Dienstag, 14. März 2023

Die Schweden vor Runding.

 

Die Schweden vor Runding.

Von Johann Brunner.

 

Ein rauher Novembermorgen des  Jahres 1633! Der böhmische Nordost brauste durch die Further Talsenke her und heulte um das hohe Schloß Runding, das ihm trotzig seiner granitenen Flanken entgegenstemmte. Knarrend öffnete sich das Burgtor. Ein schwerer Reisewagen kam heraus, knirschte mit eingelegten Radschuhen die steile Zufahrt herab und wendete sich dem Dorf Runding zu. Im Wagen saß sorgengebeugt der Burgherr Hans Albrecht Nothafft von Wernberg. Pfleger des Amtes Wetterfeld unterhalb Cham. Manches kummervolle Gesicht blickte dem Herrschaftsgefährt nach, als es durch das Dorf rollte und über Lederdorn einem unbestimmten Ziel zustrebte. Nothafft ergriff die Flucht vor den Schweden, die von Regensburg heranrückten.

Am 18. November 1633 nahm der schwedische Oberst George Christoph von Taupadell Cham ein, behandelte die Stadt als seinen Stützpunkt ziemlich schonend, ließ aber dafür das Land ringsumher gründlich ausplündern. Da war kein Schloß, kein Dorf, das den Schweden entging: ja mit Hilfe gemeiner Verräter  wurden selbst die entlegensten Einöden von ihren Raubzügen heimgesucht.

Wohl schreibt unser heimischer Geschichtsforscher  J. N. Schuegraf, das feste Schloß Runding habe dem heftigsten Sturme der Schweden widerstanden, allein die Nothafft’schen Akten im Hauptstaatsarchiv zu München berichten uns ganz anders. Der Monat November 1633 war noch nicht zu Ende, da erschienen schwedische Dragoner vor Runding, drangen in die Vorburg ein und plünderten die zwei großen dreistöckigen Speicher, deren Böden mit Getreide aller Art gefüllt waren. Danach fielen sie über das Schloß selbst her, erbrachen die eiserne Tür der Registratur und Schreibstube, zerrissen Urkunden und Akten und streuten die Fetzen in die Winde. Dann stürmten sie die Treppe hinauf in die prächtig eingerichteten Zimmer, räumten Kästen, Truhen und Schränke, zertrümmerten die eingelegten Möbel und die schönen alten Öfen, schlugen die Fenster in Scherben und vernichteten alles, was sie nicht fortschleppen konnten. Dann zündeten sie die ausgeraubten Getreidespeicher an und führten ihre Beute in einem langen Zug von Wagen nebst einer großen Herde von Vieh hinab nach Cham.

Die Schweden raubten dem Hans Albrecht Nothafft: 32 Pferde, 160 Rinder, 100 Schweine, 503 Kar Getreide,*) 7 Kar Arbes (Erbsen), 10 beschlagene Wägen, 15 vollständige Betten, 20 Paar Leilach (Betttücher), 30 Tafel– und 40 Handtücher, 30 Ellen klare (feine) Leinwat, 500 Ellen Flachsleinwat, 3 Erl Flachs, 3 Erl Zinngeschirr, 2 Erl Kupfergeschirr, 4 Kar Malz, 5 Erl Hopfen, 20 Kar Gerste, 9 Gewehre und Harnisch, 600 Eimer Bier, 13 Eimer Branntwein, 60 Stück Geflügel, Sattelzeug und Geschirr, 8 Hirschzeug und 5 Hasengarn. Auch sind alle Fenster und Öfen, sowie die schönsten Kästen, Truhen und Bettstätten von eingelegter Arbeit zerschlagen worden, was auf 887 fl. und alles zusammen auf 16.230 Gulden taxiert wird. Diese trockene Aufzählung sagt mehr als viele Worte.

Während nun die Schweden volle vier Monate hindurch die Gegend aussogen, lag der kaiserliche Generalissimus Wallenstein, der allein die Macht und die Pflicht gehabt hätte, die Stadt Cham und die Gegend von dem Feind zu befreien, mit seiner Armee untätig bei Pilsen und blieb taub gegen alle Hilferufe. Das gepeinigte Landvolk griff nun selbst zu den Waffen. Als wieder einmal schwedische Dragoner heranrückten, fielen die Bauern von Runding und Lederdorn so wütend über sie her, daß sie die Flucht ergreifen mußten. Nothafft ehrte diesen Mut seiner Untertanen durch eine Stiftung, die sich bis ins 19. Jahrhundert erhielt. Sie bestand darin, daß an jedem Faschingsdienstag die Erstürmung des Schlosses gespielt und hierauf die Teilnehmer der beiden Dörfer von der Herrschaft bewirtet wurden.

Die Stunde der Befreiung unserer Gegend von den Schweden schlug erst dann, als der Verräter Wallenstein beseitigt war, worauf der kaiserliche General Piccolomini die Feinde vertrieb und am 20. März 1634 in Cham einrückte. Hans Albrecht Nothafft kehrte von der Flucht zurück und widmete sich wieder der Verwaltung seines Amtes und der Aufrichtung seiner Güter. Er war wie seine Bauern sahen sich aber bitter getäuscht in der Hoffnung von den kaiserlichen und bayerischen Truppen Rücksicht und Schonung erwarten zu dürfen. Wie sehr diese Soldaten verwildert waren, mußte Nothafft am eigenen Leib erfahren. Als er am 27. November 1639 von seinem damaligen Amtssitz Roding mit seinem Gerichtsschreiber nach Runding reiten wollte, fielen kaiserliche Reiter über sie her und schleppten sie gefesselt bis Neubäu. Auf vieles Bitten ließen die zügellosen Kerle die beiden Beamten endlich los. Blutrünstig geschlagen und vollständig erschöpft, der Pferde und Überkleider beraubt langte Nothafft auf seinem Schloß Runding an.

Nachdem er wieder geheilt warn führte er Klage bei Piccolomini und verlangte Schadenersatz. Er erreichte aber nichts, da dieser Vorfall wie es scheint für den Herrn General von keiner Bedeutung war. Überhaupt haben neue Forschungen ergeben, daß die Oberpfalz im 30jährigen Krieg mehr noch von den eigenen Truppen als von den Schweden zu leiden hatte. Überall war man daher froh, wenn sie wieder abzogen.

Acht Jahre mühevoller Tätigkeit hatten die Landgüter und Bauernhöfe wieder instand gesetzt, derweil die Kriegsgewitter über andere Gegenden Deutschlands sich entlud. Da rückte mitten im Winter des Jahres 1641 ganz unverhofft der schwedische Feldmarschall Banér vor die Stadt Regensburg und wandte sich, als es ihm nicht gelang sie einzunehmen, nach Cham. Hier setzte er sich, als am 29. Januar 1641 fest, brandschatzte die Stadt und ließ durch volle neun Wochen alle Orte weit umher ausplündern. Seine Soldaten waren nicht mehr die menschlich denkenden Männer, die mit Gustav Adolf den Boden Deutschlands betreten hatten, sondern beutegierige Rotten, die jedes edleren Empfindens bar die scheußlichsten Greueltaten verübten. Mit Schrecken und Entsetzen flohen die Bauern in die dichten Wälder, um ihr Leben zu retten. Auch Nothafft hatte wieder seine Person in Sicherheit gebracht und war diesmal bis Passau geflüchtet so mußte er es wenigstens nicht mit ansehen wie sein Schloß und die Meierhöfe wieder völlig ausgeraubt wurden. Alles fiel wieder in die Hände des Feindes. Was zurückblieb waren zerschlagene Möbel, Öfen und Fenster, das Nothafft’sche Schadenverzeichnis schließt: „Summa aller in der Herrschaft Runding geplünderten Dörfer 8, Weiler 5, Einöden 14, Gotteshäuser 2, Schlösser 1. Schaden 100.524 fl.“

So völlig zugrunde gerichtet, konnte der ehemals reiche Gutsherr von Runding sich nicht mehr erholen. Zu allem Unglück waren während des langen Krieges auch alle seine Familienangehörigen mit dem Tod abgegangen. Seine zweite Gemahlin Rosa, eine geborene von Pinzenauer, war 1630 gestorben, sein Sohn Georg Albrecht 1632 als Fähnrich bei Wolfenbüttel gefallen, sein Sohn Albrecht Franz schon 1625 als Knabe geschieden, sein Sohn Christoph Manrad als Gesandter zu Sine vom Fieber weggerafft, seine Tochter Maria Klara 1646 zu Waffenbrunn vom Tode ereilt worden. Einsam und verlassen stand er da, als endlich im Jahre 1648 die Glocken den fast verzagten Menschen den Frieden verkündigten. Aber erst 15 Jahre nach dem Siege brach die Lebenskraft des vom Schicksal so schwer heimgesuchten Mannes zusammen. Am 23. April 1663 sank Hans Albrecht Nothafft, Freiherr von Wernberg zu Runding in das Grab.

Heute liegt auch sein stolzer Herrensitz in Trümmern. Und das hat die bayerische Regierung verschuldet, die das Schloß mit den Grundstücken im Jahre 1829 dem Münchner Hofbankier Jakob von Hirsch auslieferte.

Ruine Runding.