Oberpfraundorf bei Hohenfels, 1611
Von Dr. Hans Ammon
Wie ein Souverän und absoluter Herrscher steht sie da in der alten Akte aus Amberg - die jetzige regierende Krankheit! Man spürt den Seuchenwind jener Zeiten, den Atem der Betroffenen und der darauf Wartenden, die Angst vor dem heimlichen Zugriff jener regierenden Krankheit, als da sind Ruhr, Pest, Cholera ... Und man weiß als moderner Mensch des Jahres 19xx ff., daß der Kampf der Ärzte gegen solche regierenden Krankheiten ungemein erfolgreich gewesen ist in den Jahrhunderten seitdem. Und doch! Immer wieder tauchen sie auf, heimlich, verborgen und doch verwirrend und beängstigend auch in unseren erleuchteten Zeiten, solche regierenden Krankheiten mit dem gleichen Echo der Angst, des Grauens, der Furcht und des Schreckens ...
Nun kehren wir wieder zurück zu unserem alten Akt!
Da liegt auf dem Jura zwischen Beratzhausen und Hohenfels das Pfarrdorf Oberpfraundorf mit seinen Filialorten. Und seine Gottesdienste werden eifrig besucht um 1611 von den einheimischen Leuten des Amtes Hohenfels in der oberen oder Kurpfalz und von den "auslendigen" des jungpfälzischen Dorfes Rechberg und seiner Zugehörungen; dazwischen sind die einst parsbergischen, ab 1574 hallerischen Untertanen von Raitenbuch. Aber zum Gottesdienst an einem Kirchort gehört auch eine rechte Kirchweih, da man der Stiftung gedenkt und der Stifter, des Kirchenheiligen und seines Vorbildes und die lebenden Christen aufruft zur sachgemäßen Unterhaltung ihres Kirchleins mit Taufe und Beichte, Abendmahl und Predigt, Kinderlehr und Beerdigung.
Und das ist schon einer echten Kirchweih und ihrer großen Freude wert.
Und weil das bäuerliche Volk einst seine Angehörigen, Freunde, Verwandten ganz gern einmal wieder bei sich versammelt hatte, so tat mans eben zur lieben Kirchweih und bot im Hause auf, was zur Stärkung der herwandernden und heimwandernden Freunde und Verwandten möglich war. Und dazu war auch das Wirtshaus im Dorf, öffentlicher Versammlungsort der Männer aus den umliegenden Orten zur Besprechung der häuslichen, beruflichen, bäuerlichen Dinge und Ereignisse und auch, wenn es sein mußte, der fürstlichen d. h. staatlichen Vorkommnisse und der kirchlichen Vorgänge nah und fern.
So kam viel Volks zusammen - auch ohne den heute üblichen, oft auf eine ganze Woche ausgedehnten Vergnügunszauber und -rummel. Aber das gute Bier erfaßte auch manchen Unachtsamen oder Wichtigtuer nicht bei der Maß, sondern im Übermaß! Und da kams eben dann zum bösen Wort und üblen Schlag und nachfolgender Verhandlung vor Gericht.
Nun unser Akt vom Jahre 1611 berichtet dies:
Bei der Kirchweih in Oberpfraundorf anfangs Juni waren drei Männer aneinandergeraten: aus der Kurpfalz und vom Kirchort Georg Fridel, von Beruf ein Pfeifer und Stephan Götz; aus der Jungpfalz, Untertan des Herrn Drechsel zu Wischenhofen, Georg Frölich. Bei Götz heißt es im späteren Protokoll: ". . . in zimlicher Armut und großen Schulden stöcken tut, jedoch zimlich händelsüchtig und aufrührerisch." Bei Frölich aber ". . . eines guten Vermögens und Nahrung . . ."
Wie die drei aneinandergerieten und zwei gegen einen losschlugen, konnte nicht herausgebracht werden; jedenfalls lag am Ende der Pfeifer Fridel "durch einen Truck" der beiden anderen schwer beschädigt, blutüberströmt am Boden. Sein Schäher Mayer fand ihn im Hof liegen und versorgte ihn. Man konnte noch den Herrn Pfarrer holen und den Sterbenden mit dem heiligen Mahl versehen, aber in der Nacht verstarb er.
Die Kirchweih hätte ihr jährliches Opfer und ihren jährlichen Handel. Hausfrau und Sohn baten Herrn Pfarrer zur christlichen Beerdigung. Der hatte keine Ahnung vom Handel und Opfer und fragte freundlich, ob "er an der jetzigen regierenden Krankheit gestorben sei". Das mußte verneint werden, und die Angehörigen erzählten den Hergang vom gestrigen Tag, nannten Götz und Frölich als Schläger und Schädiger.
Herr Pfarrer meldete den Vorgang als Malefizsache, gleich dem Richter und bat um Weisung wegen der Beerdigung; denn "er noch unbegraben ist". Der Richter meldete es dem Pfleger zu Hohenfels und dieser der Regierung in Amberg. Was blieb ihr anderes übrig, als die beiden Schläger verhaften und den Toten begraben zu lassen? So erging die Weisung zu beiden Vornahmen. Bei der Verhaftung der beiden Schläger sollten zwei oder drei Soldaten mitwirken und "in der Still ohn einige Gewalt" die beiden erfassen und nach Hohenfels abführen. Da aber Frölich jungpfälzischer Untertan war, also von der Kurpfalz nicht erfaßt und abgeurteilt werden konnte, mußte man versuchen, ihn beim Besuch in Oberpfraundorf zu fassen. Es wird zwar, wie vielfach üblich, im Akt nichts weiter berichtet; doch ist anzunehmen, daß der zuständige jungpfälzische Landsasse Dr. Drechsel im nahen Wischenhofen den Übeltäter mit dem fröhlichen Namen an die Kurpfalz auslieferte. Es war ja ein öffentliches Malefiz, und da konnte man im "Ausland" nicht mehr schützen und wahren. Zum Unglückstag: wohl 4. Juni 1611, Tod vom 4. auf den 5. Juni. Begräbnis nach dem 5. Juni in Oberpfraundorf.
Kirchweih soll Kirchweih bleiben - auch bei Bier und Bratwurst. Wie sagt das Volk? "Wenns am besten schmeckt, soll man aufhören!" Und da hat es wirklich recht. Was über die Maß und das Maß geht, ist immer übel, 1611, 1974 oder 2015!
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