Freitag, 26. August 2016

Eine schwarze Liste über die Anhänger des Kurfürsten Friedrichs V. von der Pfalz vom 26. Dezember 1623

Von Generalmajor a. D. Dollacker

Friedrich V., der „Winterkönig“, hatte nach der Schlacht am Weißen Berge Böhmen verloren und war über Breslau, Küstrin, Wolfenbüttel zu seinem Onkel Moritz von Oranien, dem Generalstatthalter der Niederlande geflüchtet. Am 22 Januar 1621 sprach der Kaiser über ihn, den Fürsten Christian zu Anhalt, den Markgrafen von Jägerndorf und Mansfeld die Acht aus, am 25. September 1621 nahm Maximilian von Bayern Cam ein, am 8. Oktober besetzte er Amberg und nahm die Oberpfalz im Namen des Kaisers in Verwaltung. Am 22. September 1622 fiel Heidelberg in die Hände Tillys. Friedrich V. gab die Hoffnung auf den Wiedererwerb nicht auf und fand außer dem in seinem Solde stehenden Grafen von Mansfeld noch viele treu ergebene Anhänger, die für seine Sache kämpften, so vor allem den Prinzen Christian von Braunschweig, der „Halberstädter“ genannt, den Markgrafen von Jägerndorf, den Markgrafen von Baden-Durlach, den Siebenbürgenfürsten Bethlen Gabor, ferner eine große Zahl von Beamten und zur politischen Verwendung geeigneten Personen, die sich ihm zur Verfügung stellten.

Aufschluß über sie gibt eine „Lista und Verzeichnus deren correspondenten und heimblichen Kundschafter, welche mit dem Pf. noch auf die heutige Stundt auß den Reichsstädten, item auß Böhmen, Mähren, Österreich, Ober– und Unterpfalz, Brandenburg, Niedersächsischen Kreuß etc. zu höchstem präfudicio ihrer Kaiserl. Majestät und zu erweckhung neuer Unruhen im Reich nicht nur vor sich selbst correspondiren sondern auch des Mansfelds, Halberstädters, Gabors, Jägerndorfers und anderer öffentlichen Ächter, türkische und ander unchristliche praktickhen, so vil an ihnen. Äußerigsten Vermögens befördern helfen.“

Die Liste ist als Nr. 871 der Dreißigjährigen Kriegsakten im Staatsarchiv Amberg niedergelegt, vom 29. Dezember 1623 datiert, trägt aber keine Unterschrift. Sie ist offenbar ein Auszug aus dem „Extrakt deß schwarzen registers am Kaiserlichen Hoff“, der ebenfalls ohne Unterschrift und ohne Datum in Londorp, II. Teil S. 725 ff. enthalten ist. Sie bringt verschiedenes, was in dem Extrakt nicht steht.

1.) Johann Joachim von Ruesdorf war 1589 geboren. Sein Vater Hans Georg war als Protestant aus Niederbayern in die Oberpfalz gezogen und wurde Pfleger zu Murach. Hans Georgs Frau war eine geborene Pelkofer und hatte von ihrer Schwester Cordula Teufel das Gut Eigelsberg bei Oberviechtach gekauft. Johann Joachim studierte mit 2 Brüdern am Pädagogium in Amberg, kam 1607 auf die Universität in Heidelberg, begleitete Friedrich V. bei seiner Brautwerbung nach England, machte 1613 – 15 Reisen nach England und in andere Europäische Staaten, wurde 1616 Rat am obersten Gerichtshof in Heidelberg und bald darauf Mitglied des Staatsrates. Als Friedrich V. Anfang November 1619 die Regierung in Prag antrat, blieb er in Heidelberg, wo sich Gustav Adolf einfand. Ruesdorf suchte ihn für das böhmische Unternehmen und für eine Heirat mit einer Tochter Friedrich IV. zu gewinnen, ohne jedoch einen Erfolg zu erzielen. Im Januar 1620 reiste er mit dem Stiftshauptmann von Waldsassen, dem Grafen Achatius zu Dohna, zu Jakob I. nach England, dann nach Paris und Holland. Nach der Achterklärung Friedrich V. wies er in einer Schrift deren Rechtsungültigkeit nach. Dann wirkte er als Gesandter in London 5 Jahre durch Wort und Schrift auf die öffentliche Meinung ein, fand jedoch einen Gegner im Staatsmann Buckingham, der seine Abberufung durchsetzte. Während dieser Zeit hat sich Ruesdorf vom Juli 1621 – 10. Juli 1622 beim englischen Gesandten in Wien unter dem Vorgeben, daß er im Dienste des englischen Königs stehe aufgehalten. Er hat über die Vorgänge in Wien wöchentlich nach Heidelberg, Stuttgart, an die Witwe Friedrichs IV., an Friedrich V., an den Statthalter Johann in Heidelberg, an den ehemaligen Statthalter der Oberpfalz, Fürst Christian zu Anhalt, und an die Räte in Heidelberg berichtet, stand mit den aufrührerischen Ungarn, mit dem Siebenbürgenfürsten Bethlen Gabor, dem Markgrafen von Jägerndorf, mit dem Grafen Thurn, besonders aber mit dem Magnaten Budiani, bei dem er während der Friedensverhandlungen 1622 einige mal in Ungarn war, in Verbindung. Die Liste beschuldigt ihn, in Ungarn, Böhmen und Österreich Unruhen anzustiften und bezeichnet ihn als einen äußerst gefährlichen Feind des Kaisers und Maximilians von Bayern.

Die letzten 13 Jahre seines Lebens verbrachte er im Haag, von wo er zu verschiedenen politischen Aufträgen verwendet wurde. Dort starb er am 20. August 1640 und wurde in der Hauptkirche begraben.

Ein Bruder, Georg Philipp, stand 1625 in dänischen Diensten, ein zweiter Bruder, Georg Balthasar, war 1625 in Hamburg. Eine Schwester war Hofdame bei der Kurfürstin von Brandenburg, die eine Schwester Friedrichs V. war. Sie heiratete 1525 einen Oberst von Gürnitz.

2.) Johann Bosch Dr. Jur., ehemaliger Hofrat und Oberschultheiß zu Heidelberg, hat sich einige Zeit in Nürnberg aufgehalten und den Briefwechsel Friedrichs V. mit Mansfeld, Bethlen Gabor, dem Markgrafen von Jägerndorf , dem Thurn und anderen besorgt. Er hat den pfälzischen Gesandten, die heimlich nach Nürnberg kamen, Geld verschafft, wechselte Briefe mit dem Amberger Kanzler Dr. Petsch und dem dortigen Regimentsrat Dr. Heber und ist oft nach Heilbronn, Speyer, Straßburg, Stuttgart, Frankfurt gereist. Er half die goldenen Schlüssel, die Friedrich V. auf der Flucht nach Breslau versetzt hatte, in Nürnberg zu „vertuschen.“ Eine Bewerbung am Reichskammergericht in Speyer, wo er für Friedrich V. wirken wollte, gelang ihm nicht. 1623 gab er sich für einen englischen Residenten aus und erreichte, daß man ihm in Heidelberg und in der ganzen Pfalz duldete. *1) Er hat am 6. April 1623 einig Schreiben, die zwischen Kursachsen und Kurmainz gewechselt wurde, „expraktiziert“ und die durch den Backofen und Frankfurter Postmeister Johann von der Bürgden an Friedrich V. gelangen lassen. Die im Solde Friedrichs stehenden Oberst Merven und General de Beer wollten in kurzer Zeit Heidelberg und Mannheim angreifen und hatten in beiden Städten Kundschafter, die unter Anleitung des Dr. Bosch alle für dieses Unternehmen in Frage kommenden Verhältnisse erkundeten. „Man solle Bosch verhaften und ihn über die Verhandlungen mit den Türken, mit Bethlen Gabor, dem Grafen Thurn, Moritz von Oranien, dem Auerbacher Landrichter von Schlammersdorf, Kanzler Dr. Petsch, den Herren Ölhafen, Remb, Tuchelin in Nürnberg, mit Camerarius, Ruesdorf, Plessen, mit England, Holland, Dänemark, Schweden, Konstantinopel, Venedig, Savoyen, Graubünden du Siebenbürgen „auf ernstlich zusprechen“ (Tortur?).

3.) In Berlin hielten sich auf; der ehemalige böhmische Oberkanzler Ruppa. Die Böhmen Berka und Müller (Vizekanzler), Graf Achatius zu Dohna , der bis 1619 Verbindungsmann zwischen den böhmischen Ständen und Friedrich V. war. Sie suchten eine Heirat zwischen Friedrichs Bruder Ludwig Philipp und einer sächsischen Prinzessin zu vermitteln, was auch Brandenburg in der Hoffnung begünstigte, Sachsen von Österreich zu trennen. Jülich wieder für Brandenburg zu gewinnen und den Neuburger Teil von Jülich dem Sachsen Kurfürsten von Sachsen einzuräumen. Diesem wurde auch der Besitz der Lausitz zugesichert.

4.) Dr. Ludwig Camerarius war ein Sohn des berühmten Nürnberger Arztes Dr. Joachim Camerarius, der 1596 den in Amberg erkrankten Vater Friedrichs behandelte. Er war am 22. Januar 1573 in Nürnberg geboren, trat nach dem Besuch mehrerer Universitäten in Deutschland und Italien 1598 in die Dienste Friedrichs IV., wurde 1603 Mitglied des Oberrats und bald der tätigste Diplomat in Heidelberg. Er erhielt 1613 die Prälatur Des Klosters Reichenbach in der Oberpfalz, wurde 1626 schwedischer Rat, 1629 schwedischer Gesandter bei den Generalstaaten. 1645 zog er sich von den Geschäften nach Gröningen zurück. Als die Pfalz wieder den Erben Friedrichs V. zurückgegeben wurde, siedelte er im Juni 1651 nach Heidelberg über, wo er im Oktober 1651 starb.
Camerarius war lange Zeit in Dänemark, dann in Bremen, bemühte sich 1623, den König von Dänemark in den Krieg zu ziehen. Er hatte bei den Regierungsgeschäften fast aller Höfe die Finger im Spiel, erhielt von dort Berichte, „concipirte, revidirte, accomodirte die meisten memoralia, Gutachten und Vorschläge.“ Er wollte den Kaiser nicht nur aus seinen Erblanden und Königreichen, sondern sogar aus Deutschland verjagen, Friedrich V. die böhmische und auch die deutsche Krone wieder verschaffen, sollte es auch mit Hilfe der Türken und Tataren geschehen. Er wollt das Reich in neue „Turbas“ und so zu seiner schlesischen „Vicecancellaria“ gelangen.

5: Backofen war früher Kellermeister in Weinheim, hatte Güter in der unteren Pfalz, hielt sich 1623 in Frankfurt auf, wo er mit Dr. Bosch beim Postmeister von der Bürgden, mit Dr. Haßmann in Heidelberg und mit Lingelsheim, der in Straßburg lebte, gegen den Kaiser arbeitete.*2) Gabriel Lingelsheim war seit 1594 Pfleger in Heimburg in der Oberpfalz, sein Vater war Lehrer Friedrichs IV.) Backofen hatte schon vor der Ächtung Friedrichs mit kalvinischen „Meutmachern“ (Aufrührern) in Böhmen, Österreich, Jülich, Aachen, Mühlheim, Worms und Heidenheim zusammengearbeitet. Backofen schrieb in einem Bericht, daß de Beer wegen der Übergabe von Mannheim um 10 000 Taler gestraft wurde, die der Garnison in Frankenthal überwiesen worden seien. Sekretär Erckenbrecht, der während der Belagerung in Mannheim gewesen sei, habe sie in Delft (Holland) empfangen. Backofen schrieb ferner, daß er einen Bruder in Heidelberg habe, der Dr. der Rechte sei und mit einem Haßmann dauernd an ihn berichte. Der Heidelberger Hofrichter Andreas Paul habe von London an Backofen geschrieben, England sei bis auf den letzten Blutstropfen entschlossen, sich an Bayern zu rächen, der König habe geschworen, nicht zu ruhen, bis er den Bayern von Land und Leuten getrieben habe. Backofen hat dies von Frankfurt nach Württemberg und Baden weiter berichtet. Da Backofen die meisten englischen Berichte übermittelte, solle man ihn und den Frankfurter Postmeister überwachen. Die Berichte könnte man in die Hand bekommen, wenn sie sein Diener zum Postmeister trage.

6.) Dr. Haßmann sei nicht der geringste der in Deutschland verbliebenen Rädelsführer, hetze in „Traktätlein“ anonym gegen den Kaiser, was aus seiner Handschrift und den Heidelberger Akten erwiesen sei. Er sei an dem pfälzischen Unwesen stark beteiligt gewesen, habe nach der Anhaltischen Geheimen Kanzlei und den Heidelberger Akten zur Zeit des Interregnums 1612 und 1619, dann in Sachen der Achterklärung intrigiert, gegen den Kaiser und seine Rechtsprechung schimpfliche Berichte verfaßt. Nach der Auflösung der Union hetze er gegen den Kaiser und suche eine neue Union zu gründen. Vom Markgrafen von Kulmbach lasse er sich als Kundschafter gegen Kursachsen gebrauchen. Er halte zu Camerarius, der seine Schwester zur Frau habe.

7.) Hofrichter Andreas Paul wurde wiederholt zu politischen Sendungen verwendet, so im Januar 1619 und im Sommer 1621 nach Wien, von wo aus er im Oktober 1621 mit dem englischen Gesandten Lord Digby zu Mansfeld nach Neumarkt reiste. Mansfeld stand damals durch Maximilian mit dem Kaiser wegen seines Übertritts in kaiserliche Dienste in Unterhandlung. Sein Bruder Karl Paul war Hof– und Bundespfennigmeister. Beide haben in Heidelberg viele Briefe hinterlassen, deren Aufzählung nach der Versicherung des Verfassers der „schwarzen Liste“ viel zu weit führen würde. In dem bösen Willen gäben beide dem Camerarius und dem Ruesdorf nichts nach, doch seien diese ihnen an List und Betrug überlegen. Aus den in Heidelberg an diese vier „Catilinis“ gefundenen Schreiben gehe folgendes hervor: Andreas Paul habe 1621 die Aussöhnung zwischen dem Kaiser und Friedrich V. hintertrieben, als Lord Digby sie in Wien schon nahezu bewirkt habe. Die gleiche Rolle habe er 1622 in Brüssel gespielt, wo er als Vertreter Friedrichs V. den Verhandlungen beigewohnt habe. Durch die Vorspiegelung, daß der Friede nur durch die kaiserlichen und spanischen Gesandten hintertrieben würde, glaubte er den englischen König zum Eintritt in den Krieg zu können. Wie gut es Paul mit dem englischen König meine, gehe daraus hervor, daß er ihn als Atheisten, Gotteslästerer, Ehebrecher und Wortbrüchigen bezeichnete, was aus der Handschrift des Tschernembl hervorgeht. *3) ein Konrad Paul wurde nach dem Prager Fenstersturz von Anhalt zur Berichterstattung nach Prag gesandt.

8.) Lingelsheim in Straßburg und der ehemalige Hofgerichtsrat Spina in Heidelberg schrieben gegen den Kaiser und die Achterklärung Friedrichs. Sekretär Moritz stand im persönlichen Dienste Friedrichs. Er begleitete Friedrich nach der Schlacht am Weißen Berge auf seiner Flucht nach Holland 1622 kam er mit einem Auftrag Friedrichs, kehrte aber bald ohne besondere Nachrichten nach Holland zurück. 1623 war er in Heilbronn wechselte Briefe mit Württemberg und anderen deutschen Fürsten und Ständen; alle Umtriebe der Vertrauensleute Friedrichs V. berichtete er durch eigene Boten an Lingelsheim nach Straßburg, an den Agenten Brederode der Niederlande, an den Prinzen Moritz von Oranien , an den Halberstädter, an Mansfeld und an Friedrich selbst. *4)

9.) Oberst Balthasar von Schlammersdorf auf Hopfenohe, Wolf von Wildenstein, Landmarschall Fuchs von Winklarn und der Landrichter von der Grün in Waldeck, ein Bruder des Heidelberger Kanzlers, arbeiteten zusammen. Wenn der Halberstädter und Mansfeld sich vereinigt hätten und durch Böhmen auf Amberg marschieren würden, dann solle das von Schlammersdorf im Geheimen geworbenen Kriegsvolk an der Grenze der Oberpfalz zu ihnen stoßen und mit Munition versehen werden. Schlammersdorf sollte dann die Huldigung der Ritter und Stände auf Friedrich V. vornehmen und die Gelder der Regierung der Landschaft und Stadt Amberg beschlagnahmen. Die Böhmen sollten zu Pferd und zu Fuß, aus dem Sazener, Ellbogener und Pilsener Kreis in die Oberpfalz einfallen, deren Landbewohner dann angeblich in die mit bayerischen Garnisonen belegten Orte flüchten, dort nachts die Bayern überfallen und sie in Forma einer Sizilianischen Vesper niederhauen“ sollten. *5)

10.) An diesen Machenschaften haben sich auch Kanzler Dr. Petsch und Rat Dr. Heber der Amberger Regierung beteiligt. Petsch war 1565 geboren, kam 1600 als Rat von Heidelberg an die Amberger Regierung und war mit einer Tochter des Amberger Theologen Dr. Wigand Spanheim verheiratet. *6) nach einem in Heidelberg gefundenen Schreiben des Pflegers von Waldeck beabsichtigte Petsch 1622 aus dem Amt zu scheiden, blieb jedoch, als aufmerksam gemacht wurde, daß er Friedrich viel mehr nützen könne, wenn er im Amt bliebe. E r wurde ständig überwacht, so als er im März 1623 in Nürnberg mit dem englischen Rittmeister Horri verhandelte. Im Jahre 1625 wurde er entlassen und im Schloß in Arrest gesetzt 1628 war er noch in Amberg, 1643 ist von seiner Witwe die Rede. Dr. Heber wurde 1617 Regimentsrat, heiratete eine Schwester des Heimburger Pflegers Lingelsheim, wurde 1626 entlassen und zog nach Nürnberg. Sein Vater war Bürgermeister von Neumarkt. Petsch und Heber haben dauernd mit Schlammersdorf brieflich verkehrt.

11.) Oberst Peblis war Schotte von Geburt, kämpfte 1610 im Jülicher Erbfolgekriegs als Oberstleutnant unter Oberst Graf Otto zu Solms im Elsaß gegen Erzherzog Leopold, von 1618 ab unter Mansfeld, bis dieser 1626 starb. Im Jahre 1633 stand er noch in pfälzischen Diensten. Er sollte beidem nächtlichen Überfall auf die bayerischen Garnisonen in der Oberpfalz den Oberbefehl führen und beim Anmarsch Mansfelds und der Ermordung der bayerischen Garnisonen aus den aufrührerischen Untertanen Abteilungen bilden und einen Teil nach Waidhaus führen, wo sie Wolf von Wildenstein übernehmen würde. Ein zweiter Teil sollte wegen des angrenzenden Bistums Eichstätt nach Neumarkt kommen, ein dritter in Sallern dem dortigen Richter Haller unterstellt werden. Wegen der Nachbarschaft von Bayern sollte ein vierter Teil mit der dem Rittmeister Hundt unterstellten Ritterschaft nach Cham gelegt werden. Der Rest des Mansfeldischen Volks war nach Auerbach bestimmt. *7)

12.) Landmarschall Fuchs sorgte in München im Einverständnis mit dem dortigen Rat für Waffen und Munition, deren Kosten die oberpfälzische Landschaft trug. Mansfelds Faktor, der neben dem Kaufmann Andrä Lempa unter der „Goldenen Gans“ wohnte, schloß den Vertrag ab. Kanzler Dr. Petsch, die Räte Dr. Heber und Dr. Ulrich standen deswegen durch den Faktor Mansfelds seit langer Zeit mit den Herren Ölhafen, Remb und Tuchelin in Nürnberg in Schriftwechsel.

13.) Nach diesem Schreiben stellten Imhof, Ölhafen und Asymus Schlauerbach, der stark Handel nach Österreich trieb, zur Verbergung der Waffen und Munition ihre Lustgärten und Lusthäuser zur Verfügung. Nachts sollten sie zu den Geuders nach Heroldsberg und von dort „unvermerkt“ in die Oberpfalz verbracht werden.

14.) Sobald der Siebenbürgenfürst Bethlen Gabor mit den Türken und Tataren nach Böhmen, Mansfeld in die Oberpfalz komme sollte der Aufstand in Böhmen und in der Oberpfalz ausbrechen. Hierüber wurden Vereinbarungen zwischen Prag und den in Berlin weilenden ehemaligen böhmischen Direktoren Ruppa, Berka und Müller getroffen. Die Leitung im Ellbogener, Saazer und Pilsener Kreis hatten die Schirndinger übernommen, deren „Examinierung“ empfohlen wird. Von der Oberpfalz wollte Mansfeld sich mit dem ganzen Heer nach Bayern wenden. Die Niederlage des Halberstädters bei Stadtlohn am 22. August 1623 habe die verhindert.

15.) Marquis Spinola hatte mit den Protestanten im Namen des Kaisers zu Mainz vereinbart, daß sie der Union entsagen und keine neue eingehen. Dem entgegen strebten der Markgraf von Durlach und andere protestantische Fürsten eine neue Union an. Oberst Fuchs versuchte hierzu den Markgrafen von Ansbach, den ehemaligen Landrichter von Amberg Graf Reinhard zu Solms und Reichsstädte zu gewinnen, die das ganze finanzieren sollten. Zum General dieser neuen Union war der Markgraf von Durlach ausersehen. Graf zu Solms, der die Geroldseckischen Güter an sich bringen wollte, und dies mit den Ansprüchen seiner Frau begründete, habe sich zum Generalleutnant, Oberst Fuchs zum Feldmarschall „aufgeworfen.“

16.) Wenn Mansfeld nach dem Aufstand in Böhmen und in der Oberpfalz in Bayern einfalle, Bethlen Gabor mit den Türken und Tataren auf Prag marschiere, sollte der Markgraf von Durlach mit seinem Heer in die Stifte Würzburg und Bamberg einrücken. Aus dem Schreiben Ruppas, Berkas, Müllers und des Freiherrn von Tschernembl an Friedrich V. sei zu ersehen, daß die Stieber, Rotenhan und Marschalken sich zu diesem Überfall erboten hätten. Man solle sie festnehmen, um durch sie noch andere“ dergleichen Gesellen“ zu erfahren.

17.) Außer den Schirndingern, die den Aufstand im Elbogener, Saazer und Pilsener Kreis übernommen hatten, haben Ruppa, Berka und Müller von Berlin aus mit dem in Prag in der Altstadt wohnenden Kapitän Schliff dahin verhandelt, daß er den Aufstand in Prag und in den Kreisen Leitmeritz und Außig übernimmt in der gleichen Weise, wie dies die ehemaligen Prager Appellationsräte Heckelshofen und David Rohr durch ihre Schreiben in Schlesien versucht hätten als Ruppa, Berka und Müller aus Böhmen vertrieben wurden.

18.) Frhr. von Tschernembl hat unter den Kaisern Rudolf II. und Mathias von Oberösterreich aus mit dem Amberger Statthalter Fürst Christian zu Anhalt korrespondiert, war im Sommer 1620 Kriegsrat in Prag, flüchtete nach der Schlacht am Weißen Berge nach Amberg und, als er sich hier nicht mehr sicher fühlte, nach Vaihingen in Württemberg. Als Friedrich V. 1622 aus Holland nach Mannheim kam, hielt er sich in Heidelberg auf, wo man viele Schreiben an ihn fand, der Anschrift an „den von Windeck“ lautete. 1623 wurden solche Schreiben aus Holland und Bremen durch den jungen Geigenkofer und den Hofmeister Tschernembls, der ein Eilenbeck war, und sich in Linz aufhielt, übermittelt. Er wäre wohl leicht „zu ertappen.“

19.) Zur Überwachen seien die Schreiben Bethlen Gabors an den Paladin Thurzo und an Tschernembl, (etliche Schreiben an diesen wurden in Heidelberg gefunden), an den von Hofkirchen, den Jägerndorfer und an Thurn. Ruesdorf habe mitten in Wien diesen Briefwechsel lange Zeit geleitet und über Nürnberg unter den Geschäftsbriefen der Kaufleute Calandrin, Schlaurbach, Gering, Forstenhäuser und Dr. Bosch befördert. Die orientalische Hilfe sollte durch die Übertragung der Kronen von Polen, Ungarn und Böhmen an Bethlen Gabor belohnt werden. Zu diesem Zweck hätte sich Thurn mit Generalvollmacht Friedrich V. nach Konstantinopel begeben, um die Türken zur Hilfeleistung für Gabor zu bewegen. Camerarius hätte schon im Oktober 1619 von Prag nach Heidelberg berichtet, daß Gabor zur Krone Ungarns auch Österreich legen wolle. Camerarius meinte aber, daß man Österreich viel mehr an Friedrich V. als den Inhaber der Krone Böhmens überlassen solle. Gioul Battista Foscarini wäre von dem verstorbenen Fra Pauolo Servita abhängig, sei viel im Friaulischen Kriege gebraucht worden, und habe von ihm Rat und Hilfe erhalten. Er habe erst neulich empfohlen, man solle Gabor, so lange er gegen Österreich kämpfe, mit monatlich 20.000 Kronen unterstützen *8).

20.) Savoyen sei bestrebt, in der Veltinischen Frage Frankreich ins Spiel zu bringen und damit Österreich in Italien zu binden *9). Es wurde darin von Moritz von Oranien, Venedig und Mansfeld unterstützt. Dieser versuche von Frankreich Geld zur Unterhaltung seines Heeres herauszupressen und habe den Oberst Peck, einem Schweizer, der unter Mansfeld in Pilsen eine Kompanie, dann in Frankenthal ein Regiment hatte, zum Herzog von Savoyen gesandt, um ihn über Mansfelds Werbungen und seine Bündnisse mit den nördlichen Staaten u berichten. Peck müsse bei seinen Reisen nach und von Savoyen das österreichische Gebiet bei Basel berühren. Man solle ihn dort erwarten und verhaften, man werde dann die Verhandlungen in Erfahrung bringen, die Mansfeld mit den auswärtigen Fürsten führe. Peck sei leicht zu erkennen, da er die Schweizer Mundart spreche, und von mittlerer Gestalt sei., ein pockennarbiges Gesicht und einen weißen, dünnen Bart habe.

21.) Samuel Weiß, ein geborener Berner, wurde 1622 von Mansfeld zum Direktor des Kriegsrates ernannt. Er soll die unkatholischen Schweizer veranlassen, bei Frankreich eine Unternehmung gegen Spanien zu beantragen. Er hat eine Verteidigungsschrift für Mansfeld verfaßt und wurde von diesem nach der Übergabe von Pilsen nach Frankreich gesandt um den vornehmsten Räten die Gefahren vor Augen zu führen, in die Frankreich bei Unterlassung einer Unternehmung gegen Spanien gerate. Mit dem gleichen Auftrag sandte Friedrich V. den Grafen zu Dohna zum französischen König. In einer Denkschrift für Dohna hatte Camerarius diese Gefahren ausgeführt und betont, welche Verbindungen Heinrich IV. mit der Kurpfalz unterhalten habe, ehe er katholisch wurde. Durch diese sei er zur ruhigen Nachfolge der Krone gelangt.

22.) der ehemalige Mansfelder Gouverneur von Hagenau, Graf von Löwenstein, bemühte sich, Venedig, Frankreich und Savoyen zum Einfall in spanisches Gebiet in Italien zu bewegen. Die solle anläßlich der Veltinischen Diversion in dem Zeitpunkt erfolgen, wenn der Aufstand in Böhmen, der Oberpfalz, Österreich, Schlesien, Mähren und Ungarn ausbreche, wenn Mansfeld sich mit dem Halberstädter vereinige, die Tataren nach Polen, die Türken unter Gabor in das Reichsgebiet kommen würde. Prinz Moritz von Oranien solle die spanischen und neuburger Garnisonen aus dem Lande Jülich vertreiben, die Venezianer sollten in Friaul angreifen, und was sie vorher gegen Gradiska versucht, bei dieser günstigen Gelegenheit nicht „verschlafen“. Sie sollten die Türken, wenn diese im Golf erscheinen und Neapel on Apulien her angreifen, unterstützen. Das Endziel sei: das Haus Österreich ganz aus Deutschland zu verjagen, die katholischen Stifte den Protestantischen Fürsten ganz auszuliefern und das Spiel, das Friedrich V. aufgegeben, von neuem anzufangen.

23.) Friedrich V. habe durch Bethlen Gabor, Thurn und Moritz von Oranien in Konstantinopel erreicht, was man kürzlich in Mähren zum äußersten Verderben verspürt habe. *10) Gabor und Berndorfer geständen, daß der Friede zu Ödenburg 1622 nur in der Absicht geschlossen worden sei, den Kaiser und die Liga in Sicherheit zu wiegen und an Kriegsvolk und Geld zu schwächen. Ein weiterer Grund sei gewesen, daß damals in Konstantinopel „alles über und über gegangen“, daß die ungarischen Stände mit Bethlen Gabor unzufrieden gewesen seien und sich von ihm trennen wollten. Gabor wolle, wie den Kaiser so auch die Ungarn sicher machen, verblenden und die gut kaiserlich Gesinnten ausrotten. Tschernembl habe dies gebilligt. Man müsse die Neutralen und die Unionstände „wiederum bei den Haren in das Spiel ziehen, oder wie Camerarius sage, durch entgegengesetzte Wirkungen zum Ziel du zur Wiederaufnahme des Kampfes bringen. Sie würden dann von selbst mit dem Kopf hinansetzen, wie zur Zeit Caroli V. geschehen“.

24.) Bethlen Gabor hatte für den Sommer 1623 für seinen Bruder, für den Jägerndorfer, Thurn und Hofkirchen folgendes angeordnet: sie sollten zu der Zeit, in der die Tataren und Moskowiter in Polen einfallen, der Halberstädter mit Mansfeld ins Reich eindringen, die neue Union und Neutralen sich öffentlich für Friedrich V. erklären würden, mit dem ungarischen Heer in das Herzogtum Oppeln und Ratibor marschieren, die Grenzen gegen Polen besetzen und auf Prag vorgehen solle. Gabor wolle Ungarn, Österreich und die windischen Lande besetzen. Venedig solle für seine Auslagen mit einigen angrenzenden Gebieten entschädigt werden.

25.) Damit die Türken nicht den Eindruck gewinnen, daß Gabor, die Sache allein betriebe, wurde Graf Thurn nach Konstantinopel gesandt. Er hatte von Friedrich V. und den ausgewanderten böhmischen, mährischen und oberschlesischen Rebellen Generalvollmacht zu erklären, daß alle Abmachungen Gabors mit der Türkei und Friedrich V. und den „ausgetretenen Ständen“ gebilligt würden, wogegen die Türkei baldigst die nötige Unterstützung senden sollten. Graf Thurn kam im November 1622 mit der zustimmenden Erklärung der Türken bei Bethlen Gabor an, worauf dieser, der Jägerndorfer und Ruesdorf zu Friedrich V. sandten, Ruesdorf traf im Januar 1623 im Haag ein berichtete Thurns Verhandlungen in Konstantinopel. Die im Sommer eingeleiteten Bewegungen Mansfelds und des Halberstädters wurden am 6. August 1623 durch dessen Niederlage bei Stadtlohn vereitelt.

26.) Die türkische Unterstützung sollte zu Land und zur See erfolgen. Bethlen Gabor und Mansfeld hatten Venedig ermahnt, mit ihrer Flotte zu verhindern, daß die spanische Armada Apulien, Zengg (südwestlich von Fiuma) oder Fiuma bedrohe, wenn die türkische Flotte in den Golf von Neapel einlaufe. Das türkische Landheer solle stets in der Nähe der mittelländischen Küste bleiben. Graf Thurn berichtete, daß in Griechenland bereits Anordnungen getroffen seien, den Türken schwere Artillerie mit Munition auf dem Mittelmeer zuzuführen, diese träfen an der Grenze die nötigen Vorbereitungen, bis Gabor das Feuer in Polen, den Aufstand in Böhmen und Österreich entfacht und den Kurfürsten von Bayern unterdrückt habe. Dann wolle Gabor mit einem Teil des ungarischen, mit dem ganzen Mansfeldischen und Halberstädtischen Heere auf Italien vorgehen, so daß gleichzeitig die türken, Venezianer, Mansfeld mit Savoyen und dem unkatholischen Teil der Schweiz Spanien in Italien angreifen. England wolle neutral bleiben, bis die Heirat vollzogen sei *11) und die Spanier die Pfalz wieder an Friedrich V. zurückgegeben hätten. Dann aber wolle England mit den Holländern die die Spanier in den Niederlanden angreifen und so beschäftigen, daß sie mit sich selbst genug zu tun hätten, geschweige denn, das Haus Österreich zu retten und gleichzeitig sich in Italien zu verteidigen.

27.) Die genannten Personen reisten nach dem Haag, nach Ungarn, Venedig, Savoyen, Frankreich, England, Dänemark, Schweden, Polen, bis in die Schweiz, nach Württemberg, Straßburg, Basel, Nürnberg, Wien, Berlin und in die übrigen Städte. Man solle auf sie, insbesondere auf den pfälzischen Falknermeister Phillip achtgeben; dieser handle angeblich mit Falken und vernähe wichtige Briefe, die man der Post oder kaufmännischen Geschäftsbriefen nicht anvertrauen wolle, in dem Handschuh, auf dem er die Falken trage. 1623 sei er auf dem Deputationstage in Regensburg gewesen und habe Schreiben von dort, von Ansbach und Stuttgart an Friedrich V. überbracht.

28.) Der englische Resident Trumbul habe in vielen Schreiben, in denen er sich mit „de la Fontaine“ oder mit „de la Haye“ unterzeichnete, wöchentlich nah Heidelberg berichtete und sich gehässig gegen den Kaiser ausgelassen. Der gleiche Geselle sei der Heidelberger Hofgerichtsrat Lemminger, der Ende 1621 zu Friedrich V. nach Prag gereist sei und über die Huldigung der Oberpfalz auf den Kaiser, die Stärke der dortigen Garnisonen, sowie darüber berichtet habe, wer von den Beamten im Amt verblieben sei, unter welchen Bedingungen und in welcher Absicht. Friedrich habe Lemminger zum Schein aus seinen Diensten entlassen, worauf sich dieser zu seinem Bruder, dem Regimentsrat in Amberg begeben habe. Beide Brüder *12 würden sich gut bayerisch „geberden“ und sich neben dem Kanzler Dr. Petsch, den Räten Dr. Ulrich und Dr. Heber zu keinem anderen Zweck in Amberg aufhalten, als um über alle Vorgänge in der Oberpfalz und im Reich auf dem Wege über Nürnberg an Friedrich V. zu berichten.

29.) Der Postmeister in Frankfurt habe durch Kanzleipersonen in Aschaffenburg den Schriftwechsel erfahren, den Kurfürst Maximilian von Mainz aus mit verschiedenen Fürsten gepflogen habe, und den Inhalt an Friedrich V., Mansfeld, den Halberstädter, an Moritz von Oranien, den Markgrafen von Durlach, den Landgrafen Moritz von Hessen, die Räte Faber, Paul in Stuttgart, Brederode in Straßburg, Camerarius in Bremen und an andere Feinde des Kaisers in Berlin, Prag, Nürnberg und anderen Orten mitgeteilt. Backofen, Dr. Bosch, Lingelsheim, Güfen und andere würden ihm Vorschub leisten. Er unterhalte auch vertrauliche Verbindungen mit dem Generalpostmeister in Brüssel und beziehe deshalb von der Union eine jährliche „Bestallung“. Er erfahre viel, weil er bei den Papisten Kredit habe und von diesen für einen Katholiken gehalten werde. Friedrich V. habe ihm eine goldene Kette und einen Gnadenpfennig geschenkt, behandle ihn, wie aus einem Schreiben an den Statthalter Pfalzgraf Johann und die Räte in Heidelberg hervorgehe, sehr aufmerksam und habe befohlen, ihn bei gute, Wille zu erhalten, da er ihm schon ansehnliche Dienste geleistet habe und noch leisten werde.

30.) Der Sekretär Erkenbrecht, Samuel Weiß und der von Berndorf seien zu beobachten. Erkenbrecht sei bei Mansfeld in Hagenau und nach dessen Abzug aus der unteren Pfalz ein Kommissär bei General de Beer zu Mannheim und Frankenthal gewesen und 1623 zu den pfälzischen Korrespondenten gereist. Dabei verändere er die Kleider und gebe sich bald für einen Franzosen, bald für einen Engländer aus. Er sei von Sinsheim in der unteren Pfalz gebürtig. Samuel Weiß sei in Bern geboren, von Mansfeld nach Savoyen, Frankreich, Holland und in andere Länder gesandt und zum Direktor des Mansfeldischen Kriegswesens ernannt worden. Die ganze Korrespondenz in Deutschland sei ihm unterstellt. Berndorf sei zu Gabor und nach Ungarn gesandt worden, um die türkische Hilfe zu befördern.
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Aus der schwarzen Liste erfahren wir, daß die Agenten Friedrichs V. Verbindungen von Schweden bis Venedig und Turin, von London und Paris bis Konstantinopel unterhielten, um Friedrichs Sache, dem sie sehr ergeben waren, zu fördern. Andererseits beweist sie den vorzüglichen Nachrichtendienst, den die Gegenpartei eingerichtet hatte.
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1. Heidelberg war seit dem 19. September 1622 in den Händen Tillys
2. Gabriel Lingelsheim war seit 1594 Pfleger in Heimburg in der Oberpfalz, sein Vater war Lehrer Friedrichs IV.
3. Frhr von Tschernembl war Führer der Protestanten in Oberösterreich, flüchtete nach dem Einmarsch Maximilians in Oberösterreich in die Oberpfalz, dann nach Württemberg, Heidelberg und endlich nach Genf. er kam vor 1620 wiederholt zu Fürst Christian zu Anhalt nach Amberg.
4. Agent Brederode war möglicherweise ein Sohn des gleichnamigen Grafen, des Hauptes der verbündeten niederländischen Adeligen, der 1567 nach dem Mißlingen des Aufstandes sich nach Emden absetzte und 1568 im Schloß Harndorf bei Recklinghausen starb. – Der Halberstädter war Prinz Christian von Braunschweig. Er war 1599 geboren, wurde Administrator des Bistums Halberstadt, schwärmte für die Gemahlin Friedrichs V. und kämpfte für diesen gegen den Kaiser. Er wurde am 20. Juni 1622 von Tilly bei Höchst geschlagen, zog mit Mansfeld zu Moritz von Oranien, besiegte am 22. August 1622 die Spanier bei Fleurus, wo er den linken Arm verlor. Dann erschien er wieder in Westfalen, wurde von Tilly am 6. August 1623 bei Stadtlohn geschlagen, entkam wieder zu Moritz von Oranien, reiste nach England und trat in dänische Dienste, in denen er 1626 starb.
5. Schlammersdorf war 1610 Stallmeister in Anhaltischen Diensten, wurde 1615 Landrichter in Auerbach, erhielt 1621 unter Mansfeld ein Regiment z. F., stand 1624—26 als Oberst in dänischen Diensten, war 1631 Amtmann in Neustadt a. Aisch, wurde 1631 schwedischer General, trat 1632 in Nürnberger Dienste, maßte sich 1633 den Besitz von Neuhaus a, Pegnitz an, machte 1634 die Schlacht bei Nördlingen mit und starb 1637. Wolf von Wildenstein war bis 1621 Pfleger in Pleystein, betätigte sich dann in Werbungen für Friedrich V. trat 1628 in dänische, 1630 in schwedische Dienste, wurde am 10. März 1632 bei der Einnahme Bambergs durch Tilly gefangen, ausgetauscht und starb am 30. November 1632 in Naumburg, vermutlich an Wunden die er am 16. Bei Lützen erhalten hatte. Seine Frau war eine Schwester des Landmrschalls Fuchs von Winklarn. Fuchs Hans Friedrich von Wallenburg wurde 1619 Landmarschall, sandte 1622 von Nürnberg Kundschafter in die Oberpfalz, verkaufte 1628 bei Beginn der Gegenreformation Winklarn, Schönsee und andere Güter um 200.000 fl. An Herrn von Weichs, zog 1629 nach Regensburg; 1633 war er beim Feind. Seine erste Frau war eine geborene von Crailsheim. 1643 war er nicht mehr am Leben. Landrichter Phillipp Jakob von der Grün auf Weihersberg starb 1625 und hinterließ eine Witwe Sabina Elisabeth mit 8 Kindern.
6. Dessen Sohn Friedrich Spanheim wurde 1626 Professor der Philosophie in Genf, 1633 Rektor der dortigen Akademie.
7. Der Landsasse von Hundt auf Thumsenreuth kämpfte wie Peblis 1610 im Elsaß, trat 1631 in schwedische Dienste und starb 1637.
8. Gabor schloß jedoch am 18. November 1623 einen Waffenstillstand, dem nach langen Verhandlungen am 8. Mai 1624 der Friedensschluß flgte.
9. Österreich versuchte, sich durch die Besitznahme des Veltins eine bessere Verbindung zwischen Mailand und seinen deutschen Landen zu schaffen. Mit Unterstützung Frankreichs behauptete Graubünden das Veltlin.
10 Gabor unternahm im Herbst 1621 Beutezüge nach Mähren.
11. Der englische Kronprinz sollte mit einer Tochter Phillips III. von Spanien vermählt zu werden.
12. Sie stammten aus Kulmain in der Oberpfalz.

Montag, 16. Mai 2016

Geschichte von Lengenfeld



Geschichte von Lengenfeld und seiner Schulorte
Von Franz Federhofer

Auf "Lengenfelder" stoßen wir in der Geschichte schon im Jahre 1191 in diesem Jahr treten die Brüder Heinrich und Sifrid von Lengenfeld im Kloster Ensdorf als Zeugen auf und mit ihnen ihr adeliger Nachbar Wirnto von Plankenstein. Plankenstein liegt bei Deusmauer. Heute ist der Berg, der die noch schwach erkenntlichen Ruinen trägt, mit Hochwald bewachsen. Wieder 1240 wird unter den hohenfelsischen Dienstleuten ein Plebanus von Lengenvelt genannt. Zu dieser Zeit hatten die Hohenfelser die Herrschaft Helfenberg inne. Wieder wird Lengenfeld in der Geschichte erwähnt, als 1310 Albrecht von Frickenhofen dem Kloster Pielenhofen, eine Stiftung der Hohenfelser, ein Gut in Irnsing übergibt. Davon mußte das Kloster den Sundersiechen zu Lengenfeld unter Helfenberg 5 Schilling Pfennige reichen, die später auf 25 Kreuzer angesetzt wurden. Die Sundersiechen sind die wegen ihrer ansteckenden Krankheiten abgesonderten Kranken. Um 1371 saß Ludwig von Mendorferbuch als Helfenbergischer Vasall zu Lengenfeld. Seine Hube zu Umelsdorf verkaufte er an das Kloster Kastl. Im Jahre 1378 vermachten Konrad der Mendorfer und seine Söhne Ulrich und Heinrich ihre zu Lengenfeld unter Helfenberg gelegene Mühle dem Gotteshaus zu Allersburg zum ewigen Lichte. Der Pfarrer soll aus der Mühle 60 Pfennig zu einem Jahrtag erhalten. Er soll drei Messen für den Stifter und seine beiden Gemahlinnen Kunigund und Sophie und für Friedrich den Richter zu Hohenburg lesen. 1380 lernen wir Hans Geberstorfer zu Lengenfeld kennen. Er ist Inhaber des adeligen Sitzes dortselbst. 1380 kauft er en vierten Teil eines Gutes zu Mühlhausen bei Kastl. 1399 saß Werner der Kuttenauer zu Lengenfeld auf dem Edelsitz des Otto von Adertshausen. Nach dessen Tod im Jahr 1405 erhielt Heinrich der Döllwanger das Herrenhaus zu Herzogen-Lengfeld. 1409 verschaffte Kunigund die alte Smidin von Adel, zur Frühmesse in Lengenfeld eine Gült zu Krondorf.
 
Diese Frühmesse wurde wie die Pfarrei von den Helfenbergern gegründet. Die Frühmesse ging durch die Reformation zugrunde. Um 1412 finden wir wieder Hans den Geberstorfer zu Lengenfeld seßhaft. 1423 ist Werner Kuttenauer als Lehensmann des Abtes von St. Emmeram gemeldet. Der oben genannte Heinrich Döllwanger (Talbanger) erwarb 1407 auch das Schloß in Adertshausen. Als er 1427 starb brachte seine mit Mathes Scharfenberger verheiratete Tochter diesem die beiden Edelgüter zu. Zu Lengenfeld hatte der neue Gutsherr Beständner. 1431 treffen wir auf weitere Lengenfelder Familien, die dem Adel angehörten. Ruger der Rütlinger zu Lengenfeld war in diesem Jahr Bürge und Siegler für Hans Härtl von Günching. 1442 bestätigte Pfalzgraf Johann dem Stefan Lemmel von Lengenfeld die Burghut bei dem Schlosse, wie sie der Kuttenauer hatte. 1449 sagte Christoph Scharfenberger, der Sohn des Mathes, als Diener des Markgrafen von Brandenburg, der Stadt Nürnberg ab. Im Jahr 1453 teilten die Brüder Heinrich und Christoph von Scharfenberg die von ihrem Vater hinterlassenen Güter. Christoph erhielt den Sitz zu Lengenfeld. 1455 war Christoph Pfleger zu Hohenburg und kaufte dort vom Bruder den zum Schlosse Adertshausen gehörigen Hof Raversdorf, dann auch den Sitz Adertshausen um 350 fl. Christoph wurde später Kastner zu Nabburg und Richter zu Kastl. 1493 starb er.

Nach dieser Zeit treffen wir mehrere Besitzer zu Lengenfeld so die Bechel, die Itelhofer, die Rebhan, die Kastner und Hans Erlbeck. 1605 zahlte Kaspar Neumeier von Lengenfeld den Landsassenabtrag. Inzwischen hatte in Lengenfeld die Reformation Eingang gefunden. Von 1540 bis 1590 waren dort lutherische Pfarrer. 1591 zieht mit dem Pfarrer Andre Schütz der Kalvinismus in den Ort. 1625 kam Kaspar Schreiber als katholischer Pfarrer wieder nach Lengenfeld. Der Gutsbesitzer Hans Christoph Neumeier mußte als Kalvinist 1631 das Gut verlassen, bekam es aber bald wieder zurück, binnen 85 Jahren mußte Lengenfeld viermal den Glauben wechseln. 1633 brannten die Schweden das Dorf nieder, plünderten und zerstörten die Kirche und verjagten den katholischen Pfarrer. Erst nach 63 Jahren wurde die Kirche wieder aufgebaut. 1682 erhielt Johann Ludwig von Freudenberg den Edelsitz Lengenfeld zu Lehen, sein Nachfolger, der Herr von Hallerstein, verkaufte den Sitz zu Lengenfeld — seit 1380 pfälzisches Lehen — an die Grafen Tilly zu Helfenberg, die 1724 ausstarben. 1730 stiftete Katharina Gräfin von Montfort, geborene Tilly, zu Lengenfeld ein Benefizium mit Einkünften zu Altenburg und Dürn bei Breitenbrunn, nachdem die Schloßkaplanei zu Helfenberg eingegangen war, die durch Tilly 1640 gegründet worden war. — 1796 wurde Lengenfeld von den bei Deining geschlagenen Franzosen niedergebrannt. 1801 kam der adelige Sitz mit den Zehenten in Oberbuchfeld an die Brauerswitwe Iberl. Der Kaufpreis betrug 1500 fl. Die Herrschaft Pilsach hatte in Lengenfeld 2 Untertanen.

Als Pfarrer von Lengenfeld sind bekannt: 1470 Hans Swarn, Vikar, 1591 Andre Schütz, kalvinisch, 1610 Johann Burkart, kalv., 1615 Georg Urusius, kalv., 1625 Kaspar Schreiber, katholisch, 168 Elias Bulling, 1635 Georg Dorn, 1642 Magnus Dorn, 1651 Leonhard Krapler, 1668 Thomas Wirl, 1679 Peter Michl, 1694 Richard Schenk, 1711 Johann Weißer, 1712 Franz Xaver Kleinmeier, 1750 Johann Schaller, 1775 Michl Beer, 1801 Johann B. Auerbach, der die Impfung einführte, 1823 Georg Meier, 1829 Johann B. Sammüller, 1838 Christian Ibler, 1858 Leonhard Graf. Letzterer lieferte uns eine Geschichte der Grafschaft Helfenberg.

Harenzhofen. Westlich von Lengenfeld liegt das Dorf Harenzhofen. Es zählt 19 Häuser. Die Filialkirche zu St. Egidius wurde 193 erbaut. Hier lebte auf einem Gut ein adeliges Vasallengeschlecht der Herrschaft Helfenberg. Das Geschlecht der Harenzhofer begegnet uns urkundlich schon im 13. Jahrhundert. 13116 wird uns ein Heinrich der Hornungshover als Schultheiß zu Neumarkt gemeldet. Um die gleiche Zeit veräußerten die Braun von Rotenfels ihre Güter zu Harenzhofen an den Pfarrer Herrmann Kammerer zu Traunfeld. Damit wissen wir, daß Harenzhofen zu dieser Zeit schon ein größerer Ort war. 1346 stoßen wir auf Heinrich den Mairhover, der sich gleichfalls von Harungshoven schreibt. Als weitere Einwohner von Harenzhofen begegnen uns zu dieser Zeit Bolcholt und Ulrich der Propst, Helfenberger Vasallen. Harenzhofen begegnet uns auch unter dem Namen Harrlandshofen. Ein Heinrich Propst zu Harrungshofen wird uns 1349 beurkundet. Die Ehrenfelser zu Helfenberg hatten in Horrnungshofen Zehentpflichtige. 1373 verpfändete Hans der Ehrenfelser von Helfenberg den Zehent zu Harenzhofen dem Pfalzgrafen Rupprecht. Ein Gut zu Harenzhofen, das dem Konrad Schmid von Pilsach gehörte verkaufte dieser 1422 an Ludwig Reicharten, de des Herzog Johann zu Neumarkt Schreiber war. Nach Erbauung der Kirche soll der Ort eine Zeitlang den Namen Herrgottshofen getragen haben, vermutlich eine Änderung des Namens, den der böse Volksmund den Harenzhofern ob der vielen entstandenen Schwierigkeiten des Kirchenbaues beigegeben hat. — In der Nähe von Harenzhofen lag vor Zeiten der Amertshof.

Der Matzenhof, in der Pfarrei Günching gehörte zum Pflegamt Helfenberg. Der Matzenhof mit seinem umfassenden Besitz ist einer der ältesten Höfe der Gegend.

Ostermühle, liegt eine Viertelstunde südlich von Lengenfeld und ist aus neuerer Zeit. 1841 wurde die Mühle aus den Steinen der Schloßruine Helfenberg nahezu neu aufgebaut. Bei der Ostermühle erhebt sich der Herzogsberg. In der Nähe dieser Mühle lag vordem das Gut Kappenhart, die Hart genannt.

Ramersberg, liegt eine Viertelstunde südwestlich von Lengenfeld auf einer Anhöhe. Die Kirche ist St. Nikolaus geweiht. In Ramersberg befand sich ein Edelsitz, dessen Besitzer von Adel waren und sich Ramersberger nannten. Schon 1191 begegnet uns Pilgrim von Ramersberc als Zeuge in Ensdorf. 1230 finden wir Heinrich der Reminsperger bei einer Schenkung der Herren von Parsberg an das Kloster Ensdorf beurkundet. Wieder in einer Parsberger Urkunde begegnet uns ein Konrad von Reymarsberg und sein Bruder Ulrich im Jahr 1292. 11303 steht dieser Ulrich von Reymarsberg unter Parsbergischen Dienstleuten. Ramersberg gehörte demnach zum Parsberger Territorium. Dieser Ulrich hinterließ einen Sohn Ulrich von Reymarsberg. Dessen Witwe Geut die Reimarsbergerin verkauft 1336 mit Zustimmung ihres Sohnes Luipold ½ Pfund Heller aus ihrem Gut zu Leutenbach an das Kloster Seligenporten. Aman der Reumarsberger lebte um 1310 als adeliger Bürger zu Neumarkt. Einen Chunrad von Rämersberg treffen wir 1342 als Vasallen der Herren von Helfenberg. Chunrad führte den Titel Herr, war Ritter und hatte umfassende Besitzungen. 1343 fungierte er als Zeuge und 1365 vergleicht er sich mit dem Kloster Kastl wegen eines Baumgartens zu Pilsach. Noch 1368 siegelte Chunrad der Rämersberger von Calmüntz für Peter von Ehrenfels zu Helfenberg. 1398 schreibt sich ein Herr Friedrich des Rämersberger Geschlechtes "von Calmüntz." — Zu Ramersberg hatte das Kloster Waldsassen viele Zehentrechte. Der Ort war ehedem in 2 Pfarreien aufgeteilt. Der vormals Helfenbergische Teil gehörte in die Pfarrei Lengenfeld, und der zur Grafschaft Velburg gehörige Teil gehörte zu Oberweiling.

Der Schwaighof, ein Einödhof zu Füßen der Ruine Helfenberg, war ehedem der Herrschaftliche Viehhof. 1332 bestimmten die Herren von Ehrenfels zu Helfenberg: "daß auf dem Schwaighofe von den pesten ihrer Leute 8 Pfund Pfennige an arme Leute; die Conrad von Hohenfels mit Raub und Brand, mit Steuern oder Vanchnuzze (d. i. mit Erpressung oder Gefangenschaft) beschädigt hat, verteilt werden sollten."

Diese 8 Pfund Pfennige hatte das Dorf Lengenfeld bei Amberg zu leisten. — 1730 verkaufte Katharina Gräfin von Montfort den Schwaighof samt den Jägerhaus um 1500 fl.

Amertshof, hieß ehedem ein bei Harenzhofen gelegener Einödhof. Der Name hat sich in der Bezeichnung der Feldflur erhalten. Im 30jährigen Krieg wurde der Amertshof niedergebrannt und nicht wieder aufgebaut.

Gugghof, bei Lengenfeld erlitt das gleiche Schicksal. Zwar wurde der Gugghof im 30jährigen Krieg nicht von Grund auf zerstört, doch er wurde nicht mehr nach der Ausrottung der Besitzer verwaltet. Äcker und Waldbesitz wurden aufgeteilt.

Helfenberg Bei Lengenfeld erhebt sich der weithin sichtbare Schloßberg Helfenberg, der auf seinem Rücken weitläufige Überreste einer Burg zeigt. Der Unterbau ist noch erhalten und weist gewaltige Ausmaße auf. Zur Herrschaft Helfenberg gehörten: Lengenfeld, Harenzhofen, Deusmauer, Günching, Krondorf, Wiesenacker, Richthofen, Albertshofen, Prönsdorf, Bernla, Reichertswinn, Kirchenwinn zum Teil, Kleinalfalterbach, Hilzhofen, Habertshofen, Dürn, Lampertshofen, Ostermühl, Schafhof, Bogenhof, Richthof Matzenhof, Hennenhof, und Ollertshof, dann 4 Untertanen in St. Colomann, einer in Freischweibach, und 4 in Engelsberg. In früheren Zeiten bildete diese Herrschaft einen Teil der Grafschaft Velburg, deren letzter Inhaber, Graf Ulrich, 1198 die Veste und die Herrschaft Helfenberg dem Regensburger Bischof schenkte. Im Jahr 1198 trug Wirnto von Plankenstein Helfenberg zu Lehen. Wirnto war ein Verwandter des Grafen Ulrich und war Besitzer von Plankenstein. Der Plankensteiner trug einen bedeutenden Namen. Er fungierte als Zeuge im Kloster Ensdorf und begleitete 1224 seinen Herrn, den Bischof von Regensburg, nach Straubing, wo der Herzog von Bayern mit dem Bischof einen Vertrag abschloß. Nicht lange behielten die Regensburger Bischöfe Helfenberg. 1232 vertauscht Bischof Sigfried die Herrschaft Helfenberg gegen die Herrschaft Falkenstein an Conrad den Hohenfelser um ein Aufgeld von 100 Pfund Regensburger Pfennige.

Die Herrschaft Helfenberg grenzte an die Grafschaft Hohenburg. Bei diesem Verkauf erfolgten einige Zuteilungen von Orten und Ortshälften, was man in der späteren Festlegung der Diözesan- und Pfarrgrenzen noch als Richtung gebend verfolgen kann, wie die Zuteilung von Engelsberg, Richthofen, Albertshofen zur Regensburger Diözese, wie die Teilung des Ortes Prönsdorf in 2 Pfarreien und Diözesen. Der Bischof scheint deshalb Helfenberg den Hohenfelsern verkauft zu haben, weil er selber aus dem Hohenfelsischen Vasallengeschlecht "von Sallern" stammte.


Das Hohenfelser Geschlecht war ein berühmtes, aber auch ein berüchtigtes Geschlecht. Schon 1249 stand anläßlich der Klostergründung Seligenporten durch Gottfried on Wolfstein und dessen Gemahlin Adelheid von Hohenfels Konrad von Hohenfels und sein Vasall Ruger von Helfenberg, der Sohn Wirntos von Plankenstein Zeuge. Im Jahr 1256 kam Helfenberg an die Ehrenfelser. Ein Zweig der Hohenfelser, dem bei der Teilung die Herrschaften Ehrenfels und Helfenberg zugefallen waren, nahm den Namen Ehrenfelser an. Wir finden ja häufig in jener Zeit, daß adelige Geschlechter je nach wechselnden Besitzungen auch ihren Namen wechselten. Nun spielt bei dieser Namengebung allerdings ein anderer Grund die größere Rolle als der Grund der Teilung. Es ist auffallend daß die beutende Feste Ehrenfels vor dem Jahr 1256 unter diesem Namen überhaupt nicht vorkommt. Da spielt folgendes Ereignis herein. Konrad III. von Hohenfels stand m Dienste des Bischofs Albert I. von Regensburg. Dieser Bischof lebte mit dem deutschen König Konrad in Feindschaft. Der Hohenfelser faßte nun den Entschluß — ob mit oder ohne Wissen des Bischofs ist unbekannt — den König, der im Dezember 1250 nach Regensburg gekommen war und im Kloster St. Emmeram Quartier genommen, zu ermorden. Mit 6 seiner Gesellen schlich er nun in das Schlafgemach und erstach — einen Diener des Königs, der die königliche Schlafstätte eingenommen hatte. Der Mörder floh aus der Stadt und seine Gesellen verbreiteten die Sage, der Hohenfelser sei auf der Flucht von einem Blitz getötet worden. Tatsächlich lebte der Hohenfelser sicher und ruhig bei der damals im deutschen Reich herrschenden Verwirrung auf einer der vielen Burgen seines Geschlechts. Nach dem 1254 erfolgten Ableben König Konrads gab es in Deutschland lange Zeit kein Reichsoberhaupt, so daß der Hohenfelser wieder im Land sich halten und als Herr von Ehrenfels zu Helfenberg und Ehrenfels wieder in Erscheinung treten konnte. Konrad der Ehrenfelser begegnet uns tatsächlich zwischen 1256 und 1286 sehr häufig in Urkunden. Für die Feste Helfenberg bestellte er eigenen praepositus oder einen Probst, als solcher uns um 1264 ein Gottfried praepositus von Helfenberg überliefert ist. Des Gottfried Nachkommen hatten lange Zeit dieses Amt inne. Sie nahmen deshalb sogar den Geschlechternamen Probst an, unter dem sie heute noch fortleben in Familien– sowie in Hausnamen. Als eine der letzten Funktionen des Konrad von Ehrenfels stellen wir fest, daß er am 30. Juli 1277 genehmigt, daß der zur Herrschaft Helfenberg gehörige Dienstmann Wirnto von Frickenhofen, dem Kloster Pielenhofen eine Schenkung mache. Unser Konrad (I.) starb 1286 und hinterließ als seine Söhne: Konrad den II., der uns später als Probst zu St. Johann zu Regensburg begegnet, ferner einen Sohn Heinrich (den I.) einen Sohn Konrad II., der Pfarrer in Wiesenacker war, und einen Sohn Konrad IV. den Jüngeren. Heinrich I. und Konrad der IV. begegnen uns in Urkunden von 1286—1317 und von 1288—1326. Am 21. Juni 1304 verkaufen die beiden Brüder Heinrich und Konrad der Jüngere von Ehrenfels dem Pfarrgotteshause zu Illschwang ein zur Herrschaft gehöriges Gut zu Nörtershofen (Natershofen) bei Lauterhofen. 1319 gibt ein Ulrich, Probst zu Helfenberg, dem Neumarkter Spital ein Gut in Waikenhofen. Sein Bruder Heinrich war Schultheiß zu Pfaffenhofen, deren dortige Feste Heinrich den Ehrenfelser für seine Dienste gegen Österreich (1313) im Jahre 1315 zugeteilt erhielt. Heinrich I. von Ehrenfels starb 1317 und hinterließ von einer unbekannten Gemahlin einen Sohn Heinrich II., einen Conrad V. und eine Hedwig, die als Klosterfrau in Pielenhofen lehrte. Conrad IV. ging unter die Raubritter und starb 1326 ohne Kinder. Heinrich II. begegnet uns von 1320—1349. 1320 ist er als Bürger zu Neumarkt beurkundet. Es war gebräuchlich, daß der Adel Bürgerrechte in Städten annahm, die von König Ludwig dem Bayern besonders bevorzugt waren. Von Helfenberg wird uns 1326 berichtet, daß Gottfried Pawaer aus den Frickenhofer Geschlecht auf Helfenberg saß und einen herzoglichen Hof in Altenveldorf zu Lehen trug. Heinrich selber am 20. Februar 1332 mehrere Güter der Herrschaft Helfenberg an Ulrich den Sinchinger (Gleich Günchinger). Im gleichen Jahre veräußerte Heinrich seine Stammburg Ehrenfels an Ludwig den Bayern und nahm hierauf seinen Wohnsitz auf Helfenberg. Am 11. November 1332 geben die beiden Brüder 8 Pfund Pfennige aus dem Dorfe Lengenfeld bei Amberg "nach ihrer Leute zu Helfenberg Rat" an jene Personen zur Verteilung, die ihr verstorbener Vetter Conrad IV., der bekannte Raubritter mit Raub und prant, mit Steuren (Erpressungen) und Vanchnuzze geschädigt hat. 1333 begegnet uns Heinrich von Ehrenfels als bischöflicher Pfleger zu Hohenburg. Aus dem Verkauf der Feste Ehrenfels, aus der Abtretung von Gütern und aus der Annahme von Pflegerstellen ersehen wir, daß das so mächtige und reiche Geschlecht in Verarmung geriet. 1340 heißt Heinrich "zu Helfenberg gesessen".

Nachmals begegnet uns als Helfenberger Burgvogt Ulrich der Frickenhofer, der am 16. April 1342 Güter zu einer ewigen Messe zum Kloster Seligenporten schenkt. Sein Her Heinrich von Ehrenfels begibt sich des Gerichts auf diesen Gütern. Am 13. April 1344 verleiht der Eichstätter Bischof Albrecht von Hohenfels dem Kloster Pielenhofen die in der Herrschaft Helfenberg gelegene Pfarrei Wiesenacker. Bisher stand dem gestrengen Ritter Heinrich von Ehrenfels, gesessen zu Helfenberg, das Patronat zu. Am 24. April verzichtet er auf dieses ihm zustehende Recht zu Gunsten des Klosters Pielenhofen, wozu auch seine Gemahlin Adelheid die Einwilligung gibt. Aus dieser Hergabe haben sich allerdings sehr bald Zwistigkeiten ergeben. Das Kloster hatte nämlich den Kirchensatz zurückgegeben, worauf Heinrich am 13. Mai 1345 nochmaligen Verzicht beurkundete und 300 Pfund Pfennige zu bezahlen versprach, so er die Schankung je anfechten würde. — Heinrich hinterließ 2 Söhne Peter und Johann. Johann heiratete 1358 Dorothea von Wolfstein, die ihm 1000 fl. zubrachte. Peter und Hans waren besonders dem Kloster Engelthal zugetan. 1359 eignen dem genannten Kloster 3 Teile des Zehents zu Weizenhofen. Zu dieser Zeit lebten Ulrich der Probst und Ernst der Kuttenauer als Ehrenfelsische Diener auf der Burg Helfenberg. Mit Kastl gerieten die Ehrenfelser zu Helfenberg des öfteren in Streit. Besonders heftig gestaltete sich dieser im Jahre 1364, als das Kloster Kastl und die Ehrenfelser bezüglich des Besitzes der Mitter– und Göhrenmühle zu Wiesenacker in Streit gerieten. In den folgenden Jahren scheinen die Ehrenfelser in weitere Bedrängnis gekommen zu sein. Am 11. November 1368 verkauften Peter von Ehrenfels und seine Gemahlin Ibilis ihren Hof zu Krondorf um 120 Pfund Heller. 1370 verkauft Hans der Ehrenfelser seinen Hof zu Allertshof bei Helfenberg. Am 15. August 1370 verpfändete er seinen Anteil sn der Feste Helfenberg nebst den Kirchensätzen zu Lengenfeld und Günching um 1046 Pfund Pfennige an den Pfalzgrafen. Da den Ehrenfelser die Verpfändung scheinbar nicht befriedigt hatte, trug er noch im gleichen Jahr noch seine Burg der Krone Böhmen auf und erhielt sie aus den Händen Königs Karl IV. als Lehen wieder zurück.

Böhmen brachte wenig Segen in den zerrütteten Haushalt der Ehrenfelser. So war Hans genötigt am 15. August 1373 seinen Teil an Helfenberg, nämlich den Hag, den Berg mit den Vorhöfen zu Helfenberg nebst dem Anteil an den Zugehörungen zu Guntzenhofen, Plankenstein, Heilsberg, ein Hof zu Neusezz (Neuseß), einen Teil an dem Hofe zu Bernlach, einem Hof zu Lengenfeld, den Zehentanteil zu Teysenpaur, Petzersberg, Harungshofen, die Vogtei zu Oberwiesenacker an den Pfalzgrafen zu verkaufen. Peter machte es wie sein Bruder Hans und verkaufte gleichfalls an den Pfalzgrafen seinen Anteil an den besagten Besitzungen. Hans starb alsbald. Der Pfalzgraf zahlte der Witwe Anna Marschalk von Bibrach für ihre Ansprüche 1000 fl, 1380 folgte auch Peter seinem Bruder im Tode nach. — Helfeberg wurde als Eigentum der Pfalzgrafen von Pflegern verwaltet. Als solche sind uns beurkundet: 1403 Conrad von Rohrenstadt, 1404 Erhard von Rohrenstadt,, 1423 Conrad der Pöllinger, 1440 Wolf von Eglhofstein, 1446 Nikl Wiggelin, 1457 Georg der Pöllinger, 1496 Heinrich Hausner, 1500 Chrstoph von Haidenburg, 1511 Hans von Thanhausen, 1527 Wilhelm Hausner, 1530 Hans von Thanhausen, 1551 Hans von Thanhausen, 1565 Christoph von Freudenberg, 1590 Johann Carl von Botzheim, 1601 Andre Stockmann, 1620 Christoph von Bischofsheim, 1626 Johann Seitz, Pflegsverwalter. — Am 30. September 1630 kommt die Herrschaft Helfenberg an den Feldherrn Grafen Tilly. Kurfürst Max I. von Bayern belohnte die Verdienste des Grafen durch Übertragung der Herrschaften Breiteneck, Hohenfels und Helfenberg. Tilly selber war nie auf Helfenberg und hat das prächtige Schloß nur einmal aus der Ferne gesehen, als er von Neumarkt nach Amberg eilte. Am 30. April 1631 starb Tilly und sein Bruder Werner, der am 12. Februar 1635 zum Reichsgrafen erhoben wurde, trat das Erbe an. Dem Werner folgte 1651 Ernst Emmerich, diesem 1694 Ferdinand Lorenz von Tilly, der 1724 als der letzte seines Stammes starb. Seine Schwester Maria Anna Katherina brachte Helfenberg ihrem Gemahl dem Grafen von Montfort zu. Nach ihrem Tode — die Grabschrift bei den Karmeliten zu Straubing trägt als Todesjahr 1746 — 1744 fiel die Herrschaft den Freiherrlichen Vettern Xaver von Haslang und Georg Sigmund von Henneberg zu. Haslang nahm für seinen Anteil 25000 fl. Mit Kajetana von Hegnenberg erheiratete 1782 der Freiherr Xaver von Seibolsdorf die Herrschaft Helfenberg. 1793 löste der Bayerische Staat die Herrschaft um 67000 fl. ein und verkaufte das unter Tilly 1699 abgebrannte und in herrlicher Pracht wiederaufgebaute Schloß im Jahre 1807 um den Spottpreis von 2420 fl. auf Abbruch, eine unglaubliche tat des Bayerischen Staates. Am Abend vor dem zum Abbruch bestimmten Tag gab es auf dem Schloß ein großes Bankett mit Ball, von dem sich das Volk lange Zeit vieles zu erzählen wußte. Im Schloßhof stand das Bildnis des Feldherrn Tilly. Der Gerichtsbezirk Helfenberg wurde 1793 zum Gericht Pfaffenhofen gelegt.



 Pfleger seit Tilly waren: 1640 Johann Friedrich Keilholz, 1665 Johann Meiller, 1675 Johann Panzer, dessen Erkrankung die Veranlassung zur Errichtung der Wallfahrt Habsberg gab, 16911 Johann Velhorn, 1718 Winter, dem Wirsing und Lang folgten. 1730 Kleber, 1749 Johann Kleber, 1768 Mathias Winter, 1769 Paul Knebel, 1772 Johann Neumeier, 1776 Michel Hellzart, 1790 Wilhelm Strasser.
 Die Helfenberger führten als Wappenschild ein weißes Mittelschild in rotem Felde. Ihr Begräbnis hatten sie im Kloster Kastl. Die Ehrenfelser zu Helfenberg wurden im Kloster Pielenhofen begraben.

Sonntag, 1. Mai 2016

Wettlauf um den Malefizer



Zur Martersäule vor Raitenbuch
Von Dr. Hans Ammon

Am 7. Oktober 1583 — lang, lang ists her! — war ein großer „Augenschein" im kleinen Kirchdorf Rackendorf bei Parsberg angesetzt, um gewisse Zehntsachen für das Kirchlein S. Moritz zwischen den einzelnen Herrschaften an Ort und Stelle zu erkunden und zu schlichten.
Bei diesem „ Augenschein" wurden elf Untertanen der verschiedenen Herren einvernommen, darunter auch der achtzigjährige Georg Kamerl (?).

Er gab zu Protokoll:

Sei nun bei achtzig Jahren und wohne in Dettenhofen unter der Velburger Herrschaft. Vor 55 Jahren (also 1528!) habe er zwei Jahre lang einen Zehnten im Bestand gehabt, weil er damals zu Rackendorf wohnte. Diesen Zehnten mußte er nach Willenhofen auf das geistliche Kastenhaus liefern. Georg Aichamer, der alte, sei damals Zehntprobst und Wirt in Willenhofen gewesen. Er selber wisse nun nicht mehr, wieviel sein Zehnt betragen habe. Doch sei ihm noch bewußt, daß der Zehnt nach dem Kirchlein S. Moritz gehörte und aufs Schloß Lupburg. Er sei in Raitenbuch geboren; dort habe eine Marter gestanden, und er habe noch von seinem Vater gehört, der erzählt habe: Wann eine Malefiz (böse Tat) sich begeben, seien zwei Boten (aus Raitenbuch), der eine auf 1 Stunde gen Velburg und der andere gen Hohenfels geschickt worden. Die Malefizperson wurde unterdes an die Säul (Marter) gebunden. Wer eher kommen (Herrschaft aus Velburg bzw. Hohenfels), hab sie (die Malefizperson) genommen . . . "

Martersäule Raitenbuch


Der Bericht des alten Mannes ist aufschlußreich. Das vielumstrittene Grenzgebiet — zwischen Kurpfalz/Hohenfels und Parsberg/Lupburg, auch Velburg/Wißbeck und Jungpfalz — hatte dort diese eigentümliche Regelung getroffen, und man sieht die Narrenkappe und hört die Narrenschellen dran bei diesem Wettlauf um den Malefizer, wie man noch im alten Frankenland sagt. Die wohl schönste Martersäule aus dem Mittelalter in jener Juragegend steht noch heute fast am gleichen Ort und Kreuzweg, nur ein paar Schritte von der nun asphaltierten Straße entfernt, etwas erhöht in einer Wiese vor Raitenbuch — 1420 errichtet am Kreuzweg Hohenfels/Lupburg und Beratzhausen/ Velburg. Die alte beliebte Darstellung des Herrn am Kreuz mit Maria, seiner Mutter, und Johannes, seinem Lieblingsjünger, in Stein gemeißelt und mit gotischer Schrift! versehen, erfreut auch heute den Wanderer und Fahrer; denn es ist ein Kleinod unter seinesgleichen und man denkt ans alte Flandernlied: „Manch Kreuz am Wegesrande erglüht im Abendrot!"

Aber der berichtete Wettlauf der beiden Herrschaftsboten hat ja nur Humor – grimmigen Humor! — für die Boten und Herrschaften und gaffenden Leute, nicht für den Malefizer am Marterl dort! „Wer eher kommen, hat ihn genommen!" So berichtet der alte Mann, der seine acht Jahrzehnte ganz im tollen 16. Jahrhundert hat leben müssen. Ob er noch einen solchen Wettlauf miterlebt hat? Raitenbuch und die Mark seiner Herrschaft war ja nicht allzugroß, und Malefizer gabs wohl nicht gerade im Dutzend. Immerhin: man war im Wettlauf einig auch bei solcher bösen Sache! Freilich möchte man wissen, was der Mann am Kreuz — an der ersten Marter der Weltgeschichte und Christenheit — von solchem grimmigen Humor und Wettlauf zweier christlicher Herrschaften um die Aburteilung eines schuldigen Menschen — in seiner Erhöhung gedacht hat! War da nicht in einer bösen Weise seine eigene Passion unter Pontio Pilato, Hannas und Kaiphas und Herodes mitbetroffen und wiederholt?

Martersäule Detail
Er war ja an der ersten Martersäul gewesen . . . man lese nur wieder seine Passion im Zusammenhang, und er hing zwischen zwei Malefizern seines Volkes bis zuletzt. Und was er seinen wütenden Anklägern aus dem Hohen Rat bezeugte mit dem Kreuzeswort: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" galt das nicht auch hier beim grimmigen Wettlauf um Malefizer aus Raitenbuch und Umgebung?

Nun, auch dies ist vorbei, der Wettlauf um den Malefizer dort. Aber das Marterl steht standhaft, mahnend, beschwörend auch den Menschen von heute, am Kreuzweg dort im Juraland. Die Malefizer dort werden wie anderswo im Bayernland und Westdeutschland behandelt, ohne Eifersucht der Herrschaften, ohne grimmigen Wettlauf ums Vorrecht der Aburteilung! Auch das ist doch ein Fortschritt gegen früher. Und am meisten würde sich Raitenbuch und sein Umland und der Herr an der ersten Martersäule — nun erhöht über der grimmigen Menschenrede! — freuen, wenn die böse Malefiz überhaupt absterben und aussterben könnte in Herz und Hand der Menschen! Aber bis dahin laßt uns gemeinsam bitten und beten: „All Sünd hast Du getragen, sonst müßten wir verzagen! Erbarm Dich unser, o Jesu!"
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Quelle: Staatsarchiv Amberg, Neuburger Abgabe 1911, Nr. 12809.
Aus: "Die Oberpfalz", 1971

Samstag, 30. April 2016

Auf der Marterwiese zu Tode gemartert

Vom traurigen Ende eines Pfaffenreuther Bauern
Von  Alfred  Frank

Selbst im letzten Abschnitt eines dreißig Jahre währenden Krieges kamen die Menschen des Sechsämterlandes und der Oberpfalz nicht zur ersehnten Ruhe. Wieder und wieder zogen Soldatenhaufen durch die Gegend, forderten Unterkunft und Verpflegung und nahmen sich schließlich ungefragt das Gewünschte, wenn sich ihnen die Tore der Städte und Märkte nicht sogleich öffneten. Eine langjährige Erfahrung im Umgang mit den mehr und mehr nur noch von Raub und Plünderungen lebenden Landsknechten hatte aber auch Bürger und Bauern gehärtet, und oft wurde der Gewalt mit Gewalt begegnet, falls die fremde Obermacht nicht zu groß erschien.

In den ersten Monaten des Jahres 1645 hielten sich wiederum kaiserliche Abteilungen im Egerland und in der Oberpfalz auf. Zehn Reiter lagen nun bereits wochenlang im Markte Redwitz, mußten verpflegt und dazu noch mit Geld versehen werden, wenngleich sie beauftragt gewesen sein mochten, den Ort gegen weitere Einquartierung und Gewaltanwendung zu schützen. Doch wußten die kaum erfreuten Bürger nur zu gut, wie fragwürdig ein solcher aufgezwungener Schutz stets war. Nun näherten sich am 14. Mai etwa 140 Reiter dem Markte, nachdem sie drei Tage lang zu Arzberg, Seußen und  Korberdorf gelegen hatten. Sie begehrten zwar nicht, im Markte selbst unterzukommen, weil ihnen dies von seiten ihres in der Stadt Eger liegenden Befehlshabers untersagt worden war, aber sie verlangten dafür, im nahen Pfaffenreuth untergebracht zu werden.



Bürgermeister und Rat des Marktes gaben nach längeren Beratungen erst dann hierzu die Erlaubnis, als die Soldaten erklärt hatten, daß sie nachtsüber "auf der Peint stehen bleiben wollten". Die Reiter konnten sich also zu Pfaffenreuth einlegen, es sollten jeder aber nur Bier und Brot, den Pferden bloßes Gras und kein Getreide verabreicht werden. Lediglich für den "Kapitainleutnant, der sie führte, sollte etwas (Verpflegung) in die Küche kommen". Einer der Berittenen, wohl ein besonders unternehmungsfreudiger Geselle, hatte sich hernach aber vom Haufen abgesondert und "ist bei dem Tor hinterblieben". Die Verbindung mit den zehn schon länger zu Redwitz liegenden Reitern war schnell hergestellt, sie kamen zu ihm vor das Badtor hinaus, brachten reichliche Mengen an Bier mit, womit sie ein Gelage hielten, daß sie bald alle toll und "vollgesoffen" waren. Endlich verlangte der sich immer wilder gebärdende Landsknecht, ebenfalls in den Markt eingelassen zu werden, doch da der kommandierende Kapitänleutnant Strenge Order gegeben hatte, keinem seiner Leute das Marktstor zu offnen, wies ihn auch der Redwitzer Richter Sebastian Schmidt schroff und unmißverständlich ab. Dies machte freilich böses Blut, die Redwitzer Schutzgarde stellte sich auf die Seite ihres Saufkumpans und forderte dessen Einlassung. Einer drang mit blankem Säbel auf den Richter ein, und ein zweiter richtete sogar das scharfgeladene Gewehr auf diesen. Der Tumult lockte eine große Anzahl Bürger herbei und keineswegs aus bloßer Neugierde, sie wollten vielmehr ihren sehr geschätzten Richter schützen und gingen mutig gegen die Soldaten vor. Das mußte freilich die Lage nur noch verschlimmern, das Getümmel wurde größer und größer, und die elf Reiter, "die alle blind voll waren", spannten nun sämtlich ihre "Corbiner und Röhr" und zogen die "Hannen" über, daß die Sache "bald gefährlich ausgeschlagen" wäre. Schließlich gelang es den verbitterten und recht mutigen Bürgern aber doch, wenn auch "mit großer Gefahr", zwei der Reiter zu entwaffnen und in den Markt hereinzuziehen, den üblen Störenfried aber hinauszudrängen und das Tor hinter ihm abzuschließen.

Allerdings vermochte niemand zu ahnen, daß dieser wilde Geselle, der sich nun endlich auf den Weg zu seiner Truppe nach Pfaffenreuth begab, in dieser Nacht noch ein völlig unschuldiges Menschenleben vernichten würde. Unterwegs traf der seiner Sinne nicht mehr mächtige Reiter bei der "Marterwiese" zwischen Pfaffenreuth und Dörflas den Bauern Jakob Schmiedel von Pfaffenreuth, der nach Redwitz unterwegs war, für seine ihm aufgenötigten Gäste Bier zu besorgen. Er fiel ihn sogleich mit barschen, unflätigen Worten an, befahl ihm niederzuknien und vor seinem Tode noch rasch ein Vaterunser zu beten, da sein letztes Stündchen gekommen sei. Er hob auch bereits das Rohr und legte auf den zum Tode erschrockenen Mann an. Es versagte aber die Waffe,oder der Reiter verstand in seiner Trunkenheit nicht mehr damit umzugehen, und da zudem der Bauer Schmiedel der Aufforderung, niederzuknien, nicht folgte, vielleicht sogar eine drohende Haltung gegen den Landsknecht einnahm, schlug dieser in sinnloser Wut mit seinem Gewehr und hernach noch mit der Pistole immerzu auf den armen Mann ein. Ja, er stieß ihn zuletzt noch mit dem Gewehrkolben heftig und richtete den Bedauernswerten derartig zu, daß dieser schwerverletzt zu Boden stürzte. Dies reichte aber dem Wüstling noch keineswegs; mit dem Pferde sprengte er zuletzt noch "vielmals" über seinem Opfer hin und her, bis dieses endlich "mit dem Hufeisen erbärmlich zertreten" war. Jetzt erst war des kaiserlichen Reiters Mordgier gestillt, und ohne sich nach dern Schwerverletzten umzusehen, setzte er seinen Ritt nach Pfaffenreuth fort.


Keine Menschenseele weit und breit, nur eine unheimliche Stille lastete über der einsam gelegenen Wiese. Langsam kam der Bauer wieder zu sich. Trotz der schweren Wunden und starken Schmerzen gelang es ihm, sich aufzurichten. Mit letzter Kraft schleppte es sich nach Dörflas, wo er zusammenbrach. Der herbeigerufene Bader verband die zahllosen Wunden und stillte, so gut es ging, das Blut. Gerne erfüllte er des Sterbenden Bitte, "sein arm Weib und Kind" herbeizurufen. Die nächsten schweren Stunden verbrachte er in sichtlichem Todeskampf " und ist dann gegen den anbrechenden Tag, eben am Heiligen Himmelfahrtstag, ohne allen Zweifel selig verschieden und mit Christo zu Himmel gefahren, nachdem er vorhero uff der Marterwiesen genugsam abgemartert worden" war. So steht in der Hauschronik des Bürgermeisters Georg Leopold vorn Markte Redwitz zu lesen.

Noch während Bauer Schmiedel mit dem Tode rang, meldete Marktsrichter Sebastian Schmidt das grauenvolle Verbrechen dem Kapitanleutnant nach Pfaffenreuth und ließ ihn bitten, "daß er über den Täter Justiz wolle ergehen lassen, damit die Rache, um welche das unschuldige Blut rufet, ihn selbst nit ergreife". Der zweifellos ehrenwerte kaiserliche Offizier vernahm die Meldung mit sichtlicher Bewegung und erbot sich, nach dem Mörder forschen zu !assen, da er zunächst nicht aufzufinden war. Auch versicherte er dem Richter, sobald er ihn erlangt haben würde, ihn, den übrigen zum Abscheu, abzustrafen. Tatsächlich schickte er bereits nach Mitternacht einen Reiter in den Markt mit der Nachricht, daß "er den Täter ertappet" habe. Man möge ihm mitteilen, ob diesen der Marktsrichter selbst haben" und sein Recht (an ihm) tun lassen wolle oder ob er, der Kapitänleutnant, ihn nach Eger vor das Kriegsgericht stellen und liefern solle". Bis zum kommenden Morgen erwarte er die Erklärung. In aller Frühe stand der Offizier" mit den Völkern", d. i. seinen Reitern, bereits wieder vor dem Redwitzer Badtor und ließ auch  "den Täter mit sich gebunden führen".
Richter und Abgeordnete des Rats  wurden gerufen, damit man verhandeln konnte. Schließlich einigte man sich dahin, daß der Mörder nach Eger gebracht werden und man dort "das Standrecht über ihn ergehen lassen" sollte. Der Kapitänleutnant versprach dieses "teuer" und erklärte  sich auch bereit, dafür zu sorgen, daß des Gefangenen "Geld, Pferd und Kleidung dem armen Weib und Kind ohne Falsch redlich zugestellt" würden.

Ganz bestimmt hatte es der Reiteroffizier ehrlich gemeint und auch alles in seinen Kräften stehende getan, die verbrecherische Tat gerecht zu sühnen. Aber das Kriegsgericht in Eger und womöglich auch die höheren Befehlshaber der Abteilung scheinen nur geringen Ernst in dieser Sache gezeigt zu haben; denn wie wir durch die Feder Georg Leopolds erfahren, blieb nicht allein der Mörder am Leben, auch die Angehörigen des erschlagenen Jakob Schmiedel gingen völlig leer aus, und "ist also in allem nichts erfolgt".

Der Wagen, der von Redwitz aus nach Eger geschickt worden war, die versprochenen Gegenstände - Pferd, Kleidung und Geld des Täters - abzuholen, kehrte wieder leer zurück. Die zehn Reiter aber, die der Redwitzer Bürgerschaft so viel Ungelegenheit bereitet hatten und die an dem Verbrechen doch zumindest indirekt schuld waren, sollten auch fernerhin Bürgermeister und Rat ziemliche Sorgen bereiten. Zwar wurden sie noch am Himmelfahrtstag (15. Mai) durch ihren Vorgesetzten, Oberstleutnant Franz Schneider, nach Eger zurückbeordert, doch sollte zuvor ein jeder 16 gute Taler, zusammen 160 Stück, aus der Marktskasse empfangen. Man wehrte sich energisch gegen diese Zumutung, ging dann auf 120 Taler herunter, aber als selbst diese Summe nicht flüssig zu machen war, sollten sich die Reiter, die ja eigentlich eine Schutzgarde bildeten, mit rund 28 Gulden begnügen. Da verlangten sie zusätzlich soviel Vieh, daß zuletzt der geforderte Betrag von 160 Talern gedeckt wäre. Dies versuchten aber die Marktsväter dadurch zu verhindern, daß sie zwei Bürger mit nach Eger schickten, um dort weitere Verhandlungen zu pflegen. Am 16. Mai verließen die zehn Reiter den Markt. Freilich erfüllten sich die auf eine Herabsetzung der Geldforderungen gesetzten Erwartungen in Eger nicht. Man wollte sich auf keinen Nachlaß verstehen, so daß die beiden Redwitzer Abgesandten nichts anderes tun konnten, als die restlichen 92 Gulden "bei einem Juden aufzunehmen".

Übrigens kehrte bald hernach die aus zehn Reitern bestehende Schutzgarde nach Redwitz zurück. Nur ließ man sie zunächst nicht durch das Untere Tor ein, da sie keine schriftliche Order vorzeigen konnte. Erst als man sich zu Eger vergewissert hatte, daß es damit seine Richtigkeit habe, mußte den Reitern das Tor geöffnet werden. Der ausgeschickte Eilbote brachte noch eine weitere unangenehme Andeutung mit, daß man von Eger aus ganz gerne noch weitere Soldaten zum Schutze des Marktes bereitstellen würde. Darauf verzichteten allerdings die Marktsväter mit höflichem, aber entschiedenem Dank, so daß es dann bei den ersten zehn Reitern verblieb.

Dienstag, 26. April 2016

Nordgau und Oberpfalz



Nordgau und Oberpfalz
als Reichsländer und Territorialstaaten*

Von Professor Dr. Karl Bosl

Das Thema meines Vortrages ,,Nordgau und Oberpfalz als Reichsländer und Territorialstaaten", der den 21. Bayerischen Nordgau einleiten soll, bringt mich etwas in Verlegenheit, wenigstens als Wissenschaftler. Ich vermute nämlich, daß im Urnordgau, das heißt im Raum zwischen Ingolstadt, Nürnberg und Regensburg noch niemals ein Nordgautag stattgefunden hat; ich meine, daß dies ganz zu recht geschehen ist, weil in dem bezeichneten Gebietsdreieck heute ein Nordgaubewußtsein nicht mehr lebendig ist. Jedoch soll man der historischen Wahrheit = Wirklichkeit willen nüchtern feststellen, daß der Raum, den man heute als "Nordgau" bezeichnet und in dem die Nordgautage stattfinden, erst später mit diesem Namen belegt wurde, deshalb auch nur sekundär alter bayerischer Nordgau genannt wird. Selbstverständlich ist nicht zu bestreiten, daß der Nordgau, so wie man ihn heute gemeinhin versteht, der auch zumeist mit der heutigen Oberpfalz identifiziert wird, altbayerisches und stammesbayerisches Land ist. Dafür zeugen eindeutig Sprache und Siedlung. Aber das gilt nicht für die politisch- herrschaftsgeschichtliche Entwicklung des Landes, das wir heute amtlich Oberpfalz und auch Nordgau nennen. Ich stelle mit Freuden auf der politisch-parlamentarischen Bühne Münchens fest, daß seit einem Jahrzehnt sich das Oberpfälzische und die Oberpfälzer im Rahmen des Bayerischen kraftvoller zu rühren und stärker zu artikulieren begonnen haben. Diesem geweckten und autonomen politischen Selbstbewußtsein der Oberpfälzer sollte und dürfte es nicht unangenehm sein, wenn ihm der historische Forscher sagt und beweist, daß dieses Land vor 1268 mit Ausnahme seines Südteiles nicht zum bayerischen Stammesherzogtum und auch nicht zur frühen Landesherrschaft der Wittelsbacher gehört hat, sondern daß es seine selbständige Geschichte im Rahmen des Frankenreiches und des Deutschen Reiches bis zum Untergang der Staufer hatte und daß es auch anschließend nur zwischen 1268 und 1329 territorial zum altbayerischen Landesstaat und dann von 1329 bis 1628/9 auf Grund des wittelsbachischen Hausvertrages von Pavia (1329) zur Pfalzgrafschaft bei Rhein und dem Landesstaat der Rudolfinischen Linie der Wittelsbacher gehörte.

Der Nordgau
Der alte Nordgau hatte und hat also seine eigene Geschichte, er war weitgehend Reichsland und Königsterritorium vor allem in Salier- und Stauferzeit bis 1268. Wenn heute der österreichische Staat eine große Babenberger-Ausstellung im niederösterreichischen Stift Lilienfeld eröffnet und damit das tausendjährige Gedächtnis des Herrschaftsantrittes der fränkischen Babenberger von Schweinfurt als Markgrafen der Ostmark 976 feierlich begeht, dann konnten Oberpfalz und Nordgau fast gleichwertig dabei mithalten und mitfeiern, weil ungefähr zur gleichen Zeit oder etwas früher die gleichen fränkischen Babenberger von Schweinfurt von dem Ottonenkaiser zu königlichen Kommissaren auf dem bayerischen Nordgau bestellt wurden. Die löbliche Bayerntreue der Oberpfälzer hat verhindert, daß sich ein stärkeres oberpfälzisches Geschichtsbewußtsein entwickelt hat, denn würde es dies geben, dann würden die Oberpfälzer vielleicht gar nicht verwundert feststellen, daß sie ebenfalls mit den großen württembergischen Stauferfeiern unserer Tage mittun könnten, weil die Oberpfalz seit Barbarossa und besonders seit dem Aussterben der Grafen von Sulzbach ein Glied der großen staufischen Reichslandpolitik zwischen Nürnberg, Eger und Altenburg in Sachsen gewesen ist. Das aber war nicht zuletzt die historische Folge davon, daß der große Salierkaiser Heinrich III. im Zuge der Konsolidierung der Ostgrenzen des Reiches gegen Böhmen und Ungarn auf dem bayerischen Nordgau die kleinteiligen und wohlorganisierten Königsmarken Cham und Nabburg errichtete und damit für unser Land die erste sichere und belegbare größere Herrschafts- und Verwaltungsorganisation schuf. An ihrer reichischen Geschichte kann die Oberpfalz nicht mehr länger vorbeigehen, sie macht den individuellen Sondercharakter dieses historischen Raumes mindestens bis 1268, wenn nicht bis in das 17. Jahrhundert aus. Diese Feststellung kann die Bajuwarizität der Oberpfalz gar nicht stören und auch nicht die bekannte oberpfälzische Anhänglichkeit an den bayerischen Stamm und den bayerischen Staat; denn diese ist fest in Sprache, Volkstum, Siedlung und Kultur begründet. In einer Zeit, in der es um die Erhaltung von Identität und Individualität geht, darf man dieses oberpfälzische Sonderwesen und seine Eigenart nicht unbeachtet und ungenutzt lassen. Aus diesem Grunde habe im mein Thema gewählt und lade Sie ein, mit mir einen kurzen Blick in die historischen Grundlagen der oberpfälzischen Art und Entwicklung zu tun, die einen besonderen Wert und historische Individualität besitzen.

Eine umfassende historische Analyse der oberpfälzischen Geschichte kann sich nicht einseitig an der großen Herzogs-, Königs-, Kaiser- und Reichsstadt Regensburg, diesem ehrwürdigen alten Zentrum von Herrschaft, Wirtschaft, Geist, Kunst, Kultur orientieren, auch nicht am Stammland der Bayern, sondern muß sich auch nach Westen und Südwesten orientieren und den Anschluß an das Frankenreich herstellen, dessen Teilgebiet ja auch das fürstliche Herzogtum der Agilolfinger des 6.– 8. Jahrhunderts war. Der bayerische Urnordgau und seine beiden wichtigsten Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen, die dieses Gebiet flankierten, begegnen zuerst in den Händen des fränkischen Hausmeiers Karl Martell, gehen dann in agilolfingische Hände über und werden bei der Absetzung Tassilos III. 788 von Kaiser Karl dem Großen wieder zurückgenommen. Die beiden Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen im Lauterachtal müssen vor 740 Stützpfeiler einer fränkisch-karolingischen Auffangstellung und Ausgangsposition zwischen Donau, Jura, Pegnitz, fränkischem Keuperwald und Ries gewesen sein und auch so verstanden werden. Die beiden Höfe liegen auf dem Nordgau, der ein Teil von Bayern war, das als fränkische provincia bezeichnet wird. Dieser Name hat sich erst später mit zunehmender Besiedlung und herrschaftlicher Organisation ostwärts verlagert und wurde eigentlich erst im 11. Jahrhundert die Bezeichnung für das Gebiet, das wir heute die zentrale Oberpfalz nennen. Für die Grenzen des alten Urnordgaus sprechen die Tatsachen, daß 1. noch später in den Quellen die salische Reichsburg und spätere Königsstadt Nürnberg "auf dem Nordgau" liegt, daß 2. das weiter westlich situierte Fürth zwar im fränkischen Radenzgau sich befindet, aber in Grenzlage zum nordgauischen Raum um Nürnberg "Am bayerischen Nordgau" liegt 3. der alte Königshof und die spätere Reichsstadt Weißenburg am Sand. Die Hauptflußachse dieses Nordgaus war die Altmühl, seine Grenzflüsse aber waren die Donau im Süden und die Lauterach im Nordosten.

Gerade dieser Raum war 805 auch die Operationsbasis für die Böhmenfeldzüge Karls, des Sohnes des großen Karl. Doch büßten die beiden villae dominicales = Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen schnell ihre Bedeutung und Funktion ein, als nach 817 unter dem später ostfränkischen König Ludwig dem Deutschen, dem Sohne Kaiser Ludwig des Frommen, sich die ostfränkische Herrschaft sehr intensiv auf Regensburg konzentrierte, das unterdessen audi "sedes ac metropolis ducatus Bavariae" (Sitz und Hauptstadt des Herzogtums Bayern) genannt wurde. Seit Anfängen aber war Bayern ein ducatus = Grenzprovinz und eine provincia = Verwaltungsgebiet des Frankenreiches gewesen; die Worte ducatus und provincia entstammen dem Vokabular der römischen Reichsverwaltung, die die Franken für die von ihnen besetzten früher römischen Provinzialgebiete übernahmen. Bayern war eine Grenzprovinz und Provinz des Frankenreiches und war es noch im 9. Jahrhundert ohne und mit Agilolfingern, die fränkischer Abstammung waren, eine autonome, fürstengleiche Stellung im 8. Jahrhundert einnahmen und damals Herzöge in Bayern und Alemannien zugleich waren. Von Regensburg aus wurde seit der Besiegung der Awaren die große ostfränkische Politik und Expansion gegen Böhmen, das Großmährische Reich, gegen Pannonien = Ungarn und gegen Karantanien betrieben.

Der Königs- und Reichsgutscharakter von Ingolstadt ist belegt durch die Vergabe von Teilen des Gutes von Reichsklöstern, so an Niederalteich, Niedermünster in Regensburg und auch das Reichskloster Metten an der Donau. Nördlich anschließend bis zum Ries wurden das bonifatianische Großkloster Fulda sowie das Adels- und Reichskloster Lorsch an der Bergstraße mit reichem Besitz aus Königsgut ausgestattet. In diesem Raum nördlich der Donau aber hatte das fränkische Bistum Eichstätt die zentrale Position; seine Südgrenzen bildeten auch Donau und Sandrach bei Ingolstadt. Hier ist die Feststellung wichtig, daß ein breiter Streifen Landes nördlich der Donau vom Ries bis Passau und hinein in das niederösterreichische Waldviertel mit seinen Forsten und Wäldern Königsland war, das den Pfalzen, Königshöfen und Reichsklöstern im Stromtal zugeordnet gewesen sein muß. Diese um Königspfalzen - auch Ingolstadt hatte Pfalzcharakter - Königshöfe und Reichsklöster aufgebaute Herrschafts- und Siedlungsorganisation um die Donau und nördlich des Stroms ist durch den letzten Sachsenkaiser Heinrich II. aufgelöst und in großen Teilen an sein neugegründetes Reichsbistum Bamberg geschenkt worden. In der karolingischen Reichsordnung von 817 aber lesen wir, daß die Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen Königsdienste zu leisten, also den reisenden Hof, seine Kommissare und seine Heere zu verpflegen hatten.

Anfang des 11. Jahrhunderts erscheint im gleichen westlichen Raum in den Quellen die Nordgaugrafschaft des Berengar, die sich im 12. Jahrhundert zur Grafschaft Hirschberg weiterentwickelte, ihr Rechtsnachfolger wurde im 14. Jahrhundert das kaiserliche Landgericht Hirschberg, das südwärts wieder zur Donau reichte, das auch Ingolstadt einschloß, das im Westen die alte Stammesgrenze zwischen Bayern und Schwaben erreichte, nördlich das Burggrafenamt Nürnberg streifte und im Osten durch die Schwarze Laber bis zu deren Mündung in die Donau begrenzt wurde. Offenbar hat sich also der alte Urnordgau der fränkischen Zeit bis zum kaiserlichen Landgericht Hirschberg in den gleichen Räumen kontinuierlich weiter entwickelt; die Donau war ja auch die Südflanke des Urnordgaus und dessen Südflanke wurde durch Ingolstadt gedeckt. Der Urnordgau war vermutlich reichisch-königliches Land. Die Ostgrenze des Urnordgaus und zugleich die Ostgrenze des Bistums Eichstätt bezeichnete der zweite Reichsort Lauterhofen, der an einem uralten Weg aus dem Maingebiet·zum Regen und zur Donau nach Regensburg lag. An dieser Straße lagen die fränkischen Königshöfe Forchheim, Fürth, Hersbruck und Lauterhofen; sie führte Lauterach- und Vilsabwarts zur Naab und nach Regensburg. Die östliche Diözesangrenze von Eichstätt war eine politische und strategische Linie. Ein Unterbezirk des Urnordgaus muß der pagus Uuestermannomarcha oder Uuestermann = Westermanngau gewesen sein, in dem die Orte Prünthal und Raitenbuch zwischen Lupburg und Hohenfels im Bezirksamt Parsberg und Bergmatting zwischen Regensburg und Kelheim lagen. Zur Zeit Karls des Großen hieß das von mir oben umschriebene Gebiet zwischen Ingolstadt und Lauterhofen allein Nordgau, wahrend das zur Regensburger Diözese gehörige Gebiet im Norden der Donau dagegen zum Donaugau gerechnet wurde. Dieses vorgenannte Land aber hieß im Kapitulare Karls des Großen von 806 "pars Baivariae quae dicitur Northgow" und war mit dem Eichstätter Sprengel identisch.

Aus einer Stelle der Vita Wynnebaldi aus der 2. Halfte des 8. Jahrhunderts dürfen wir den Schluß ziehen, daß sowohl die südwestliche Oberpfalz bis zur Linie Premberg, Schmidmühlen, Lauterhofen wie auch das Vilstal bis in das Amberger Becken und das Naabtal bis Nabburg damals siedlungsmäßig erschlossen waren. All das aber zwingt endlich zur Aufgabe der These Michael Doeberls, die er erstmals in seiner Habilitationsschrift vorgetragen hat, daß es nämlich eine Markgrafschaft auf dem bayerischen Nordgau oder eine Böhmische Mark gegeben habe. Für ein solches Gebilde gibt es keinen quellenmäßigen Beleg. Dazu gehört auch die Feststellung, daß auf dem nördlichen Donauufer selbst in nächster Umgebung Regensburgs im 8. und 9. Jahrhundert nur ganz wenige Orte bezeugt sind. Es sind dies Premberg und Lauterhofen, Etterzhausen an der Naab, Beratzhausen an der Laber, Pfraundorf, Prünthal, Raitenbuch und Degerndorf zwischen Parsberg und Hohenfels, Kuntsdorf (= Königsdorf) bei Premberg, Allersburg an  der Lauterach und Berching an der Sulz. Wenn wir dazu mit Hans Dachs die Ortsnamen als Leitfossile der Besiedlung dieses Landes befragen, so stellen wir fest, daß Ortsnamen mit dem Grundwort -ing, die dem 8. Jahrhundert zugehören, gehäuft nur im Chamer Becken auftreten, zahlreicher auch im Altmühltal bis Eichstätt hinauf und in einigen Seitentälern der Altmühl vereinzelt; dazu kommt noch eine geschlossene Gruppe zwischen Amberg und Nabburg und Schwarzenfeld. Ausbau und Kolonistensiedlungen und ihre Namen mit den Grundworten heim, hofen, hausen, die auch dem 8./9. Jahrhundert angehören, schieben sich von Regensburg die Donaunebenflüsse nordwärts hinauf bis zu einer Linie, die von Hersbruck über Lauterhofen an das Regenknie bei Marienthal verläuft; der ganze Osten der heutigen Oberpfalz ist fast völlig frei davon. Das paßt auch zu der von Dachs festgelegten Linie Forchheim, Nabburg, Furth i. W., bis zu der die Siedlungsbewegung des 8./9. Jahrhunderts aus dem Süden verläuft. Schließlich fügt sich damit auch die philologische Feststellung zusammen, daß auch die Namensform der slavischen Namenbezeichnungen Perschen nahe Nabburg und Pfreimd in die Zeit zwischen 700 und 750 weisen. Daß die Oberpfalz genauso wie Ober- und Mittelfranken eine slawische Besiedlung hatte, deren erste Phase nach der slawischen Westbewegung seit 600 einsetzte, deren zweite Epoche durch die fränkische Staatskolonisation bewirkt wurde, ist zuletzt durch die Forschungen von E. Schwarz geklärt worden.

Die früheste Nachricht aus der südlichen Oberpfalz von heute stammt aus einer St. Emmeramer Urkunde von 819, die berichtet, daß die dem Domkloster St. Emmeram zu Regensburg unterstehende Zelle Chammünster gegenüber der Mündung des Chambflusses in den Regen vom vorletzten Agilolfingerherzog Otilo, also vor 748, mit reichem Grundbesitz ausgestattet worden sei. Die Grenzen dieses Besitzes wurden unter seinem Nachfolger Tassilo III. und wiederum 819 gegen wiederholte Übergriffe festgelegt. Das Klosterland, seinem Wesen nach ein forestis = Forst, lag zwischen dem Janabach und der Miltach. Wie die anderen beiden Klostergründungen Tassilos zu lnnichen im Pustertal und zu Kremsmünster in Oberösterreich hatte dieses Kloster am Chamb-Regen Zusammenfluß die Funktion einer Herbergs- und Verpflegstation der wichtigen Straße von Regensburg über den Further Paß nach Domaslice = Taus und Prag und ihrem Zusammentreffen mit einer anderen wichtigen Straße von Straubing über Stadevanga = Stallwang nach Cham. Im Chamer Becken haben wir auch ein dichtes Netz von alten -ing-Orten, die sich entlang des Regenflusses bis Regensburg fortsetzen, Zeichen eines guten Bodens und einer größeren Besiedlungs- und Bevölkerungsdichte. An der selben Linie reiht sich aber auch Krongut der fränkischen und deutschen Könige auf, das an das agilolfingische Gut anknüpft. Wir haben hier später die Königshöfe Nittenau, Roding, Cham. Das Reichsgut Nittenau wurde von Kaiser Heinrich II. 1007 an das neugegründete Bistum Bamberg geschenkt. Aus diesem Besitz schenkte Bischof Otto von Bamberg Güter an seine Klöster Prüfening (1109) und Ensdorf. Hier breiteten sich die großen Reichsforsten Nittenau, Rechart und Dürn aus, in denen die Bauern des Hochstifts rodeten. Roding trat erstmals 844 als Königspfalz in Erscheinung. Kaiser Arnulf von Kärnten gründete hier eine Pfalzkapelle mit Kollegialstift. Pertinenzen dieses alten Reichsortes und vermutlich ebenso des Reichshofes Cham waren die 1003 genannten Orte Dicherling und Zenzing, Hotzing, Scharlau, Posing, Au und Frieding mit dem Forst Eisenhart. Cham ist 976 als civitas und 1040 als castrum überliefert. Dieser Siedlung ist gleichzusetzen die Reichsburg Camma über den Chambfluß, zu der die heute Altenstadt genannte Siedlung und eine Georgskapelle auf dem Galgenberg gehörten. An der Südseite des Chamer Beckens lag der Alte Markt (= Altenmarkt), der 1135 und 1137 so genannt wurde, die Siedlung an der Stelle der heutigen Stadt Cham wurde 1210 erstmals als novum forum (= Neumarkt) im Gegensatz zum Alten Markt bei dem heute noch so bezeichneten Ort genannt. Zwischen Cham und Furth schenkte Kaiser Heinrich III. 1156 aus Reichsgut Besitz in Döfering, Schlammering, Grasfilzing, Grabitz, Furth, Kothmaissling, Degelberg, Großmannsdorf, Buchberg und Sichowa (abg. bei Furth); auch in Ballersdorf, Habersdorf, Michelsdorf verfügte der König über Besitz.
1n der Reichsteilung Karls des Großen von 806 wurde der Urnordgau aus Bayern, wie es Tassilo besaß, ausgegliedert und mit ihm die Reichshöfe Ingolstadt und Lauterhofen. Sein Sohn Pippin bekam das tassilonische Bayern, sein Sohn Karl aber neben anderem den Nordgau, der als "pars Baivariae" (Teil Bayerns) bezeichnet wurde. Zu Bayern gehörte auch die südöstliche Oberpfalz um Cham und am Regen. Bayern aber war selbst fränkische Provinz und seit 788 waren Urnordgau und Land am Regen fränkisch-karolingisch bzw. später reichisch-deutsch. So war es in der ersten Etappe südoberpfälzischer Geschichte bestellt und geworden.

Unter den Ottonenkaisern hebt in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts die zweite Phase an. Kaiser Otto I. mußte den widerspenstigen Luitpoldingern und wohl auch dem Hause seines Bruders Heinrich ein Gegengewicht in den fränkischen Grafen von Schweinfurt aus dem Hause der jüngeren Babenberger entgegenstellen. Er vereinigte darum das nördliche "Ostfranken" und den Nordgau als kommissarische Verwaltungsgebiete in babenbergischen Händen. Vermutlich um 950 übertrug der König an den Grafen Berthold die Grafschaften im Nordgau, wo er 945 im Dienste des Herrschers bezeugt ist; 960 und 973 waren in seinen Händen auch die ostfränkischen Grafschaften Volkfeld und Radenzgau; dazu kam noch die praefectura über das Königsgut Bamberg. Berthold begegnet mit dem Titel marchicomes, was ausdrückt, daß er mehrere Grafschaften vor der Grenze in seiner Hand hatte. Daneben ist die Feststellung wichtig, daß Bertholds Bruder Luitpold 976 die bayerische Ostmark im heutigen Österreich entlang der Donau zwischen Enns und Wienerwald übertragen erhielt und dazu auch noch die südöstliche Hälfte des Donaugaus (wohl bis Deggendorf) bekam. Der nordwestliche Teil des Donaugaus von der Kleinen Laber bis zum Regen aber kam an Graf Pabo, den Ahnherrn der königlichen Burggrafen von Regensburg, die am Ende des 12. Jahrhunderts ausstarben und im 12. Jahrhundert in die beiden Zweige der edelfreien Herren von Riedenburg und der Landgrafen von Stefling im Regental sich aufgegliedert hatten. Wenn wir nun sehen, in wieviele Grafschaften der Gewaltbezirk Heinrichs von Schweinfurt, des Sohnes unseres Berthold, nach seiner Erhebung gegen Kaiser Heinrich II. aufgeteilt wurde, müssen wir sagen, daß der Titel Markgraf, den diese hier amtierenden Babenberger hatten, eine bedeutsame Stellung vermuten läßt, die freilich mit einer Markgrafschaft auf dem Nordgau nichts zu tun hatte, die nicht belegbar ist. Im Gegenteil! Wir müssen annehmen, daß im 10. Jahrhundert die ostfränkischen Grafschaften und der Urnordgau, das Land um die mittlere Naab und vielleicht auch den Regen als großer königlicher Gewaltbezirk in den Händen der Babenberger von Schweinfurt vereinigt war.

Daraus erklärt sich dann auch am leichtesten, daß der zweite Salierkaiser den östlichen und mittleren Teil dieses Gebietes entlang der böhmischen Grenze als die Marken Cham und Nabburg organisiert hat, die wir als Form der Grenzsicherung und Grenzorganisation, als militärische Aufmarsch- und Etappenstellung zu verstehen haben. Solche Gebilde haben wir auch an der Westgrenze des Reiches sowie in Hessen und Sachsen. Zentrum solcher Marken (marcae) war eine Reichsburg. Funktion und Folge dieser Markenbildung auf dem nun ostwärts gerückten Nordgau war die herrschaftliche Organisation des ganzen Gebietes nördlich des Regen und östlich der Naab. Daß Kaiser Heinrich III. in diesem Land besondere Interessen hatte und es organisatorisch stärker gliedern wollte, geht vor allem daraus hervor, daß nun gerade im Nordgau Königsdienstmannen (servientes regis) mit Dienst- und Eigengut erscheinen. Daß im zurecht im 10. Jahrhundert Oberpfalz und östliches Franken als königliche Herrschaftseinheit ansehe, geht auch daraus hervor, daß Heinrich III. neben Cham und Nabburg in der Nordostecke des Gebietes die Reichsburg Nürnberg errichtete (zwischen 1040 und 1050) und daß er gerade hier das Reichsgut in einer Ministerialenverwaltung zusammenfassen wollte. Ich vermute also einen weitläufigen Plan des Salierkaisers hinter all diesen Maßnahmen. Aus diesem Grunde wollte dieser große Organisator das dem Bistum Bamberg 1007 und später in verschwenderischer Fülle ausgetane Reichsgut wieder zurücknehmen – besonders das Reichsgut auf dem Nordgau – und den Aufbau eines Königslandes hier vorbereiten. So gesehen ist die Gründung der Markgrafschaften Cham und Nabburg Tei! einer umfassenden Organisation des Nordgaus und des in ihm liegenden Königsgutes. Am Westtor Böhmens sollte ein Starkes Bollwerk entstehen. Das Land an Regen und Naab hatte gerade darum eine zentrale Bedeutung, weil Egerland, Vogtland und das Waldgebiet am Nordhang des Erzgebirges noch zu dünn besiedelt und zu wenig herrschaftlich aufbereitet waren, um eine starke Basis für eine Ostpolitik abzugeben. Der deutsche König war dazu gezwungen, weil die Böhmen und Ungarn entlang ihrer Grenzen gegen Westen auch künstliche Wehranlagen und ein Grenzschutzsystem mit ständiger Verteidigungsbereitschaft errichtet und dort eine Grenzmiliz, wie in unserem Falle die Choden, angesetzt hatten. Die Choden waren slavische Wehrbauern an der Grenze, die auf erblichen Bauernhöfen angesetzt waren, um eine ständige Überwachung an der Grenze sicherzustellen. Die erste Spur dieser böhmischen Grenzmiliz begegnet 1004; 1040 und 1041 fand Kaiser Heinrich III. das böhmische Landestor von Taus durch starke Festungsanlagen im Grenzwald versperrt und durch Bogenschützen besetzt.

Von der Mark Cham hören wir erstmals 1055 bei einer Schenkung Kaiser Heinrich III. in der ,,marchia Champie". Diese Mark ist sicher identisch mit dem pagus Champriche, der 1050 erwähnt wird; dort erhalt ein Königsdienstmann Dienstlehen zu Eigen übertragen. "Champriche" bezeichnet einen geschlossenen Königsgutsbezirk um die Reichsburg Cham. Wir können seinen Umfang noch aus den Marchfutterorten des bayerischen Herzogsurbars vom Anfang des 14. Jahrhunderts erschließen. Der Königs- oder Reichsgutsbezirk Champriche war der Kern der Mark Kaiser Heinrich III. In einer Urkunde von 1058 vergibt der unmündige Heinrich IV. vier Königshufen bei Arnschwang an das Kloster Ebersberg mit dem Rodungsrecht; ihre Lage wird so umschrieben: in marcha Kamba versus Boemiam, que pertinet ad ducatum Bavvaricum, quam matri nostrae concessimus = in der Mark Cham gegen Böhmen, die zum bayerischen Herzogtum gehört, das wir unserer Mutter überlassen haben. Die verfassungsrechtliche, nicht machtpolitische Zugehörigkeit zum bayerischen Herzogtum ist unangetastet, aber das Herzogtum hat das Königshaus inne. Das Gebiet um Cham hat sicher auch zum Gewaltbezirk des Markgrafen von Schweinfurt aus babenbergischem Hause gehört. Doch gilt die zur Grafschaft weiterentwickelte Mark Cham als Sondergebiet, das eigentlich nicht zum Nordgau und zur späteren Oberpfalz gehörte, wie ihr Pfandcharakter seit dem Hausvertrag von Pavia 1329 deutlich macht. Grenzpunkte des Reichsgutsbezirkes Chamberich waren gegen Osten und Südosten Weißenregen bei Kötzting, Furth im Wald und Döfering (slavischer Ortsname) bei Waldmünchen. Kaiser Heinrich III. hat dieses Kerngebiet der Mark mit einer Wehrorganisation neuen Stils ausgestattet, deren Träger die Ministerialen und ihre Burgen waren; letztere treffen wir in großer Zahl gerade um Cham. Die Ministerialität wurde zum Träger der Verwaltung und Verteidigung dieses "Staatslandes" und das entscheidende Werkzeug königlicher Kriegsführung. Das Dorf mit der Dienstmannenburg wurde hier wie im niederösterreichischen Waldviertel die Wehreinheit des neuen Systems. Zentrum des ganzen Befestigungs- und Verwaltungssystems war die Reichsburg Cham.

An die Spitze dieser Mark trat ein Markgraf, der auch der Kommandeur der Markministerialen wurde. Dieses Amt kam recht bald in die Hände der edelfreien schwäbischen Diepoldinger, deren Seitenzweig, den wir die Rapotonen nennen, auf dem Erbwege diese Stellung übernahmen. Als erster comes de Cambe (Graf von Cham) erscheint 1073 ein Rapoto, der treu zum Kaiser stand; sein Bruder Diepold war offensichtlich mit der Mark Nabburg belehnt. Als ihr Nachfolger und Erbe erscheint 1118 ein Diepold III., der 1118 als marchio de Napurch und 1140 marchio de Cambe bezeugt ist. Unterdessen waren die beiden Marken zu erblichen Reichslehen dieser Diepoldinger geworden. Es ist bekannt, daß der erste Stauferkönig Konrad III. beim Tode des genannten Diepold 1146 das Egerland einzog, das schon im 11. Jahrhundert an die Mark Nabburg angeschlossen gewesen zu sein scheint; dieses alte "Egerland" ist also identisch mit der nördlichen Oberpfalz und dem südlichen Oberfranken. Auch dieser Landname ist erst später ostwärts nach Böhmen gewandert und wurde dort die Bezeichnung für das größere Umland der staufischen Reichsburg Eger. Trotz der Bestellung edelfreier Markgrafen waren die engen Beziehungen des Königs zu Markgut und Markministerialität in Cham, Nabburg und Egerland nicht unterbrochen. Um den genauen Umfang der salischen Marken Cham und Nabburg zu ermitteln, müßten wir die belegten Königsgutsbezirke, die Ministerialenburgen und die Pfarreiorganisation feststellen. Bei Cham wird wohl der Umkreis der alten Mark Cham zusammenfallen mit der Ausdehnung des alten Dekanates Cham. Als diese Gebiete zwischen 1180 beim Ankauf der Bamberger Vogteilehen der Grafen von Sulzbach auf dem Nordgau bei ihrem Aussterben und 1268 beim Übergang des staufischen Nordgaus an die Wittelsbacher in die Hände der letzteren gekommen waren, wurden sie im Bayerischen Herzogsurbar von 1280 auf den in Ober und Niederbayern geteilten wittelsbachischen Landesstaat aufgeteilt und politisch-administrativ auseinandergerissen. Nittenau, Wetterfeld, Roding, Miltach, Eschlkam, Waldmünchen wurden als Amtssitze im Urbar von Niederbayern aufgezählt; 1326 gehörten Wetterfeld mit dem Markt Nittenau, Roding, Neunburg, Nabburg, Obermurach und Oberviechtach zum Viztumamt (Burg-)Lengenfeld, dagegen die Landgerichte Cham, Waldmünchen, Eschlkam, Schneeberg und Pfreimd zum Viztumamt Straubing. Im Laufe des 13. Jahrhunderts ist als Folge der Territorialstaatsentwicklung, die die Wittelsbacher auf den Nordgau brachte, das alte königliche Markensystem aufgesplittert und umorganisiert worden.

Dies aber ist besonders an der Mark Nabburg zu zeigen. Diese wurde erstmals zu 1040 in einer Fälschung des Klosters Michelfeld oder des Bistums Bamberg erwähnt. Sollte sich der hier genannte Ortsname Pillungesriut auf Pullenried bei Nabburg beziehen, dann ist seine geographische Bezeichnung zu beachten; denn dieser Ort liegt "in pago Norgouue in comitatu Ottonis comitis et in marca, quae vocatur Nabburg". Demzufolge war damals die Mark Nabburg noch keine selbständige Einheit, sondern Teil der Grafschaft Ottos. Nabburg selber war die zentrale Reichsburg dieses Gebietes. Selbständig wurde diese Mark erst nach dem Tode des babenbergischen Markgrafen Otto von Schweinfurt, der damals auch Herzog in Schwaben war, sowie seines Erben und Nachfolgers, des Heinrich von Hildrizhausen. Das alles geschah unter König Heinrich IV., der auch diese Mark den Diepoldingern übertrug. Wenn wir auch über die Mark Nabburg nicht so viel wissen, wie über die Mark Cham, so ist doch sicher, daß auch sie militärisch organisiert war. Nabburg beherrschte den Übergang einer auch später noch wichtigen Straße von Amberg nach Böhmen; es erscheint aber auch als starkes militärisches Kraftzentrum gegen das nördliche, damals noch kaum erschlossene Egerland. Aber Nabburg lag gegen Osten und Norden sehr weit im Hinterland; es muß also vor allem Auffang- und Ausgangsstellung gewesen sein. Das Land zwischen dieser Reichsburg und dem böhmischen Grenzland war sehr dünn besiedelt. In diese Burg hatte sich 929 König Heinrich I. mit dem bayerischen Herzog Arnulf zurückgezogen; daraus läßt sich der Reichsburgcharakter der Naabveste erschließen. Hier war wie in Cham eine Münzstatte. Der größere Raum von Nabburg trat erst durch die reichen Landschenkungen König Heinrichs II. an das neugegründete Reichsbistum Bamberg in das Licht der Geschichte.

Aus einer Urkunde von 1061, durch die der König an den bedeutenden Königsministerialen Otnand aus der Forchheimer Gegend einen Wald zwischen Schür- oder Höllbach, Krummenaab, Trebnitzbach und der Straße von Eger "im Nordgau und in der Mark Nabburg" schenkte, können wir erschließen, daß der Südrand des Gebietes, den wir dann als provincia Egrensis und als staufisches Reichsterritorium Egerland kennen, hinauf bis Marktredwitz und noch weiter zur Mark Nabburg gehörte. Deren Hauptstoßrichtung und Ausbreitungsgebiet war der Norden. In diese Richtung zielte im 12. Jahrhundert der Landesausbau der Diepoldinger Markgrafen und ihr territorialstaatlicher Aufbau. Ihre nordwärts gerichtete Politik wurde durch den Staufer Konrad III. jäh unterbrochen; man holte aus der Mark Cham Ministerialen und setzte sie an der Naab und im alten Egerland als Mark- und dann Reichsministerialen zu Rodungsaufgaben und Herrschaftsorganisation ein. Die Machtbasis der Diepoldinger um Nabburg selbst war sehr schmal, da ein fester Ring von Burgen der Grafen von Sulzbach und anderer Edelfreien die Reichsburg umklammerte: Parkstein, Hohenburg an der Lauterach, Thurndorf, Murach, Flossenbürg. Die regio Egire erscheint 1135 erstmals als Verwaltungsgebiet. Die Grafen von Sulzbach, die Tirschenreuth besaßen, rodeten im Egerland. Weitere Rivalen waren die edelfreien Herren von Hopfenohe und Waldeck, deren Erben die späteren Landgrafen von Leuchtenberg wurden. Als Schwager der Hopfenohe-Lengenfeld-Pettendorf schoben sich südlich Nabburg die Wittelsbacher vor. Südöstlich der Reichsburg und östlich davon saßen in Altendorf die Grafen von Stirn und Ettenstatt aus der Rezatgegend; zu Schwandorf und östlich davon saßen die Grafen von Hohenburg. Nahe Rötz aber lag die Stammveste der Haderiche (= die Schwarzenburg), die in der ebenfalls von der von Heinrich III. gegründeten marchia Boemiae, um das dortige Retz (= ein zweites Rötz) reichbegütert waren; sicher waren sie Verwandte der Diepoldinger. Man müßte die genealogisch-besitzgeschichtlichen Verbindungen der genannten Geschlechter näher untersuchen, um so sicherere Aufschlüsse über Besitz- und Herrschaftsverhältnisse gerade im Raum um Nabburg und östlich davon zu erhalten. Das· historische Dunkel über unserer Oberpfalz würde sich weiter lichten.

Die Mark Nabburg lehnt sich an die Mark Cham an; es fällt nur der Raum um Schwandorf aus. Vermutlich fällt die marchia Nappurg zusammen mit dem Umfang des alten Dekanates Altendorf, dessen Urpfarrkirche zweifellos Perschen am linken Naabufer gegenüber Nabburg war. Grenzorte waren Seebarn, Rötz, Tiefenbach, Schwarzach, Eslarn, Waidhaus, Lennesrieth, Floß, Ilsenbach, Wurz, Altenstadt, Neunkirchen, Kohlberg, Neunaigen, Saltendorf und Schwarzenfeld. Die Nordgrenze ist deshalb nicht mehr auszumachen, weil sich das staufische Reichsland Eger gegen Süden abgeschlossen hatte und sich im Gefolge davon zwei neue Dekanate Thumbach und Beidl gebildet hatten. Vermutlich war die Nordgrenze der Mark Nabburg sehr lange offen. Der schmalen Machtbasis der Diepoldinger in diesem Südraum entspricht die geringe Westerstreckung des Dekanates Altendorf, dessen Sitz später Nabburg wurde. Östlich der Naab erstreckt sich ein großer Gürtel von ried-Orten, in denen wir Zeugen eines hochmittelalterlichen Landesausbaus zu sehen haben. Es bedarf hier noch intensiver Einzelforschung, um die Kirchen-, Herrschafts- und Siedlungsgeschichte dieses Raumes zu erhellen. Wir können hoffen, daß die Atlasforschung der Kommission für Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften sehr bald einen wesentlichen Teil dieser Arbeit leisten wird. Jedenfalls hat Archivdirektor Dr. Heribert Sturm einen Löwenanteil daran, der bislang die beiden Atlasbände Tirschenreuth und Kemnath schon erarbeitet und nun einen dritten Band übernommen hat, der den Raum um Weiden analysiert. Nach Westen wurde ein weiteres Ausgreifen der Mark Nabburg und der Diepoldinger versperrt durch die umfangreichen Vogteilehen der Bamberger Reichskirche auf dem Nordgau, die einen großen Teil der nordwestlichen Oberpfalz umfaßten. Außerdem war hier die Einflußzone der mächtigen Grafen von Sulzbach und Kastl-Habsberg. Im Umkreis von Nabburg und in der mittleren und westlichen Oberpfalz stellen wie eine starke eigenherrschaftliche Politik des Dynastenadels und seiner Geschlechter fest, die sich an der "Nordgauverschwörung" gegen den alten Kaiser Heinrich IV. beteiligt haben und so ihre Interessen kundtaten.

Der Raum um Nabburg büßte seine zentrale Stellung im Nordgau ein, als nach der Entlassung der Diepoldinger durch Konrad III. die Staufer, besonders Barbarossa, begannen, in direkter Verknüpfung mit der terra imperii = dem Reichsland um Nürnberg auch eine terra imperii vor der Reichsburg Eger zunachst in der frühesten provincia Egire aufzubauen. So wurde dieses Gebiet fest eingegliedert in die große Reichslandkonzeption der Staufer, deren Ziel der Aufbau eines königlichen Territorialstaates in Süd- und Mitteldeutschland war. Diese Politik war großflächig gedacht, sie erfaßte den größten Teil des heutigen Mittel- und Oberfranken und der Oberpfalz, sie griff über das Vogtland hinaus in den sächsischen Pleissengau, wo die Reichsburg Altenburg wieder ein starkes Zentrum königlicher Herrschaft wurde. Ich möchte hervorheben, daß diese großzügige Reichslandpolitik vor allem dort möglich war, wo es große Wald und Forstgebiete gab und wo die königlichen Dienstmannen und Reichsministerialen Rodungen anlegten und so den Aufbau der Königsherrschaft vorantreiben konnten, weil dort kein adelig-kirchliches Streben nach gleicher Territorialität ihnen entgegenstand. An dem großen Rodungswerk beteiligte sich im frühen und späten Egerland auch das unter staufischer Reichsvogtei stehende Zisterzienserkloster Waldsassen, das die Diepoldinger ebenso gestiftet haben wie sie auch Gründer des Benediktinerklosters Reichenbach am Regen waren; das vierte bedeutende Adelskloster in der Oberpfalz gründeten gegenüber Reichenbach am rechten Regenufer in Walderbach die Burggrafen von Regensburg aus dem Hause der Pabonen. Aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts stammt das auch noch heute in seiner Burgstruktur imposante Kloster Kastl über der Lauterach der Grafen von Kastl, Sulzbach und Habsberg. Die Stauferkaiser konnten ein von den Saliern begonnenes staatspolitisches und kulturschöpferisches Werk im ganzen Raum der heutigen Oberpfalz fortsetzen, in dem schon der letzte Sachsenkaiser Heinrich II. dem von ihm gegründeten Reichsbistum Bamberg (1007) die Vogteiherrschaft über große Waldgebiete um die obere Pegnitz, die Vils und den Regen (um Nittenau) schenkte. Diese Vogteiherrschaft kam im 12. Jahrhundert an das mächtige Grafengeschlecht von Sulzbach, das mit den Kastl-Habsbergern verwandt war und sich mit ihnen zur Gründung des Klosters Kastl zusammentat; dieses Kloster aber lag am Ostrande des Urnordgaus nahe Lauterhofen. Dem Geschlecht der Sulzbacher aber entstammte die Gemahlin Gertrud des ersten Stauferkönigs Konrad III., und ihre Schwester war Gemahlin des byzantinischen Kaisers Manuel Komnenos.

Nach der staufischen Reichslandkonzeption sollte der Nordgau = das Land der mittleren und nördlichen Oberpfalz eingespannt sein in ein System, dessen stärkste Flanken Nürnberg und Regensburg darstellten. Von Regensburg aus, wo sie seit dem Aussterben der Pabonen am Ende des 12. Jahrhunderts kaiserliche Burggrafen waren, schoben sich seit dieser Zeit nach Norden die Wittelsbacher vor, die 1180 Territorialherzöge in Bayern geworden waren. Sie faßten Fuß im Mündungsgebiet der beiden größten Flüsse der Oberpfalz Naab und Regen und wurden beim Aussterben des staufischen Kaisergeschlechts 1268 dessen Haupterben auf dem bayerischen Nordgau in der heutigen Oberpfalz, wie sie erst seit dem 15. Jahrhundert im Gegensatz zur Niederen Pfalz am Rhein genannt wurde. Barbarossa hatte eine Reihe von Gründen, dieses Gebiet so stark zu einer terra imperii auszubauen. Vor allem wollte er hier ein tragfähiges Glied seiner ganz Süddeutschland bis Hessen überlagernden Reichslandpolitik verankern. Der Nordgau war zudem ein Brückenkopf für eine intensive Einflußnahme auf Böhmen, das durch seine Edelmetallvorkommen wirtschaftlich ein reiches Land war. Sicher organisierte er dieses Grenzland herrschaftlich auch wegen seines wirtschaftlichen Eigenwertes, konkret wegen seiner Eisenvorkommen und Eisenverarbeitung, die im 12. Jahrhundert auch urkundlich greifbar wird. Bald wurden Amberg und Sulzbach zentrale Orte der spätmittelalterlichen Eisenproduktion, und Nürnberg, das zu einem Hauptzentrum der Waffenproduktion wurde, beschaffte sich Eisen und Stahl aus der Oberpfalz. Hammermühlen und Hammerschlößchen sind ein Charakteristikum des Wirtschafts- und Kulturraumes der mittleren und nördlichen Oberpfalz geworden. Außerdem gab es auf dem Nordgau, den ich den jüngeren oder zweiten Nordgau nennen möchte, noch so viel jungfräulichen Boden, daß sich hier leicht durch eigene Kolonisation und Rodefähigkeit ein herrschaftlich straff gelenktes königliches Territorium aufbauen ließ, das nicht direkt unter der zerstörenden Rivalität mit dem zu gleicher Territorialität aufsteigenden Adel stand. Man kann wohl sagen, daB der Nordgau seine politisch größte Zeit in der Epoche der Salier und Staufer und im späteren Mittela!ter unter Karl IV. hatte. Nach dem Untergang des großen deutschen Kaisergeschlechts erst wurde der Nordgau im ganzen Objekt und Teil der Territorialpolitik und des ausgreifenden Territorialstaates der Wittelsbacher, die 1180 Bayern als Reichsfahnlehen übertragen erhielten. Die relative Geschlossenheit ihrer Herrschaft auf dem Nordgau, das Freisein von rivalisierenden Hochadelsgeschlechtern und zu gleicher Territorialitat strebenden geistlichen Hochstifter war auf diesem Rodungsboden ein Erbe der Staufer. Daß der Nordgau fiir den wittelsbachischen Kernstaat primär aber keine Bedeutung hatte, ergibt sich daraus, daß Kaiser Ludwig der Bayer 1329 beim Abschluß des Hausvertrages von Pavia dieses Gebiet an die pfälzische Linie seines Haus abtrat und somit wieder fiir weitere drei Jahrhunderte aus dem altbayerischen Herrschaftsverband und Landesstaat ausklammerte.

Abschließend kann man sagen, daß unsere Oberpfalz eine karolingisch-ottonische und eine salisch-staufische Vergangenheit im Mittelalter hatte und daß in ihrer Geschichte babenbergische, diepoldingische, sulzbachische und wittelsbachische Adels- und bambergische Hochstiftstraditionen wirksam waren. Die Oberpfalz hat ein romanisches und gotisches Gesicht, sie ist vor allem eine romanische und gotische, keine barocke Kultur und Kunstlandschaft. Der Dientzenhoferbau von Waldsassen vermag dies nicht zu vertuschen. Die Oberpfalz hat ein eigenes Wesen und eine eigene Identität, die nicht in der bayerischen Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit einfach aufgeht. Auf ihre reichische Geschichte sollte die Oberpfalz stolz sein und es nicht den Österreichern und Württembergern überlassen, ein babenbergisches und ein staufisches Jahrtausendjubiläum zu feiern. Die Oberpfälzer sollten ihre Reichsgeschichte und ihren Eigenwert umsoweniger vergessen, als sie noch große Architekturzeugen dieser Vergangenheit vor sich haben in der romanischen Klosterkirche und Klosterburg von Kastl, in der romanisch-gotischen Klosterkirche von Chammünster, in der spätromanischen Zisterzienserkirche von Walderbach, in der romanischen Architektur von Reichenbach und last not least in der Kirche von Perschen. Am Rande verweise ich nur auf die beiden großen gotischen Hallenkirchen in Amberg oder auch an den gotischen Chor der Stadtpfarrkirche von Cham. Die Oberpfalz ist seit salisch-staufischer Zeit ein großes Burgenland, deren Ruinen überall den Wanderer grüßen; ich nenne nur die Ruinen von Flossenbürg, Leuchtenberg, Runding, Haidstein vor vielen anderen. Die Oberpfalz konnte keine Barocklandschaft werden, wie die klosterreichen Altbayern und Österreich erst geworden sind. Der alte Nordgau und die Oberpfalz sind heute staatlich und geistig tief verwurzelt im alten bayerischen und stammesbayerischen Raum; aber sie haben ihre eigene Vergangenheit und ein eigenes historisches Profil, sie haben ein Recht darauf, auch ein eigenes historisches und politisches Selbstbewußtsein zu artikulieren und durchzusetzen. Das ist wohl der konkrete Sinn der Nordgautage, die es nicht versäumen dürfen, in das altbayerische Wesen oberpfälzischer Art auch das Egerland kräftig mit einzubeziehen.
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Studien des Verfassers zur oberpfälzischen Geschichte:
1) Das Nordgaukloster Kastl. Gründung, Gründer, Wirtschafts- und Geistesgeschichte, in Verh. d. Hist. Vereins v. Obpf. 89 (1939) 3-189 ( = Münchener Dissertation).
2) Die Sozialstruktur der mittelalterlichen Residenz- und Fernhandelsstadt Regensburg. Die
Entwicklung ihres Bürgertums vom 9.-14. Jh. = Abhandlungen d. Bay. Ak. d. Wissenschaften. Phil.-Hist. Klasse NF 63 ( 1966).
3) Bayerische Geschichte. 4. Aufl. 1975/6.
4) Die Reichsministerialität als Träger staufischer Staatspolitik in Ostfranken und auf dem
bayerischen Nordgau, in Jahresber. d. Hist. Vereins von Mittelfranken 69 ( 1941) 1-105.
5) Die Markengründungen Kaiser Heinrich III. auf bayerisch-österreichischem Boden, in Zs. f. Bay. Landesgeschichte 14 ( 1943/4) 177-247 und in K. Bos! (Hgb.), Zur Geschichte der Bayern 364-442.
6) Die Entwicklung in Ostbayern bis zur Eingliederung in den wittelsbachischen Landesstaat, in Das Bayerland 55 ( 1953) 284-288.
7) Der Eintritt Böhmens und Mährens in den westlichen Kulturkreis im Lichte der Missionsgeschichte, in Böhmen und Bayern, Veröffentl. des Collcgium Carolinum I (1958) 43-64.
8) Probleme der Reichsgutforschung in Mittel- und Süddeutschland, in Jb. f. fränkische Landesforschung 20 (1960) 305-325.
9) Kulturstrome und Kulturleistungen der bayerischen Oberpfalz. In 125 Jahre  Regierungsbezirk Oberpfalz (1963) 31-50.
10) Das kurpfälzische Territorium "Obere Pfalz", in Zs. f. Bay. Landesgesch. 25 (1963) 3-28 und in Die Oberpfalz 53 (1965) 1-4, 25-27, 49-53, 73-75.
11) Die Geschichte eines Grenz- und Durchgangslandes bis zum Niedergchen des Eisernen Vorhangs, in Das Bayerland 67 (1963) 198-207.
12) Pfalzen, Klöster, Forste in Bayern. Zur Organisation von Herzogs- und Königsgut in  Bayern, in Verh. d. Histor. Vereins von Oberpfalz (1966) 41-56 ( = Festschrift f. H. Dachs).
13) Dreihundert Jahre Entwicklung zur Reichsstadt ( 1050-1347), in G. Pfeiffer (Hgb.), Nürnberg. Geschichte einer europäischen Stadt (1971) 1 1 -33.
14) Oberpfalz und Egerland im Spannungsfeld der internationalen Politik. Vortrag anläßlich des 650. Jahrestages der Verpfändung des Egerlandes am 7. Oktober 1972 in Amberg ( 1973).
15) Der deutsche und europäische Rang Regensburger Urbanität = Festrede zum Ärztetag 1973 in Regensburg.
16) Landschaftliche und gesellschaftliche Gegebenheiten, in Reismüller-Müller (Hgb.), Ingolstadt I (1974) 11-18.
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* Eröffnungsvortrag des Verfassers zum 21. Bayerischen-Nordgautag in Nabburg, am 27. Mai 1976 in der Aula des Gymnasiums.