne gehörig erlangten Consens ins Land herein zu kommen.
Im Jahre 1634 gestalteten sich die Verhältnisse in der Oberpfalz völlig unübersichtlich. Regensburg hatte sich den belagernden Bayern übergeben; Sulzbach, Vilseck, Hirschau, Weiden, Nabburg und Waldmünchen hielten die Schweden; in Amberg lag die vom Grafen von der Waal kommandierte bayerische Besatzung. Der Pfleger von Waldmünchen wurde unsicher, als im September zwei Söhne Wolf Eitel Pelckofers nach Grafenried kamen, den reformierten Schulmeister von Ast als Verwalter mitbrachten und behaupteten, sie seien befugt wieder ungehindert auf ihrem Gut zu wohnen. Der Pfleger deckte sich durch eine Rückfrage bei der Regierung von Amberg. Diese zögerte nicht. Schon nach sechs Tagen kam der Befehl die beiden Pelckofer in Arrest zu nehmen, den zwinglichen Verwalter aber gefangen zu setzen.
Auffallenderweise handelte vom Oktober 1634 an Stelle des Pflegers der Amtsrichter Balthasar Wolf Herttig. Der Pfleger wird als abwesend bezeichnet. Herttig handhabte den Fall wesentlich elastischer als Wolf Pelckofer, der vielleicht durch Diensteifer hatte beweisen wollen, daß er sich bei Amtsgeschäften von verwandtschaftlichen Bindungen nicht beeinflussen ließ. Der Amtsrichter Herttig ließ vier Wochen vergehen und berichtete dann an die Regierung, daß die zwei Söhne Pelckofers und ihr unkatholischer Verwalter sich wieder von Grafenried wegbegeben hätten. Inzwischen war aber Wolf Eitel Pelckofer selbst in Grafenried eingetroffen, der als durch Schlaganfall einseitig gelähmt ("von der Gewalt Gottes berührt und erkrummt") und als ganz kindisch geworden bezeichnet wird.
Geschliffenes Grafenried – Heute Lučina |
Hoffnungsvoll glaubte Pelckofer, auf sein Immediatgesuch hin werde der Kurfürst ihm als leidendem Manne den Aufenthalt auf dem Gut gestatten. Die Regierung verlangte, Pelckofer solle binnen 14 Tagen die kurfürstliche Resolution vorweisen, anderenfalls nach dem früheren Befehl zu verfahren sei.
Herttig war angesichts der über Pelckofer hereingebrochenen Leidenszeit barmherziger als Kurfürst und Regierung. Er verhielt sich passiv. Am 14.2.1635 gab er nach Amberg Nachricht, daß die fünf Kinder Pelckofers an der "bösen Seuch" erkrankt und vier davon (die drei Söhne und eine Tochter) gestorben seien, die Ehefrau könne mit dem bettlägerigen Mann zur Winterszeit nicht fortkommen. Die Regierung - als ob sie die Unerbittlichkeit des Landesherrn vorausgeahnt hätte - befahl dem Amtsrichter, er solle auf Mittel und Wege denken, wie Pelckofer unangesehen seiner Leibesindisposition binnen 4 Wochen aus dem Land zu schaffen, Frau und Kind aber zur katholischen Religion zu bringen seien.
Der von Wolf Eitel Pelckofer ersehnte Beweis landesherrlicher Huld, wonach er seine nur noch kurze Lebenszeit auf dem Gut beschließen dürfe, wurde versagt. Kurfürst Maximilian verfügte am 2.5.1635 in Braunau: " ... Weil sich Wolf Eitel Pelckofer zu Vnserer Religion nit zu accomodirn begert, wissen Wir ihn auch in Vnseren Landen nit zue gedulden ... ".
Trotz allem holte niemand mehr zwangsweise den geschlagenen, kranken Mann von seinem durch Kriegsvolk ausgeplünderten Gut Grafenried weg.
Im Juli 1635 teilte er seinen Entschluß zum Verkauf mit. Im Frühjahr 1637 wird Wolf Eitel Pelckofer als verstorben erwähnt. Die Regierung setzte ihre Bemühungen, die Witwe außer Landes zu schaffen, fort. 1637 war der lang erstrebte Erfolg ereicht. Anna Margareta Pelckoferin geb. von Görnitz genannt Stuissin fand in dem Glashüttenmeister Geog Gerl aus St. Catharina in Böhmen einen Käufer, der hinsichtlich der Religionszugehörigkeit den kurbayerischen Anforderungen entsprach.
Die Geschichte des Landsassen Pelckofer zeigt das schwere Geschick eines Gutsherrn, der das Bekenntnis nicht zu wechseln gewillt war, aber sie ist auch ein Beispiel dafür, wie der Kurfürst durch die Hirarchie der Amtsträger seine Authorität und Befehlsgewalt im neu erworbenen Land nachhaltig durchzusetzen verstand und wie selbst gefährlichste politische und militärische Bedrängnisse die Stetigkeit des Beamtenverwaltungssystems kaum zu beeinträchtigen vermochten.
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