Samstag, 30. April 2016

Auf der Marterwiese zu Tode gemartert

Vom traurigen Ende eines Pfaffenreuther Bauern
Von  Alfred  Frank

Selbst im letzten Abschnitt eines dreißig Jahre währenden Krieges kamen die Menschen des Sechsämterlandes und der Oberpfalz nicht zur ersehnten Ruhe. Wieder und wieder zogen Soldatenhaufen durch die Gegend, forderten Unterkunft und Verpflegung und nahmen sich schließlich ungefragt das Gewünschte, wenn sich ihnen die Tore der Städte und Märkte nicht sogleich öffneten. Eine langjährige Erfahrung im Umgang mit den mehr und mehr nur noch von Raub und Plünderungen lebenden Landsknechten hatte aber auch Bürger und Bauern gehärtet, und oft wurde der Gewalt mit Gewalt begegnet, falls die fremde Obermacht nicht zu groß erschien.

In den ersten Monaten des Jahres 1645 hielten sich wiederum kaiserliche Abteilungen im Egerland und in der Oberpfalz auf. Zehn Reiter lagen nun bereits wochenlang im Markte Redwitz, mußten verpflegt und dazu noch mit Geld versehen werden, wenngleich sie beauftragt gewesen sein mochten, den Ort gegen weitere Einquartierung und Gewaltanwendung zu schützen. Doch wußten die kaum erfreuten Bürger nur zu gut, wie fragwürdig ein solcher aufgezwungener Schutz stets war. Nun näherten sich am 14. Mai etwa 140 Reiter dem Markte, nachdem sie drei Tage lang zu Arzberg, Seußen und  Korberdorf gelegen hatten. Sie begehrten zwar nicht, im Markte selbst unterzukommen, weil ihnen dies von seiten ihres in der Stadt Eger liegenden Befehlshabers untersagt worden war, aber sie verlangten dafür, im nahen Pfaffenreuth untergebracht zu werden.



Bürgermeister und Rat des Marktes gaben nach längeren Beratungen erst dann hierzu die Erlaubnis, als die Soldaten erklärt hatten, daß sie nachtsüber "auf der Peint stehen bleiben wollten". Die Reiter konnten sich also zu Pfaffenreuth einlegen, es sollten jeder aber nur Bier und Brot, den Pferden bloßes Gras und kein Getreide verabreicht werden. Lediglich für den "Kapitainleutnant, der sie führte, sollte etwas (Verpflegung) in die Küche kommen". Einer der Berittenen, wohl ein besonders unternehmungsfreudiger Geselle, hatte sich hernach aber vom Haufen abgesondert und "ist bei dem Tor hinterblieben". Die Verbindung mit den zehn schon länger zu Redwitz liegenden Reitern war schnell hergestellt, sie kamen zu ihm vor das Badtor hinaus, brachten reichliche Mengen an Bier mit, womit sie ein Gelage hielten, daß sie bald alle toll und "vollgesoffen" waren. Endlich verlangte der sich immer wilder gebärdende Landsknecht, ebenfalls in den Markt eingelassen zu werden, doch da der kommandierende Kapitänleutnant Strenge Order gegeben hatte, keinem seiner Leute das Marktstor zu offnen, wies ihn auch der Redwitzer Richter Sebastian Schmidt schroff und unmißverständlich ab. Dies machte freilich böses Blut, die Redwitzer Schutzgarde stellte sich auf die Seite ihres Saufkumpans und forderte dessen Einlassung. Einer drang mit blankem Säbel auf den Richter ein, und ein zweiter richtete sogar das scharfgeladene Gewehr auf diesen. Der Tumult lockte eine große Anzahl Bürger herbei und keineswegs aus bloßer Neugierde, sie wollten vielmehr ihren sehr geschätzten Richter schützen und gingen mutig gegen die Soldaten vor. Das mußte freilich die Lage nur noch verschlimmern, das Getümmel wurde größer und größer, und die elf Reiter, "die alle blind voll waren", spannten nun sämtlich ihre "Corbiner und Röhr" und zogen die "Hannen" über, daß die Sache "bald gefährlich ausgeschlagen" wäre. Schließlich gelang es den verbitterten und recht mutigen Bürgern aber doch, wenn auch "mit großer Gefahr", zwei der Reiter zu entwaffnen und in den Markt hereinzuziehen, den üblen Störenfried aber hinauszudrängen und das Tor hinter ihm abzuschließen.

Allerdings vermochte niemand zu ahnen, daß dieser wilde Geselle, der sich nun endlich auf den Weg zu seiner Truppe nach Pfaffenreuth begab, in dieser Nacht noch ein völlig unschuldiges Menschenleben vernichten würde. Unterwegs traf der seiner Sinne nicht mehr mächtige Reiter bei der "Marterwiese" zwischen Pfaffenreuth und Dörflas den Bauern Jakob Schmiedel von Pfaffenreuth, der nach Redwitz unterwegs war, für seine ihm aufgenötigten Gäste Bier zu besorgen. Er fiel ihn sogleich mit barschen, unflätigen Worten an, befahl ihm niederzuknien und vor seinem Tode noch rasch ein Vaterunser zu beten, da sein letztes Stündchen gekommen sei. Er hob auch bereits das Rohr und legte auf den zum Tode erschrockenen Mann an. Es versagte aber die Waffe,oder der Reiter verstand in seiner Trunkenheit nicht mehr damit umzugehen, und da zudem der Bauer Schmiedel der Aufforderung, niederzuknien, nicht folgte, vielleicht sogar eine drohende Haltung gegen den Landsknecht einnahm, schlug dieser in sinnloser Wut mit seinem Gewehr und hernach noch mit der Pistole immerzu auf den armen Mann ein. Ja, er stieß ihn zuletzt noch mit dem Gewehrkolben heftig und richtete den Bedauernswerten derartig zu, daß dieser schwerverletzt zu Boden stürzte. Dies reichte aber dem Wüstling noch keineswegs; mit dem Pferde sprengte er zuletzt noch "vielmals" über seinem Opfer hin und her, bis dieses endlich "mit dem Hufeisen erbärmlich zertreten" war. Jetzt erst war des kaiserlichen Reiters Mordgier gestillt, und ohne sich nach dern Schwerverletzten umzusehen, setzte er seinen Ritt nach Pfaffenreuth fort.


Keine Menschenseele weit und breit, nur eine unheimliche Stille lastete über der einsam gelegenen Wiese. Langsam kam der Bauer wieder zu sich. Trotz der schweren Wunden und starken Schmerzen gelang es ihm, sich aufzurichten. Mit letzter Kraft schleppte es sich nach Dörflas, wo er zusammenbrach. Der herbeigerufene Bader verband die zahllosen Wunden und stillte, so gut es ging, das Blut. Gerne erfüllte er des Sterbenden Bitte, "sein arm Weib und Kind" herbeizurufen. Die nächsten schweren Stunden verbrachte er in sichtlichem Todeskampf " und ist dann gegen den anbrechenden Tag, eben am Heiligen Himmelfahrtstag, ohne allen Zweifel selig verschieden und mit Christo zu Himmel gefahren, nachdem er vorhero uff der Marterwiesen genugsam abgemartert worden" war. So steht in der Hauschronik des Bürgermeisters Georg Leopold vorn Markte Redwitz zu lesen.

Noch während Bauer Schmiedel mit dem Tode rang, meldete Marktsrichter Sebastian Schmidt das grauenvolle Verbrechen dem Kapitanleutnant nach Pfaffenreuth und ließ ihn bitten, "daß er über den Täter Justiz wolle ergehen lassen, damit die Rache, um welche das unschuldige Blut rufet, ihn selbst nit ergreife". Der zweifellos ehrenwerte kaiserliche Offizier vernahm die Meldung mit sichtlicher Bewegung und erbot sich, nach dem Mörder forschen zu !assen, da er zunächst nicht aufzufinden war. Auch versicherte er dem Richter, sobald er ihn erlangt haben würde, ihn, den übrigen zum Abscheu, abzustrafen. Tatsächlich schickte er bereits nach Mitternacht einen Reiter in den Markt mit der Nachricht, daß "er den Täter ertappet" habe. Man möge ihm mitteilen, ob diesen der Marktsrichter selbst haben" und sein Recht (an ihm) tun lassen wolle oder ob er, der Kapitänleutnant, ihn nach Eger vor das Kriegsgericht stellen und liefern solle". Bis zum kommenden Morgen erwarte er die Erklärung. In aller Frühe stand der Offizier" mit den Völkern", d. i. seinen Reitern, bereits wieder vor dem Redwitzer Badtor und ließ auch  "den Täter mit sich gebunden führen".
Richter und Abgeordnete des Rats  wurden gerufen, damit man verhandeln konnte. Schließlich einigte man sich dahin, daß der Mörder nach Eger gebracht werden und man dort "das Standrecht über ihn ergehen lassen" sollte. Der Kapitänleutnant versprach dieses "teuer" und erklärte  sich auch bereit, dafür zu sorgen, daß des Gefangenen "Geld, Pferd und Kleidung dem armen Weib und Kind ohne Falsch redlich zugestellt" würden.

Ganz bestimmt hatte es der Reiteroffizier ehrlich gemeint und auch alles in seinen Kräften stehende getan, die verbrecherische Tat gerecht zu sühnen. Aber das Kriegsgericht in Eger und womöglich auch die höheren Befehlshaber der Abteilung scheinen nur geringen Ernst in dieser Sache gezeigt zu haben; denn wie wir durch die Feder Georg Leopolds erfahren, blieb nicht allein der Mörder am Leben, auch die Angehörigen des erschlagenen Jakob Schmiedel gingen völlig leer aus, und "ist also in allem nichts erfolgt".

Der Wagen, der von Redwitz aus nach Eger geschickt worden war, die versprochenen Gegenstände - Pferd, Kleidung und Geld des Täters - abzuholen, kehrte wieder leer zurück. Die zehn Reiter aber, die der Redwitzer Bürgerschaft so viel Ungelegenheit bereitet hatten und die an dem Verbrechen doch zumindest indirekt schuld waren, sollten auch fernerhin Bürgermeister und Rat ziemliche Sorgen bereiten. Zwar wurden sie noch am Himmelfahrtstag (15. Mai) durch ihren Vorgesetzten, Oberstleutnant Franz Schneider, nach Eger zurückbeordert, doch sollte zuvor ein jeder 16 gute Taler, zusammen 160 Stück, aus der Marktskasse empfangen. Man wehrte sich energisch gegen diese Zumutung, ging dann auf 120 Taler herunter, aber als selbst diese Summe nicht flüssig zu machen war, sollten sich die Reiter, die ja eigentlich eine Schutzgarde bildeten, mit rund 28 Gulden begnügen. Da verlangten sie zusätzlich soviel Vieh, daß zuletzt der geforderte Betrag von 160 Talern gedeckt wäre. Dies versuchten aber die Marktsväter dadurch zu verhindern, daß sie zwei Bürger mit nach Eger schickten, um dort weitere Verhandlungen zu pflegen. Am 16. Mai verließen die zehn Reiter den Markt. Freilich erfüllten sich die auf eine Herabsetzung der Geldforderungen gesetzten Erwartungen in Eger nicht. Man wollte sich auf keinen Nachlaß verstehen, so daß die beiden Redwitzer Abgesandten nichts anderes tun konnten, als die restlichen 92 Gulden "bei einem Juden aufzunehmen".

Übrigens kehrte bald hernach die aus zehn Reitern bestehende Schutzgarde nach Redwitz zurück. Nur ließ man sie zunächst nicht durch das Untere Tor ein, da sie keine schriftliche Order vorzeigen konnte. Erst als man sich zu Eger vergewissert hatte, daß es damit seine Richtigkeit habe, mußte den Reitern das Tor geöffnet werden. Der ausgeschickte Eilbote brachte noch eine weitere unangenehme Andeutung mit, daß man von Eger aus ganz gerne noch weitere Soldaten zum Schutze des Marktes bereitstellen würde. Darauf verzichteten allerdings die Marktsväter mit höflichem, aber entschiedenem Dank, so daß es dann bei den ersten zehn Reitern verblieb.

Dienstag, 26. April 2016

Nordgau und Oberpfalz



Nordgau und Oberpfalz
als Reichsländer und Territorialstaaten*

Von Professor Dr. Karl Bosl

Das Thema meines Vortrages ,,Nordgau und Oberpfalz als Reichsländer und Territorialstaaten", der den 21. Bayerischen Nordgau einleiten soll, bringt mich etwas in Verlegenheit, wenigstens als Wissenschaftler. Ich vermute nämlich, daß im Urnordgau, das heißt im Raum zwischen Ingolstadt, Nürnberg und Regensburg noch niemals ein Nordgautag stattgefunden hat; ich meine, daß dies ganz zu recht geschehen ist, weil in dem bezeichneten Gebietsdreieck heute ein Nordgaubewußtsein nicht mehr lebendig ist. Jedoch soll man der historischen Wahrheit = Wirklichkeit willen nüchtern feststellen, daß der Raum, den man heute als "Nordgau" bezeichnet und in dem die Nordgautage stattfinden, erst später mit diesem Namen belegt wurde, deshalb auch nur sekundär alter bayerischer Nordgau genannt wird. Selbstverständlich ist nicht zu bestreiten, daß der Nordgau, so wie man ihn heute gemeinhin versteht, der auch zumeist mit der heutigen Oberpfalz identifiziert wird, altbayerisches und stammesbayerisches Land ist. Dafür zeugen eindeutig Sprache und Siedlung. Aber das gilt nicht für die politisch- herrschaftsgeschichtliche Entwicklung des Landes, das wir heute amtlich Oberpfalz und auch Nordgau nennen. Ich stelle mit Freuden auf der politisch-parlamentarischen Bühne Münchens fest, daß seit einem Jahrzehnt sich das Oberpfälzische und die Oberpfälzer im Rahmen des Bayerischen kraftvoller zu rühren und stärker zu artikulieren begonnen haben. Diesem geweckten und autonomen politischen Selbstbewußtsein der Oberpfälzer sollte und dürfte es nicht unangenehm sein, wenn ihm der historische Forscher sagt und beweist, daß dieses Land vor 1268 mit Ausnahme seines Südteiles nicht zum bayerischen Stammesherzogtum und auch nicht zur frühen Landesherrschaft der Wittelsbacher gehört hat, sondern daß es seine selbständige Geschichte im Rahmen des Frankenreiches und des Deutschen Reiches bis zum Untergang der Staufer hatte und daß es auch anschließend nur zwischen 1268 und 1329 territorial zum altbayerischen Landesstaat und dann von 1329 bis 1628/9 auf Grund des wittelsbachischen Hausvertrages von Pavia (1329) zur Pfalzgrafschaft bei Rhein und dem Landesstaat der Rudolfinischen Linie der Wittelsbacher gehörte.

Der Nordgau
Der alte Nordgau hatte und hat also seine eigene Geschichte, er war weitgehend Reichsland und Königsterritorium vor allem in Salier- und Stauferzeit bis 1268. Wenn heute der österreichische Staat eine große Babenberger-Ausstellung im niederösterreichischen Stift Lilienfeld eröffnet und damit das tausendjährige Gedächtnis des Herrschaftsantrittes der fränkischen Babenberger von Schweinfurt als Markgrafen der Ostmark 976 feierlich begeht, dann konnten Oberpfalz und Nordgau fast gleichwertig dabei mithalten und mitfeiern, weil ungefähr zur gleichen Zeit oder etwas früher die gleichen fränkischen Babenberger von Schweinfurt von dem Ottonenkaiser zu königlichen Kommissaren auf dem bayerischen Nordgau bestellt wurden. Die löbliche Bayerntreue der Oberpfälzer hat verhindert, daß sich ein stärkeres oberpfälzisches Geschichtsbewußtsein entwickelt hat, denn würde es dies geben, dann würden die Oberpfälzer vielleicht gar nicht verwundert feststellen, daß sie ebenfalls mit den großen württembergischen Stauferfeiern unserer Tage mittun könnten, weil die Oberpfalz seit Barbarossa und besonders seit dem Aussterben der Grafen von Sulzbach ein Glied der großen staufischen Reichslandpolitik zwischen Nürnberg, Eger und Altenburg in Sachsen gewesen ist. Das aber war nicht zuletzt die historische Folge davon, daß der große Salierkaiser Heinrich III. im Zuge der Konsolidierung der Ostgrenzen des Reiches gegen Böhmen und Ungarn auf dem bayerischen Nordgau die kleinteiligen und wohlorganisierten Königsmarken Cham und Nabburg errichtete und damit für unser Land die erste sichere und belegbare größere Herrschafts- und Verwaltungsorganisation schuf. An ihrer reichischen Geschichte kann die Oberpfalz nicht mehr länger vorbeigehen, sie macht den individuellen Sondercharakter dieses historischen Raumes mindestens bis 1268, wenn nicht bis in das 17. Jahrhundert aus. Diese Feststellung kann die Bajuwarizität der Oberpfalz gar nicht stören und auch nicht die bekannte oberpfälzische Anhänglichkeit an den bayerischen Stamm und den bayerischen Staat; denn diese ist fest in Sprache, Volkstum, Siedlung und Kultur begründet. In einer Zeit, in der es um die Erhaltung von Identität und Individualität geht, darf man dieses oberpfälzische Sonderwesen und seine Eigenart nicht unbeachtet und ungenutzt lassen. Aus diesem Grunde habe im mein Thema gewählt und lade Sie ein, mit mir einen kurzen Blick in die historischen Grundlagen der oberpfälzischen Art und Entwicklung zu tun, die einen besonderen Wert und historische Individualität besitzen.

Eine umfassende historische Analyse der oberpfälzischen Geschichte kann sich nicht einseitig an der großen Herzogs-, Königs-, Kaiser- und Reichsstadt Regensburg, diesem ehrwürdigen alten Zentrum von Herrschaft, Wirtschaft, Geist, Kunst, Kultur orientieren, auch nicht am Stammland der Bayern, sondern muß sich auch nach Westen und Südwesten orientieren und den Anschluß an das Frankenreich herstellen, dessen Teilgebiet ja auch das fürstliche Herzogtum der Agilolfinger des 6.– 8. Jahrhunderts war. Der bayerische Urnordgau und seine beiden wichtigsten Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen, die dieses Gebiet flankierten, begegnen zuerst in den Händen des fränkischen Hausmeiers Karl Martell, gehen dann in agilolfingische Hände über und werden bei der Absetzung Tassilos III. 788 von Kaiser Karl dem Großen wieder zurückgenommen. Die beiden Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen im Lauterachtal müssen vor 740 Stützpfeiler einer fränkisch-karolingischen Auffangstellung und Ausgangsposition zwischen Donau, Jura, Pegnitz, fränkischem Keuperwald und Ries gewesen sein und auch so verstanden werden. Die beiden Höfe liegen auf dem Nordgau, der ein Teil von Bayern war, das als fränkische provincia bezeichnet wird. Dieser Name hat sich erst später mit zunehmender Besiedlung und herrschaftlicher Organisation ostwärts verlagert und wurde eigentlich erst im 11. Jahrhundert die Bezeichnung für das Gebiet, das wir heute die zentrale Oberpfalz nennen. Für die Grenzen des alten Urnordgaus sprechen die Tatsachen, daß 1. noch später in den Quellen die salische Reichsburg und spätere Königsstadt Nürnberg "auf dem Nordgau" liegt, daß 2. das weiter westlich situierte Fürth zwar im fränkischen Radenzgau sich befindet, aber in Grenzlage zum nordgauischen Raum um Nürnberg "Am bayerischen Nordgau" liegt 3. der alte Königshof und die spätere Reichsstadt Weißenburg am Sand. Die Hauptflußachse dieses Nordgaus war die Altmühl, seine Grenzflüsse aber waren die Donau im Süden und die Lauterach im Nordosten.

Gerade dieser Raum war 805 auch die Operationsbasis für die Böhmenfeldzüge Karls, des Sohnes des großen Karl. Doch büßten die beiden villae dominicales = Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen schnell ihre Bedeutung und Funktion ein, als nach 817 unter dem später ostfränkischen König Ludwig dem Deutschen, dem Sohne Kaiser Ludwig des Frommen, sich die ostfränkische Herrschaft sehr intensiv auf Regensburg konzentrierte, das unterdessen audi "sedes ac metropolis ducatus Bavariae" (Sitz und Hauptstadt des Herzogtums Bayern) genannt wurde. Seit Anfängen aber war Bayern ein ducatus = Grenzprovinz und eine provincia = Verwaltungsgebiet des Frankenreiches gewesen; die Worte ducatus und provincia entstammen dem Vokabular der römischen Reichsverwaltung, die die Franken für die von ihnen besetzten früher römischen Provinzialgebiete übernahmen. Bayern war eine Grenzprovinz und Provinz des Frankenreiches und war es noch im 9. Jahrhundert ohne und mit Agilolfingern, die fränkischer Abstammung waren, eine autonome, fürstengleiche Stellung im 8. Jahrhundert einnahmen und damals Herzöge in Bayern und Alemannien zugleich waren. Von Regensburg aus wurde seit der Besiegung der Awaren die große ostfränkische Politik und Expansion gegen Böhmen, das Großmährische Reich, gegen Pannonien = Ungarn und gegen Karantanien betrieben.

Der Königs- und Reichsgutscharakter von Ingolstadt ist belegt durch die Vergabe von Teilen des Gutes von Reichsklöstern, so an Niederalteich, Niedermünster in Regensburg und auch das Reichskloster Metten an der Donau. Nördlich anschließend bis zum Ries wurden das bonifatianische Großkloster Fulda sowie das Adels- und Reichskloster Lorsch an der Bergstraße mit reichem Besitz aus Königsgut ausgestattet. In diesem Raum nördlich der Donau aber hatte das fränkische Bistum Eichstätt die zentrale Position; seine Südgrenzen bildeten auch Donau und Sandrach bei Ingolstadt. Hier ist die Feststellung wichtig, daß ein breiter Streifen Landes nördlich der Donau vom Ries bis Passau und hinein in das niederösterreichische Waldviertel mit seinen Forsten und Wäldern Königsland war, das den Pfalzen, Königshöfen und Reichsklöstern im Stromtal zugeordnet gewesen sein muß. Diese um Königspfalzen - auch Ingolstadt hatte Pfalzcharakter - Königshöfe und Reichsklöster aufgebaute Herrschafts- und Siedlungsorganisation um die Donau und nördlich des Stroms ist durch den letzten Sachsenkaiser Heinrich II. aufgelöst und in großen Teilen an sein neugegründetes Reichsbistum Bamberg geschenkt worden. In der karolingischen Reichsordnung von 817 aber lesen wir, daß die Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen Königsdienste zu leisten, also den reisenden Hof, seine Kommissare und seine Heere zu verpflegen hatten.

Anfang des 11. Jahrhunderts erscheint im gleichen westlichen Raum in den Quellen die Nordgaugrafschaft des Berengar, die sich im 12. Jahrhundert zur Grafschaft Hirschberg weiterentwickelte, ihr Rechtsnachfolger wurde im 14. Jahrhundert das kaiserliche Landgericht Hirschberg, das südwärts wieder zur Donau reichte, das auch Ingolstadt einschloß, das im Westen die alte Stammesgrenze zwischen Bayern und Schwaben erreichte, nördlich das Burggrafenamt Nürnberg streifte und im Osten durch die Schwarze Laber bis zu deren Mündung in die Donau begrenzt wurde. Offenbar hat sich also der alte Urnordgau der fränkischen Zeit bis zum kaiserlichen Landgericht Hirschberg in den gleichen Räumen kontinuierlich weiter entwickelt; die Donau war ja auch die Südflanke des Urnordgaus und dessen Südflanke wurde durch Ingolstadt gedeckt. Der Urnordgau war vermutlich reichisch-königliches Land. Die Ostgrenze des Urnordgaus und zugleich die Ostgrenze des Bistums Eichstätt bezeichnete der zweite Reichsort Lauterhofen, der an einem uralten Weg aus dem Maingebiet·zum Regen und zur Donau nach Regensburg lag. An dieser Straße lagen die fränkischen Königshöfe Forchheim, Fürth, Hersbruck und Lauterhofen; sie führte Lauterach- und Vilsabwarts zur Naab und nach Regensburg. Die östliche Diözesangrenze von Eichstätt war eine politische und strategische Linie. Ein Unterbezirk des Urnordgaus muß der pagus Uuestermannomarcha oder Uuestermann = Westermanngau gewesen sein, in dem die Orte Prünthal und Raitenbuch zwischen Lupburg und Hohenfels im Bezirksamt Parsberg und Bergmatting zwischen Regensburg und Kelheim lagen. Zur Zeit Karls des Großen hieß das von mir oben umschriebene Gebiet zwischen Ingolstadt und Lauterhofen allein Nordgau, wahrend das zur Regensburger Diözese gehörige Gebiet im Norden der Donau dagegen zum Donaugau gerechnet wurde. Dieses vorgenannte Land aber hieß im Kapitulare Karls des Großen von 806 "pars Baivariae quae dicitur Northgow" und war mit dem Eichstätter Sprengel identisch.

Aus einer Stelle der Vita Wynnebaldi aus der 2. Halfte des 8. Jahrhunderts dürfen wir den Schluß ziehen, daß sowohl die südwestliche Oberpfalz bis zur Linie Premberg, Schmidmühlen, Lauterhofen wie auch das Vilstal bis in das Amberger Becken und das Naabtal bis Nabburg damals siedlungsmäßig erschlossen waren. All das aber zwingt endlich zur Aufgabe der These Michael Doeberls, die er erstmals in seiner Habilitationsschrift vorgetragen hat, daß es nämlich eine Markgrafschaft auf dem bayerischen Nordgau oder eine Böhmische Mark gegeben habe. Für ein solches Gebilde gibt es keinen quellenmäßigen Beleg. Dazu gehört auch die Feststellung, daß auf dem nördlichen Donauufer selbst in nächster Umgebung Regensburgs im 8. und 9. Jahrhundert nur ganz wenige Orte bezeugt sind. Es sind dies Premberg und Lauterhofen, Etterzhausen an der Naab, Beratzhausen an der Laber, Pfraundorf, Prünthal, Raitenbuch und Degerndorf zwischen Parsberg und Hohenfels, Kuntsdorf (= Königsdorf) bei Premberg, Allersburg an  der Lauterach und Berching an der Sulz. Wenn wir dazu mit Hans Dachs die Ortsnamen als Leitfossile der Besiedlung dieses Landes befragen, so stellen wir fest, daß Ortsnamen mit dem Grundwort -ing, die dem 8. Jahrhundert zugehören, gehäuft nur im Chamer Becken auftreten, zahlreicher auch im Altmühltal bis Eichstätt hinauf und in einigen Seitentälern der Altmühl vereinzelt; dazu kommt noch eine geschlossene Gruppe zwischen Amberg und Nabburg und Schwarzenfeld. Ausbau und Kolonistensiedlungen und ihre Namen mit den Grundworten heim, hofen, hausen, die auch dem 8./9. Jahrhundert angehören, schieben sich von Regensburg die Donaunebenflüsse nordwärts hinauf bis zu einer Linie, die von Hersbruck über Lauterhofen an das Regenknie bei Marienthal verläuft; der ganze Osten der heutigen Oberpfalz ist fast völlig frei davon. Das paßt auch zu der von Dachs festgelegten Linie Forchheim, Nabburg, Furth i. W., bis zu der die Siedlungsbewegung des 8./9. Jahrhunderts aus dem Süden verläuft. Schließlich fügt sich damit auch die philologische Feststellung zusammen, daß auch die Namensform der slavischen Namenbezeichnungen Perschen nahe Nabburg und Pfreimd in die Zeit zwischen 700 und 750 weisen. Daß die Oberpfalz genauso wie Ober- und Mittelfranken eine slawische Besiedlung hatte, deren erste Phase nach der slawischen Westbewegung seit 600 einsetzte, deren zweite Epoche durch die fränkische Staatskolonisation bewirkt wurde, ist zuletzt durch die Forschungen von E. Schwarz geklärt worden.

Die früheste Nachricht aus der südlichen Oberpfalz von heute stammt aus einer St. Emmeramer Urkunde von 819, die berichtet, daß die dem Domkloster St. Emmeram zu Regensburg unterstehende Zelle Chammünster gegenüber der Mündung des Chambflusses in den Regen vom vorletzten Agilolfingerherzog Otilo, also vor 748, mit reichem Grundbesitz ausgestattet worden sei. Die Grenzen dieses Besitzes wurden unter seinem Nachfolger Tassilo III. und wiederum 819 gegen wiederholte Übergriffe festgelegt. Das Klosterland, seinem Wesen nach ein forestis = Forst, lag zwischen dem Janabach und der Miltach. Wie die anderen beiden Klostergründungen Tassilos zu lnnichen im Pustertal und zu Kremsmünster in Oberösterreich hatte dieses Kloster am Chamb-Regen Zusammenfluß die Funktion einer Herbergs- und Verpflegstation der wichtigen Straße von Regensburg über den Further Paß nach Domaslice = Taus und Prag und ihrem Zusammentreffen mit einer anderen wichtigen Straße von Straubing über Stadevanga = Stallwang nach Cham. Im Chamer Becken haben wir auch ein dichtes Netz von alten -ing-Orten, die sich entlang des Regenflusses bis Regensburg fortsetzen, Zeichen eines guten Bodens und einer größeren Besiedlungs- und Bevölkerungsdichte. An der selben Linie reiht sich aber auch Krongut der fränkischen und deutschen Könige auf, das an das agilolfingische Gut anknüpft. Wir haben hier später die Königshöfe Nittenau, Roding, Cham. Das Reichsgut Nittenau wurde von Kaiser Heinrich II. 1007 an das neugegründete Bistum Bamberg geschenkt. Aus diesem Besitz schenkte Bischof Otto von Bamberg Güter an seine Klöster Prüfening (1109) und Ensdorf. Hier breiteten sich die großen Reichsforsten Nittenau, Rechart und Dürn aus, in denen die Bauern des Hochstifts rodeten. Roding trat erstmals 844 als Königspfalz in Erscheinung. Kaiser Arnulf von Kärnten gründete hier eine Pfalzkapelle mit Kollegialstift. Pertinenzen dieses alten Reichsortes und vermutlich ebenso des Reichshofes Cham waren die 1003 genannten Orte Dicherling und Zenzing, Hotzing, Scharlau, Posing, Au und Frieding mit dem Forst Eisenhart. Cham ist 976 als civitas und 1040 als castrum überliefert. Dieser Siedlung ist gleichzusetzen die Reichsburg Camma über den Chambfluß, zu der die heute Altenstadt genannte Siedlung und eine Georgskapelle auf dem Galgenberg gehörten. An der Südseite des Chamer Beckens lag der Alte Markt (= Altenmarkt), der 1135 und 1137 so genannt wurde, die Siedlung an der Stelle der heutigen Stadt Cham wurde 1210 erstmals als novum forum (= Neumarkt) im Gegensatz zum Alten Markt bei dem heute noch so bezeichneten Ort genannt. Zwischen Cham und Furth schenkte Kaiser Heinrich III. 1156 aus Reichsgut Besitz in Döfering, Schlammering, Grasfilzing, Grabitz, Furth, Kothmaissling, Degelberg, Großmannsdorf, Buchberg und Sichowa (abg. bei Furth); auch in Ballersdorf, Habersdorf, Michelsdorf verfügte der König über Besitz.
1n der Reichsteilung Karls des Großen von 806 wurde der Urnordgau aus Bayern, wie es Tassilo besaß, ausgegliedert und mit ihm die Reichshöfe Ingolstadt und Lauterhofen. Sein Sohn Pippin bekam das tassilonische Bayern, sein Sohn Karl aber neben anderem den Nordgau, der als "pars Baivariae" (Teil Bayerns) bezeichnet wurde. Zu Bayern gehörte auch die südöstliche Oberpfalz um Cham und am Regen. Bayern aber war selbst fränkische Provinz und seit 788 waren Urnordgau und Land am Regen fränkisch-karolingisch bzw. später reichisch-deutsch. So war es in der ersten Etappe südoberpfälzischer Geschichte bestellt und geworden.

Unter den Ottonenkaisern hebt in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts die zweite Phase an. Kaiser Otto I. mußte den widerspenstigen Luitpoldingern und wohl auch dem Hause seines Bruders Heinrich ein Gegengewicht in den fränkischen Grafen von Schweinfurt aus dem Hause der jüngeren Babenberger entgegenstellen. Er vereinigte darum das nördliche "Ostfranken" und den Nordgau als kommissarische Verwaltungsgebiete in babenbergischen Händen. Vermutlich um 950 übertrug der König an den Grafen Berthold die Grafschaften im Nordgau, wo er 945 im Dienste des Herrschers bezeugt ist; 960 und 973 waren in seinen Händen auch die ostfränkischen Grafschaften Volkfeld und Radenzgau; dazu kam noch die praefectura über das Königsgut Bamberg. Berthold begegnet mit dem Titel marchicomes, was ausdrückt, daß er mehrere Grafschaften vor der Grenze in seiner Hand hatte. Daneben ist die Feststellung wichtig, daß Bertholds Bruder Luitpold 976 die bayerische Ostmark im heutigen Österreich entlang der Donau zwischen Enns und Wienerwald übertragen erhielt und dazu auch noch die südöstliche Hälfte des Donaugaus (wohl bis Deggendorf) bekam. Der nordwestliche Teil des Donaugaus von der Kleinen Laber bis zum Regen aber kam an Graf Pabo, den Ahnherrn der königlichen Burggrafen von Regensburg, die am Ende des 12. Jahrhunderts ausstarben und im 12. Jahrhundert in die beiden Zweige der edelfreien Herren von Riedenburg und der Landgrafen von Stefling im Regental sich aufgegliedert hatten. Wenn wir nun sehen, in wieviele Grafschaften der Gewaltbezirk Heinrichs von Schweinfurt, des Sohnes unseres Berthold, nach seiner Erhebung gegen Kaiser Heinrich II. aufgeteilt wurde, müssen wir sagen, daß der Titel Markgraf, den diese hier amtierenden Babenberger hatten, eine bedeutsame Stellung vermuten läßt, die freilich mit einer Markgrafschaft auf dem Nordgau nichts zu tun hatte, die nicht belegbar ist. Im Gegenteil! Wir müssen annehmen, daß im 10. Jahrhundert die ostfränkischen Grafschaften und der Urnordgau, das Land um die mittlere Naab und vielleicht auch den Regen als großer königlicher Gewaltbezirk in den Händen der Babenberger von Schweinfurt vereinigt war.

Daraus erklärt sich dann auch am leichtesten, daß der zweite Salierkaiser den östlichen und mittleren Teil dieses Gebietes entlang der böhmischen Grenze als die Marken Cham und Nabburg organisiert hat, die wir als Form der Grenzsicherung und Grenzorganisation, als militärische Aufmarsch- und Etappenstellung zu verstehen haben. Solche Gebilde haben wir auch an der Westgrenze des Reiches sowie in Hessen und Sachsen. Zentrum solcher Marken (marcae) war eine Reichsburg. Funktion und Folge dieser Markenbildung auf dem nun ostwärts gerückten Nordgau war die herrschaftliche Organisation des ganzen Gebietes nördlich des Regen und östlich der Naab. Daß Kaiser Heinrich III. in diesem Land besondere Interessen hatte und es organisatorisch stärker gliedern wollte, geht vor allem daraus hervor, daß nun gerade im Nordgau Königsdienstmannen (servientes regis) mit Dienst- und Eigengut erscheinen. Daß im zurecht im 10. Jahrhundert Oberpfalz und östliches Franken als königliche Herrschaftseinheit ansehe, geht auch daraus hervor, daß Heinrich III. neben Cham und Nabburg in der Nordostecke des Gebietes die Reichsburg Nürnberg errichtete (zwischen 1040 und 1050) und daß er gerade hier das Reichsgut in einer Ministerialenverwaltung zusammenfassen wollte. Ich vermute also einen weitläufigen Plan des Salierkaisers hinter all diesen Maßnahmen. Aus diesem Grunde wollte dieser große Organisator das dem Bistum Bamberg 1007 und später in verschwenderischer Fülle ausgetane Reichsgut wieder zurücknehmen – besonders das Reichsgut auf dem Nordgau – und den Aufbau eines Königslandes hier vorbereiten. So gesehen ist die Gründung der Markgrafschaften Cham und Nabburg Tei! einer umfassenden Organisation des Nordgaus und des in ihm liegenden Königsgutes. Am Westtor Böhmens sollte ein Starkes Bollwerk entstehen. Das Land an Regen und Naab hatte gerade darum eine zentrale Bedeutung, weil Egerland, Vogtland und das Waldgebiet am Nordhang des Erzgebirges noch zu dünn besiedelt und zu wenig herrschaftlich aufbereitet waren, um eine starke Basis für eine Ostpolitik abzugeben. Der deutsche König war dazu gezwungen, weil die Böhmen und Ungarn entlang ihrer Grenzen gegen Westen auch künstliche Wehranlagen und ein Grenzschutzsystem mit ständiger Verteidigungsbereitschaft errichtet und dort eine Grenzmiliz, wie in unserem Falle die Choden, angesetzt hatten. Die Choden waren slavische Wehrbauern an der Grenze, die auf erblichen Bauernhöfen angesetzt waren, um eine ständige Überwachung an der Grenze sicherzustellen. Die erste Spur dieser böhmischen Grenzmiliz begegnet 1004; 1040 und 1041 fand Kaiser Heinrich III. das böhmische Landestor von Taus durch starke Festungsanlagen im Grenzwald versperrt und durch Bogenschützen besetzt.

Von der Mark Cham hören wir erstmals 1055 bei einer Schenkung Kaiser Heinrich III. in der ,,marchia Champie". Diese Mark ist sicher identisch mit dem pagus Champriche, der 1050 erwähnt wird; dort erhalt ein Königsdienstmann Dienstlehen zu Eigen übertragen. "Champriche" bezeichnet einen geschlossenen Königsgutsbezirk um die Reichsburg Cham. Wir können seinen Umfang noch aus den Marchfutterorten des bayerischen Herzogsurbars vom Anfang des 14. Jahrhunderts erschließen. Der Königs- oder Reichsgutsbezirk Champriche war der Kern der Mark Kaiser Heinrich III. In einer Urkunde von 1058 vergibt der unmündige Heinrich IV. vier Königshufen bei Arnschwang an das Kloster Ebersberg mit dem Rodungsrecht; ihre Lage wird so umschrieben: in marcha Kamba versus Boemiam, que pertinet ad ducatum Bavvaricum, quam matri nostrae concessimus = in der Mark Cham gegen Böhmen, die zum bayerischen Herzogtum gehört, das wir unserer Mutter überlassen haben. Die verfassungsrechtliche, nicht machtpolitische Zugehörigkeit zum bayerischen Herzogtum ist unangetastet, aber das Herzogtum hat das Königshaus inne. Das Gebiet um Cham hat sicher auch zum Gewaltbezirk des Markgrafen von Schweinfurt aus babenbergischem Hause gehört. Doch gilt die zur Grafschaft weiterentwickelte Mark Cham als Sondergebiet, das eigentlich nicht zum Nordgau und zur späteren Oberpfalz gehörte, wie ihr Pfandcharakter seit dem Hausvertrag von Pavia 1329 deutlich macht. Grenzpunkte des Reichsgutsbezirkes Chamberich waren gegen Osten und Südosten Weißenregen bei Kötzting, Furth im Wald und Döfering (slavischer Ortsname) bei Waldmünchen. Kaiser Heinrich III. hat dieses Kerngebiet der Mark mit einer Wehrorganisation neuen Stils ausgestattet, deren Träger die Ministerialen und ihre Burgen waren; letztere treffen wir in großer Zahl gerade um Cham. Die Ministerialität wurde zum Träger der Verwaltung und Verteidigung dieses "Staatslandes" und das entscheidende Werkzeug königlicher Kriegsführung. Das Dorf mit der Dienstmannenburg wurde hier wie im niederösterreichischen Waldviertel die Wehreinheit des neuen Systems. Zentrum des ganzen Befestigungs- und Verwaltungssystems war die Reichsburg Cham.

An die Spitze dieser Mark trat ein Markgraf, der auch der Kommandeur der Markministerialen wurde. Dieses Amt kam recht bald in die Hände der edelfreien schwäbischen Diepoldinger, deren Seitenzweig, den wir die Rapotonen nennen, auf dem Erbwege diese Stellung übernahmen. Als erster comes de Cambe (Graf von Cham) erscheint 1073 ein Rapoto, der treu zum Kaiser stand; sein Bruder Diepold war offensichtlich mit der Mark Nabburg belehnt. Als ihr Nachfolger und Erbe erscheint 1118 ein Diepold III., der 1118 als marchio de Napurch und 1140 marchio de Cambe bezeugt ist. Unterdessen waren die beiden Marken zu erblichen Reichslehen dieser Diepoldinger geworden. Es ist bekannt, daß der erste Stauferkönig Konrad III. beim Tode des genannten Diepold 1146 das Egerland einzog, das schon im 11. Jahrhundert an die Mark Nabburg angeschlossen gewesen zu sein scheint; dieses alte "Egerland" ist also identisch mit der nördlichen Oberpfalz und dem südlichen Oberfranken. Auch dieser Landname ist erst später ostwärts nach Böhmen gewandert und wurde dort die Bezeichnung für das größere Umland der staufischen Reichsburg Eger. Trotz der Bestellung edelfreier Markgrafen waren die engen Beziehungen des Königs zu Markgut und Markministerialität in Cham, Nabburg und Egerland nicht unterbrochen. Um den genauen Umfang der salischen Marken Cham und Nabburg zu ermitteln, müßten wir die belegten Königsgutsbezirke, die Ministerialenburgen und die Pfarreiorganisation feststellen. Bei Cham wird wohl der Umkreis der alten Mark Cham zusammenfallen mit der Ausdehnung des alten Dekanates Cham. Als diese Gebiete zwischen 1180 beim Ankauf der Bamberger Vogteilehen der Grafen von Sulzbach auf dem Nordgau bei ihrem Aussterben und 1268 beim Übergang des staufischen Nordgaus an die Wittelsbacher in die Hände der letzteren gekommen waren, wurden sie im Bayerischen Herzogsurbar von 1280 auf den in Ober und Niederbayern geteilten wittelsbachischen Landesstaat aufgeteilt und politisch-administrativ auseinandergerissen. Nittenau, Wetterfeld, Roding, Miltach, Eschlkam, Waldmünchen wurden als Amtssitze im Urbar von Niederbayern aufgezählt; 1326 gehörten Wetterfeld mit dem Markt Nittenau, Roding, Neunburg, Nabburg, Obermurach und Oberviechtach zum Viztumamt (Burg-)Lengenfeld, dagegen die Landgerichte Cham, Waldmünchen, Eschlkam, Schneeberg und Pfreimd zum Viztumamt Straubing. Im Laufe des 13. Jahrhunderts ist als Folge der Territorialstaatsentwicklung, die die Wittelsbacher auf den Nordgau brachte, das alte königliche Markensystem aufgesplittert und umorganisiert worden.

Dies aber ist besonders an der Mark Nabburg zu zeigen. Diese wurde erstmals zu 1040 in einer Fälschung des Klosters Michelfeld oder des Bistums Bamberg erwähnt. Sollte sich der hier genannte Ortsname Pillungesriut auf Pullenried bei Nabburg beziehen, dann ist seine geographische Bezeichnung zu beachten; denn dieser Ort liegt "in pago Norgouue in comitatu Ottonis comitis et in marca, quae vocatur Nabburg". Demzufolge war damals die Mark Nabburg noch keine selbständige Einheit, sondern Teil der Grafschaft Ottos. Nabburg selber war die zentrale Reichsburg dieses Gebietes. Selbständig wurde diese Mark erst nach dem Tode des babenbergischen Markgrafen Otto von Schweinfurt, der damals auch Herzog in Schwaben war, sowie seines Erben und Nachfolgers, des Heinrich von Hildrizhausen. Das alles geschah unter König Heinrich IV., der auch diese Mark den Diepoldingern übertrug. Wenn wir auch über die Mark Nabburg nicht so viel wissen, wie über die Mark Cham, so ist doch sicher, daß auch sie militärisch organisiert war. Nabburg beherrschte den Übergang einer auch später noch wichtigen Straße von Amberg nach Böhmen; es erscheint aber auch als starkes militärisches Kraftzentrum gegen das nördliche, damals noch kaum erschlossene Egerland. Aber Nabburg lag gegen Osten und Norden sehr weit im Hinterland; es muß also vor allem Auffang- und Ausgangsstellung gewesen sein. Das Land zwischen dieser Reichsburg und dem böhmischen Grenzland war sehr dünn besiedelt. In diese Burg hatte sich 929 König Heinrich I. mit dem bayerischen Herzog Arnulf zurückgezogen; daraus läßt sich der Reichsburgcharakter der Naabveste erschließen. Hier war wie in Cham eine Münzstatte. Der größere Raum von Nabburg trat erst durch die reichen Landschenkungen König Heinrichs II. an das neugegründete Reichsbistum Bamberg in das Licht der Geschichte.

Aus einer Urkunde von 1061, durch die der König an den bedeutenden Königsministerialen Otnand aus der Forchheimer Gegend einen Wald zwischen Schür- oder Höllbach, Krummenaab, Trebnitzbach und der Straße von Eger "im Nordgau und in der Mark Nabburg" schenkte, können wir erschließen, daß der Südrand des Gebietes, den wir dann als provincia Egrensis und als staufisches Reichsterritorium Egerland kennen, hinauf bis Marktredwitz und noch weiter zur Mark Nabburg gehörte. Deren Hauptstoßrichtung und Ausbreitungsgebiet war der Norden. In diese Richtung zielte im 12. Jahrhundert der Landesausbau der Diepoldinger Markgrafen und ihr territorialstaatlicher Aufbau. Ihre nordwärts gerichtete Politik wurde durch den Staufer Konrad III. jäh unterbrochen; man holte aus der Mark Cham Ministerialen und setzte sie an der Naab und im alten Egerland als Mark- und dann Reichsministerialen zu Rodungsaufgaben und Herrschaftsorganisation ein. Die Machtbasis der Diepoldinger um Nabburg selbst war sehr schmal, da ein fester Ring von Burgen der Grafen von Sulzbach und anderer Edelfreien die Reichsburg umklammerte: Parkstein, Hohenburg an der Lauterach, Thurndorf, Murach, Flossenbürg. Die regio Egire erscheint 1135 erstmals als Verwaltungsgebiet. Die Grafen von Sulzbach, die Tirschenreuth besaßen, rodeten im Egerland. Weitere Rivalen waren die edelfreien Herren von Hopfenohe und Waldeck, deren Erben die späteren Landgrafen von Leuchtenberg wurden. Als Schwager der Hopfenohe-Lengenfeld-Pettendorf schoben sich südlich Nabburg die Wittelsbacher vor. Südöstlich der Reichsburg und östlich davon saßen in Altendorf die Grafen von Stirn und Ettenstatt aus der Rezatgegend; zu Schwandorf und östlich davon saßen die Grafen von Hohenburg. Nahe Rötz aber lag die Stammveste der Haderiche (= die Schwarzenburg), die in der ebenfalls von der von Heinrich III. gegründeten marchia Boemiae, um das dortige Retz (= ein zweites Rötz) reichbegütert waren; sicher waren sie Verwandte der Diepoldinger. Man müßte die genealogisch-besitzgeschichtlichen Verbindungen der genannten Geschlechter näher untersuchen, um so sicherere Aufschlüsse über Besitz- und Herrschaftsverhältnisse gerade im Raum um Nabburg und östlich davon zu erhalten. Das· historische Dunkel über unserer Oberpfalz würde sich weiter lichten.

Die Mark Nabburg lehnt sich an die Mark Cham an; es fällt nur der Raum um Schwandorf aus. Vermutlich fällt die marchia Nappurg zusammen mit dem Umfang des alten Dekanates Altendorf, dessen Urpfarrkirche zweifellos Perschen am linken Naabufer gegenüber Nabburg war. Grenzorte waren Seebarn, Rötz, Tiefenbach, Schwarzach, Eslarn, Waidhaus, Lennesrieth, Floß, Ilsenbach, Wurz, Altenstadt, Neunkirchen, Kohlberg, Neunaigen, Saltendorf und Schwarzenfeld. Die Nordgrenze ist deshalb nicht mehr auszumachen, weil sich das staufische Reichsland Eger gegen Süden abgeschlossen hatte und sich im Gefolge davon zwei neue Dekanate Thumbach und Beidl gebildet hatten. Vermutlich war die Nordgrenze der Mark Nabburg sehr lange offen. Der schmalen Machtbasis der Diepoldinger in diesem Südraum entspricht die geringe Westerstreckung des Dekanates Altendorf, dessen Sitz später Nabburg wurde. Östlich der Naab erstreckt sich ein großer Gürtel von ried-Orten, in denen wir Zeugen eines hochmittelalterlichen Landesausbaus zu sehen haben. Es bedarf hier noch intensiver Einzelforschung, um die Kirchen-, Herrschafts- und Siedlungsgeschichte dieses Raumes zu erhellen. Wir können hoffen, daß die Atlasforschung der Kommission für Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften sehr bald einen wesentlichen Teil dieser Arbeit leisten wird. Jedenfalls hat Archivdirektor Dr. Heribert Sturm einen Löwenanteil daran, der bislang die beiden Atlasbände Tirschenreuth und Kemnath schon erarbeitet und nun einen dritten Band übernommen hat, der den Raum um Weiden analysiert. Nach Westen wurde ein weiteres Ausgreifen der Mark Nabburg und der Diepoldinger versperrt durch die umfangreichen Vogteilehen der Bamberger Reichskirche auf dem Nordgau, die einen großen Teil der nordwestlichen Oberpfalz umfaßten. Außerdem war hier die Einflußzone der mächtigen Grafen von Sulzbach und Kastl-Habsberg. Im Umkreis von Nabburg und in der mittleren und westlichen Oberpfalz stellen wie eine starke eigenherrschaftliche Politik des Dynastenadels und seiner Geschlechter fest, die sich an der "Nordgauverschwörung" gegen den alten Kaiser Heinrich IV. beteiligt haben und so ihre Interessen kundtaten.

Der Raum um Nabburg büßte seine zentrale Stellung im Nordgau ein, als nach der Entlassung der Diepoldinger durch Konrad III. die Staufer, besonders Barbarossa, begannen, in direkter Verknüpfung mit der terra imperii = dem Reichsland um Nürnberg auch eine terra imperii vor der Reichsburg Eger zunachst in der frühesten provincia Egire aufzubauen. So wurde dieses Gebiet fest eingegliedert in die große Reichslandkonzeption der Staufer, deren Ziel der Aufbau eines königlichen Territorialstaates in Süd- und Mitteldeutschland war. Diese Politik war großflächig gedacht, sie erfaßte den größten Teil des heutigen Mittel- und Oberfranken und der Oberpfalz, sie griff über das Vogtland hinaus in den sächsischen Pleissengau, wo die Reichsburg Altenburg wieder ein starkes Zentrum königlicher Herrschaft wurde. Ich möchte hervorheben, daß diese großzügige Reichslandpolitik vor allem dort möglich war, wo es große Wald und Forstgebiete gab und wo die königlichen Dienstmannen und Reichsministerialen Rodungen anlegten und so den Aufbau der Königsherrschaft vorantreiben konnten, weil dort kein adelig-kirchliches Streben nach gleicher Territorialität ihnen entgegenstand. An dem großen Rodungswerk beteiligte sich im frühen und späten Egerland auch das unter staufischer Reichsvogtei stehende Zisterzienserkloster Waldsassen, das die Diepoldinger ebenso gestiftet haben wie sie auch Gründer des Benediktinerklosters Reichenbach am Regen waren; das vierte bedeutende Adelskloster in der Oberpfalz gründeten gegenüber Reichenbach am rechten Regenufer in Walderbach die Burggrafen von Regensburg aus dem Hause der Pabonen. Aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts stammt das auch noch heute in seiner Burgstruktur imposante Kloster Kastl über der Lauterach der Grafen von Kastl, Sulzbach und Habsberg. Die Stauferkaiser konnten ein von den Saliern begonnenes staatspolitisches und kulturschöpferisches Werk im ganzen Raum der heutigen Oberpfalz fortsetzen, in dem schon der letzte Sachsenkaiser Heinrich II. dem von ihm gegründeten Reichsbistum Bamberg (1007) die Vogteiherrschaft über große Waldgebiete um die obere Pegnitz, die Vils und den Regen (um Nittenau) schenkte. Diese Vogteiherrschaft kam im 12. Jahrhundert an das mächtige Grafengeschlecht von Sulzbach, das mit den Kastl-Habsbergern verwandt war und sich mit ihnen zur Gründung des Klosters Kastl zusammentat; dieses Kloster aber lag am Ostrande des Urnordgaus nahe Lauterhofen. Dem Geschlecht der Sulzbacher aber entstammte die Gemahlin Gertrud des ersten Stauferkönigs Konrad III., und ihre Schwester war Gemahlin des byzantinischen Kaisers Manuel Komnenos.

Nach der staufischen Reichslandkonzeption sollte der Nordgau = das Land der mittleren und nördlichen Oberpfalz eingespannt sein in ein System, dessen stärkste Flanken Nürnberg und Regensburg darstellten. Von Regensburg aus, wo sie seit dem Aussterben der Pabonen am Ende des 12. Jahrhunderts kaiserliche Burggrafen waren, schoben sich seit dieser Zeit nach Norden die Wittelsbacher vor, die 1180 Territorialherzöge in Bayern geworden waren. Sie faßten Fuß im Mündungsgebiet der beiden größten Flüsse der Oberpfalz Naab und Regen und wurden beim Aussterben des staufischen Kaisergeschlechts 1268 dessen Haupterben auf dem bayerischen Nordgau in der heutigen Oberpfalz, wie sie erst seit dem 15. Jahrhundert im Gegensatz zur Niederen Pfalz am Rhein genannt wurde. Barbarossa hatte eine Reihe von Gründen, dieses Gebiet so stark zu einer terra imperii auszubauen. Vor allem wollte er hier ein tragfähiges Glied seiner ganz Süddeutschland bis Hessen überlagernden Reichslandpolitik verankern. Der Nordgau war zudem ein Brückenkopf für eine intensive Einflußnahme auf Böhmen, das durch seine Edelmetallvorkommen wirtschaftlich ein reiches Land war. Sicher organisierte er dieses Grenzland herrschaftlich auch wegen seines wirtschaftlichen Eigenwertes, konkret wegen seiner Eisenvorkommen und Eisenverarbeitung, die im 12. Jahrhundert auch urkundlich greifbar wird. Bald wurden Amberg und Sulzbach zentrale Orte der spätmittelalterlichen Eisenproduktion, und Nürnberg, das zu einem Hauptzentrum der Waffenproduktion wurde, beschaffte sich Eisen und Stahl aus der Oberpfalz. Hammermühlen und Hammerschlößchen sind ein Charakteristikum des Wirtschafts- und Kulturraumes der mittleren und nördlichen Oberpfalz geworden. Außerdem gab es auf dem Nordgau, den ich den jüngeren oder zweiten Nordgau nennen möchte, noch so viel jungfräulichen Boden, daß sich hier leicht durch eigene Kolonisation und Rodefähigkeit ein herrschaftlich straff gelenktes königliches Territorium aufbauen ließ, das nicht direkt unter der zerstörenden Rivalität mit dem zu gleicher Territorialität aufsteigenden Adel stand. Man kann wohl sagen, daB der Nordgau seine politisch größte Zeit in der Epoche der Salier und Staufer und im späteren Mittela!ter unter Karl IV. hatte. Nach dem Untergang des großen deutschen Kaisergeschlechts erst wurde der Nordgau im ganzen Objekt und Teil der Territorialpolitik und des ausgreifenden Territorialstaates der Wittelsbacher, die 1180 Bayern als Reichsfahnlehen übertragen erhielten. Die relative Geschlossenheit ihrer Herrschaft auf dem Nordgau, das Freisein von rivalisierenden Hochadelsgeschlechtern und zu gleicher Territorialitat strebenden geistlichen Hochstifter war auf diesem Rodungsboden ein Erbe der Staufer. Daß der Nordgau fiir den wittelsbachischen Kernstaat primär aber keine Bedeutung hatte, ergibt sich daraus, daß Kaiser Ludwig der Bayer 1329 beim Abschluß des Hausvertrages von Pavia dieses Gebiet an die pfälzische Linie seines Haus abtrat und somit wieder fiir weitere drei Jahrhunderte aus dem altbayerischen Herrschaftsverband und Landesstaat ausklammerte.

Abschließend kann man sagen, daß unsere Oberpfalz eine karolingisch-ottonische und eine salisch-staufische Vergangenheit im Mittelalter hatte und daß in ihrer Geschichte babenbergische, diepoldingische, sulzbachische und wittelsbachische Adels- und bambergische Hochstiftstraditionen wirksam waren. Die Oberpfalz hat ein romanisches und gotisches Gesicht, sie ist vor allem eine romanische und gotische, keine barocke Kultur und Kunstlandschaft. Der Dientzenhoferbau von Waldsassen vermag dies nicht zu vertuschen. Die Oberpfalz hat ein eigenes Wesen und eine eigene Identität, die nicht in der bayerischen Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit einfach aufgeht. Auf ihre reichische Geschichte sollte die Oberpfalz stolz sein und es nicht den Österreichern und Württembergern überlassen, ein babenbergisches und ein staufisches Jahrtausendjubiläum zu feiern. Die Oberpfälzer sollten ihre Reichsgeschichte und ihren Eigenwert umsoweniger vergessen, als sie noch große Architekturzeugen dieser Vergangenheit vor sich haben in der romanischen Klosterkirche und Klosterburg von Kastl, in der romanisch-gotischen Klosterkirche von Chammünster, in der spätromanischen Zisterzienserkirche von Walderbach, in der romanischen Architektur von Reichenbach und last not least in der Kirche von Perschen. Am Rande verweise ich nur auf die beiden großen gotischen Hallenkirchen in Amberg oder auch an den gotischen Chor der Stadtpfarrkirche von Cham. Die Oberpfalz ist seit salisch-staufischer Zeit ein großes Burgenland, deren Ruinen überall den Wanderer grüßen; ich nenne nur die Ruinen von Flossenbürg, Leuchtenberg, Runding, Haidstein vor vielen anderen. Die Oberpfalz konnte keine Barocklandschaft werden, wie die klosterreichen Altbayern und Österreich erst geworden sind. Der alte Nordgau und die Oberpfalz sind heute staatlich und geistig tief verwurzelt im alten bayerischen und stammesbayerischen Raum; aber sie haben ihre eigene Vergangenheit und ein eigenes historisches Profil, sie haben ein Recht darauf, auch ein eigenes historisches und politisches Selbstbewußtsein zu artikulieren und durchzusetzen. Das ist wohl der konkrete Sinn der Nordgautage, die es nicht versäumen dürfen, in das altbayerische Wesen oberpfälzischer Art auch das Egerland kräftig mit einzubeziehen.
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Studien des Verfassers zur oberpfälzischen Geschichte:
1) Das Nordgaukloster Kastl. Gründung, Gründer, Wirtschafts- und Geistesgeschichte, in Verh. d. Hist. Vereins v. Obpf. 89 (1939) 3-189 ( = Münchener Dissertation).
2) Die Sozialstruktur der mittelalterlichen Residenz- und Fernhandelsstadt Regensburg. Die
Entwicklung ihres Bürgertums vom 9.-14. Jh. = Abhandlungen d. Bay. Ak. d. Wissenschaften. Phil.-Hist. Klasse NF 63 ( 1966).
3) Bayerische Geschichte. 4. Aufl. 1975/6.
4) Die Reichsministerialität als Träger staufischer Staatspolitik in Ostfranken und auf dem
bayerischen Nordgau, in Jahresber. d. Hist. Vereins von Mittelfranken 69 ( 1941) 1-105.
5) Die Markengründungen Kaiser Heinrich III. auf bayerisch-österreichischem Boden, in Zs. f. Bay. Landesgeschichte 14 ( 1943/4) 177-247 und in K. Bos! (Hgb.), Zur Geschichte der Bayern 364-442.
6) Die Entwicklung in Ostbayern bis zur Eingliederung in den wittelsbachischen Landesstaat, in Das Bayerland 55 ( 1953) 284-288.
7) Der Eintritt Böhmens und Mährens in den westlichen Kulturkreis im Lichte der Missionsgeschichte, in Böhmen und Bayern, Veröffentl. des Collcgium Carolinum I (1958) 43-64.
8) Probleme der Reichsgutforschung in Mittel- und Süddeutschland, in Jb. f. fränkische Landesforschung 20 (1960) 305-325.
9) Kulturstrome und Kulturleistungen der bayerischen Oberpfalz. In 125 Jahre  Regierungsbezirk Oberpfalz (1963) 31-50.
10) Das kurpfälzische Territorium "Obere Pfalz", in Zs. f. Bay. Landesgesch. 25 (1963) 3-28 und in Die Oberpfalz 53 (1965) 1-4, 25-27, 49-53, 73-75.
11) Die Geschichte eines Grenz- und Durchgangslandes bis zum Niedergchen des Eisernen Vorhangs, in Das Bayerland 67 (1963) 198-207.
12) Pfalzen, Klöster, Forste in Bayern. Zur Organisation von Herzogs- und Königsgut in  Bayern, in Verh. d. Histor. Vereins von Oberpfalz (1966) 41-56 ( = Festschrift f. H. Dachs).
13) Dreihundert Jahre Entwicklung zur Reichsstadt ( 1050-1347), in G. Pfeiffer (Hgb.), Nürnberg. Geschichte einer europäischen Stadt (1971) 1 1 -33.
14) Oberpfalz und Egerland im Spannungsfeld der internationalen Politik. Vortrag anläßlich des 650. Jahrestages der Verpfändung des Egerlandes am 7. Oktober 1972 in Amberg ( 1973).
15) Der deutsche und europäische Rang Regensburger Urbanität = Festrede zum Ärztetag 1973 in Regensburg.
16) Landschaftliche und gesellschaftliche Gegebenheiten, in Reismüller-Müller (Hgb.), Ingolstadt I (1974) 11-18.
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* Eröffnungsvortrag des Verfassers zum 21. Bayerischen-Nordgautag in Nabburg, am 27. Mai 1976 in der Aula des Gymnasiums.

Sonntag, 24. April 2016

Die Burg Donaustauf



Die Burg Donaustauf, „das beste und festeste Haus der Regensburger Kirche"


Von Josef Fendl


Lage, Name, Vorgeschichte

Nördlich bzw. nordwestlich der alten Donaudörfer Barbing und Sarching — Gründungen der bajuwarischen Landnehmer — ragt jenseits des Flusses vor der Kulisse der Hohen Linie der Burgberg von Donaustauf auf.

Geologisch gesehen ist er ein Zeugnis dafür, daß während und nach der Auffaltung des kristallinen Grundgebirges (des Bayerischen Waldes) granitische Schmelzen in das Deckgebirge eindrangen und erstarrten. Die Abtragungen der vergangenen 300 Millionen Jahre brachten diese granitischen Gesteine zum Vorschein. Umlagert wird der Burgberg vom sogenannten Rotliegenden, dem Rest eines im Perm (vor rund 280 Millionen Jahren) entstandenen Randstreifens der Südflanke des Vorderen Bayerischen Waldes, der im Tertiär (vor rund 50 Millionen Jahren) durch eine ruckartige tektonische Bewegung mehrere hundert Meter absank. Der Name ,stouf' ist die althochdeutsche Bezeichnung für Fels, Bergkuppe oder Berg von der Gestalt eines Kegelstumpfes und findet sich noch mehrfach im süddeutschen Raum.

Funde aus neuester Zeit lassen die Vermutung gerechtfertigt erscheinen, daß der Berg schon im siebten bis vierten Jahrhundert v. Chr. (in der sogenannten Urnenfelderzeit) einer der zahlreichen Herrschaftssitze keltischer Stämme war, — wobei nicht ausgeschlossen werden soll, daß die Bergkuppe auch früher schon Zufluchtsort für größere Sippen war.

Der Berghügel verschwindet dann wieder für mehrere Jahrhunderte aus dem Blickfeld der Geschichte, um im 10. Jahrhundert n. Chr. umso deutlicher herauszutreten.

Die erste urkundliche Erwähnung

Die erste schriftliche Erwähnung einer Befestigung fällt in die Regierungszeit des AbtbischofsTuto (894—930); sie findet sich in der Beurkundung eines Gütertauschs: Der Bischof und sein Vogt Arnimar geben eine Hube bei dem Kastell Stufo (iuxta Castellum quod dicitur Stufo) und Besitz in Phatragimundi (Pfatter bzw. Gmünd bei Pfatter) gegen eine Hube des Freien Richpero und seiner Gemahlin Engilfrita in Sempinchovun (Sengkofen).

Da eine Schenkung des Jahres 914 die Burg noch nicht kennt, ist anzunehmen, daß Donaustauf als bischöfliche Festung gegen die immer bedrohlicher anstürmenden Ungarn zwischen 914 und 930 — wahrscheinlich nach der Rückkehr Arnulfs des Bösen nach Bayern (918) — errichtet wurde. Dabei ist es durchaus möglich, daß vorgeschichtliche Ringwälle in diese Burganlage miteinbezogen wurden.

Die Form der Anlage

Die Burg Stauf war eine typische Abschnittsburg, d. h. im Laufe der Jahrhunderte wurde von einem „Kern" aus ein Mauerring nach dem anderen gegen die Angriffseite (in unserem Fall nach Norden) vorgeschoben und jeder dieser Abschnitte durch einen festen Torbau abgeriegelt bzw. zugänglich gemacht. Das staffeiförmige Terrain wurde auf diese Weise vortrefflich ausgenützt: Bastion steht üher Bastion, — für den Bogennahkampf eine fast unüberwindliche Wehr. Es ist möglich, daß diese Häufung der Verteidigungsabschnitte von den Kreuzfahrern im Heiligen Land wenn nicht entwickelt, so doch übernommen wurde.

Burg Donaustauf

Der „Kern" auf der höchsten Erhehung (Westflanke) mag anfangs nur von einem Wall mit einem Palisadenzaun umzogen gewesen sein. Die ersten Steinbauten (Pallas, Kapelle, Bergfried) wurden vermutlich zwischen 1000 und 1050 errichtet. Aber auch die Mehrzahl der übrigen Bauten wurde wohl noch in romanischer Zeit aufgeführt. Die letzte Erweiterung erfuhr die Burg 1610 durch Herzog Maximilian. 24 Jahre später wurde sie von den Schweden geschleift. Die Burgkapelle stellt schon von ihrer Lage her eine burgenbauliche Sonderform dar: sie lag (zumindest teilweise) im Torturm. Der kunstgeschichtlich höchst beachtenswerte Bau aus der Mitte des 11. Jahrhunderts soll dem hl. Rupert geweiht gewesen sein, der nach der Sage der Gründer der Burg war.

Die Kapelle war eine (entsprechend den Umfassungsmauern des Torturms) quadratische dreischiffige Anlage, deren Innenwände auf allen vier Seiten mit je drei halbrunden gewölbten Nischen ausgesetzt waren, in denen bis heute Reste von Wandmalereien aus der Mitte des 12. Jahrhunderts erhalten blieben: geistliche Würdenträger mit entsprechenden Attributen in der Hand. Nach den Fragmenten der romanischen Majuskel‑Inschriftenfriese zu schließen, waren hier die ersten Regensburger Bischöfe dargestellt. Das Nischensystem schloß sich wahrscheinlich Regensburger Vorbildern an, so etwa der 1052 geweihten Wolfgangskrypta in St. Emmeram. Die Raumwirkung dürfte aber in Donaustauf noch vollkommener gewesen sein.


Die Bischofsburg — ein Schauplatz der Geschichte

Wie nahezu alle Burgen gab auch Stauf im Laufe der Jahrhunderte die Bühne für mehr oder weniger bedeutsame Ereignisse ab. So z. B. hat nach glaubhafter Überlieferung Kaiser Friedrich Barbarossa die Nacht vom 7. auf den 8. September 1156 auf der Burg verbracht, von wo aus er am Morgen des 8. September zum Reichstag auf den Wiesen von Barbing ritt. In einem hochfeierlichen Zeremoniell wurde dort (vor der Kreuzhofkirche?) die Rückgabe Bayerns an Heinrich den Löwen und die Belehnung des Babenbergers Heinrich Jasomirgott mit Österreich vollzogen. 18 Reichsfürsten waren Zeugen dieses großartigen Schauspiels. Auch die Zeit der Kreuzzüge — drei von ihnen gingen von Regensburg aus — mag manchen prominenten Heerführer jener Jahre innerhalb der Burgmauern gesehen haben.

So z. B. bestätigte 1233 Graf Albert von Bogen vor seinem Aufbruch zum Kreuzzug auf der Burg Stauf (in Gegenwart seiner Mutter Ludmilla, der Witwe Herzog Ludwig des Kelheimers) den Regensburger Minoriten die Schenkung des in ihrer Nachbarschaft gelegenen Bogener Hofes, eines Bezirkes „von großem Umfang, in welchem der Vater und die Vorfordern des Grafen weitläufige Gebäude und Wohnungen, Speisgadem, Küchen und Scheunen erbaut hatten" (Gemeiner I , 334).

Als Bischof Siegfried, der 1227 — wie auch einige seiner Vorgänger — selber an einem Kreuzzug teilgenommen hatte, am 19. März 1246 starb, waren die Zwistigkeiten zwischen der Stadt und dem Bischof in der Frage der Stellung zu Friedrich II . noch lange nicht beigelegt. (Der Kaiser hatte Regensburg 1245 zur freien Reichsstadt erhoben, war aber vom Papst in den Bann getan worden.) Der Nachfolger Bischof Siegfrieds, Albert I., konnte es deshalb nicht wagen, das staufisch gesinnte Regensburg, gegen das übrigens auch das Interdikt (eine Gottesdienstsperre) verhängt war, zu betreten. Er residierte in Stauf (und gelegentlich auch in Eglofsheim).

Im Herbst des Jahres 1250 heckte er auf der Burg ein Bubenstück aus, das schlimme Folgen haben sollte. Während die Vornehmen der Stadt der dem Kaiser verlobten Tochter des Markgrafen von Meißen Geleit durch das Stadtgebiet gaben, schickte der Bischof seine Reisigen in einen Hinterhalt, und es gelang ihm, 40 (nach anderen Quellen 45) der heimkehrenden Regensburger Bürger in seine Gewalt zu bringen. Er steckte die Geiseln ins Burgverlies, — aber die Rache des Königs und des bayerischen Herzogs ließ nicht lange auf sich warten. Die beiden zogen in Eilmärschen von Landshut nach Regensburg und brandschatzten die hochstiftischen Besitzungen. Als der Bischof bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Regensburg die Verwüstungen sah, reifte in ihm ein noch schlimmerer Plan: er wollte den König in St. Emmeram ermorden lassen („in eine andere Welt schicken", schreibt Gemeiner). Ein Zufall ließ — wie schon so oft in der Geschichte — den Anschlag mißlingen: Der König hatte sich unter dem Bett versteckt, und der Dolch traf einen Unschuldigen.

Zum Nachfolger des Bischofs, der daraufhin abgesetzt wurde und ins Exil ging, wurde Albert II . (der Große), der gelehrte Dominikanermönch, gewählt. Er war von 1260 bis 1262 Bischof von Regensburg und verfaßte auf der Burg Stauf einen vielgerühmten Kommentar zum Lukas‑ Evangelium, den er dem Dominikanerkonvent in Regensburg als Andenken zurückließ. (Das Buch ist seit der Säkularisation verschollen.) Nach Schuegraf soll er dort auch „seltene mechanische Kunstwerke verfertigt" haben.

Am 28. Januar 1285 bestätigte König Rudolf in Eger Bischof Heinrich I I . von Rotteneck (1277—1296) die Grafschaftsrechte zu Thumstauf: „den Blutbann und das Gericht, das Fischrecht von der Regensburger Brücke bis zum Flüßchen Kößnach, das Geleite auf der Donau bis ebendahin und deßgleichen auf der linken Thumstaufer Donauseite auch zu Lande" (Janner III , 58). (Zu dieser Grafschaft gehörten die Orte Reifelding, Sulzbach, Bach, Demling, Friesheim, Lichtenwald, Altenthann, Adlmannstein, Schloß Falkenstein, Schönberg, Wenzenbach, Schwabelweis und die Vogtei Roith. Wörth wurde später als eigene Herrschaft von Donaustauf abgetrennt.)

Im Sommer 1324 hielt sich Bischof Nikolaus (ein Parteigänger Ludwigs des Bayern) auf der Burg vor dem Legaten des Erzbischofs von Salzburg (eines Anhängers Friedrichs des Schönen) versteckt, um die päpstlichen Botschaften nicht annehmen zu müssen. (Der Papst stand auf der Seite Friedrichs des Schönen und war vor allem später einer der erbittertsten Gegner des Wittelsbachers.) Der Bote wurde von den Knechten des Bischofs eingesperrt und erst am nächsten Tag wieder freigelassen. Aus Angst vor neuer Unbill warf er — so wird berichtet — die erzbischöflichen Weisungen in die Donau. Nach 1331 zog sich der Bischof immer häufiger auf die Burgen Stauf und Wörth zurück, „wohl nicht ohne tiefen Kummer" — wie Janner glaubt — „über die elende Lage, in welcher Ludwig, der seinem Herzen früher gewiß nahe gestanden, sich befand, über das Mißgeschick der Auer, mit denen er immer die freundlichsten Beziehungen unterhalten."

Die Burg war auch ein vorzüglicher Hinterhalt: 1374 wurden vom staufischen Pfleger Regensburger Kaufleuten ganze Schiffsladungen an Wein und Getreide weggenommen und unter anderem ein Kölner „Gewandschiff" aufgebracht.

Darüber hinaus diente sie auch als Gefängnis. Als im Verlauf des sogenannten Exemtionsstreites Bischof Leo der Thundorfer (1262—1277) das Kloster St. Emmeram befehdete, ließ er nicht nur (an einem Karfreitag!) dessen Vorratsräume plündern, sondern er steckte auch den vorher schon schwer mißhandelten Abt und zwei Mönche auf der Burg Stauf ins Gefängnis. 1440 wurde dort die Else Fließerin aus der Herrschaft Lichtenwald (der Zenger von Altenthann) wegen Räuberei und einer Reihe weiterer Straftaten eingekerkert, bis sie in Regensburg „peinlich befragt" (d. h. in die Folterkammer geschickt) und hingerichtet wurde.

Stauf war ein begehrtes Pfandobjekt

Vom 14. Jahrhundert ab wechselte Donaustauf ständig seinen Besitzer. Die strategisch bedeutsame Lage ließ die Burg zu einem wertvollen, von allen Seiten begehrten Machtinstrument werden: der Bischof benützte sie gegen die Stadt, die Stadt gegen die bayerischen Herzöge, die Herzöge gegen den Adel, der Adel wieder gegen die Stadt . . . Diese Pfandpolitik soll im folgenden an den „Verschiebungen" des 14. und 15. Jahrhunderts aufgezeigt werden: Um 1301 war Donaustauf für kurze Zeit in die Hände des Rates der Stadt Regensburg gekommen, der Andreas den Auer mit der Pflegschaft belehnte, — eine Aufgabe, die die Auer auch noch nach der Rückkehr Donaustaufs in das Hochstift wahrnehmen konnten. So verlieh sie Bischof Nikolaus 1326 dem aus der Stadt verbannten Dietrich von Au; 1336 ging die Pflegschaft an die Egolfsheimer, 1337 an Ulrich von Abensberg, 1340 an die Hauzendorfer. Noch im gleichen Jahr verpfändete Bischof Friedrich I., Burggraf von Nürnberg, Donaustauf für 1000 Pfund an Rueger den Reichen und Friedrich den Auer, um auf diese Weise die Geldmittel für die Deputation zu bekommen, die er nach Avignon schickte, um dort einen päpstlichen Schiedsspruch gegen seinen Gegenbischof Heinrich von Stein zu erwirken, — der ihm übrigens ein Jahr später Stauf mit Waffengewalt abnahm.

Anfang Juli 1355 verhandelte Kaiser Karl IV. unter größter Geheimhaltung in Sulzbach (‑ Rosenberg) mit Bischof Friedrich über den Erwerb der beiden Burgen Stauf und Wörth. Verschiedene Umstände kamen dem Kaiser, der damit seine Hausmacht bis an die Donau vorschieben wollte, entgegen: der Bischof war schwer verschuldet — auf Stauf allein lagen inzwischen Obligationen von nahezu 12 000 Gulden —, das Domkapitel wollte seinem Bischof keinerlei Finanzhilfe mehr leisten, der staufische Pfleger Peter von Eck war mit seinem Herzog zerstritten und Rueger der Reiche kurz vorher verstorben. Außerdem wollte der Kaiser dem Bischof — der vom Geld geblendet war, wie Gemeiner schreibt — noch einen Aufpreis von 5 000 Goldgulden zahlen und einige böhmische Güter dazulegen. (Der Erwerb von Wörth scheiterte allerdings am Veto Friedrichs des Auers von Brennberg.) Ende Juli kam dann der Kaiser persönlich nach Stauf, um von seiner neuen Herrschaft, dem „Schlüssel des Königreiches Böhmen", Besitz zu ergreifen. Das Domkapitel aber legte Beschwerde bei Papst Innozenz VI. ein, weil Friedrich „das beste und das festeste Haus, das dieselb Kirch besessen hat, das Stauffe genannt ist . . . und ohn das die Kirch von Regensburg ihrer Freyheit und ihrer Rechten nicht gefreuen mag" an den Kaiser verkauft hatte, „und das ist geschehen zu der Kirchen von Regensburg grossen Verderbniß und ewiglichen Schaden".

Der Papst schickte den südfranzösischen Bischof Bertrand von Apt als Untersuchungskommissär und kam nach dessen Bericht zu der Ansicht, daß der Handel rückgängig gemacht werden müsse. Nach den Sulzbacher Vereinbarungen blieb aber Stauf zumindest als Pfand in der Hand Karls IV., der dem Bischof weiterhin Geld darauf lieh, so daß sich die Staufer Pfandsumme 1360 bereits auf 21 000 Gulden belief; denn „er setzte auf diese Besitzung als auf einen Pfeiler und Eckstein seines Königreiches einen großen Werth" (Gemeiner).

18 Jahre lang war die Burg Stauf Eigentum der Krone Böhmens. Als es aber Karl IV. 1373 im Zuge seiner extensiven Hausmachtpolitik gelungen war, von den Wittelsbachern die Markgrafschaft Brandenburg zu übernehmen, gehörte Stauf zur Kaufsumme und wechselte erneut seinen Besitzer.  Da die Burg in den Händen der bayerischen Herzöge eine scharfe Waffe gegen das Hochstift (aber auch gegen die freie Reichsstadt) war, schrieb Bischof Dietrich, der Nachfolger Friedrichs, in der Diözese ein Subsidium (eine Sondersteuer) aus, mit dessen Ertrag er im November 1382 die Burg für 13 000 ungarische Gulden und 200 Pfund Pfennige als Pfand zurückkaufte. Allerdings mußte er versichern, sie im Kriegsfalle den bayerischen Herzögen zur Verfügung zu stellen bzw. sich gegen die Stadt Regensburg neutral zu verhalten.

Bald nach dem Tode des Bischofs hatte aber das Domkapitel „in einer plötzlichen Geld Noth", das heißt um die abensbergische Verwandtschaft des Bischofs abfinden zu können, die Burg wieder an die Wittelsbacher zurückgegeben, diese jedoch boten sie für 21 000 Gulden (gegen Wiederlösung) der Stadt an. Am 28. März 1385 erlegte der Rat die geforderte Summe und begann sofort, den Graben der Burg mit doppelten Mauern zu befestigen.

1422 wollte Herzog Heinrich Burg und Herrschaft wieder zurückhaben. Da sie Bischof Johann II . selber nicht einlösen konnte, war dieser mit dieser neuerlichen Transaktion einverstanden, — nicht aber der Rat der Stadt. Der beschwor vielmehr den Bischof, die Veste wieder selber zu übernehmen. Daraufhin ließ sich der Bischof in Passau von König Sigmund die Rückkauferlaubnis geben, konnte aber nach langwierigen Verhandlungen sein Ziel 1428 nur erreichen, weil der Magistrat und die Stadt die Pfandsumme übernahmen.

1433 bestimmte dann Herzog Wilhelm auf dem Konzil zu Basel, daß die Burg Stauf vom Hochstift nie mehr verkauft oder versetzt werden dürfe. Trotzdem wird sie 1486 bereits wieder dem bayerischen Herzog Albrecht avisiert, der allerdings bestätigt, „daß diese seine Übernahme den bischöflichen Rechten auf Stauf keinen Eintrag thun und der Bischof jeder Zeit berechtigt sein solle, um den Pfandschilling die Herrschaft zurückzuerwerben" (Janner III, 584). Der Herzog, der im August dieses Jahres die Burg persönlich in Besitz nahm, verbesserte auch die Rechtslage des Marktes Donaustauf und verlieh ihm 1494 das heute noch gebräuchliche Wappen. (Besonders gut scheint ihm der Staufer Wein gemundet zu haben, da er einige Jahre hindurch die gesamte Ernte nach München schaffen ließ. Die Kosten dieser „Weinfahrt" hatte übrigens die Geistlichkeit des Regensburger Umlands zu tragen; Bischof Rupert II. ließ ihn dafür durch den Papst exkommunizieren!)

Obwohl sich 1492 schließlich auch noch Kaiser Maximilian I . für die Burg interessierte, — er ließ der Stadt durch den Reichshauptmann Graf von Zollern kundtun, daß man ihm die Veste übergeben sollte, damit er Regensburg umso kräftiger beschirmen könne —, blieb sie in den Händen des Herzogs.

Die Festung wurde oft belagert

Die strategische Bedeutung der Veste Stauf brachte es mit sich, daß sie nicht nur Tausch‑ und Pfandobjekt, sondern auch häufig Ziel militärischer Angriffe war. Nicht immer war es der Besatzung möglich, die Angreifer abzuwehren. 1132 z. B. lag Herzog Heinrich der Stolze mit dem (seiner Ansicht nach unrechtmäßig gewählten) Regensburger Bischof Heinrich von Diessen in Fehde. Der Herzog, der die Domvogtei an sich gebracht hatte, war vor allem darüber aufgebracht, daß Friedrich II. von Bogen (der rechtmäßige Domvogt) die Wahl seines Freundes Heinrich zum Bischof durchgesetzt hatte. Da der Herzog die Stadt nicht in seine Gewalt bringen konnte, überrumpelte er die bischöfliche Burg Stauf und ließ sie von seinen Truppen besetzen. Als verschiedene Adelige und auch die Dienstmannen der Bogener dem Bischof zu Hilfe kamen, „verbreitete sich das Kriegsfeuer wie eine Gewitterwolke über das ganze Land"(Gemeiner). Da die herzogliche Besatzung die Burg auf die Dauer — hauptsächlich aus Nachschubgründen — nicht halten konnte, — sie war, wie der Chronist meldet, der Gefahr nahe, Hungers zu sterben — entschloß sie sich Ende März 1133, „die Feste in den Brand zu stecken und in der Flucht zu entkommen".

Bei einer zweiten Belagerung hatte der Herzog mehr Glück. Es wurde ein Waffenstillstand geschlossen, die Burg allerdings erst nach einer neuerlichen Verbrennung zurückgegeben. 12 Jahre später scheint aber die Anlage einigermaßen wiederhergestellt zu sein; denn Bischof Heinrich, der auf Regensburg das Interdikt gelegt hat — Bürger der Stadt hatten in einer Kirche einen Menschen totgeschlagen — residiert in Stauf und stellt dort Urkunden aus.

Im Mai 1146 wird die Veste vom bayerischen Herzog und seinen Helfern — darunter jetzt auch Domvogt Friedrich — erneut eingenommen. Der Bischof erreicht dafür beim Papst die Exkommunikation der „Brandstifter und Verwüster des Kirchengutes".

Im Herbst des Jahres 1161 befehdeten sich der bayerische Herzog Heinrich der Löwe und Bischof Hartwig I I . von Regensburg. Die Gründe für diesen Streit sind nicht ganz klar. Die zeitgenössische Vita Eberhardi bericbtet: „Der Herzog von Bayern erkannte die Einfalt des Bischofs, und von unersättlicher Habgier getrieben, usurpierte er ein sehr bedeutendes bochstiftisches Gut, nämlich ein gewisses Schloß (Stauf) mit allem Zubehör; der Bischof wütete, tobte, setzte den Himmel in Bewegung, überlegte nicht, — kurz, von beiden Seiten fing man an, das ganze Hochstift mit Raub und Brand zu verheeren." (Janner II , 146 f.) Aventin dagegen meint, der Herzog habe das Hochstift vor der Ausbeutung durch den Bischof in Schutz nehmen wollen. Möglicherweise war aber der Streit wegen des Zolls auf der zwischen 1135 und 1146 erbauten Steinernen Brücke entstanden. Jedenfalls scheint das Hochstift ungeheuer unter den Verwüstungen gelitten zu haben („incendiis ac rapinis valde vastatus est"). Zwischen 1132 und 1161 war also Stauf mindestens viermal mit Waffengewalt eingenommen worden.

Im Herbst 1341 gelang es dem Gegenbischof Heinrich von Stein mit Hilfe der Auer die Burg Stauf zu überrumpeln und Bischof Friedrich und der Stadt bis in den April 1343 Paroli zu bieten. Auch diese Fehde hat (nach Gemeiner) vielen Leuten das Leben gekostet.

Im Sommer 1388 kämpften die bayerischen Herzöge gegen die süddeutschen Städte, vor allem gegen die freie Reichsstadt Regensburg. Herzog Friedrich versuchte — „allbereit im Felde vor Stauf" — zunächst von Sarching, später von Reifelding aus — dazwischen lag ein Marsch über Straubing! — die Burg Stauf in seine Gewalt zu bekommen, während sein Bundesgenosse Ruprecht Clemm die Felder und Weinberge der Umgebung verwüstete. Herzog Albrecht lagerte mit seiner Schar bereits am Fuße des Breuberges.(Damals geschah übrigens jener Hostienfrevel, der zum Bau der SalvatorkircheAnlaß gab.) Herzog Stephan und sein Sohn Ludwig der Gebartete waren von Kelheim herbeigeeilt und standen noch südlich der Donau, von wo aus sie die Veste „Tag und Nacht mit großen schweren Büchsen beschossen". Aber die (insgesamt acht) wittelsbachischen Herzöge und Pfalzgrafen, die vor Stauf lagen, vermochten die Burg nicht in ihre Hand zu bekommen. Offensichtlich hatte auch die Besatzung — zumindest in der ersten Zeit — mit dem Nachschub keine Schwierigkeiten. Gemeiner kannte noch den Lieferschein über eine Ladung, die am Montag nach Jacobi zur Versorgung der Burg per Schiff nach Stauf gebracht worden war: Getreide, Mehl, Wein, Schmalz, Fleisch, Brot, Käse, Bier, Garn und Hanf (letzterer wurde für die Bogensehnen gebraucht und war von den Schustern der Stadt gratis zur Verfügung gestellt worden!).

Freilich, der ganze Markt war Bränden zum Opfer gefallen und die Kirche aus Verteidigungsgründen abgebrochen worden. (1397 baute dafür die Stadt den Donaustaufern ein neues Gotteshaus.)

Die Zerstörung der Burg

Das letzte große Kapitel der Geschichte der Burg Donaustauf beginnt am Ende des Jahres 1633 mit einem Überfall der bayerischen Burgbesatzung — etwa 80 Mann unter dem Kommando des Obristen Lorenz Nüsse — auf einen Geleitzug, mit dem die Schweden 60 Wagenladungen Salzscheiben von Straubing nach Regensburg transportierten.

Der Überfall der Bayern auf das schwedische Kommando gelang, die Fracht wurde gekapert und auf die Burg gebracht. In Regensburg hielt Bernhard von Weimar Kriegsrat,und man beschloß, die Freveltat unverzüglich zu rächen. Der schwedische Generalmajor Lars Kagge leitete die Belagerung ein. Aber schon heim ersten Sturm auf die Festung (am 17. Januar 1634) erlitten die Schweden große Verluste, und Kagge mußte verwundet vom Platz getragen werden.

Erst als die bayerische Besatzung, der die Munition auszugehen drohte, einen Ausfall versuchte, gelang es dem Feind, durch das mittlere Tor in die Burg einzudringen und eine größere Menge Vieh und Lebensmittel zu erbeuten. Als sie dann dort begannen, die Hauptburg zu unterminieren und auf bayerischer Seite nur noch „20 kranke und gesunde Musquetirer" zur Verfügung standen und die sehnlichst erwartete Hilfe ausblieb, die Schweden dagegen Verstärkung erhielten, handelte sich die Besatzung am 21. Januar einen ehrenvollen Abzug nach Ingolstadt aus und überließ die Burg den Feinden, die bei der Belagerung an die 300 Mann verloren hatten.

Dem Donaustaufer Pfarrvikar Wolfgang Holdermüller war es noch gelungen, dem schwedischen Obristen Lars Kagge im Tausch gegen sein „ansehnliches exerzirtes Reitpferd" die geraubten Donaustaufer Kirchenschätze (vasa spiritualia) abzuhandeln. (Was allerdings mit den Frauenzeller Kirchenschätzen geschah, die 1633 auf die Burg „in Sicherheit" gebracht worden waren, ist nicht bekannt.)

Nachdem die Schweden das Straubinger Salz und die vorgefundenen Getreidevorräte weggeschafft hatten, wurden die meisten Bauwerke der Burg gesprengt und alles in Brand gesteckt. (Dabei ging auch das auf der Burg verwahrte Donaustaufer Pfarrarchiv zugrunde.) Es klingt wie ein schlechter Scherz, daß noch 1630 an der Burg umfangreiche Reparaturen vorgenommen worden waren, deren „Pau‑Rechnung" erhalten blieb.

Nach dem Abzug der Schweden setzte man die Burg wieder notdürftig in Stand — aus dieser Zeit stammt der Plan des Martin Schiffer —, aber eine völlige Wiederherstellung schien nicht mehr möglich. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts verfiel dann die ehemals so wehrhafte Anlage immer mehr.

1710 kam Donaustauf nach langen Verhandlungen (für 36 000 Gulden) wieder an das Hochstift Regensburg, und dieses wiederum — seit 1803 Teil des Fürstentums Regensburg— gelangte 1810 an Bayern; 1812 trat der Staat die Herrschaft Donaustauf als Entschädigung für die Postrechte in Bayern an die Fürsten von Thurn & Taxis ab, die seit 1899 den erblichen Titel eines Herzogs zu Donaustauf und Wörth führen.
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"Die Oberpfalz", 1977

Samstag, 2. April 2016

Alte Flurnamen erzählen

Alte Flurnamen erzählen
Auf den Spuren der vorchristlichen Bewohner unserer Heimat

Von R. Gerstenhöfer

Nach der von Bonifatius im Auftrage des Papstes Gregor II. im Jahre 739 vorgenommenen kirchlichen Einteilung Bayerns (vier neue Sprengel, nämlich Passau, Salzburg, Regensburg und Freising, denn Augsburg hatte schon seit 590 einen Bischof) gehörte das heimatliche Gebiet zum Bistum Regensburg, das als erster Bischof der Abt Gawibald des Klosters Emmeram leitete. Der von der Diözese Regensburg abgetrennte Nordgau, den E. Gagel als Ur Nordgau bezeichnet, wurde zwei Jahre später mit dem neu missionierten Gebiet dem neuen Bistum Eichstätt angegliedert, das Bonifatius seinem Vetter und Mitarbeiter Willibald übertrug. Ein enges Band der Zugehörigkeit schließt sich um das Bild dieser beiden Männer. Beide entstammten dem Land der Angelsachsen, das gerade zu Beginn des 8. Jahrhunderts von einer machtvollen Woge apostolischer Begeisterung und missionarischen Strebens ergriffen wurde. Die besten des Volkes, besonders aus den adeligen Schichten, stellten ihr Leben in den Dienst der Verkündigung des christlichen Glaubens, unter ihnen ein heiliger Willibrord, Sola, Wunibald und die hl. Walburga.

Die in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts entstandene Vita s. Wynnebaldi berichtet von dem jüngeren Bruder Wunibald des 1. Eichstätter Bischofs, daß jener unter Herzog Odilo (737 – 748), der ihn mit Gütern beschenkte, einen eigenen Wohnsitz gehabt habe in einer Nordfilusa genannten Gegend. Nun geht es um die Frage, wo diese "Nordvils" zu suchen sei. Dr. H. Dachs schreibt dazu folgendes: Bei der Nachbarschaft der Eichstätter Diözese, die ganz nah an die oberpfälzische Vils heranreicht, kann nur diese und keine andere baierische Vils gemeint sein, zumal die Missionierungspläne des hl. Wunibald, der vorher in Thüringen gewirkt hatte, hier im jüngeren Siedlungsland ein fruchtbareres Betätigungsfeld fanden als im Altland südlich der Donau (an der niederbayerischen Vils).

Auch schließt sich die dreijährige Tätigkeit Wunibalds in Baiern, die H. Zeiß mit guten Gründen in die Jahre 744 – 747 setzt, zeitlich nahe an die Errichtung des Eichstätter Bistums an (741). Als Schauplatz dieses wohl hauptsächlich kirchenorganisatorischen Wirkens darf das Gebiet von Schmidmühlen die Vils aufwärts bis über Amberg hinaus, besonders aber das Amberger Becken selbst angenommen werden. Der Zweck der Tätigkeit des hl. Wunibald kann nicht gewesen sein, diese Gegend erst der Kultur und deutschen Siedlung zu erschließen, sondern ein bereits besiedeltes Land seelsorgerisch zu erfassen.

Im Jahre 777 dotierte Herzog Tassilo in der Stiftsurkunde von Kremsmünster dieses auch mit einer Kirche ad Nordfilusa, bestätigt 791 durch Karl den Großen, was sich nach E. Schwarz auf Vilshofen in der Oberpfalz beziehen wird. Auch H. Zitzelsberger spricht vom hohen Alter dieser Siedlung, die er als Königsgut und Sitz der Urpfarrei bezeichnet. Verglichen mit der Nachricht über den Aufenthalt des hl. Wunibald im Nordvilsgebiet unter Herzog Odilo, führt die Tatsache der Schenkung einer Kirche und ihrer Einkünfte in der gleichen Gegend zur Folgerung, daß in der Zwischenzeit von 30 Jahren der Ausbau des Kirchenwesens dort gute Fortschritte gemacht hatte. So müßte man sich eigentlich die kirchliche Organisation in der 2. Hälfte des 8. Jhd. in unserer Heimat so fortgeschritten denken, daß eine Bestattung der Toten bei ihren Siedlungen, u. zw. in Gräbern, die eine Reihe bilden (Reihengräberfriedhöfe), mit reichlichen Beigaben doch wohl der Zeit vorher angehören sollte, in welcher der strenge kirchliche Brauch, der Grabbeigaben verbot und die Beisetzung der Leichen bei den Kirchen verlangte, sich noch nicht allgemein durchgesetzt hatte.

Die Übung etwas beizugeben, hört nach Armin Stroh mit der Christianisierung keineswegs auf, so daß, und das ist wesentlich, das Vorkommen von Gräbern mit Beigaben, oder gar nur bloßen Trachtbestandteilen christliches Bekenntnis nicht ausschließt. Er ist auch geneigt bei Reihengräbern, vor allem den späten, oberpfälzischen Gräbern der karolingischen Zeit, Christentum anzunehmen, selbst bei verhältnismäßig reichlicher Ausstattung [6]. Erst zur Zeit Karls des Großen, dessen Einfluß nach der Absetzung Tassilos 788 auf dem Tag zu Ingelheim in Baiern Bedeutung gewann, ist die obige Forderung strenger durchgeführt worden. So läßt sich selbst bei den Franken bis in das 8. Jhd. Brandbestattung nachweisen, und deshalb muß man annehmen, daß trotz der Taufe Chlodwigs (zw. 493 und 500) das Christentum noch lange mit dem Heidentum zu kämpfen hatte.

Daher verstehen wir auch, daß die für unsere Heimat in Betracht kommenden Reihengräberfriedhöfe von Unterammerthal und Theuern, die für die Reichweite bairischer Siedlung in der Agilolfingerzeit besondere Bedeutung haben, nach den neuesten Forschungsergebnissen frei von merowingischem Formengut sind erst der karolingisch–ottonischen Epoche (9. und 10. Jhd.) angehören [9]. P. Reinecke hatte nämlich die zweiten Funde von Theuern, die im Jahre 1932 gemacht wurden, anfangs als jungmerowingisch bezeichnet und sie dann bald danach (1936) der nachmerowingischen Zeit zugesprochen. Immerhin sind die Funde von Theuern – Genaueres darüber kann in der Abhandlung "Die Reihengräberfunde von Theuern" nachgelesen werden [11] – Ein Beweis dafür, daß schon vor der Christianisierung hier eine Siedlung bestand, was ja auch der Name dieses Ortes bestätigt. Theuern kann nämlich als – ing – Name des ersten Landesausbaues der Baiern dem 7. und 8. Jahrhundert zugesprochen werden [12].

Außerdem gibt es südlich von Theuern eine Gruppe von Flurnamen, die übereinstimmend auch manches über die Zeit vor der Christianisierung verraten. Dies ist um so beachtenswerter, als hier nicht nur ein oder zwei alte Namen, von denen einige im Volksmund gar nicht mehr bekannt sind, auftreten, sondern sich gleich mehrere um ein bestimmtes Gebiet gruppieren und im Zusammenhang mit den vorchristlichen Verhältnissen stehen. Abgesehen von der Tatsache, daß unsere Heimat auch im vorgeschichtlichen Zeitalter besiedelt war, sprechen diese Namen mit Bestimmtheit für eine Besiedlung in vorkarolingischer Zeit.

Da wäre zunächst ein verschollener Name zu erwähnen, der jedoch nicht ungewöhnlich ist und sehr oft als Orts bzw. Flurname auftritt. Es ist der Flurname Hainberg, der heute nicht mehr gebräuchlich ist, wohl deshalb, weil er, wenn man nicht den Zusammenhängen nachgeht, eigentlich ziemlich nichtssagend ist. Im Grundkataster des Gemeindebesitzes Theuern ist die Plannummer 584 ¼ (Pl.Nr. 584 = das Waldgebiet "Häng") als Verbindungsweg auf den Hainberg bezeichnet, der als Fortsetzung des Burgstühlweges entlang der Vils in dieses interessante Gebiet führt (Flurnamen Burgstall und altes Schloß). An anderer Stelle (etwa um 1800) werden 39 Tgw. Hofmarkswaldung unter dem Namen "Heimberg oder Grubenschlag" genannt, was beweist, daß an Stelle des älteren Namens bereits ein anderer verwendet wurde, weil nämlich dort Erzgruben waren, die noch 1841 als "alte Erzstätten" bezeichnet werden. Um 1500 heißt eine Holzmark bei Wolfsbach, die an den Spitalschlag angrenzt, sogar Heimburg (einmal auch Haymberg), eigentlich in der Oberpfalz kein so seltener Name. Diese Flur umfasste also auch noch Wolfsbacher Gemeindegebiet, ebenso wie der "Burgstall" (siehe später!). Gerade das Grundwort burg in der Form Heimburg zeigt klar den Zusammenhang mit den anderen alten Namen dieses Gebietes, die anschließend besprochen werden.

Fürs erste wäre man geneigt, in dem bekannten Bestimmungswort den Stamm Hain (als Bezeichnung für einen abgegrenzten Buschwald, verwandt mit Hag, Hecke) zu finden. Doch ist dieser Ausdruck selbst in der Schriftsprache weniger gebräuchlich und unter den echten Flurnamen noch seltener. Wenn man dagegen bedenkt, daß für Burg auch oft Berg erscheint, und noch berücksichtigt, daß in der heimischen Mundart bei vielen ähnlichen Wörtern das "d" kaum noch hörbar ist oder auch ganz verschwindet (z.B. bei Wei/de/n, Hei/de/n, leiden, Fon für Faden), so kann man für unser Hainberg (oder –burg) ohne Bedenken ebenso Heidenberg(–burg) setzen, ein Ausdruck, der den Sinn und die
Entstehung der hier ebenfalls gebräuchlichen Flurnamen Burgstall und "beim alten Schloß" auch bestätigt.

Zschiesche (Heidnische Kulturstätten in Thüringen) nimmt an, daß mit Hain oder Loh benannte Orte, wenn sie in der Nähe von Wallburgen liegen, immer auf heilige Haine zurückgehen; und J. Schnetz ist auch der Ansicht, daß mit dem Namen Haiwald benannte Orte heilige Haine und Opferstätten waren [15]. In vorgeschichtlichen Zeiten bedeutete nach H. Muchau [16] der Waldplatz (lucus, der Hain) zugleich den Ort der Lohe (lux = Licht), wo die Feuer von Priesterhand geschürt wurden. Nun war aber, ebenso wie im Hause selbst die lodernde Herdflamme den Mittelpunkt des ganzen häuslichen Lebens bildete, auch die von den Priestern gehütete Lohe des heiligen Donnerberges der Mittelpunkt des Lebens der Völkerschaft. Zu ihr zogen sie sich in der höchsten Kriegsnot zurück. Darum bedeutete auch lucus eine in der Tiefe des heiligen Haines durch loderndes Feuer kenntliche Waldfestung, zu der man in der Verzweiflung seine Zuflucht nahm.

Man vergaß aber auch dort, wo man an die von Priestern gehütete Lohe, also an den Feuergott Loki dachte, die Hela nicht, deren Namen eigentlich "die Bergende" bedeutet (zu althochdeutsch helan = bedecken, verbergen, wie verhehlen). Eine häufige Bezeichnung für Orte in Wald und Flur ist daher "Hölle", bei uns gewöhnlich in der älteren Form "Hell" erscheinend. Das Wort bedeutete ursprünglich die altgermanische Todesgöttin Hela, aber auch dunkles, unterirdisches Reich und ist also aus dem Heidentum in die Sprache der christlichen Kirche übergegangen. Vom Volk wurde dann der Name auf enge, schluchtenartige Gegenden mit wildem Waldesdickicht übertragen. Es ist daher gar nicht verwunderlich, wenn wir im erwähnten Gebiet auch diesen Namen finden. So führt der südliche Teil des Dorfes Theuern die Bezeichnung "die Hölle" (mundartlich d'höl). Angrenzend daran liegt der Höllacker und ein Teil der Waldabteilung Schloßberg heißt Höllseuge (mundartlich helseing, zu Senke).

In diesem Winkel mögen auch einst die Bewohner in Notzeiten wiederholt Schutz gesucht haben, denn durch das "Höll" gebiet kommt man auf den schon erwähnten Burgstühlweg in die Flur "Burgstuhl" (im Volksmund aber Burgstel genannt), die sich nach dem Katasterblatt vom südlichen Ortsende bis zur Abbiegung der Vils gegen Südosten zieht und sich dann auf Wolfsbacher Katastergebiet als Burgstall (mhd. burcstal, zu mhd. stal = Stehort, Stelle, auch Stall) mit 800 m weit fortsetzt. Der Name Burgstuhl ist offensichtlich eine sprachverderbte Form, denn die Topographen bei der Landvermessung waren ja zum Teil französische Ingenieurgeographen. Die Ausdehnung dieser Flur bis in das Gebiet der Nachbargemeinde spricht für das hohe Alter des Namens. Außerdem gehört die Abteilung Burgstall zum Umfangreichen Waldabschnitt II "Schloßberg", und im Volksmund spricht man meist nur vom alten Schloß" (1841 das Holz beim alten Schloß mit schlechtem Waldbestand) und erzählt sich, daß dort ein Raubritterschloss stand, was jedoch jeder Grundlage entbehrt. Doch deuten diese und auch andere Namen, die anschließend berücksichtigt werden, immerhin auf eine Zufluchtsstätte, also auf eine Art Fliehburg (einen Ringwall, wenn auch nur in kleinem Ausmaße), denn mit Burg (mhd. burc, zur indogermanischen Wurzel bhrg = bergen, schützen) bezeichnete man ursprünglich jede Anlage zum Bergen und mit Burgstall eben die Stelle wo sich eine solche "Burg" befand. Für diese Stelle kommt m. E. die Talterrasse in Betracht, deren Steilabfall bis an die Vils reicht und 1841 als Waldflur den Namen "Vilshänge" führte. Nach den damaligen Angaben war sie so steil, daß man kaum mit Wagen fahren konnte, so dass von dieser Seite eine Überrumplung schwer möglich war. Im Volksmund aber heißt die Stelle allgemein nur "Judenhäng" und "Judenbrut" (für den Jungwald).

Auch diese beiden Namen sind bezeichnend für die historische Bedeutung des Gebietes und bekräftigen das oben Gesagte, denn Schnetz [17] sagt dazu folgendes: "Örtlichkeiten, die das Volk mit den unbekannten vorgeschichtlichen Bewohnern des Landes irgendwie in Verbindung brachte, wurden schon im Mittelalter mit Heiden , Hunnen , Hünen (Heunen) bezeichnet. Manchesmal scheinen an die Stelle der Heiden die Juden und Zigeuner getreten zu sein, denn man meinte mit diesen Namen eben Menschen, die dem eigenen Wesen der Bevölkerung fremd waren. Und das schon in prähistorischer Zeit unser heimatliches Gebiet besiedelt war, ist durch die Ausführungen von Dr. August Pils über die Entdeckung einer altsteinzeitlichen Kultur im Juragebiet [18] und durch W. Torbrügge (Die Bronzezeit in der Oberpfalz) [19] erwiesen.

Auch die spätere Form Heimburg ist verständlich und nicht etwa eine willkürliche Entstellung. Sie ist durch eine nicht seltenen Angleichung benachbarter Laute entstanden. Nach vorhergehenden Konsonantenausfall (des d) veränderte sich das n zu m und es entstand einganz neues leicht irreführendes Bestimmungswort, wie etwa aus Sandbach ein Sambach oder aus Hohenburg das Homburg. Auch für das mir gut bekannte Haimburg (Burgruine bei Neumarkt) sind ähnliche Formen wie 1240 Heimburc, 1438 Hainburg und 1444 Heinberg belegt.

Auf Grund all der besonderen Namen fühlte ich mich versucht, den Namen Hainberg auf Hei(de)nberg zurückzuführen. Sehr bezeichnend hierfür ist auch folgende Tatsache, die A. Sieghardt [20] erwähnt: Zwischen dem Juradorf Poppberg (auf der Wasserscheide zwischen Donau und Rhein) und Schwand liegt der Weiler Hainfeld in einer Gegend, die von den Kelten bewohnt wurde. Beweise für diese vorgeschichtliche Besiedlung gaben die prähistorischen Funde in der Umgebung, besonders aber bei dem genannten Weiler, der auch als Bestimmungswort unser Hain führt. Auch die Hainsburg bei Illschwang im Sulzbacher Landkreis kann als vorgeschichtlicher Ringwall im weiteren Sinne angesprochen werden. All dies zeigt bestimmt eigenartige Beziehungen, die nicht von der Hand zu weisen sind.

Eine große Rolle spielten im heidnischen Volksglauben aber auch Quellen; sie erscheinen nämlich als Eingang zu den Mysterien (Geheimnissen) der Unterwelt, galten als heilkräftig und waren Sitze göttlicher Wesen, und daher auch Kultstätten. Eine solche Quelle finden wir auch, so überraschend das klingt, in dem fraglichen Gebiet, und zwar unterhalb des genannten alten Schlosses. Sie mündet in der erwähnten Flur Vilshänge in die Vils und ist heute nur als "starker Fluß" bekannt, weil das Wasser bei der Einmündung heller (reiner) und im Winter auch wärmer ist, so daß sich dort meist mehr Fische aufhalten. Will man die Stelle genauer bezeichnen, so sagt der Volksmund meist nur "auf der Quelln drunten". Man erzählte sich auch, daß durch diesen Wasserlauf, der hier zutage tritt, eine unterirdische Verbindung mit Stockau (Gemeinde Zant) bestünde oder früher bestanden habe, was man angeblich durch Einwerfen von Häcksel bestätigt fand (Gewährsmann H. Gg. Schindler, Nr. 35, geb. 1884). In Anbetracht der großen Entfernung (etwa 10 km Luftlinie) ist eine solche Verbindung natürlich nicht möglich, aber diese Mutmaßung beweist immerhin, daß man der Quelle früher mehr Beachtung und Bedeutung schenkte und sie mit dem alten Schloß in Verbindung zu bringen suchte.
Ein besonderer Name, wie etwa Judenbrunnen, der wohl auch auf die heidnische Brunnenverehrung zurückgehen dürfte, die später ja verpönt wurde, ist heute nicht mehr gebräuchlich. Doch fand ich im 3. Jahrgang der Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg auf Seite 342 einen Brunnen erwähnt, genannt der Klaffenbrunn, der unterhalb Theuern als Grenzpunkt der Landgerichte (Burg) Lengenfeld und Amberg lokalisiert wurde. Das kann aber nur unsere Quelle sein, da ja an der Gemeindegrenze Theuern Wolfsbach liegt, die wiederum der alten Grenze des Landgerichtes Amberg und der benachbarten Gerichte und Ämter entspricht. Der bestimmt sehr alte und seltene Name Klaffenbrunn geht auf althochdeutsches claph zurück, das Schlag, aber auch gerissener Fels bedeutet, was den Steilabfall (Vilshäng) an dieser Stelle charakterisiert. Somit darf man auch diese Bezeichnung in die Reihe der interessanten und beweiskräftigen Namen einfügen.
Bemerkenswert wäre noch der auf dem Katasterblatt Teil NO 60 9 (für die Nachbargemeinden Köfering und Garsdorf westlich von Theuern) angegebene Utzenbrunnen beim Distrikt Laubenhart (mit Gruppenschlag, eigentlich Grubenschlag!). F. Menz erwähnt einen Utzberg, der urkundlich als Wodenschberch erscheint, weshalb der obige Zusammenhang mit Wutz, Wutzl = Kinderschreck, aus Wodan, Kurzform hierzu Utz, die aber auch als Ableitung von Ulrich möglich wäre). Doch sind mir die dortigen örtlichen Verhältnisse nicht genauer bekannt.

Wenn wir nun Zusammenfassend die gewiß sehr auffallende Gruppe von alten Flurbezeichnungen noch einmal überblicken, läßt sich feststellen, daß alle im Umkreis eines Gebietes zu finden sind, von dem wir daher sagen können, daß es für die heidnischen Bewohner (Naristen, Südhermunduren, Thüringer oder Baiern) unserer engeren Heimat als alte Kultstätte von besonderer Bedeutung war, was zwar urkundlich nicht belegt werden kann, aber auf Grund der Aussagen dieser Flurnamen sowie des Ortsnamens und der an zwei Stellen entdeckten Reihengräberfriedhöfe, wenn schon nicht als erwiesen, so doch als sehr wahrscheinlich angenommen werden darf.

Zur Unterstützung meiner Vermutungen möchte ich mit Berücksichtigung der einschlägigen Quellen (Anmerkungen 18 und 19) noch einige Flurnamen und Örtlichkeiten des Nachbargebietes als besonders wichtige Fundstellen vorgeschichtlichen Bodendenkmäler angeben: 1. Kellerberg mit Ringwallspuren (Gemeinde Ensdorf, Ortsflur Leidersdorf); 2. Steinbergwand und Fundmaterial an Steinwerkzeugen der älteren und mittleren Steinzeit (zwischen Ensdorf und Leidersdorf am rechten Vilsufer); 3. Kottenholz (keltisch coti = Wald); Gemeinde Wolfsbach, Ortsflur Götzenöd!); 4. Lehenbühl (zu mhd. le "Hügel, Erdaufwurf", Staatsforst Hirschwald, westlich von Garsdorf); 5. Ortsflur Lohe (Mendorferbuch); 6. Ringwall westlich von Rieden oberhalb der ehemaligen Burg; 7. Ringwall auf dem Johannisberg (südlich von Freudenberg); 8. an der Vils zwischen Kallmünz, der keltischen Hochburg, und Amberg allein sieben kleinere Ringwälle.
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[6] Dr. Armin Stroh, Die Reihengräber von Lauterhofen, Opf. Heimat, 3. Band (1958), S.38 und von demselben Autor, Schirndorf 1964, Die Oberpfalz 53. Jahrgang (1965), S. 102
[9] Armin Stroh, Die Reihengräber der karolingisch ottonischen Zeit i. d. Oberpfalz Kallmünz, 1954
[11] R. Gerstendörfer, Die Reihengräberfunde bei Theuern (1900/01 und 1932), Heimatbeilage Oberpfpälzer Jura Jg. 1958, Nr.7
[12] R. Gerstendörfer, Was der Ortsname Theuern verrät, Amberger Zeitung v. 20.10.1965
[15] J. Schmetz, Flurnamenkunde, München 1952, S.88,70.
[16] H. Muchau, das 4000 jährige Alter des Volkes der Hermunduringer (Thüringer, Weimar 1910, S.170
[17] wie Anm. 15, S.92
[18] Dr. Aug. Pils, Entdeckung einer altsteinzeitlichen Kultur im Juragebiet, Mskr. eines Vortrages v. 1932, Prov. Bibl. Amberg und K. Gumbert, Eine paläolithische und neolithische Abri Siedlung an der Steinbergwand bei Ensdorf, Bayer. Vorgesch. Blätter 11 (1933), S. 57.
[19] Walter Torbrügge, Die Bronzezeit i. d. Oberpfalz, Kallmünz 1959, S.104
[20] August Sieghardt, Oberpfälzer Jura, Nürnberg 1958, S.120.