Mittwoch, 20. Mai 2015

Dorothea „Durchlauchtigste Kurfürstin bei Rhein“

Dorothea
(Titel und Anrede)
Von Dr. Hans Ammon

In der Kurpfalz an Neckar und Rhein und in der oberen Pfalz der Amberger Statthalter sollte man sie nicht vergessen, die insgesamt 33 Jahre als Fürstin zu Neumarkt und Amberg und 12 Jahre zu Heidelberg verbracht hat, vor langen Zeiten. Ihr prächtiges Bild aus dem Jahre 1545, von Hans Besser aus Aachen zu Heidelberg gemalt, zeigt uns ihre Figur von Kopf bis Fuß und, wenn auch das stattliche Gewand der „Durchlauchtigsten Kurfürstin bei Rhein“ zwei Drittel des Gemäldes einnimmt  natürlich köstlich verziert und geschmückt, so bringt doch der Kopf, das Antlitz ihr Eigenwesen zum Vorschein: Selbstbewußtheit und Jugend und Unbekümmertheit. Obwohl durch ihre Mutter Isabella den Habsburgern zugehörig, hat sie doch die berühmte habsburgische Unterlippe verloren und bezeigt ein frisches, fröhliches, unbekümmertes Frauenantlitz und Leben, weibliche Abwandlung ihres leidenschaftlichen Vaters Christiern (Christian II.).

Dorothea

1520  im Schreckensjahr Schwedens  geboren (wo, das zeigt uns niemand von den Geschichtsschreibern an, vielleicht in Kopenhagen) als zweites Kind und erste Tochter des dänischen Königs Christiern II. und der Schwester Karls V., der frühvollendeten Isabella, mußte sie mit Vater und Mutter und Bruder Hans und Schwester Christina 1523 das nordische Dreiländerreich verlassen und verbrachte als Kind die Jahre der väterlichen Verbannung zu Brüssel in den Niederlanden  dort starb die Mutter 1526!  und zu Lochau in Sachsen. 15 Jahre alt wurde sie nach kaiserlichem Willen dem älteren Pfalzgrafen Friedrich (geb. 1485!) zu Heidelberg angetraut und lebte mit ihm, dem pfälzischen Statthalter der oberen Pfalz, bis 1544 in Amberg und Neumarkt, zog mit dem Herrn Gemahl 1544 als Kurfürstin nach Heidelberg, verlebte dort die hohe Zeit ihres Lebens, wenn man die Ehre bedenkt, bis 1566, da ihr Gatte verstarb und Ottheinrich, der Nachfolger, den Herrn und Gemahl ablöste. Da reiste sie in ihr Wittum Neumarkt und Umgebung und blieb dort 24 Jahre stille Regentin des Landes, soweit nicht die übergreifende staatliche Notwendigkeit durch Amberg und Heidelberg geregelt wurde. In einem Akt der Gemeinde Markstetten bei Hohenfels fanden wir verschiedene amtliche Schreiben ihrer kleinen Kanzlei zu Neumarkt, auch ein Schreiben mit ihrer persönlichen Unterschrift: Dorothea. Die Schrift ist breit und groß, gemütlich und schön. Zeichen und Zeugnis einer Frau, die sich Zeit nimmt zur Schreibung ihres Namens.

Voran steht  nach altem deutschen Brauch (auch anderswo üblich) die Titulatur:
Dorothea von Gottes Gnaden Pfalzgräfin bei Rhein, Herzogin in Bayern, Wittibin, der Königreiche Dänemark, Schweden und Norwegen geborene Prinzessin und Erbin.“

Bedenken wir einmal ihre Titulatur, zugleich Angabe des Absenders.

Zunächst ihr freundlicher Name: Dorothea, der griechischen Sprache entstammend und zu gut Deutsch heißend: Geschenk Gottes, also ein wohlbedachter Name für viele Mädchen (die Knaben heißen Theodor; da sind die griechischen Silben nur umgestellt!). wo sie getauft wurde? Wer ihre edle Gevatterin war? Fragen und noch keine Antworten, trotz mancher Studien zu ihrem Leben.

Von Gottes Gnaden  uns alten Leuten noch vertraut aus unserer Kindheit vor 1918 durch die Beifügung bei den Namen unserer Fürstlichkeiten und leider vielfach bereits damals höhnisch und lächerlich gebraucht und gemacht bei unverständigen Leuten unserer Volkes und nach 1918 erst recht durch Geschwätz, Lächerlichkeit, Verhöhnung tausendfach gezogen und doch! Was war denn der eigentliche Sinn dieser drei deutschen Worte „von Gottes Gnaden?“ doch dies, wie alles, was mit der Gnade, Gunst, Huld, Freundlichkeit Gottes zusammenhängt, der Hinweis auf die unverdiente Standeshöhe und Erhöhung unter Menschen und damit die öffentliche Bezeugung des Dankes für solche Gnade und Huld und damit der Anreiz zur Weitergabe der empfangenen Gnade und Huld an die anvertrauten Menschen eines Volkes und Landes. Gewiß rührt sich auch da bei manchen Fürsten die Menschlichkeit in selbstsüchtiger Weise und in Stolz  aber der eigentliche Sinn blieb von Anfang bis zum Ende des Gebrauches dieser Beifügung deutlich und klar. Gilt diese Beifügung schließlich nicht auch für jeden Menschen aus Gottes Hand, der bewußt wird seiner Menschlichkeit aus Gott?

Pfalzgräfin bei Rhein: das ist die Bezeugung ihrer Zugehörigkeit zum großen, weitverzweigten pfälzischen Haus am Rhein und Neckar, ihr verliehen durch die ehrliche Heirat mit Pfalzgraf Friedrich, ab 1535 Statthalter in der oberen Pfalz, ab 1544 Kurfürst bei Rhein. Herzogin in Bayern: Alle Pfalzgrafen bei Rhein führen diese Titulatur als Erbanspruch des pfälzischen Hauses, auch wenn sie nicht zur tatsächlichen Herrschaft und Regierung in Bayern gelangten. (Ihr pfälzisches Haus starb ja 1685 aus, da rückte dann der Pfalzgraf von Neuburg nach und 1743 der kleine Pfalzgraf von Sulzbach und 1799 der kleinste Pfalzgraf des rheinischen Stammes von Birkenfeld! Die Geschichte kümmert sich also schon, wenn es Zeit ist, auch um ihre kleinen Leute!).

Wittibin: Das ist die Bezeichnung ihres Standes, ehrlich, redlich, zugleich ein Schutz in gewissen Gefährlichkeiten des menschlichen Lebens. Dorothea hatte ihren Witwenstand ehrlich hingebracht: mit 36 Jahren Witwe, mit 60 Jahren verstorben ohne die berüchtigten Geschichten, die bei gewissen Frauen üblich sind!

Der Königreiche Dänemark, Schweden und Norwegen geborene Prinzessin und Erbin: Das ist ihr väterliches Erbe, gewiß ein schweres Erbe; denn ihr Vater Christiern hat seinem Hause und seinen Kindern einen wilden und blutbefleckten Namen hinterlassen durch das schreckliche Blutbad in Stockholm 1520 … aber er hat es abgebüßt mit seiner Gefangenschaft in Dänemark 1531 — 1559! Dorothea behielt mit Absicht die Titulatur für jene Lande bei, auch als ihr Herr Onkel Karl V. den Nachfolger ihres gefangenen Vaters 1544 anerkannte und also  in gewisser Weise den beiden noch lebenden Töchtern Christierns Abbruch tat. Daß sie bei dieser hohen Titulatur trotzdem geblieben ist, bezeugt doch auch ihre echte Menschlichkeit. Ihr neuerer Biograph bezeugt das in manchen Briefen aus ihrer Hand.

Derselbe Markstettener Akt bezeugt auch in einigen Beispielen die Anrede, die sie von ihrem Verwandten, Pfalzgraf Ludwig (später 1576 Kurfürst Ludwig VI.) in Briefen erhielt. Da schreibt Ludwig aus Amberg  er war dort Statthalter vor 1576  z. B. am 5. Juni 1574 der edlen Frau in Neumarkt: „Hochgeborene Fürstin, freundliche liebe Frau Mu(h)m, Mutter und Gevatterin!“

Mit der Fürstinanrede und dem Hochgeboren wahrt er den auch bei Fürsten geltenden Respekt.

Mit der Muhme bekundet er die Verwandtschaft, mit der Mutter (natürlich nur übertragen gemeint) die ältere nahverwandte Frau, mit der Gevatterin die christliche besondere Verwandtschaft durch die Patenstelle bei seinem Töchterlein Dorothea ich nehme an, daß sie die Gevatterin Dorotheas ist; sie liegt in S. Martin zu Amberg begraben mit ihren Geschwistern und hat zum Gedächtnis noch dort ihr kleines Epitaph.

Und umgekehrt, Dorothea redet ihn brieflich an: „Hochgeborener Fürst, freundlicher Oheim, Sohn und Gevatter!“ Da wahrt auch sie, die ältere Frau den fürstlichen Respekt, achtet die Verwandtschaft im (Titel) Oheim, bezeugt ihre Mütterlichkeit zu dem jungen Kurprinzen im Sohn und die christliche Verbundenheit im Gevatter (auch wenn er ihr keine Patenschaft stellte, weil sie ja keine Kinder hatte!)

Für Freunde Dorotheas darf noch hingewiesen werden auf zwei wertvolle Schriften: Alexander von Reitzenstein hat ihr in seinem Ottheinrichbuch 1939, mit ihrem Gemahl Friedrich, zwei Bildseiten gewidmet und R. Raubenheimer in den Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 1957 ein kleines Lebensbild gezeichnet. Er verweist auf weitere Schriften, die Dorotheas Leben und Briefe bezeugen. Beide Bücher seien den echten Palatinis herzlich empfohlen! Und vielleicht findet sich doch auch einmal ein Historienkenner und Dichter, der unserer verehrten „Durchlauchtigsten Dorothea“ ein Denkmal setzt. Die edle Frau, die trotz hoher Verwandtschaft zum Kaiser wagte ohne Zwang! das Christentum der lutherischen Konfession zu praktizieren und dem Nachfolger an Neckar und Rhein, Herrn Friedrich III. und seiner Kalvinisierung energisch entgegenzutreten, sollte nicht dem üblem Verdikt verfallen bleiben, sondern unter uns mit Ehren und Dankbarkeit genannt werden. Das war unsere lutherische Habsburgerin! (Ihre verehrte frühvollendete Mutter Isabella praktizierte ebenso!)

Ich schreibe das nicht, um gewisse Feuer weiterzuschüren, sondern als Tatsache, die uns in unserer so wandelbaren Gegenwart über scharfen Generationengegensatz hinweghelfen sollte; der ist nicht neu, sondern uralt.

Siehe Karl V. und Isabella-Dorothea!
Phillip Ludwig und Wolfgang Wilhelm!
Gustav Adolf und Christine!

Und tausendfach wiederholte sich seitdem unter uns hinüber und herüber doch Zeichen und Zeugnis des aufmerksamen Lebens!

Quelle: Staatsarchiv Amberg, Beziehungen zu Pfalzneuburg, Nr. 132/I.

(Veröffentlicht in „Die Oberpfalz“, 1971  59. Jahrgang)

Montag, 18. Mai 2015

Der tragische Untergang der Markgrafen von Hohenburg: Teil 3

Der tragische Untergang der Markgrafen von Hohenburg
auf Sizilien 1256/57
Von Georg Widenbauer.

III. Die Hohenburger als Parteigänger und Schwertdegen der Staufer

Man kann tatsächlich von einem Nibelungenschicksal der Staufer sprechen, wenn man sich in deren wahrhaft erschütternde Kämpfe in Italien vertieft und daraus ersieht, wie ihre so zahlreichen, über ein volles Jahrhundert sich erstreckenden, fast ununterbrochenen Italienfahrten ähnlich dem Zuge der Burgunden ins Heunen- land mit dem Untergang ihres Geschlechts und der meisten ihrer vielfach hochadeligen Gefolgsmannen endigten. Teils erlagen sie dem ungewohnten mörderischen Klima, teils fielen sie in den blutigen Kämpfen oder endeten in harter Gefangenschaft, ja der Letzte des sagenverklärten Geschlechts, der jugendliche Konradin, mußte den schmachvollen Tod durch das Beil des Henkers sterben. Wie die Nibelungen sind auch die Stauferkönige elend zugrunde gegangen (1).

Mit ihnen ist kostbarstes deutsches Blut auf diesen Feldzügen ins Welschland unnütz vergossen, vergeblich für Deutschland geopfert worden. Ganze Hekatomben bester deutschen Menschenleben, edelster Ritter und Knappen, sind in Italien aufgerieben worden. Was hat die italienische Erde nicht deutsches Blut getrunken! Zu der Reihe der großen deutschen Adelsgeschlechter, die im Dienste der Staufer, in dem gigantischen Kampfe zwischen Kaisertum und Papsttum, in Italien sich verblutet haben, gehört auch das hochangesehene nordgauische Haus der Markgrafen von Hohenburg. Es hat sich dort förmlich für die deutsche Sache aufgeopfert.

Die Markgrafen von Hohenburg waren nach der Auflösung der alten Markgrafschaft auf dem Nordgau und der damit verbundenen Schmälerung ihres Herrschaftsgebiets (Vohburg-Cham-Nabburg) gezwungen, wollten sie die ruhmreichen Traditionen des alten Giengen-Vohburgischen Geschlechts fortsetzen, ein neues Betätigungsfeld in Italien als Lehensträger der Kaiser zu suchen. Schon ihre Vorgänger, die Vohburger, hatten ihr Leben als treue Vasallen für Heinrich IV. eingesetzt.

Schloß Hohenburg


Die Hohenburger scheinen von einem lebendigen Abenteuerdrang und von todesmutiger Kampfeslust erfüllt gewesen zu sein. So war Graf Ernst IX. an dem ersten Römerzug Friedrich Barbarossas 1154/55 im Gefolge des kaiserlichen Bannerträgers, des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach beteiligt. Diepold V. kam schon unter Kaiser Heinrich VI. nach Italien, wo er bald der Führer der Deutschen wurde, die damals in hellen Scharen über die Alpen zogen, um dort hochbezahlte Solddienste zu nehmen. Er wurde für seine Verdienste zum Grafen von Acerra erhoben. Wesentlich seiner Umsicht ist es zuzuschreiben, daß die deutschen Ritter sich nach dem jähen Tode des Kaisers in ihren weitzerstreuten Burgen gegen die einheimische Reaktion zu halten vermochten. Er war ein treuer Verfechter der deutschen Sache und unterstützte deshalb auch den Kaiser Otto IV., den Welfen, als dieser sich für die Aufrechterhaltung der deutschen Hoheitsrechte in Italien einsetzte. Nach der Erhebung Friedrichs II. zum deutschen König trat er aber sofort wieder zum Staufer über. (2) Er nahm sodann an dem Kreuzzuge des Herzogs Leopold von Österreich 1217/19 teil und weilte 1218/19 mit anderen geistlichen und weltlichen Herren aus Bayern an der Nordküste von Afrika im Belagerungsheere vor Damiette. Und kaum nach Deutschland zurückgekehrt, stieg er im August 1220 neuerdings als treuer Schwertdegen Kaiser Friedrichs II. nach Italien hinab und hielt bei ihm aus, bis zum April 1223, wo er von ihm mit einer wichtigen Mission nach Deutschland herausgeschickt wurde (3).

So nimmt es nicht wunder, daß Diepold und später seine Witwe bestrebt waren, auch ihre Söhne der Gunst des Kaisers zu empfehlen. Die hohe Schule der jungen Edelleute, war damals der Dienst im Heere des Kaisers, der zugleich die besten Aussichten bot auf reiche Besoldung, Erwerb von Lehen und Ämtern. So treffen wir neben anderen Nordgauer Herren, z. B. den Landgrafen von Leuchtenberg, fortan im Gefolge des Kaisers auch die Hohenburger. Bereits im März 1232 begegnet uns ein Markgraf von Vohburg-Hohenburg in der Umgebung Kaiser Friedrichs II. zu Venedig, unmittelbar nach dem Reichstag zu Ravenna. Einige Historiker vermuten, daß dies schon Diepolds Erstgeborner, Berthold, gewesen sein könnte, den wir später mit seinem Bruder Diepold als „Valet“ (4) am Hoflager Friedrichs II. treffen. Wahrscheinlich hatte er die beiden bei einem Aufenthalt in Österreich persönlich kennengelernt, wo sie vielleicht auf einem der Güter des Hohenburgischen Allodialbesitzes weilten. Damit begann der glänzende Aufstieg der Hohenburger.

Es ist in diesem Rahmen nicht möglich, das ungemein bewegte Leben und Wirken der Markgrafen von Hohenburg (4 Brüder!) in Italien, dieser treuesten Dienstmannen zweier Stauferkönige, Friedrichs II. und Konrads IV. zu schildern. Die Hauptrolle hat Berthold gespielt. Er gehört mit seinem Bruder Diepold zu den engsten Vertrauten des Kaisers.

Berthold wird im Februar 1237 bei Anwesenheit des Kaisers in Wien mit seinem Bruder Diepold in einer Urkunde seiner Mutter erstmals als Valet Friedrichs IT. erwähnt. 1238 wurde er vom Kaiser mit Gütern in Süditalien belehnt, 1239 war er Kapitän in Como, 1244 Generalvikar „in den Landen von Pavia aufwärts“. Bald darauf wurde er in den großen kaiserlichen Rat aufgenommen als „consanguineus imperatoris et familiaris“. Diese enge Verwandtschaft geht zurück auf seine Vermählung mit holde, der Tochter des Markgrafen Manfred Lancia, dessen Schwester Bianca die Geliebte und später angetraute Gemahlin Friedrichs II. war. Da er aber schon früher „consanguineus“ genannt wird, kann man sogar mit Recht auf Blutsverwandtschaft der Hohenburger mit den Staufern schließen, wenigstens über die Vohburger, die ja mit den hochangesehenen Fürstengeschlechtern der Zähringer und Wittelsbacher verschwägert waren (5). 1246/7 war Berthold Führer einer Gesandtschaft des Kaisers an den byzantinischen Hof von Nicäa in einer sehr heiklen Angelegenheit, wodurch er sich die bitterste Feindschaft seiner italienischen Verwandten zuzog.

1250 weilte er am Sterbebette des Kaisers, der seinen Lieblingssohn Manfred seiner Obhut empfahl. Schon zu Lebzeiten des Kaisers war er der anerkannte Führer der deutschen Soldritter im sizilischen Reich gewesen, wobei er sich auf seinen Bruder Diepold stützen konnte, der gleichfalls 1237 mit ihm als Valet erscheint, aber längere Zeit am Hofe zurückgehalten wurde. 1242/3 weilte er im Aufträge des Kaisers in Deutschland. 1246 heiratete er die Tochter Thomasia des Grafen Walther von Manupello und wurde 1247 Generalvikar von Pavia, wahrscheinlich als Nachfolger seines Bruders. Schon im nächsten Jahr ging er mit Tod ab, indem er im Lager von Vittoria fiel (18. Febr.?)(6).
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1.    Der Verfasser dieser Abhandlung hat die unendlich traurigen Geschicke der Staufer in einem Aufsatz: „Die tragischen Todesfälle im tragischen Geschlecht der Staufer“ eingehend dargestellt.
2.    Einige halten dafür, daß dies Diepold v. Schweinspoint gewesen sei. Vgl. Winkelmann, Forsch, z. d. Gesch. XVI, 159.
3.    Er starb am 26. Dez. 1226 und ist in der Klosterkirche zu Kastl begraben, wo die Hohenburger ihr Erbbegräbnis hatten. Siehe „Kunstdenkmäler Bayerns“, Bd. XV II, Fig. 127, S. 177. Hier liegt auch seine Urgroßmutter Liutgard, Tochter des Herzogs Berthold von Zähringen, die Gemahlin Diepolds I., begraben. Sie war die Mitstifterin des Klosters Kastl (1098) und die Begründerin des Klosters Reichenbach (1118). Siehe „Kunstdenkmäler“ Bd. XVII, Fig. 123, S. 173 (romanischer Sarkophag neben dem Eingang zum Glockenhaus).
4.    Die „Valetti“ (von vassalectus = kleiner Vasall) entsprechen dem armiger oder scutifer (= Waffen- oder Schildträger) und waren eigentlich Edelknaben, Junker, Pagen, die am Hof des Königs mit dessen Söhnen auferzogen und in den Verwaltungsdienst eingeführt wurden. Sie erhielten meist schon in sehr jungen Jahren hohe Ämter; manche durften auch die Universität besuchen. Sie rekrutierten sich vorzüglich aus Italienern, aber auch aus Deutschen.
5.    Übrigens war seine Tante Adeln, Tochter Diepolds II. von Vohburg, kurze Zeit mit Kaiser Friedrich Rotbart verheiratet gewesen. Er hatte sich von ihr scheiden lassen, aber ihre Mitgift, das Egerland, behalten.
6.    Über Berthold siehe auch Neue Deutsche Biographie 1955, S. 158 ff.

Dienstag, 12. Mai 2015

Die Wißpeck in Velburg

Die Wißpeck in Velburg
Von Hans Jungwirth


Von der einstmals so stolzen mächtigen Feste, die auf dem Schloßberg bei Velburg stand, grüßen heute noch die Reste der Ringmauern und ein Stück des Turmes hinaus ins Nordgauland, als Zeugen einstiger Größe und Macht. Heute liegen die Säle in Schutt, wo einst Waffenklang erscholl, tönt der Schrei des Käuzchens, wuchern Gras und wilde Blumen.

Einst saßen hier die Grafen von Velburg, deren Vertreter, Chuno von Velburg, 1110 als Vogt des Klosters Obermünster in Regensburg war. Der letzte des Geschlechts, Ulrich von Velburg, unternahm 1217 einen Kreuzzug ins Gelobte Land,  von dem er nicht mehr zurückkehrte. Velburg kam an Bayern.

Drunten im Gebiet der Erzbischöfe von Salzburg bei Oberalm, eine Viertelstunde von Hallein entfernt, stand die Stammburg des Geschlechts der Wißpeck. Hier mündet das Weißbachtal, das wohl einst dem Geschlecht den Namen gab. Bec=bach und die Wißpeck begegnen uns in dem Buche der "Salzburger Adelsgeschlechter" unter den Namen Wißpeckh, Wissbeck, Wißpech.
 Wappen der Wißpeck (Quelle Wikipedia)

Er heiratete eine Hofdame der Kaiserin Elsbeth und lebte auf seiner Stammburg.

Sein Enkel Heinrich erscheint auf dem 22. Turnier in Regensburg. dessen Sohn, Hans Konrad verteidigte die Rechte der Landstände gegen den Bischof von Salzburg. Brunner berichtet in der Chronik von Velburg (1818 erschienen) folgende Geschichte: Hans Konrad reiste nach Salzburg, um die Rechte der Stände zu vertreten und "da er vom Pferde stieg, sah er auf dem Wege einen Igel, welchen er zu sich nahm und womit er zum Bischof selbst drang. Nach langem Reden zog Konrad den Igel hervor, wies selben zum Fürsten hin und sprach: "Mein Fürst und geistlicher Herr! Wann Ihr die Landstände in ihren Rechten und Gerechtsamen verunglimpft, so werden sie sich zusammenbalgen, wie dieser Igel und dann kunnt Ihr Euch, wenn ihr Euere Hand danach austrecket, leicht in die Hand stechen."

Der Erzbischof erschrak, versöhnte sich mit Konrad und den Landständen und der mutige Hans Konrad erhielt den Beinamen "der Igel".

Noch zu seinen Lebzeiten übergab er seinem Bruder Georg das Stammgut. Dieser wurde Salzburgischer Hauptmann und Oberster Kämmerer. Dessen Sohn Achaz war 1643 auf dem 27. Turnier in Landshut und auf dem 32. Turnier in Ingolstadt. Sein Sohn Achaz war Erbkammermeister und Hauptmann zu Salzburg, starb 1475 und hinterließ seine Witwe Luneta (Tochter Heinrichs von Gumpenberg) und zwei Söhne, Georg und Wolf. Das Grabdenkmal eines Achaz von Wißpeck, aus Marmor, teilweise verwittert, findet sich an der Außenmauer der Kirche zu Oberalm rechts vom Eingang. Es zeigt das Wappen der Wißpeck (in Silber rotes Schildhaupt und schräglinker Balken) und folgende Inschrift: "Hie liget begraben der edl und vest achaz-ölden v. Wißpach." Leider fehlt die Jahreszahl. Brunner gibt als Begräbnissstätte Lunettas der Witwe Achaz' "den Thumchor auswendig" zur Salburg an. Es fehlt aber jeder Beweis hierfür; wahrscheinlich ist dieses Denkmal beim großen Brand des Domes 1598 vernichtet worden.
Über das Schicksal der beiden Söhne wollen wir Brunner in seiner Chronik von Velburg hören, denn so schlicht und einfach er berichtet, so gibt seine Darstellung doch das beste Bild.

"Wolf wurde mit Übereinkunft seines Bruders Besitzer der väterlichen Stammfeste und Georg, ein Liebhaber der Waffenspiele, schweifte längere Zeit in Deutschland herum. Er zeichnete sich an allen Ritterspielen aus." Als ein schöner und tapferer Mann war er überall geschätzt. — Der Grund dieses Abenteuerlebens liegt wohl in erster Linie darn, daß Georg auf der väterlichen Burg überflüssig war, dann aber auch wohl in dem Streit mit dem Erzbischof Leonhard von Kreutschach in Salzburg, mit dem er 1502 zerfiel, weil er wegen geleisteter Kriegsdienste mehr forderte, als ihm gebührte und seinem Landesherrn, dem Erzbischof, den Gehorsam kündigte (Georg von Wißpeck war Erbkämmerer des ErzbstiftesSalzburg).

Er ging zum Herzog von Bayern, kündigte dem Erzbischof den 17. und 19. August den Krieg an, um durch Gewalt zu seinem vermeintlichen Recht zu kommen, Darauf antwortete der Erzbischof mit der Exkommunikation.

Jetzt fiel Georg von Wißpeck mit seinen Rotten in Salzburger Gebiet ein, plünderte die Kirchen und mißhandelte die Geistlichkeit. So erzwang er sich vom Abt von St. Peter in Salzburg 126 Dukaten. Herzog Georg von Bayern vermittelte endlich, worauf ein Vergleich zwischen Leonhard und seinem ehemaligen Kämmerer zustande kam: Jörg von Wißpeck erhielt die Absolution, 7000 Goldgulden und ein jährliches Gnadengeld von 400 fl." — Soweit berichten die "Salzburger Adelsgeschlechter".

Georg ging hierauf nach Polen und diente dort dem König mit aller Treue und Anhänglichkeit einige Jahre. "Die Argusaugen der gegen Georg ohnehin neidischen Höflinge wollten manches entdecken, was dem König Ladislaus nicht gefallen konnte. Es kam auch so weit, daß Georg – von Neidern und falschen Anklägern umgeben –  sich vor diesen Schlangenzu sichern, Polen verließ und nach München zu Herzog Albrecht von Bayern an den Hof kam. Auch hier spielte man ihm (durch Bestechungen von Seite des polnischen Königs) mancherlei widrige Streiche. Georg verließ Bayern und begab sich zu Rupert vom der Pfalz (Brunner Seite 106/7).

Mit diesen einfachen Sätzen entwirft der Chronist ein überaus lebensvolles Bild des ritterlichen Irrfahrers.

Sein Bild scheint bei Brunner klarer, sachlicher als in der Darstellung der Salzburger Chronik, die wohl vom Erzbischof dort etwas beeinflußt ist. 1504 ist er Feldhauptmann Ruperts von der Pfalz im Landshuter Erbfolgekrieg. Er belagert zweimal Braunau vergeblich, erst beim dritten Sturm nimmt er die Stadt am 8. August.

Im Mai vorher hatte er Neumarkt, Neuburg, Rain und Pfaffenhofen genommen, letztere Stadt wurde mit "Feuer und Schwert" verheert und die Festung Kufstein für Rupert genommen. Am 15. Oktober eroberte er Geisenfeld, Sonneberg, Seiboldsdorf und Winzer, während ihm Ebersberg, Schwaben und Vilsbiburg erfolgreich Widerstand leisteten.

So erscheint Jörg Wißpeck nicht bloß als ritterlicher Abenteuerer, sondern er setzt auch alle Kraft und Umsicht ein an der Stelle eines pfälzischen Feldhauptmannes. Seiner Tatkraft ist auch der glückliche Ausgang des Streites zu verdanken, der im Frieden von Köln im Juli 1505 sich zeigt. Friedrich, der Vormund der Kinder seines Bruders Rupert,  gab dem Ruhelosen 1507 die Herrschaft Velburg zum Dank für seine treuen Dienste; so fand er endlich eine Heimat. Noch ein schöner menschlicher Zug zeigt sich bei Jörg Wißpeck, er besucht seine alte Mutter im salzburgischen,die bald darauf starb. Nachdem er gut und segensreich seine Herrschaft Velburg verwaltet, besonders den Armen viel Gutes getan (Wißpecksche Stiftung eines Schaffs Korn) starb er 1518.



Sein Sohn Hans Adam war Landrichter in Sulzbach und Erbe Velburgs. Dessen Bruder Hanns Wolf wurde auf der Jagd im Läufelberg "auf der Wiesen" von den Adelburgern ermordet. Wahrscheinlich wudre diese Mordtat von Landräubern verübt, denn die Adelburg war damals schon Ruine. 1551 wurde sie völlig zerstört. 1546 trat Hanns Adam von Wißpeck zur Lehre Luthers über, und mit ihm auch die Untertanen "so daß in der ganzen Herrschaft Velburg kein Katholik mehr war." Unter seinem Sohn Georg Hektor von Wißpeck wurde die kalvinische Lehre eingeführt. Am 30. 9. 1574 starben Georg Hektor und seine Gemahlin Anna Clara von Freiberg an der Pest und wurden in der Pestgrube (Garten im Benefiziatenhaus) beerdigt., Damit erlosch der Mannesstamm der Wißpeck nach nur 76jähriger Herrschaft in Velburg. Burg und Stadt kamen nach mancherlei Kämpfen der Erben am 13 Oktober 1584 an Pfalz Neuburg. Der pflichtvergessene Pfleger Valentin Praun verkaufte später die Dachrinnen, Ziegel und Einrichtung der Burg, was den Untergang der ehemals starken Feste einläutete.

Einige Zeugen aus glanzvoller Zeit sind eben heute noch erhalten: An der hintern Kirchtüre der Stadtpfarrkirche in Velburg ist rechts das Grabdenkmal Jörgs von Wißpeck, links das von Hanns von Wißpeck. Beide haben im Laufe der Zeit durch die Witterung – Vielleicht auch durch Unverstand einzelner – gelitten, sind aber bis jetzt immer noch erhalten geblieben. Ferner ist in der St. Annakirche der Hochaltar aus der ehemaligen Schloßkirche übertragen worden. und zeigt die Wappen der Wißpeck. Ein Wappen dieser Famiie findet sich auch noch am Finanzamt. Das früher in der Kirche aufgefundene Stechschwert ist verloren gegangen, wie so vieles andere aus alter Zeit.
Hoffentlich bleiben die dürftigen Reste, die uns heute noch verblieben sind, auch der Nachwelt erhalten, auf daß auch sie noch an die Zeit gemahnt werde, wo oben auf dem Gipfel des Schloßberges die mächtige Burg weit hinaus ins Land grüßte, zeugend von deutscher Stärke, deutscher Tapferkeit und Ritterlichkeit. Tugenden, die unseren und den kommenden Generationen immer Vorbild sein sollen.

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(Hans Jungwirth, Amberg. Manuskript von 1924)

Samstag, 9. Mai 2015

Der tragische Untergang der Markgrafen von Hohenburg: Teil 2

Der tragische Untergang der Markgrafen von Hohenburg auf Sizilien 1256/57
Von Georg Widenbauer.

II. Stellung der Deutschen im Nibelungenkampf der Staufer um ihr normannisch-sizilisches Erbreich.

Der unerwartete Tod Kaiser Friedrichs II. bedeutet einen der folgenschwersten Wendepunkte der deutschen Geschichte. Mit ihm, der das Reich auf die Höhe seiner größten Machtausdehnung emporgeführt hatte, hatte das Reich seine Rolle als europäische Vormacht ausgespielt.
Kaiser Friedrich II.
Kaiser Friedrich II.
Die Reichsherrschaft in Italien geriet in die letzten Todeszuckungen. Heftig begann sich, von den Päpsten planvoll geschürt, der italienische Nationalismus gegen die deutsche Fremdherrschaft zu regen. Diesen hatte schon die Kaiserin-Witwe Konstanze genährt, die nach dem jähen Tode ihres von ihr bitter gehaßten Gemahls 1197 (man verdächtigte sie sogar, ihn vergiftet zu haben) einen Ausweisungsbefehl gegen alle Deutschen hatte ergehen lassen. Freilich gelang die Austreibung der deutschen Ritter, die sich in ihren Burgen heldenmütig verteidigten, keineswegs. In Markward von Annweiler, dem militärisch-politischen Haupthelfer Heinrichs VI., fanden sie den tatkräftigen Führer, der nicht bloß die Verbindung mit der staufischen Reichsregierung in Deutschland aufrechthielt, sondern auch sich der Statthalterschaft in Sizilien bemächtigte und damit einen bestimmenden Einfluß auf den kaiserlichen Knaben gewann.

Als er aber ins Grab sank, geriet der junge Friedrich in die Hände ergeiziger Machthaber und wurde ein Spielball deren habgierigen Bestrebungen, bis er mit erlangter Mündigkeit (1208, erst 14 Jahre alt) zur politischen Selbständigkeit gelangte, aber erst ein Werkzeug der Kurie im deutschen Thronstreit, dann deren heftigster Gegner wurde, und, ein Freigeist, wie er war, nach Aufrichtung eines stehenden Heeres, vorzugsweise aus mohammedanischen Sarazenen, einen absoluten Staat aufrichtete, in dem die Kirche einen Fremdkörper bildete. Das führte natürlich zu einem wahrhaft tragischen Kampf auf Leben und Tod zwischen den beiden höchsten Gewalten der Christenheit, der auf beiden Seiten mit härtester Rücksichtslosigkeit geführt wurde.

So war die Lage aufs äußerste gespannt, als Friedrich nach einer Reihe bitterster Schicksalsschläge plötzlich verschied, als sich eben eine Wendung zu seinen Gunsten anbahnte. Sein Tod bedeutete den völligen Zusammenbruch seines Machtsystems und damit den endgültigen Triumph des Papsttums in dem langwierigen Ringen um die Herrschaft in Italien. Die Deutschen wurden fortan als Erbfeinde grimmig verfolgt.

Diesen Stand der Dinge muß man sich vor Augen halten, wenn man die damalige Stellung der Deutschen in dem normannisch-sizilischen Erbkönigtum der Staufer richtig verstehen will. Was sie noch schwieriger machte, war der Umstand, daß Friedrich zwei Söhne hinterließ, von denen der eine, Konrad, aus der Ehe mit Isa- bella, Erbin von Jerusalem, stammte, also legitimer Abkunft war, während der andere, Manfred, sein Lieblingssohn, körperlich und geistig-seelisch das Ebenbild des Vaters, aus der natürlichen Verbindung mit der feurigen Italienerin Bianca Lancia aus angesehenem Geschlecht entsprossen war. Der unheilvolle Dualismus dieser Nachkommenschaft, der daraus für die Thronfolge in Sizilien entstand, mußte naturgemäß die gefährdete Stellung der Deutschen in dem aufgewühlten. Lande noch mehr erschweren.

Dieser unselige Dualismus wirkte sich besonders nachteilig für die Deutschen aus beim Tode von Friedrichs Sohn und Nachfolger König Könrad IV., der schon wenige Jahre nach dem Heimgang seines Vaters im jugendlichen Alter von 26 Jahren dem heißen Klima Italiens erlag (1254) und so den Gegensatz zwischen den Deutschen und Italienern aufs höchste steigerte. Denn in dem nun entbrennenden Thronkampf hatte der einheimische Bewerber, Konrads Halbbruder Manfred, entschieden den Vorteil vor dem erst 2 Jahre alten Söhnchen Konradin des verstorbenen Königs, das unter der Obhut seiner Mutter in Deutschland aufwuchs. Dabei kam ihm der mächtig auflodernde Haß seiner italienischen Landsleute gegen die Deutschen zugute. Die heimischen Barone und auch großenteils die Geistlichkeit standen auf seiner Seite, wie ihn denn auch zeitweilig der Papst unterstützte. Es ist hier nicht der Ort und Raum, diese blutrünstigen und ränkevollen Kämpfe die mit höchster nationaler Erbitterung geführt wurden, näher auseinanderzusetzen. Sie sind nicht bloß in großen Geschichtswerken dargelegt, sondern auch in spannenden Romanen verherrlicht, ja sogar dramatisiert worden. Mehrere deutsche und italienische Dichter haben Manfred zum Helden einer ergreifenden Tragödie gemacht (*1).
Krönung Manfreds
Krönung Manfreds
Man muß sich in diese mehr oder minder national gefärbten Darstellungen   eingehend vertiefen, will man ein richtiges Bild gewinnen von dem heldenhaften „Nibelungenkampf" der Deutschen, die damals auf dem vulkanischen Boden Siziliens für die Rechte der Staufer und damit für die Aufrechterhaltung der deutschen Machtstellung im Mittelmeerbecken ihr Leben einsetzten. Dann erst wird man verstehen, welch denkwürdige Rolle die Markgrafen von Hohenburg in diesen unruhevollen Zeiten in Italien gespielt haben. Leider sind ihre Verdienste um die deutsche Sache in Welschland bisher nicht völlig aufgeklärt und anerkannt worden. Doch hat der bedeutendste von ihnen, Berthold, aus der Feder seines Landsmanns, Prof. Dr. Michael Döberl, treffliche Würdigung seines Lebens und Wirkens als „letzter Vorkämpfer der deutschen Herrschaft im Königreich Sizilien“ gefunden (*2). Seine erhabene Gestalt, sein dramatisch bewegtes Leben, das mit seinem gewaltsamen Opfertod im düsteren Kerker endete, verdiente es, wahrlich, literarisch verherrlicht und so wenigstens seinen bayerischen Stammesgenossen, insbesondere seinen engeren oberpfälzischen Landsleuten in der Form eines Romans oder noch besser eines zu Herzen gehenden Dramas vor Augen gestellt zu werden. Er trägt in so mancher Hinsicht Züge des edlen Markgrafen Rüdiger von Pechelareu in sich.
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1.    So E. Raupach, O. Marbach u. F. W. Rogge. 2.    Siehe „Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“, Bd. XII, 1894, Heft 2, S.    201—278, auch als Sonderdruck erschienen.

Mittwoch, 6. Mai 2015

Der tragische Untergang der Markgrafen von Hohenburg: Teil 1

Der tragische Untergang der Markgrafen von Hohenburg auf Sizilien 1256/57
Von Georg Widenbauer.

I. Ihr Stammsitz und ihr Aufstieg

Das forellenreiche Flüßchen Lauterach, das sich bei Schmidmühlen in die Vils ergießt und über die Naab der Donau in die Arme eilt, hat in der mittelalterlichen deutschen Kaisergeschichte eine ungemein wichtige Rolle gespielt. Insbesondere haben sich seine geschichtsträchtigen Marktflecken Lauterhofen, Kastl und Hohenburg mit ehernen Lettern in das Buch der Geschichte eingetragen. Lauterhofen ist als Stützpunkt fränkischer Macht schon um 725 in Erscheinung getreten. Welch hohe politische Bedeutung der karolingische Reichshof Lauterhofen besaß, geht deutlich schon daraus hervor, daß er bei der Reichsteilung Karls des Großen vom Februar 806 besonders erwähnt wird. Das hochangesehene Dynastengeschlecht der Grafen von Kastl-Sulzbach-Habsberg, das in engsten verwandtschaftlichen Beziehungen zu den ersten Fürstengeschlechtern des Reiches stand, hat durch Umwandlung seiner Stammburg Kastl in ein römisch gefreites Benediktinerkloster (1098) den unseligen Investiturstreit zugunsten der Kirche schicksalhaft beeinflußt und ist später, im Zeitalter Kaiser Ludwigs des Bayern unter seinem „Gewaltigen Abt“ Hermann ein Hort des wittelsbachischen Machtgedankens gewesen. Hohenburg aber ist umstrahlt von der geheimnisvollen Gloriole der so stürmisch bewegten Endzeit des glanzvollen mittelalterlichen Kaisertums, das mit dem hochstrebenden, sagenverklärten Geschlecht der Staufer auf dem vulkanischen Boden des heißen Sizilien seinen tragischen Untergang fand. In diesen wurden auch die Markgrafen von Hohenburg verstrickt. In Diensten der letzten Staufer, des gigantischen Kaisers Friedrich II. und seiner Söhne König Konrads IV. und Manfreds von Sizilien sind sie zu den höchsten Ehrenstellen emporgestiegen, aber schließlich ein Opfer der Herrsch- und Blutgier des ränkevollen Königs Manfred geworden. 3 Brüder haben vor 700 Jahren dort ein gewaltsames Ende gefunden; mit ihnen erlosch ihr ruhmvolles Geschlecht.

Castel del Monte

Die mächtige Burg, die einstmals ein so hochgemutes Geschlecht beherbergte, ist heute in Trümmer gesunken, aber noch immer geht ein Ahnen versunkener Pracht und Herrlichkeit von ihr aus, noch immer umweht sie ein bestrickender Hauch großartiger mittelalterlicher Vergangenheit. Ihre verwitterten Mauerstümpfe ragen als stumme Zeugen einstiger Größe, fast möchte ich sagen, anklagend zum Himmel empor. Wer je einmal das Glück hatte, in Italien selbst den Spuren der untergegangenen staufischen Macht nachzugehen, dem muß unwillkürlich die verblüffende Ähnlichkeit auffallen, die der flankengeschmückte Bau des von Kaiser Friedrich II. um das Jahr 1246 in der Nähe von Andria in Apulien erbauten und von ihm mit Vorliebe aufgesuchten Jagdschlosses Castel del Monte mit der 1812 so pietätlos abgebrochenen Hohenburg gemein hat.
Ruine Hohenburg
Ruine Hohenburg
Die Ruine von Hohenburg gewährt auch heute noch im Zustand ihres traurigen Verfalls auf dem trutzigen Bergkegel einen imponierenden Anblick. Sie gehört neben den Grenzburgen Flossenbürg, Leuchtenberg und Obermurach zu den eindrucksvollsten Landschaftsbildern der Oberpfalz. Die Hohenburg bildete einst den Mittelpunkt einer mächtigen Grafschaft, ja, es hat sogar für kurze Zeit einmal Markgrafen von Hohenburg gegeben, als Diepold von Vohburg die Witwe des Grafen Friedrich von Hohenburg heiratete. Amberg, Sulzbach, Vilseck und Parkstein waren vorübergehend in Vohburg-Hohenburgischem Besitz. Nach Hochschulprof. Dr. Dachs (siehe VHO, Bd. 82/1934, S. 4–8) erscheint das Grafengeschlecht von Hohenburg um 1100 zum erstenmal in der Geschichte. Es stand im Mannesstamm in engsten verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Grafen von Poigen-Stein im niederösterreichischen Waldviertel und den Grafen von Rebgau in Oberösterreich (bei Vöcklabruck). Die Sage bringt ihren Ursprung in Verbindung mit dem Markgrafen Luitpold dem Schyren, dem Stammvater der Wittelsbacher, der auf dem Wolfstein bei Neumarkt und im Lauterachtal begütert war und in der blutigen Schlacht an der Enzburg bei der Abwehr der Ungarn 907 gefallen ist und nach der Kastler Reimchronik in Kastl seine letzte Ruhestätte gefunden haben soll. Die Hohenburger hatten im Mittelalter ihr Erbbegräbnis in der Gruft der Klosterkirche zu Kastl. Es ist hier nicht der Ort, auf die zum Teil mythologische „Genealogisch-Diplomatische Geschichte der Grafen von Hohenburg, Markgrafen auf dem Nordgau“, verfaßt von dem Domkapitular und erzbischöflichen Konsistorialkanzlisten Thomas Ried von 1812 einzugehen, der als gebürtiger Hohenburger sich zur Aufgabe gesetzt hat, die tragisch bewegten Geschicke dieses ruhmvollen Geschlechts aufzuhellen und der sich dabei mit den „Taten und Schicksalen Bertholds, des letzten Grafen von Hohenburg, und seiner Brüder“ näher beschäftigt hat. Es mag genügen, auf den Zusammenhang zwischen den Markgrafen von Vohburg-Cham mit den Grafen von Hohenburg hinzuweisen, den Prof. Dr. Dachs näher erläutert hat. Danach ging Mathilde, die kinderlose Witwe, des vor 1210 gestorbenen Grafen Friedrich von Hohenburg wahrscheinlich schon im Jahre 1212 eine zweite Ehe mit dem Titular- Markgrafen Diepold VI. (V.) von Vohburg ein. Diesem Bunde entsprossen nicht weniger als 6 Leibeserben.

Markgrafen Vohburg-Hohenburg Stammbaum
 
Die aus dieser Ehe hervorgegangenen Söhne führten das Geschlecht auf den Gipfel der Macht. Meteorartig war ihr Aufstieg. Sie waren die getreuesten Anhänger der Staufer, ebenso wie einst ihre Vohburgischen Ahnherrn Diepold und Rapoto die ergebensten Schildhalter des Saliers Kaiser Heinrichs IV. gewesen waren, der gleichfalls wie die Staufer einen so folgenschweren Kampf mit der Kirche heraufbeschworen und im erbitterten Ringen zwischen Kaisertum und Papsttum gleichfalls ein wenig rühmliches Ende gefunden hatte. So umweht ein Hauch tiefer Wehmut, aber auch des hehren Glanzes, der den Untergang des gewaltigsten deutschen Kaisergeschlechts, der volkstümlichen Staufer, umstrahlt, das stolze heimische Grafengeschlecht der Hohenburger. Sie haben sich in Italien nicht bloß für die Belange ihrer staufischen Lehensherrn tatkräftigst eingesetzt, sondern auch für die deutsche Sache heldenmütig gestritten und ihr Leben buchstäblich im Dienste Deutschlands verzehrt. Darum verdienen sie, die welscher Tücke und Grausamkeit zum Opfer gefallen sind, daß ihr Andenken in der Heimat wieder erweckt wird, daß die Heimat ihren Manen den Tribut der Teilnahme und Verehrung zollt.

 (Ende Teil 1)

Dienstag, 5. Mai 2015

Untergegange Orte - Kirchenödenhart

Kirchenödenhart
Von Antonie v. Tänzl
(1954)
Der Tod des im Februar 1954 heimgegangenen letzten Sprossen eines angesehenen Regensburger Patriziergeschlechtes, Dr. Felix Freiherr v. Thon-Dittmer veranlaßt mich, von dem abgelegenen und Untergegangenem  Kirchenödenhart zu erzählen. Ende des 17. Jahrhunderts besaß nämlich der damalige Bürgermeister von Regensburg, Freih. v. Thon-Dittmer, nicht nur das schöne Patrizierhaus am Haidplatz  (heute noch Thon-Dittmerhaus genannt), sondern auch die Herrschaft Kirchenödenhart im Kreis Burglengenfeld. Der verstorbene Baron sagte einmal 1938 zu mir: „Schade, daß mein Großvater damals Kirchenödenhart verkaufte, heute bekäme ich ein schönes Stück Geld dafür vom Staat." 1938 und 39 wurde nämlich das ganze Dorf Kirchenödenhart abgelöst und in den Truppenübungsplatz Hohenfels einverleibt.
Ansicht der Hofmark von Georg Hämmerl, Ende des 18. Jahrhunderts
Ansicht der Hofmark von Georg Hämmerl. Ende des 18. Jahrhunderts.
Wenn man am Nordrand unserer früheren Waldung Büglberg stand, (heute auch Trupp.-Ub.-Platz), sah man über den dunklen Wäldern des einstigen Gaishofes ein Wiesental und daneben in einer Senke eingebettet das Dörfchen Kirchenödenhart. Mit seiner romanischen Kirche, dem hochgiebeligen Schloß und den sich darum reihenden, kleinen, breiten Häusern, machte es wohl einen malerischen aber ärmlichen Eindruck. Reich ist der Ort nie gewesen und in seinem Namen Ödenhart lag wohl ein Körnchen Wahrheit. Wenn auch damals eine holperige Straße von Schmidmühlen und Emhof aus dem Vilstal hinauf führte, so hatten die Bewohner in dieser Einöde, weit ab vom Verkehr, kein leichtes Leben. Die Not blickte oft genug durch die niederen Fensterscheiben. In regenarmen Sommern mußte das Wasser bis aus dem Vilstal auf Ochsenkarren für das Vieh herauf geholt werden. Bis zum Jahre 1904 gingen die Kinder den 1 Stunde weiten, schlechten Weg zur Schule nach Dietldorf. Im Winter, bei  knietiefem Schnee oder im Frühjahr zur Zeit der Schneeschmelze war der Schulbesuch für die Kinder unmöglich. Denn im Wiesental, das sich von Kirchenödenhart bis Rohrbach am Rand der Wälder hinzieht, hatte sich das Schneewasser zu einem reißenden Bach vereinigt, der das Dorf völlig abschloß.

Im 18. Band des·Hist. Vereins der Oberpfalz liest man, daß sich 1788 laut Amtsbeschreibung in Kirchenödenhart (Kirchenettenhart) ein Schloß, eine Schloßkapelle (Filiale der Pfarrei  Dietldorf ) 26 Untertanen und 2 Einöden befanden. Schon im 11. und 12. Jahrhundert saßen hier die Ettenharter, Ministerialen der Grafen v. Hohenburg. Aus dieser Zeit stammt der romanische Kirchturm. Nach dem Aussterben der Grafen von Hohenburg waren unter anderen auch die Wißbeck zu Velburg Besitzer. Jörg Hektor v. Wißbeck erbaute 1565 das Schloß, einen stattlichen, dreigeschossigen Bau, der in einer belebteren Gegend mit seinen 2 Giebeln und 4 Ecktürmen ein hübsches Kunstdenkmal seiner Zeit dargestellt hätte. Aber das Schloß, das sich seit 1821 in bäuerlichen Händen befand, kam gegen Ende dieses Jahrhunderts immer mehr herunter und machte schon in meiner Jugend einen verwahrlosten Eindruck, während es auf einer Tuschezeichnung des Malers Hämmerl von Kallmünz (im Schloß Dietldorf) mit seiner uralten Linde vornehm dasteht. Die Linde sah ich noch 1950.
Schloss Kirchenoedenhardt

Aus der Zeit der Wißbeck dürfte auch der 60 m tiefe Schloßbrunnen stammen, aus dem man mittels einer Kettenwinde das Wasser in einem eisernen Eimer mühsam heraufschöpfte. Uns Kinder hat dieser Brunnen immer besonders angezogen. Schon das Hinabschauen bis zum Grund des Wassers bereitete ein angenehmes Gruseln, und wenn man ein Steinchen hinunterwarf, dauerte es lange, bis es im Wasser aufklatschte.

Die Pertolzhofen, ein bekanntes, oberpfälzisches Hammerherrengeschlecht besaß fast 100 Jahre Kirchenödenhart und zu gleicher Zeit den Hammer in Traidendorf.

So heißt es auf einer Gedenkplatte  mit dem Wappen derer von Pertolzhofen:

"Hatt Hans Joachim  v. Pertoltzhofen zu Traidendorf, Khirchenettenhart und Perkam dises Gottshaus anno 1591 Widerumb von Neuem erbaut, anno 1543 alles zu grundt ist abgebrunnen Und das wortt Gottes 48 jar lang darinen nit hat Chlungen".
Kirchlein von Kirchenödenhart
Kirche von Kirchenödenhart
Beachtenswert war weiter ein Renaissancealtärchen aus weißem Kalkstein mit  einem guten Relief der Verklärung Christi in der Mitte; darunter die Stifter H. J. v. Pertolzhofen und seine Frau Anna aus dem Hammerwerksgeschlecht der Sauerzapf mit ihren Wappen.
Reneissancealtärchen in der Kirche
Die Sauerzapf saßen 300 Jahre auf dem Hammer von Rohrbach. Mit zwei Töchtern, wovon eine noch mit ihrem Mann, Hs. Friedr. v. Kreuth (Kreith) kurze Zeit Kirchenödenhart behielt, starben die Pertolzhofen aus. Später scheinen einige Schwestern v. Rummel an Kirchenödenhart Gefallen gefunden zu haben: so 1792  die Witwe Anna Hildegard v. Fachbach geb. v. Rummel. Auch die Frau des Bürgermeisters Thon-Dittmer, eine Rummel, und zuletzt  Elisabeth v. Rummel, die nach Erzählung meines Großvaters auf dem Ochsenwagen  nach Dietldorf zur Kirche fuhr und in ihrer ländlichen Einsamkeit am Sonntag mit den Bauern im Wirtshaus Tarock spielte. Elisabeth v. Rummel wurde 1821 vor der Kirche in Dietldorf begraben. Nach ihr kam Kirchenödenhart in bäuerlichen Besitz.

Nach dem zweiten Weltkrieg belebte sich der einstige Wehrmachts–Truppenübungsplatz Hohenfels wieder. Heimatlose, Sudetendeutsche, Rumänen und Litauer nahmen von den zerfallenen Dörfern und Einöden Besitz, bauten sich dort wieder auf und pachteten die landwirtschaftlichen Grundstücke. In diesen Siedlern erwachte auch der Wunsch, eine Kirche und einen Geistlichen zur Ausübung des Gottesdienstes zu erhalten. H. H. Kammerer und Pfarrer Franz Xaver Schmid von Dietldorf baute mit Hilfe des Ordinariates Regensburg die teilweise zerstörte Kirche von Kirchenödenhart mit, großen Opfern wieder auf . Am 23. Juli 1950 erfolgte die Einweihung des wieder erstellten Kirchleins. Ein katholischer und ein protestantischer Geistlicher wurden mit der Ausübung der Seelsorge betreut. Leider mußte im Herbst 1952 der einstige Truppenübungsplatz und damit das wiedererstandene Kirchenödenhart erneut für das Militär, diesmal, für die amerikanischen Truppen geräumt werden.

Samstag, 2. Mai 2015

Die Babenberger auf dem Nordgau

Bilder aus ihrer Geschichte zusammengetellt von Konstantin Trammer

In der Geschichte der Markgrafschaft auf dem Nordgau nimmt einen breiten Raum das Geschlecht der Babenberger ein. Ihr Stammschloß stand auf hohem Felsen an der Rednitz, nahe bei Bamberg. Feuerköpfe müssen diese Babenberger gewesen sein, dämonisch in der Liebe und im Haß. Ihre Geschichte ist reich an Wechselfällen, reich aber besonders an Katastrophen, die, selbst im Spiegel jener rauhen Zeit gesehen, erschütternd wirken.

Der Nordgau
Zu Theres (Bez.-A. Haßfurt) modern die Gebeine des unglücklichen Adelbert des Babenbergers, von dessen Mutter, der sächsischen Fürstentocher Baba, die Stadt Bamberg den Namen bekommen haben soll. Sein Vater, Graf Heinrich war 840 im Kampf gegen die Normannen vor Paris gefallen. Damals gebot es die Ritterehre, jedes erlittene Unrecht blutig zu rächen. Was hieß für die Herren jenér Zeit Recht? Was sie mit Gewalt behaupten und, wenn es ihnen danach gelüstete, erraffen konnten. Wohl sprach der König Recht über sie, gebot den Hadernden Landfrieden oder verhängte Strafen, ja die Acht über den, der im Unrecht zu sein schien. Aber auch das war häufig nur der Schwächere von ihnen, oder der getroffene trotzte dem königlichen Spruche und pochte auf sein Schwert.

So lag Adelbert jahrelang in Fehde mit dem Bischof zu Würzburg. Anfänglich aufs Haupt geschlagen wobei zwei seiner Brüder auf der Wahlstatt blieben, fiel er mit verdoppelter Macht im Würzburgischen ein, nach damaligem Kriegsbrauch sengend und mordend. Zwar Gebot im der König (Ludwig IV. das Kind) Einhalt. Aber im Frühjahr 905 unternahm er einen dritten Zug gegen den Bischof und erschlug dessen Feldhauptmann, den Herzog Konrad von Friedeslav (Fritzlar) mit eigener Hand. Nun lud ihn der König nach Tribur, wo Reichstag gehalten wurde, und sagte ihm, als er den königlichen Boten mit Hohn heimschickte, selbst die Fehde an.

Die Abendsonne vergoldete die Zinnen und den hochragenden Bergfried der Burg des Babenbergers und tauchte die Wipfel der herbstlich verfärbten Buchen- und Eichenwälder, die sich ringsum ausbreiteten, in ein Feuermeer. Im Burghof herrschte ein kriegerisches Treiben. Hoch vom Turm herab ertönen Hornstöße. Fern im Tal bewegt sich in einer Staubwolke ein Zug Berittener heran. Das Falkenauge des Türmers erkennt an ihren Wimpeln die Farben des Erzischofs von Mainz. In ihrer Mitte führen sie eine von zwei Maultieren getragene reichsgeschmückte Sänfte. Dies meldete der Wachsame vom Turm. Nicht lange währte es, da hielt vor dem äußeren Burggraben ein Herold auf einem schäumenden Roß und verkündete den Anruf: "Mein gnädigster Herr, der Erzbischof Hatto von Mainz, Erzkanzler von des Königs Majestät, entbietet Gruß und Heil dem edlen Herrn von Babenberg, der ihm für eine Nacht Herberge auf der  Burg gewähren möge." Die Zugbrücke rasselte hernieder, unter  den sich öffnenden Torflügeln tauchte die hohe Gestalt des Burgherrn auf. "Hinterbringe deinem Herrn meinen ehrerbietigen Gruß, er soll in meinem Haus willkommen sein," sprach er in gemessenen Ton. Während der Herold zurücksprengte, eilte der Ritter zu seinem Weibe, der edlen Brunhilde, die mit ihrem einzigen Kind, dem fünfjährigem Söhnchen Adelbert, auf dem Söller der Burg weilte.

"Was soll dieser ungewöhnliche Besuch? Bedeutet er Gutes oder Schlimmes? Sei ihm wie ihm wolle., über Mangel an Gastfreundschaft in unserer Burg, soll der Gesalbte sich nicht zu beklagen haben." Brunhilde trug schon längst bange Sorge über die kriegerischen Unternehmungen ihres Gemahls im Herzen. Vermessen schien es ihr, der Macht des Königs zu trotzen. Konnte solches gut enden? Sie wagte es nicht, dem Gatten darüber vorhalt zu machen. Man hoffte so gerne, was man wünscht. Deshalb versprach sie sich von dem Besuch des Prälaten eine Lösung der Schwierigkeiten, wenn sie auch nicht jeden Argwohn unterdrücken konnte. Sie antwortete dem Ritter schlicht: "Du wirst die Ehre Deines Hauses und das Heil der Deinen zu wahren wissen. Gott sei mit uns!" Dann eilte sie hinweg um die nötigen Anordnungen für die Aufnahme des Gastes zu treffen.

Dieser ließ nicht lange auf sich warten. Der Sänfte entstieg der bereits unter der Last der Jahre leicht gebeugte Kirchenfürst mit seinem Kanzler Luitpold. Nach feierlicher Begrüßung, der auch Brunhilde beiwohnte, geleitete der Ritter die beiden in die für sie bestimmten Gemächer, während das Gefolge sich unter die Leute der Burg mischte.

An jenem Abend fand in der gewölbten Gaststube der Burg eine lange Besprechung zwischen Hatto und dem Babenberger statt. War dieser an seinem Sterne irregeworden, trübte die Sorge um Weib und Kind seinen Blick oder bewahrheitete sich auch bei ihm , was die Sage von manchem Helden überliefert, daß der Starke schleichender Tücke gegenüber hilf– und arglos sei? Hatto überredete ihn, sich der Gnade des Königs anzuvertrauen und mit ihm am nächsten Morgen nach dem Schlosse Theres an das königliche Hoflager zu reiten, und er vermaß sich mit heiligem Schwur, daß er ihn unversehrt in seine Burg zurückbringen werde. Der Babenberger willigte ein und traf seine Vorbereitungen für den Ritt.

Bei Tagesgrauen wurde aufgebrochen. Hatto lehnte den Morgenimbiß ab, da er an diesem Vormittage noch unterwegs die Messe lesen wollte.. Sie waren aber noch nicht lange außer Sicht der Burg, da gab er zu erkennen, daß er sich plötzlich krank fühle. Eine alte Chronik, des "Heil. Röm. Reichs Freye Stadt Nürnberg" aus der Bücherei des Hochstifts Waldsassen läßt ihn zu dem Babenberger sagen: "So ist es doch wahr; wer das Angebotene verschmäht, muß öfters selbst bitten. Es verdrießt mich der lange Weg; denn wir werden den ganzen Tag nicht nüchtern reisen können." Daraufhin schlug der Ritter vor, auf die Burg zurückzukehren und sich an Speise und Trank zu stärken. Dies geschah; dann ging die Reise von neuem munter dem königlichen Lager zu.

Dort zog sich Hatto zurück; der Ritter wurde vor den König geführt. Dieser befahl, ihn in Ketten zu legen, und Tags darauf, am 9. September 906 überlieferte er ihn dem Henker. Hatto war schurkisch genug der Hinrichtung beizuwohnen. Als der Babenberger, der ungebeugt zum Richtblock schritt, ihn erblickte, rief er ihm zu: "Hatto, ihr seid, wenn ich sterben muß, des Meineids schuldig!" Worauf ihm dieser entgegnete: "Mit nichten! Hab ich euch nicht unversehrt auf euere Burg zurückgebracht? Warum zoget ihr zum anderenmale mit mir aus?"

Schon die Chronisten jener Zeit sprechen mit Empörung von diesem schnöden Verrrat. Wolfgang Hunger, Kanzler des Hochstifts Freising im 16. Jahrhundert nennt Hatto: "perfidum illum et infamem episcopum Morgantinum."

Der König brach die Burg Babenberg, zog die Güter Adelberts ein und verteilte sie. Brunhilde floh mit ihrem Knaben zu ihrem Vater, dem Herzog Otto von Sachsen.

Am 15. März 933 starb der Sohn des Gerichteten den Heldentod in der Schlacht bei Mersburg, in der König Heinrich die Magjaren vernichtete, die seit Jahren Deutschland und auch Bayern raubend und mordend heimsuchten. Der König überschüttete dessen Söhne Berthold und Liupold mit Gnadenbeweisen. Als sie herangewachsen waren, zählten sie zu den Edelsten der Ritterschaft und brachten das Haus der Babenberger zu höchstem Glanz. Berthold wurde, nachdem er  an der Niederwerfung der aufrührerischen Söhne des bay. Herzogs Arnulf des Bösen heldenhaften Anteil genommen hatte, mit Ammerthal ( bei Amberg) und Hersbruck belehnt und zum Markgrafen von Ostfranken und dem Nordgau erhoben, Liupold erhielt 954 Kastl (bei Amberg) als Lehen und wurde Markgraf von Östreich. Die Mark auf dem Nordgau erstreckte sich damals von Böhmen bis gegen Schweinfurt.

Liupold starb am 10. Juli 944 durch Mörderhand in Würzburg.

Bertholds Sohn, Markgraf Hezilo, htte den unheilvollen Trotz seines Urgroßvaters, jenes enthaupteten Adelbert, geerbt. Er war zu einem er ersten Feldhauptleute des Königs Heinrich emporgehoben worden, hielt sich aber für  verkürzt, da der König seiner Werbung um das erledigte bay. Lehen nicht Folge gab. Er und mit ihm Bruno, der Bruder des verstorbenen bayr. Herzogs, der sich in der gleichen Lage sah, empörten sich in offener Fehde gegen den König. Sie verleiteten Ernst, einen Enkel des ermordeten Liupold, sich zu ihnen zu gesellen. Zu Ammerthal loderte im Brachmond 1003 die Empörung auf und in ihren Flammen versank die Herrlichkeit von Herzilos Stamm.

Wanderer, wenn Du Dich, von Amberg herkommend, in jenen lieblichen Juratälern ergehst oder von ferne die noch jetzt an eine Burg gemahnenden wuchtigen zwei Türme Oberammerthals aus den bewaldeten Hügelketten emporragen siehst, so lenke den Blick zurück in alte Zeiten! Vielleicht enstehen vor deinem geistigen Auge jene Eisengepanzerte Gestalten, siehst du Gewappnete geschäftig hin und hereilen, vermeinst du das Klirren von Waffen zu vernehmen, wo jetzt der Bauer im Abendschein sorgsam die Sense dengelt, oder wo vom hochgelegenen Friedhof schlichte Grabkreuze in das einsame stille Tal hinuntergrüßen.

Altammerthal

Der König war tieferschüttert als er die Nachricht von dem Aufruhr des ihm so teuer und vertraut gewesenen Herzilo empfing. Er bot ihm, seine königliche Würde verleugnend, Frieden und Verzeihung an. Herzilo stieß die milde Hand zurück und bei Hersbruck überfielen seine Leute einen königlichen Troßzug, beraubten ihn und schleppten die reiche Beute auf die Feste Ammerthal. Der König selbt rückte nun von Regensburg aus mit drei Heeresabteilungen gegen Ammerthal an. Nicht lange widerstand die Feste, und während die Flammen zum Himmel emporzüngelten, irrten Herzilo, Bruno und Ernst als geächtete Flüchtlinge durch die dichten Wälder. Ernst fiel den königlichen Fangknechten in die Hände. Sein Leben schien verwirkt. Doch Willegis, ein Nachfolger jenes unseligen Hatto auf dem erzbischöflichen Stuhl zu Mainz, warf sich dem König zu Füßen und erflehte für den Sprößling aus dem erlauchten Geschlecht der Babenberger Gnade, eine Tat schöner Menschlichkeit und der Sühne für den Verrat Hattos.

Und auch hier sehen wir eine edle Frau in das grausige, wenn auch selbstverschuldete Schicksal eines Angehörigen verstrickt. Hezilos hochbetagte Mutter Eilswinde liegt händeringend auf den Knieen vor dem Bilde der Himmelskönigin in der Kapelle der babenbergischen Burg Schweinfurt, die der König, ebenso wie die übrigen Burgen des Rebellen, zu brechen und zu schleifen befohlen hatte. Knappen des Bischofs von Würzburg dringen in das Heiligtum ein, suchen die Unglückliche wegzuziehen und bieten ihr freies Geleit an. "Laßt mich hier den Tod finden, die Trümmer der Burg sollen mein Grabmal sein," ruft sie ihnen zu. Die rauhen Knechte zögern, von solchem Jammer gerührt, und begeben sich hinweg. Die Greisin wurde gerettet, die Kapelle blieb unversehrt.

Über Hezilos weiteres Schicksal berichtet der Chronist: "Ein Jahr irrte er unstet umher, dann warf er sich in Merseburg dem Kaiser auf Gnade und Ungnade zu Füßen. Er wurde in Ketten gelegt und in der Burg Witgenstein (bei Halle) eingekerkert. A.D. 1004 weilte der Kaiser zu Festlichkeiten in Prag. Gottschalk, der Freisinger Erzbischof, predigte nach dem feierlichen Hochamt in der hohen Halle der St. Georgenkirche über die göttliche Barmherzigkeit und hierbei wandte er sich plötzlich an den Kaiser mit den Worten: "Ich beschwöre Dich, teuerster Herr, im Namen Gottes und bei der Liebe dessen, der seinem Schuldner zehntausend Pfund erließ,, ich beschwöre Dich im Namen des Allbarmherzigen, du wolltest dich des unglücklichen Hezilo, des ehemaligen Markgrafen im Nordgau, des schwerbüßenden erbarmen; löse seine Fesseln und verleihe ihm Gnade, damit du selbst fröhlichen Gemütes mit der Gemeinde beten könnest: Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeen unseren Schuldigern!" So sprach der fromme Erzbischof und eine Ermahnung bewegte das königliche Herz seines Herrn dergestalt, daß der Kaiser laut weinte und dem gefangenen Markgrafen Verzeihung verhieß; dieser wurde bald darauf in Freiheit gesetzt."

Seine Rolle als Markgraf im Nordgau hatte Hezilo ausgespielt. Er starb 1017.

Jener Babenberger Ernst und sein Sohn gleichen Namens verstanden es, die königliche Gunst zurückzugewinnen. Jedoch beide starben eines gewaltsamen Todes und zwar letzterer, nachdem auch er in offenem Aufruhr gegen den König geraten war, nach langer Kerkerhaft und mit dem Fluch des Kirchenbanns beladen.

Längst sind jene stolzen Geschlechter in Staub gesunken. Der Föhn heult durch die spärlichen Trümmer ihrer Burgen. Eine beredte Sprache führen diese trostlosen Stätten von der Eitelkeit alles Irdischen: Ihr Ruhelosen, die ihr gierig dahinstürmt, unbekümmert um diejenigen die ächzend neben euch zusammenbrechen, vielleicht von euch selbst zu Boden gestoßen, wie lange noch, und der Wind säuselt durch die Zypressen, die das Herkommen, nicht einmal die Liebe auf euere Gräber gepflanzt hat.

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