Freitag, 31. Juli 2015

Wolf Eitel Pelckofer muß emigrieren

Wolf Eitel Pelckofer muß emigrieren

Von Dr. Hans Frhr. Voith von Voithenberg

Verlust von Haus und Hof, Enteignung, Austreibung aus der Heimat sind in der Geschichte immer wieder von Machthabern als Mittel gegen Gewaltunterworfene angewendet worden. Das Schicksal des Junkers Wolf Eitel Pelckofer von Moosweg auf Grafenried, der zu den 1629 aus der Oberpfalz vertriebenen adeligen Landsassen gehörte, ist zwar nur ein - gewiß tragischer - Einzelfall unter vielen beklagenswerten Vorkommnissen in der furchtbaren Zeit des 30jährigen Krieges. Es ist aber vielleicht deshalb bemerkenswert, weil die noch erhaltenen Akten der Amberger Regierung auch überraschende Aufschlüsse über die Arbeit der Bayerischen Verwaltungsbehörden geben und zeigen, wie ausgezeichnet die junge Bürokratie in dem von der Kriegsfurie schwer heimgesuchten Land funktionierte.


Maximilian I.
Am 22.9.1621 war Maximilian I. von Bayern mit der pfälzischen Kur belehnt worden, 1623 wurde die Belehnung öffentlich wiederholt; sofort nach der Besetzung der Oberpfalz durch Truppen Tillys setzte die Rückführung der dem reformierten Bekenntnis angehörenden Bevölkerung zum Katholizismus ein. Trotz Abberufung zahlreicher protestantischer, besonders calvinistischer Geistlicher und ihrer Ersetzung durch katholische Priester blieb aber ein durchgreifender Erfolg zunächst aus. Das führte den zur Rekatholisierung entschlossenen Kurfürsten, dem am 22.2.1628 das Fürstentum Oberpfalz mit aller Landesfürstlichen Hoheit übertragen worden war, dazu, am 27.4.1628 das Religionsmandat zu erlassen: Danach wurde keine andere als die katholische Religion geduldet. Den Nichtkatholiken wurde Bekehrung oder Auswanderung zur Wahl gestellt, die Frist zur Entscheidung für Untertanen auf 8 Monate, für Angehörige des Adels auf 12 Monate bemessen.

Die kurfürstliche Verwaltung nahm die ihr anläßlich dieser Maßnahmen obliegenden Aufgaben zuverlässig und zeitgerecht wahr. Der Landsaß und Glashüttenherr zu Grafenried bei Waldmünchen, Wolf Eitel Pelckofer von Moosweg, hatte sich entschlossen, seinem reformierten Bekenntnis treu zu bleiben, räumte aber sein Gut nicht rechtzeitig. Vom Frühjahr 1629 an begann nun ein über Jahre hin sich erstreckendes Wechselspiel zwischen dem zur Emigration genötigten Hofmarkherrn einerseits und dem Pflegeamt Waldmünchen und der Regierung in Amberg andererseits, bis schließlich der Kurfürst selbst eine bündige Entscheidung zum Nachteil Pelckofers traf.

Die Zwölfmonatsfrist seit Erlaß des Religionsmandates war noch nicht voll verstrichen, als Wolf Eitel Pelckofer von der kurfürstlichen Regierung in Amberg am 25.2.1629 Weisung erhielt, außer Landes zu gehen und das Gut entweder zu verkaufen oder wenigstens einen katholischen Verwalter zu bestellen. Da der einspännig reisende Bote wegen des Schnees nicht bis Grafenried gelangen konnte, wurde die Zustellung der Regierungsinstruktion durch Niederlegung beim Pflegeamt Waldmünchen am 4.3.1629 bewirkt. Der Grafenrieder Gutsherr suchte Zeit zu gewinnen unter Hinweis auf die Schwierigkeiten im Winter Fuhren zusammenzustellen, seine körperliche Indisposition und seine finanzielle Lage, die ihn zwang, erst Außenstände beizutreiben. Die Behörden aber drängten und drückten. Es wurde eine Steuernachholung gefordert und ein Arrest über das Gut ausgebracht. Wolf Eitel Pelckofer erhob Gegenvorstellungen mit der Begründung, daß er in seineUntertanen wegen der Geldschulden nicht zu heftig dringen könne, weil sie sonst davonliefen, und daß die Glashütte nicht zum Erliegen kommen dürfe, da sich sonst kein Käufer finden werde; um einen katholischen Verwalter anstellen zu können, sei die gesetzte Frist zu kurz bemessen. Er fand bei den Behörden kein Entgegenkommen. Im Gegenteil, wegen der Überschreitung der Frist wurde Pelckofer trotz seiner  Darlegungen, daß ihm Ungehorsam fernliege und er nicht vorsätzlich in Verzug geraten sei, in eine Strafe von 12 Reichsthalern genommen.

Für  die  vorgebrachten wirtschaftlichen Überlegungen blieb die Regierung in Amberg unzugänglich. Wolf Eitel Pelckofer habe genügend Zeit gehabt, das Gut zu versilbern. Einzig der Pfleger von Waldmünchen, Wolf Pelckofer, ein Vetter des Gutsherrn, zeigte nicht nur religiösen Eifer, sondern handelte auch ökonomisch. Er konnte am 23.4.1629 an die Regierung berichten, daß der Glashüttenherr seine fahrende Habe nach Regensburg verbracht habe und mit Weib und Kind dahin abgereist sei; jedoch sei die Glashütte gelöscht, Holzhauer und Aschenbrenner seien abgeschafft, das Vieh weggetrieben und die Felder unangebaut stehen gelassen. Der Pfleger habe den Emigranten aber unterwegs gestellt und überreden können, daß er die Felder anbauen und das Vieh wieder hertreiben lasse, die Holzhauer und Aschenbrenner neu anstelle und das Hauswesen dem - bereits katholischen - Untertanen Christoph Hack anvertraue. Und weil der Pfleger wußte, was die Regierung erwartetet, fügte er am Schluß hinzu, er habe Wolf Eitel bezüglich der Religion soweit gebracht, daß auf eine baldige Umkehr zu hoffen sei. In der Antwort legte die Regierung dem Pfleger die Bekehrung des Gutsherrn besonders ans Herz.Obwohl Grafenried im entlegensten Winkel des Oberpfälzer Waldes liegt, war es Wolf Eitel Pelckofer nicht möglich, sich heimlich dort aufzuhalten. Mit Recht ließ er große Vorsicht walten. Die Behörde war wachsam. Als er im Mai 1629 geschäftlich von Regensburg nach Böhmen, Taus, reiste Grafenried mied und seinen Verwalter in den außerbayerischen Ort Wassersuppen bestellte, wurde seine Durchreise durch Neunburg v. W. dem Pflegeamt und von diesem an die Regierung gemeldet. Im Juli desselben Jahres gelang es, eine dreitägige Aufenthaltserlaubnis für Grafenried zu bekommen. Das mißtrauische Pflegeamt entdeckte sogleich eine Fristüberschreitung, die der Gutsherr mit seinem Warten auf die Herren Steuercommissarien entschuldigte.

Die  Regierung  zeigte als gewissenhafte Verwaltungsbehörde des glaubenseifrigen Kurfürsten kein Verständnis für die Schwierigkeiten, die Pelckofer hatte, von seinem Flüchtlingswohnsitz aus das Gut in Betrieb zu halten. Sie hatte auch keine Geduld und ergriff - ungeachtet der Gefahr Landwirtschaft und Glashütte völlig zugrunde zurichten - immer härtere Maßnahmen, um den Calvinisten Pelckofer endgültig aus den kurbayerischen Landen zu vertreiben. Im Winter 1629/30 wurde den Knechten und Glasern bei Starfe verboten, Pelckofer weiterhin gehorsam zu leisten, die zur Hofmarksgerichtsbarkeit gehörigen, scharwerkspflichtigen Einwohner von Seeg wurden unter die Botmäßigkeit des Pflegeamts Waldmünchen gezogen. Bewegte Bitten nicht nur des Gutsherrn, sondern auch des Verwalters Steffan Vever namens des Glashüttenpersonals um die Möglichkeit, an Ort und Stelle Maßnahmen zugunsten von Gut und Glashütte treffen zu können, bewirkten nicht mehr als Einreiseerlaubnisse einmal für zwei und einmal für drei Tage.

Die politische und militärische Lage war für diesen harten Kurs gegenüber dem Vertriebenen günstig. Kurfürst Max I. war unangefochten Herr der Oberpfalz; er festigte seine Herrschaft sogar noch durch die Erwerbung der großen böhmischen Lehen in der Oberpfalz (25.5.1631). Danach aber gewann es den Anschein, als ob sich die Emigranten aus dem kriegerischen Erfolg der Schweden einige Hoffnung schöpfen könnten. Tillys Truppen wurden durch General Horn in die Oberpfalz getrieben, König Gustav Adolf stieß bis Neumarkt vor. Kurbayern konnte es sich nicht mehr leisten, die Güter zum Ruin zu bringen. 1631 erging ein kurfürstlicher Generalbefehl an sämtliche emigrierenden Oberpfälzischen von Adel, demzufolge sie zur Ernte- und Saatzeit, im ganzen sechs Wochen bei ihren Gütern zu sein hatten.

Wolf Eitel Pelckofer bat am 30.8.1631, etliche Tage länger bleiben zu dürfen. Die Amberger Regierung antwortete bereits am 4.9.1631 mit einer Ablehnung und schrieb " .... du waist dich nunmehr alsbalden widerumb fort vnd außerlandts zu machen ...." Es blieb keine andere Wahl als zu gehorchen.

Bedeutungsvolle Ereignisse überschatteten das Jahr 1632. Gustav Adolf rückte nach Landshut und München vor (17.5.1632) und bezog später (Juli bis September 1632) das Lager bei Nürnberg; im April war Tilly gestorben; im November schieden der Schwedenkönig Gustav Adolf und der Winterkönig Friedrich V. aus dem Leben. Ob Wolf Eitel Pelckofer die Erfolge der Evangelischen dazu nützen konnte auf sein Gut zurückzukehren, wissen wir nicht. Pflegamt und Regierung schwiegen.

Fast möchte man annehmen, daß die Kriegsereignisse - General Horn in Neumarkt, Oberst Taupadel in Cham, Herzog Bernhard von Weimar in Regensburg - ihm erlaubten, den Gutsbetrieb wieder in die Hand zu nehmen, denn im Sommer 1633 war die Landwirtschaft in Grafenried wieder zu Lieferungen von 9 Stück Rindvieh 160 Schafen und 10 Schweinen in der Lage.

Die militärischen Erfolge der Schweden hatten den bayerischen Behördenapparat vielleicht vorübergehend gelähmt, aber keinesfalls funktionsuntüchtig gemacht. Der Pfleger Wolf Pelckofer in Waldmünchen wurde schon am 4.8.1633 auf den Plan gerufen, als Wolf Eitel Pelckofer am 2.8.1633 mit der Post (man denke!) von Regensburg zu seinem Gut kam, um dem Aldringischen Hofmetzger Fische, Ochsen und Schafe zu verkaufen. Bereits am 8.8.1633 wies die Regierung ihren Waldmünchner Pfleger kathegorisch an, Wolf Eitel Pelckofer in Arrest zu nehmen und zu examinieren, warum und auf wessen Geheiß oder Concession er sich ins Land begeben. Wolf Eitel Pelckofer berief sich bei seiner Vernehmung darauf, daß die Fische, Schafe und Ochsen vom Hofmeister des Grafen Aldringen mehrmals verlangt worden seien; der General sei sogar bereit gewesen, einen Paß zu erteilen und ein Convoy von Dragonern zu stellen; er sei der Auffassung gewesen, daß man dem Herrn General nichts versagen dürfe. Bei dieser Begründung, daß die Lieferung  für den kaiserlichen Generalzeugmeister erfolgt sei, begnügte sich die Regierung mit einem Verweis und der Warnung, Pelckofer solle sich fürderhin nicht mehr unterfangen, ohne gehörig erlangten Consens ins Land herein zu kommen.

Im Jahre 1634 gestalteten sich die Verhältnisse in der Oberpfalz völlig unübersichtlich. Regensburg hatte sich den belagernden Bayern übergeben; Sulzbach, Vilseck, Hirschau, Weiden, Nabburg und Waldmünchen hielten die Schweden; in Amberg lag die vom Grafen von der Waal kommandierte bayerische Besatzung. Der Pfleger von Waldmünchen wurde unsicher, als im September zwei Söhne Wolf Eitel Pelckofers nach Grafenried kamen, den reformierten Schulmeister von Ast als Verwalter mitbrachten und behaupteten, sie seien befugt wieder ungehindert auf ihrem Gut zu wohnen. Der Pfleger deckte sich durch eine Rückfrage bei der Regierung von Amberg. Diese zögerte nicht. Schon nach sechs Tagen kam der Befehl die beiden Pelckofer in Arrest zu nehmen, den zwinglichen Verwalter aber gefangen zu setzen.

Auffallenderweise handelte vom Oktober 1634 an Stelle des Pflegers der Amtsrichter Balthasar Wolf Herttig. Der Pfleger wird als abwesend bezeichnet. Herttig handhabte den Fall wesentlich elastischer als Wolf Pelckofer, der vielleicht durch Diensteifer hatte beweisen wollen, daß er sich bei Amtsgeschäften von verwandtschaftlichen Bindungen nicht beeinflussen ließ. Der Amtsrichter Herttig ließ vier Wochen vergehen und berichtete dann an die Regierung, daß die zwei Söhne Pelckofers und ihr unkatholischer Verwalter sich wieder von Grafenried wegbegeben hätten. Inzwischen war aber Wolf Eitel Pelckofer selbst in Grafenried eingetroffen, der als durch Schlaganfall einseitig gelähmt ("von der Gewalt Gottes berührt und erkrummt") und als ganz kindisch geworden bezeichnet wird.


Geschliffenes Grafenried – Heute Lučina

Hoffnungsvoll glaubte Pelckofer, auf sein Immediatgesuch hin werde der Kurfürst ihm als leidendem Manne den Aufenthalt auf dem Gut gestatten. Die Regierung verlangte, Pelckofer solle binnen 14 Tagen die kurfürstliche Resolution vorweisen, anderenfalls nach dem früheren Befehl zu verfahren sei.

Herttig war angesichts der über Pelckofer hereingebrochenen Leidenszeit barmherziger als Kurfürst und Regierung. Er verhielt sich passiv. Am 14.2.1635 gab er nach Amberg Nachricht, daß die fünf Kinder Pelckofers an der "bösen Seuch" erkrankt und vier davon (die drei Söhne und eine Tochter) gestorben seien, die Ehefrau könne mit dem bettlägerigen Mann zur Winterszeit nicht fortkommen. Die Regierung - als ob sie die Unerbittlichkeit des Landesherrn vorausgeahnt hätte - befahl dem Amtsrichter, er solle auf Mittel und Wege denken, wie Pelckofer unangesehen seiner Leibesindisposition binnen 4 Wochen aus dem Land zu schaffen, Frau und Kind aber zur katholischen Religion zu bringen seien.

Der von Wolf Eitel Pelckofer ersehnte Beweis landesherrlicher Huld, wonach er seine nur noch kurze Lebenszeit auf dem Gut beschließen dürfe, wurde versagt. Kurfürst Maximilian verfügte am 2.5.1635 in Braunau: " ... Weil sich Wolf Eitel Pelckofer zu Vnserer Religion nit zu accomodirn begert, wissen Wir ihn auch in Vnseren Landen nit zue gedulden ... ".

Trotz allem holte niemand mehr zwangsweise den geschlagenen, kranken Mann von seinem durch Kriegsvolk ausgeplünderten Gut Grafenried weg.

Im Juli 1635 teilte er seinen Entschluß zum Verkauf mit. Im Frühjahr 1637 wird Wolf Eitel Pelckofer als verstorben erwähnt. Die Regierung setzte ihre Bemühungen, die Witwe außer Landes zu schaffen, fort. 1637 war der lang erstrebte Erfolg ereicht. Anna Margareta Pelckoferin geb. von Görnitz genannt Stuissin fand in dem Glashüttenmeister Geog Gerl aus St. Catharina in Böhmen einen Käufer, der hinsichtlich der Religionszugehörigkeit den kurbayerischen Anforderungen entsprach.

Die Geschichte des Landsassen Pelckofer zeigt das schwere Geschick eines Gutsherrn, der das Bekenntnis nicht zu wechseln gewillt war, aber sie ist auch ein Beispiel dafür, wie der Kurfürst durch die Hirarchie der Amtsträger seine Authorität und Befehlsgewalt im neu erworbenen Land nachhaltig durchzusetzen verstand und wie selbst gefährlichste politische und militärische Bedrängnisse die Stetigkeit des Beamtenverwaltungssystems kaum zu beeinträchtigen vermochten.

Donnerstag, 30. Juli 2015

Die böhmischen Thronlehen in der Oberpfalz

Von Dr. Wilhelm Volkert


Man schrieb das Jahr 1805. Die Auseinandersetzungen zwischen den europäischen Großmächten Frankreich und Österreich ging einem neuen dramatischen Höhepunkt entgegen: das ganze im Interesse der französischen Politik entstandene Königreich Italien mußte von Österreich als Herausforderung verstanden werden. Der Waffengang zwischen den beiden Mächten folgte, Bayern – geographisch in der Mitte zwischen den Streitparteien – schloß sich dem mächtigen Nachbarn im Westen an und bekam für seine militärische Hilfe reiche Beute von Napoleon im Preßburger Friedensvertrag vom 26. Dezember 1805. Im 15. Artikel dieses Vertragswerks mußte Kaiser Franz II. von Österreich "auf alle Gerechtsame . . . des Lehenrechts . . . auf alle Staaten, in deren Besitz der König von Bayern ist", endgültig verzichten.

Mit dieser Klausel wurde Bayern von einer schweren Hypothek befreit, die seit Jahrhunderten auf zahlreichen oberpfälzischen Orten ruhte und zu unendlichen Streitigkeiten mit der Krone Böhmens Anlaß gegeben hatte, von der Oberhoheit über die sog. böhmischen Lehen in der Oberpfalz.


Die Begründung der böhmischen Ansprüche


Formal waren diese böhmischen Lehenrechte im Jahr 1465 begründet worden, als Pfalzgraf Otto II. von Moosbach sich dem überlegenen diplomatischen Geschick des Böhmenkönigs Georg von Podiebrand fügen und urkundlich die lehenherrlichen Rechte des Böhmenkönigs über folgende oberpfälzische Städte und Burgen anerkennen mußte: Hartenstein (LK Hersbruck), Thurndorf (LK Eschenbach/Opf), Auerbach (ebd.), Eschenbach, Hollenberg (LK Pegnitz), Tännesberg (LK Vohenstrauß), Hohenfels (LK Parsberg), Rotheberg (LK Lauf/Pegnitz), Stierberg (LK Pegnitz), Betzenstein (ebd.) Strahlenfels (Burg bei Betzenstein), Bärnau (LK Tirschenreuth), Heimburg und Freystadt (LK Neumarkt/Opf.) und Holnstein (LK Sulzbach-Rosenberg).


Die Vorgeschichte


Diese Anerkennung der böhmischen Lehenherrschaft durch den Pfalzgrafen Otto ist der Schlußstein einer über hundert Jahre langen Entwicklung. Die Begründung der Ansprüche des böhmischen Königs und seines Lehenhofes auf diese in der Botmäßigkeit des Pfalzgrafen gelegenen Orte geht auf die Zeit Kaiser Karls IV. zurück. Von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zur Mitte des 15, Jahrhunderts hatte sich hier folgende Geschichte zugetragen:

Karls IV. Trachten galt vornehmlich der Vergrößerung seines Königreichs Böhmen, aber damit Hand in Hand wollte er die kaiserliche Position im Reich stärken, zu deren Demonstration ihm die Reichsstadt Nürnberg besonders geeignet schien. So faßte er schon in den ersten Jahren seiner Königsherrschaft den Plan, eine Verbindungsbrücke zwischen seinem Hausgut Böhmen und der alten Reichsstadt zu schlagen, eben durch das Gebiet der Pfalzgrafen bei Rhein in der "oberen Pfalz". Dem finanzmächtigen Herrscher kam es darum sehr gelegen, als 1353 die Pfalzgrafen in schweren Geldsorgen waren; Ruprecht der Jüngere war durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in die Gefangenschaft des sächsischen Kurfürsten geraten. Nur ein hohes Lösegeld vermochte ihn daraus zu befreien. Sein Onkel Rudolf II., der eigentliche Kurfürst von der Pfalz, konnte dies aber nicht aufbringen, hatte er doch selbst hohe Darlehensschulden bei König Karl. In dieser Situation sah der Böhme seine Chance, die er bedenkenlos nutzte. Für die Forderung an Rudolf II ließ er sich oberländischen Besitz des Pfälzers übereignen, dazu zahlte er das Lösegeld für Ruprecht II. an die Sachsen und verlangte auch für diese Summe Grund und Boden, Hoheit und Rechte in der Oberpfalz. So war das sogenannte neubömische Gebiet entstanden, das vom Böhmerwald bis kurz vor die Tore Nürnbergs reichte. Sulzbach wurde  der Vorort dieses Gebiets und der Regierungssitz des böhmischen Hauptmanns.


Der Rückzug Böhmens aus der Oberpfalz


Aber nur zwei Jahrzehnte hielt dieses gesteigerte Interesse Karls an den oberpfälzischen Erwerbungen vor; dann faßt er neuen, geradezu phantastisch anmutenden Plan und opferte ihm weite Teile des nordgauischen Gebiets. Er wollte den Einfluß seines böhmischen Königreichs nach Norden ausdehnen; in einer großartigen handelspolitischen Konzeption beabsichtigte er, den Nord-Süd-Verkehr von Venedig nach Flandern durch Böhmen zu leiten und dazu benötigte er die nördlich seines Königreichs gelegene Mark Brandenburg.

Auch hier kam er den Wittelsbachern ins Gehege. Seit dem Jahr 1324, als König Ludwig der Bayer seinen ältesten Sohn Ludwig V. mit der Mark Brandenburg belehnt hatte, herrschten dort die altbayerischen Wittelsbacher. Von 1365 an regierte Otto V., ein jüngerer Bruder Ludwigs V., ein schwächlicher Fürst, der – obschon von seinen bayerischen Brüdern und Vettern unterstützt – der Expansionspolitik des ihm weit überlegenen Kaisers keinen wesentlichen Widerstand zu leisten vermochte. 1373 sah er sich gezwungen, im Fürstenwalder Vertrag auf die Mark zugunsten Karls zu verzichten; als Entschädigung dafür erhielt er einen großen Teil Neuböhmens. Im nördlichen Teil allerdings, dessen Hauptort nur Auerbach wurde, blieb die böhmische Verwaltung noch ein Menschenalter bestehen.

Gelegenheit, den böhmischen Einfluß in diesem Restgebiet weiter zurückzudrängen, sah der Kurfürst von der Pfalz in den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts gekommen. Im Jahr 1400 war die Unzufriedenheit im Reich gegen König Wenzel aus dem Hause der Luxemburger, den Sohn Karls IV., so stark geworden, daß ihn die Kurfürsten absetzten und Ruprecht III. von der Pfalz an seiner Stelle zum König wählten. Gleich zu Beginn von Ruprechts Regierungszeit begannen die Fehden und Kriegszüge gegen Wenzel in der Oberpfalz; sie dauerten noch über Ruprechts Todesjahr 1410 hinaus, brachten aber schließlich doch den Wiedergewinn der meisten ehemals böhmischen Besitzungen für das kurfürstliche Haus. Nur an wenigen Orten, so in Neustadt an der Waldnaab oder auf der Feste Störnstein konnten sich die böhmischen Beamten halten.

Indes, die Rechtliche Lage der in zwei Etappen (1373 und zu Beginn des 15. Jahrhunderts) wieder zur Pfalz zurückgewonnenen Gebiete war äußerst undurchsichtig und kompliziert. So hatte Karl IV. bei den Entschädigunsgverhandlungen mit dem Brandenburger Otto 1373 verwirrend viele Sondervorschriften über die Erbfolge in diesen Gebieten und deren eventuelle Rückkaufmöglichkeit für Böhmen in die Verträge aufnehmen lassen. Die große Zahl der Bewerber aus den verschiedenen wittelsbachischen Linien und deren Uneinigkeit untereinander machten die Lage immer schwieriger. Zudem fehlte es bei den durch die Kriegszüge unter König Ruprecht gewonnenen Ländereien an der urkundlichen Beglaubigung für den Eigentümer.

So gesehen erscheint es geradezu naturnotwendig, daß der tatkräftige König Georg von Böhmen (1458–1471) sein Augenmerk auf die ehemals neuböhmischen Lande richtete, um hier im Gebiet "jenseits des Waldes" seinen Einfluß zu verstärken.


Die Rechtsgrundlagen der böhmischen Erwerbungen


Diese Vielschichtigkeit der Rechtslage bei all den Besitzungen, die in dem Lehenbrief von 1465 vom böhmischen König dem Pfalzgrafen Otto II. verliehen wurden, lernen wir kennen, wenn wir uns die einzelnen Lehenobjekte näher ansehen.

Das sind zunächst die Orte Hartenstein, Thurndorf, Auerbach und Eschenbach: alle vier waren 1353 für die Schuldforderung Karls IV. an Pfalzgraf Rudolf der Krone Böhmens zu Eigen überlassen worden; zu Beginn des 15. Jahrhunderts hatte sie König Ruprecht gewaltsam wieder zurückgewonnen. Auch Hollenberg war im 14. Jahrhundert böhmisch gewesen, erscheint aber 1407 wieder im Besitz der Pfalz.

Waren bei diesen Gütern lehenherrliche Rechte Böhmens nicht zu behaupten, so konnte doch die Krone Böhmens bei anderen der 1465 genannten Besitzungen tatsächliche Lehensauftragungen des 14. Jahrhunderts geltend machen; d. h. dort hatten freieigene Besitzer ihr Gut unter die Lehenherrschaft Karls IV. gestellt. Hier ist zu nennen Tännesberg, das 1364 von Gilg Paulsdorfer als böhmisches Lehen entgegengenommen wurde und das 1394 Pfalzgraf Rudolf kaufte. Ähnlich verhielt es sich mit Hohenfels; die stark verschuldeten Hohenfelser waren um 1360 Lehensleute Karls geworden und übereigneten ihren Besitz 1383 den pfälzischen Wittelsbachern (VO 88, 128; VO 100 150.)

Die Feste Rothenberg war Lehen der Burggrafen von Nürnberg gewesen, das die Herren von Wildenstein als Lehensmannen besaßen. 1360 kaufte Karl die lehensherrlichen Rechte von den Burggrafen und die Lehensnutzungen von den Wildensteinern. 1401 schließlich hatte sich König Ruprecht das Lehen angeeignet. Ebenfalls den Wildensteinern gehörte die Burg Strahlenfels, die sie 1354 dem Böhmenkönig als Lehen auftrugen; auch dieses Schloß erwarb König Ruprecht im Krieg gegen Böhmen.

Stierberg und Betzenstein gehörten ursprünglich zum großen Besitz der Landgrafen von Leuchtenberg in der nördlichen Oberpfalz. Als Lehensherr konnte sich in Stierberg bereits 1316 der Erzbischof von Trier, Balduin aus dem Haus der Luxemburger, festsetzen; von Trier ging dieser Besitz 1356 an Karl IV. über. Die den Leuchtenbergern verbliebenen Rechte kaufte 1417 Pfalzgraf Johann.

Das Eigentum an Betzenstein war geteilt gewesen; die eine, den Leuchtenbergern zustehende Hälfte ließ sich König Johann von Böhmen bereits 1327 als Lehen auftragen, die andere besaßen die Herren von Schlüsselburg (Schlüsselberg). Diesen Teil erwarb Karl IV. um 1355. Wie in Stierberg kaufte auch hier in Betzenstein Pfalzgraf Johann 1418 die Leuchtenberger aus.

Nicht nur Adelsbesitz hatte Karl IV. zu erwerben verstanden; er setzte auch der Geistlichkeit mit seinen Kaufabsichten zu. Das mußten Abt und Konvent von Waldsassen erfahren, denen er 1354 Bärnau abhandelte. Doch eroberte diese Stadt ebenfalls König Ruprecht, der 1403, 1408 und 1410 dort Amtsleute einsetzte.

Als letztes bleiben schließlich noch die in der Lehenurkunde von 1465 aufgeführten Orte Heimburg, Holnstein und Freystadt zu besprechen. Diese Güter wurden erst bei den Verhandlungen zwischen König Georg und Pfalzgraf Otto zu Lehen erklärt und zwar als Abgeltung der böhmischen Besatzungsrechte in Eschenbach, Auerbach, Rothenberg und Bärnau. Wie unübersichtlich aber die tatsächliche Rechtslage war und wie ungenau selbst die Verhandlungspartner 1465 sich darüber informiert zeigten, erhellt aus dem Beispiel der Feste Heimburg. Denn dieses Schloß war bereits 1362 von den Herren von Heimburg zusammen mit Hermann von Breitenstein König Karl als Lehen aufgetragen worden und dieses Lehenverhältnis hatten in diesem Fall also einer neuen Lehenauftragung gar nicht bedurft.

Bei der Gütergruppe, deren Lehensherrlichkeit der böhmische König von ihren adligen Besitzern erwarb, während diese ihren Lehenbesitz im Lauf der Jahre an die Pfalzgrafen abtraten, kann man sagen, daß die rechtliche Entwicklung verhältnismäßig klar liegt. Lehensherr war auf rechtmäßige Weise stets die Krone Böhmens geworden, Lehensmann waren die Pfalzgrafen bei Rhein. So ist für diesen Besitzbereich die Urkunde von 1465 nur die Bestätigung eines schon seit langem geltenden Zustandes, wenn auch die Rechtslage den Beteiligten im 15. Jahrhundert nicht immer ganz klar gewesen ist.

Bei den ursprünglich von Pfalz an Böhmen verkauften Gütern hatte Karl IV. die volle Landeshoheit erworben, die Pfalzgrafen besaßen darauf keine Rechte mehr, auch nicht im Bereich des Lehenswesens. Im Krieg nahmen die Pfälzer diese Orte den Böhmen wieder ab und das galt derzeit als ein rechtmäßiger Erwerb. So hatte also seit den Tagen König Ruprechts Böhmen auf die Orte Hartenstein, Thurndorf, Auerbach, Eschenbach und Bärnau keinerlei Rechtsansprüche mehr. Erst wieder durch den Vertrag von 1465 begründeten sie ihre Lehensoberheit.

Das ist also die Reihe der böhmischen Thronlehen in der Oberpfalz, wie sie vom 15. Jahrhundert bis zum Jahr 1805 bestanden. Im Lauf der Jahre kamen dazu noch drei weitere Lehenobjekte; Heideck (LK Hilpoltstein), Wolfstein (LK Neumarkt/Opf) und Pleystein (LK Vohenstrauß), die 1805 auch bei den Thronlehen aufgeführt werden. An diesen drei Orten hatte bereits Karl IV. von den Heideckern, den Wolfsteinern und den Leuchtenbergern (für Pleystein) Lehenshoheit gewonnen. Aber erst nach 1465 waren die Kurpfälzer in die Rechte der Lehensleute getreten.


Streit um die Landeshoheit in den Lehensorten


Übergenug haben wir nun gehört von den mannigfachen Verhältnissen, die die Rechtslage so unübersichtlich machte und geradezu herausforderten, die klaren Trennungslinien der Rechte und Pflichten von Lehensherrn und Lehensmann zu überschreiten. Und darum gab es auch in den Jahrhunderten bis zum Ende des alten Reichs nicht abreißende Streitereien zwischen dem Kurfürstentum Pfalz (bzw. seit 1628 Kurbayern) und dem Königreich Böhmen über die Ausübung der tatsächlichen Herrschaft in den Lehensorten. Dazu kam noch eine weitere Tatsache, die Zündstoff zur Auseinandersetzung bot. In den pfälzischen Kanzleien und in der böhmischen Lehensstube war man unterschiedlicher Ansicht über die Auswirkungen des Lehensverbandes. Pfalz stellte sich auf den Standpunkt des Reichslehenrechts, daß nämlich ein Lehenverhältnis noch gar keine territoriale Hoheit des Lehensherrn über das Lehengut begründet. Die Prager Beamten hingegen behaupteten, es sei nach dem in Böhmen geltenden Recht Herkommen, daß alle von der Krone abhängigen Lehensgüter dieser auch mit der vollen Landeshoheit unterworfen seien.. Diese Forderung ging natürlich entschieden über das hinaus, was Pfalz als Lehensmann zu leisten bereit war. Das mittelalterliche Lehensrecht forderte vom Mann als wichtigste Leistung dem Herrn gegenüber; Treue und Dienst.

Wie fragwürdig diese beiden Begriffe in den Jahrhunderten der Neuzeit geworden waren, bedarf keiner weiteren Erörterung. Das, was Bestand hatte bis zum Ende des alten Reiches, war die Pflicht des Mannes zur Mutung, d. h. er mußte beim Wechsel des Lehensherrn das Gut neu empfangen und umgekehrt hatte der Lehenserbe beim Antritt der Erbschaft um Neubelehnung nachzusuchen. In beiden Fällen war eine nicht unerhebliche Gebühr zu entrichten. Diese war die wesentlichste materielle Folge des Lehensverhältnisses.

Mit den böhmischen Prätensionen konnte Pfalz-Bayern im Großen und Ganzen fertig werden und die Ausübung der vollen Landeshoheit in den zahlreichen Lehensorten der Oberpfalz durch böhmische Behörden verhindern. So gelang es den Böhmen nicht, bei den Thronlehen das Gerichtswesen, die militärische Aushebung, den Steuereinzug und wie die anderen von der Landeshoheit abhängigen Rechte alle heißen, zu kontrollieren.

Von den Rechten, die Böhmen ausüben konnte, und die auch von Pfalz-Bayern nicht angefochten wurden, ist am wichtigsten die Lehengerichtsbarkeit. Dem Prager Lehenhof stand die Entscheidung in allen Fällen zu, in denen die Frage des Besitzes der Lehen umstritten war. Diese Gerichtsbarkeit spielte jedoch bei den bisher besprochenen Lehen die in der Hand des kurfürstliche Hauses waren, keine sehr wesentliche Rolle.



Die sog. Privatlehen in der Oberpfalz


Wesentlich mehr Einflußmöglichkeiten waren jedoch bei den sog. Privatlehen Böhmens in der Oberpfalz gegeben, die zum Schluß noch kurz erwähnt seien. Inhaber der Privatlehen waren oberpfälzische Adlige, die nicht reichsunmittelbare Fürsten waren und die von der Möglichkeit, sich den Forderungen des eigenen Landesherrn zu entziehen, gerne Gebrauch machten, indem sie sich Schutz suchend an den böhmischen Lehenhof wandten.

Zu den Privatlehen zählten die Orte Schönsee, Reichenstein und Frauenstein (LK Oberviechtach), Wernberg und Glaubendorf (LK Nabburg), Reuth, Rothenstadt, Unterwildenau, Schlattein und Mohrenstein (LK Neustadt/WN), Waldthurn und Neudorf (LK Vohenstrauß), Plößberg, Schönkirch, Freidenfels und Poppenreuth (LK Tirschenreuth). Deren Geschichte im einzelnen zu verfolgen, geht über den Rahmen dieser knappe Skizze hinaus.

Das Lehenswesen, seit der Merowingerzeit aus antiken Wurzeln entstanden und durch kunstvolle Gebäude des Lehenrechtes normiert, hat der Verfassung des deutschen Reiches das Gepräge gegeben. Es wirkte weit in die Neuzeit herein bis zur Schwelle des 19. Jahrhunderts, wie es uns die Geschichte der böhmischen Thronlehen in der Oberpfalz gezeigt hat. Von dem alten germanischen Treuegedanken, der das Gesamtverhalten zwischen Lehensherrn und Lehensmann ursprünglich prägte, ist natürlich in den Jahrhunderten, da die böhmischen Lehen in der Oberpfalz eine Rolle spielten, keine Rede mehr. Das Lehensband war zu einem reinen Rechtsgeschäft geworden, in dem jeder der Beteiligten nur mehr auf seinen Vorteil bedacht war. Aber gerade diese Tatsache ist bei der Heimatgeschichte vieler oberpfälzischer Orte zu berücksichtigen, auf deren Boden sich die Auseinandersetzung zwischen den altertümlichen Bestimmungen des Feudalwesens und dem neuen Staatsgedanken abspielten.

(Aus: "Die Oberpfalz", 1960, S. 145ff)

"... ob an der jetzigen regierenden Krankheit gestorben ..."

Oberpfraundorf bei Hohenfels, 1611
Von Dr. Hans Ammon


Wie ein Souverän und absoluter Herrscher steht sie da in der alten Akte aus Amberg - die jetzige regierende Krankheit! Man spürt den Seuchenwind jener Zeiten, den Atem der Betroffenen und der darauf Wartenden, die Angst vor dem heimlichen Zugriff jener regierenden Krankheit, als da sind Ruhr, Pest, Cholera ... Und man weiß als moderner Mensch des Jahres 19xx ff., daß der Kampf der Ärzte gegen solche regierenden Krankheiten ungemein erfolgreich gewesen ist in den Jahrhunderten seitdem. Und doch! Immer wieder tauchen sie auf, heimlich, verborgen und doch verwirrend und beängstigend auch in unseren erleuchteten Zeiten, solche regierenden Krankheiten mit dem gleichen Echo der Angst, des Grauens, der Furcht und des Schreckens ...

Nun kehren wir wieder zurück zu unserem alten Akt!

Da liegt auf dem Jura zwischen Beratzhausen und Hohenfels das Pfarrdorf Oberpfraundorf mit seinen Filialorten. Und seine Gottesdienste werden eifrig besucht um 1611 von den einheimischen Leuten des Amtes Hohenfels in der oberen oder Kurpfalz und von den "auslendigen" des jungpfälzischen Dorfes Rechberg und seiner Zugehörungen; dazwischen sind die einst parsbergischen, ab 1574 hallerischen Untertanen von Raitenbuch. Aber zum Gottesdienst an einem Kirchort gehört auch eine rechte Kirchweih, da man der Stiftung gedenkt und der Stifter, des Kirchenheiligen und seines Vorbildes und die lebenden Christen aufruft zur sachgemäßen Unterhaltung ihres Kirchleins mit Taufe und Beichte, Abendmahl und Predigt, Kinderlehr und Beerdigung.

Und das ist schon einer echten Kirchweih und ihrer großen Freude wert.

Und weil das bäuerliche Volk einst seine Angehörigen, Freunde, Verwandten ganz gern einmal wieder bei sich versammelt hatte, so tat mans eben zur lieben Kirchweih und bot im Hause auf, was zur Stärkung der herwandernden und heimwandernden Freunde und Verwandten möglich war. Und dazu war auch das Wirtshaus im Dorf, öffentlicher Versammlungsort der Männer aus den umliegenden Orten zur Besprechung der häuslichen, beruflichen, bäuerlichen Dinge und Ereignisse und auch, wenn es sein mußte, der fürstlichen d. h. staatlichen Vorkommnisse und der kirchlichen Vorgänge nah und fern.

So kam viel Volks zusammen - auch ohne den heute üblichen, oft auf eine ganze Woche ausgedehnten Vergnügunszauber und -rummel. Aber das gute Bier erfaßte auch manchen Unachtsamen oder Wichtigtuer nicht bei der Maß, sondern im Übermaß! Und da kams eben dann zum bösen Wort und üblen Schlag und nachfolgender Verhandlung vor Gericht.

Nun unser Akt vom Jahre 1611 berichtet dies:

Bei der Kirchweih in Oberpfraundorf anfangs Juni waren drei Männer aneinandergeraten: aus der Kurpfalz und vom Kirchort Georg Fridel, von Beruf ein Pfeifer und Stephan Götz; aus der Jungpfalz, Untertan des Herrn Drechsel zu Wischenhofen, Georg Frölich. Bei Götz heißt es im späteren Protokoll: ". . . in zimlicher Armut und großen Schulden stöcken tut, jedoch zimlich händelsüchtig und aufrührerisch." Bei Frölich aber ". . . eines guten Vermögens und Nahrung . . ."

Wie die drei aneinandergerieten und zwei gegen einen losschlugen, konnte nicht herausgebracht werden; jedenfalls lag am Ende der Pfeifer Fridel "durch einen Truck" der beiden anderen schwer beschädigt, blutüberströmt am Boden. Sein Schäher Mayer fand ihn im Hof liegen und versorgte ihn. Man konnte noch den Herrn Pfarrer holen und den Sterbenden mit dem heiligen Mahl versehen, aber in der Nacht verstarb er.

Die Kirchweih hätte ihr jährliches Opfer und ihren jährlichen Handel. Hausfrau und Sohn baten Herrn Pfarrer zur christlichen Beerdigung. Der hatte keine Ahnung vom Handel und Opfer und fragte freundlich, ob "er an der jetzigen regierenden Krankheit gestorben sei". Das mußte verneint werden, und die Angehörigen erzählten den Hergang vom gestrigen Tag, nannten Götz und Frölich als Schläger und Schädiger.

Herr Pfarrer meldete den Vorgang als Malefizsache, gleich dem Richter und bat um Weisung wegen der Beerdigung; denn "er noch unbegraben ist". Der Richter meldete es dem Pfleger zu Hohenfels und dieser der Regierung in Amberg. Was blieb ihr anderes übrig, als die beiden Schläger verhaften und den Toten begraben zu lassen? So erging die Weisung zu beiden Vornahmen. Bei der Verhaftung der beiden Schläger sollten zwei oder drei Soldaten mitwirken und "in der Still ohn einige Gewalt" die beiden erfassen und nach Hohenfels abführen. Da aber Frölich jungpfälzischer Untertan war, also von der Kurpfalz nicht erfaßt und abgeurteilt werden konnte, mußte man versuchen, ihn beim Besuch in Oberpfraundorf zu fassen. Es wird zwar, wie vielfach üblich, im Akt nichts weiter berichtet; doch ist anzunehmen, daß der zuständige jungpfälzische Landsasse Dr. Drechsel im nahen Wischenhofen den Übeltäter mit dem fröhlichen Namen an die Kurpfalz auslieferte. Es war ja ein öffentliches Malefiz, und da konnte man im "Ausland" nicht mehr schützen und wahren. Zum Unglückstag: wohl 4. Juni 1611, Tod vom 4. auf den 5. Juni. Begräbnis nach dem 5. Juni in Oberpfraundorf.

Kirchweih soll Kirchweih bleiben - auch bei Bier und Bratwurst. Wie sagt das Volk? "Wenns am besten schmeckt, soll man aufhören!" Und da hat es wirklich recht. Was über die Maß und das Maß geht, ist immer übel, 1611, 1974 oder 2015!