Die Schweden vor
Runding.
Von Johann Brunner.
Ein rauher Novembermorgen des Jahres 1633! Der böhmische Nordost brauste
durch die Further Talsenke her und heulte um das hohe Schloß Runding, das ihm
trotzig seiner granitenen Flanken entgegenstemmte. Knarrend öffnete sich das
Burgtor. Ein schwerer Reisewagen kam heraus, knirschte mit eingelegten
Radschuhen die steile Zufahrt herab und wendete sich dem Dorf Runding zu. Im
Wagen saß sorgengebeugt der Burgherr Hans Albrecht Nothafft von Wernberg.
Pfleger des Amtes Wetterfeld unterhalb Cham. Manches kummervolle Gesicht
blickte dem Herrschaftsgefährt nach, als es durch das Dorf rollte und über
Lederdorn einem unbestimmten Ziel zustrebte. Nothafft ergriff die Flucht vor
den Schweden, die von Regensburg heranrückten.
Am 18. November 1633 nahm der schwedische Oberst George
Christoph von Taupadell Cham ein, behandelte die Stadt als seinen Stützpunkt
ziemlich schonend, ließ aber dafür das Land ringsumher gründlich ausplündern.
Da war kein Schloß, kein Dorf, das den Schweden entging: ja mit Hilfe gemeiner
Verräter wurden selbst die entlegensten
Einöden von ihren Raubzügen heimgesucht.
Wohl schreibt unser heimischer Geschichtsforscher J. N. Schuegraf, das feste Schloß Runding
habe dem heftigsten Sturme der Schweden widerstanden, allein die Nothafft’schen
Akten im Hauptstaatsarchiv zu München berichten uns ganz anders. Der Monat
November 1633 war noch nicht zu Ende, da erschienen schwedische Dragoner vor
Runding, drangen in die Vorburg ein und plünderten die zwei großen
dreistöckigen Speicher, deren Böden mit Getreide aller Art gefüllt waren.
Danach fielen sie über das Schloß selbst her, erbrachen die eiserne Tür der
Registratur und Schreibstube, zerrissen Urkunden und Akten und streuten die
Fetzen in die Winde. Dann stürmten sie die Treppe hinauf in die prächtig
eingerichteten Zimmer, räumten Kästen, Truhen und Schränke, zertrümmerten die
eingelegten Möbel und die schönen alten Öfen, schlugen die Fenster in Scherben
und vernichteten alles, was sie nicht fortschleppen konnten. Dann zündeten sie
die ausgeraubten Getreidespeicher an und führten ihre Beute in einem langen Zug
von Wagen nebst einer großen Herde von Vieh hinab nach Cham.
Die Schweden raubten dem Hans Albrecht Nothafft: 32 Pferde,
160 Rinder, 100 Schweine, 503 Kar Getreide,*) 7 Kar Arbes (Erbsen), 10
beschlagene Wägen, 15 vollständige Betten, 20 Paar Leilach (Betttücher), 30
Tafel– und 40 Handtücher, 30 Ellen klare (feine) Leinwat, 500 Ellen
Flachsleinwat, 3 Erl Flachs, 3 Erl Zinngeschirr, 2 Erl Kupfergeschirr, 4 Kar
Malz, 5 Erl Hopfen, 20 Kar Gerste, 9 Gewehre und Harnisch, 600 Eimer Bier, 13
Eimer Branntwein, 60 Stück Geflügel, Sattelzeug und Geschirr, 8 Hirschzeug und
5 Hasengarn. Auch sind alle Fenster und Öfen, sowie die schönsten Kästen, Truhen
und Bettstätten von eingelegter Arbeit zerschlagen worden, was auf 887 fl. und
alles zusammen auf 16.230 Gulden taxiert wird. Diese trockene Aufzählung sagt
mehr als viele Worte.
Während nun die Schweden volle vier Monate hindurch die
Gegend aussogen, lag der kaiserliche Generalissimus Wallenstein, der allein die
Macht und die Pflicht gehabt hätte, die Stadt Cham und die Gegend von dem Feind
zu befreien, mit seiner Armee untätig bei Pilsen und blieb taub gegen alle
Hilferufe. Das gepeinigte Landvolk griff nun selbst zu den Waffen. Als wieder
einmal schwedische Dragoner heranrückten, fielen die Bauern von Runding und
Lederdorn so wütend über sie her, daß sie die Flucht ergreifen mußten. Nothafft
ehrte diesen Mut seiner Untertanen durch eine Stiftung, die sich bis ins 19.
Jahrhundert erhielt. Sie bestand darin, daß an jedem Faschingsdienstag die
Erstürmung des Schlosses gespielt und hierauf die Teilnehmer der beiden Dörfer
von der Herrschaft bewirtet wurden.
Die Stunde der Befreiung unserer Gegend von den Schweden
schlug erst dann, als der Verräter Wallenstein beseitigt war, worauf der
kaiserliche General Piccolomini die Feinde vertrieb und am 20. März 1634 in
Cham einrückte. Hans Albrecht Nothafft kehrte von der Flucht zurück und widmete
sich wieder der Verwaltung seines Amtes und der Aufrichtung seiner Güter. Er
war wie seine Bauern sahen sich aber bitter getäuscht in der Hoffnung von den
kaiserlichen und bayerischen Truppen Rücksicht und Schonung erwarten zu dürfen.
Wie sehr diese Soldaten verwildert waren, mußte Nothafft am eigenen Leib
erfahren. Als er am 27. November 1639 von seinem damaligen Amtssitz Roding mit
seinem Gerichtsschreiber nach Runding reiten wollte, fielen kaiserliche Reiter
über sie her und schleppten sie gefesselt bis Neubäu. Auf vieles Bitten ließen
die zügellosen Kerle die beiden Beamten endlich los. Blutrünstig geschlagen und
vollständig erschöpft, der Pferde und Überkleider beraubt langte Nothafft auf
seinem Schloß Runding an.
Nachdem er wieder geheilt warn führte er Klage bei Piccolomini
und verlangte Schadenersatz. Er erreichte aber nichts, da dieser Vorfall wie es
scheint für den Herrn General von keiner Bedeutung war. Überhaupt haben neue
Forschungen ergeben, daß die Oberpfalz im 30jährigen Krieg mehr noch von den
eigenen Truppen als von den Schweden zu leiden hatte. Überall war man daher
froh, wenn sie wieder abzogen.
Acht Jahre mühevoller Tätigkeit hatten die Landgüter und
Bauernhöfe wieder instand gesetzt, derweil die Kriegsgewitter über andere
Gegenden Deutschlands sich entlud. Da rückte mitten im Winter des Jahres 1641
ganz unverhofft der schwedische Feldmarschall Banér vor die Stadt Regensburg
und wandte sich, als es ihm nicht gelang sie einzunehmen, nach Cham. Hier
setzte er sich, als am 29. Januar 1641 fest, brandschatzte die Stadt und ließ
durch volle neun Wochen alle Orte weit umher ausplündern. Seine Soldaten waren
nicht mehr die menschlich denkenden Männer, die mit Gustav Adolf den Boden
Deutschlands betreten hatten, sondern beutegierige Rotten, die jedes edleren
Empfindens bar die scheußlichsten Greueltaten verübten. Mit Schrecken und
Entsetzen flohen die Bauern in die dichten Wälder, um ihr Leben zu retten. Auch
Nothafft hatte wieder seine Person in Sicherheit gebracht und war diesmal bis
Passau geflüchtet so mußte er es wenigstens nicht mit ansehen wie sein Schloß
und die Meierhöfe wieder völlig ausgeraubt wurden. Alles fiel wieder in die
Hände des Feindes. Was zurückblieb waren zerschlagene Möbel, Öfen und Fenster,
das Nothafft’sche Schadenverzeichnis schließt: „Summa aller in der Herrschaft
Runding geplünderten Dörfer 8, Weiler 5, Einöden 14, Gotteshäuser 2, Schlösser
1. Schaden 100.524 fl.“
So völlig zugrunde gerichtet, konnte der ehemals reiche
Gutsherr von Runding sich nicht mehr erholen. Zu allem Unglück waren während
des langen Krieges auch alle seine Familienangehörigen mit dem Tod abgegangen.
Seine zweite Gemahlin Rosa, eine geborene von Pinzenauer, war 1630 gestorben,
sein Sohn Georg Albrecht 1632 als Fähnrich bei Wolfenbüttel gefallen, sein Sohn
Albrecht Franz schon 1625 als Knabe geschieden, sein Sohn Christoph Manrad als
Gesandter zu Sine vom Fieber weggerafft, seine Tochter Maria Klara 1646 zu
Waffenbrunn vom Tode ereilt worden. Einsam und verlassen stand er da, als
endlich im Jahre 1648 die Glocken den fast verzagten Menschen den Frieden
verkündigten. Aber erst 15 Jahre nach dem Siege brach die Lebenskraft des vom
Schicksal so schwer heimgesuchten Mannes zusammen. Am 23. April 1663 sank Hans
Albrecht Nothafft, Freiherr von Wernberg zu Runding in das Grab.
Heute liegt auch sein stolzer Herrensitz in Trümmern. Und das hat die bayerische Regierung verschuldet, die das Schloß mit den Grundstücken im Jahre 1829 dem Münchner Hofbankier Jakob von Hirsch auslieferte.