Mittwoch, 30. September 2015

Die Landgrafschaft Leuchtenberg

Die Landgrafschaft Leuchtenberg
Ein Beitrag zur Geschichte des Bayerischen Nordgaus
Von Andreas Kraus
Bedauerlicherweise fehlt immer noch eine vollständige, umfassende, alle Teile wie die Entwicklung des Ganzen umschließende Geschichte des Bayerischen Nordgaus – das ist jener Bezirk, von welchem seit 1329 der größte Teil den Namen Obere Pfalz annahm. Das geschah infolge der Teilung des Wittelsbachischen Hausbesitzes im Hausvertrag von Pavia zwischen Ludwig dem Bayern, Römischer Kaiser und Herzog von Oberbayern, und seinen Neffen, den Söhnen seines Bruders Rudolf, die bis dahin auf den wittelsbachischen Besitz am Rhein beschränkt geblieben waren, einen Besitz, der trotz der damit verbundenen Kurwürde an Umfang wie an Einkünften dem Wittelsbachischen Teilherzogtum München nicht gleichkam. Was an Besitzungen nördlich der Donau zu München gehörte, ist damals zur Hauptsache an die Pfälzer Linie gekommen, ausgenommen das Erbe der Burggrafen von Stefling‑Riedenburg und der älteste Besitz der Wittelsbacher im Nordgau, das Erbe der Lengenfelder.

Die Geschichte des neuentstandenen Herrschaftsgebietes ist nun freilich längst befriedigend erforscht und leicht zugänglich dargestellt; die klassische Darstellung stammt von dem damaligen Ingolstädter Inhaber des Lehrstuhls für Bayerische Geschichte und bayerisches Staatsrecht, Joh. Gg. von Feßmaier; 1797 erschien sein "Versuch einer pragmatischen Staatsgeschichte der Oberpfalz, seitdem sie Oberpfalz heißet". Jetzt wird man die gründliche Bearbeitung benützen, welche die Geschichte der Oberpfalz durch Wilhelm Volkert im Handbuch der Bayerischen Geschichte von Max Spindler erfahren hat.

Was aussteht, immer noch, ist die Geschichte also des Nordgaus vor 1329, wie das gesamte Gebiet nördlich der Donau von Ingolstadt bis Stadtamhof, von Kloster Bergen bei Neuburg bis Fürth, – dann die Pegnitz aufwärts bis Creussen, bis zum Rauhen Kulm, bis Wunsiedel und Eger, dann die Waldgrenze nach Süden entlang bis vor Cham und Regen abwärts bis zur Mündung einst geheißen hat. Daß eine solche Geschichte immer noch fehlt, liegt an den außerordentlichen Schwierigkeiten, welche die Erforschung dieser Geschichte dem Historiker stellt.

Für die Schwierigkeiten aus der Grundthematik der Geschichte des Nordgaus zeugt auch die Geschichte der Leuchtenberger, deren Herrschaftsentwicklung zeigt, welche Möglichkeiten die vielfältige politische Zersplitterung des Nordgaus einer entschlossenen und zielstrebigen Politik bot. Diese Entwicklung wurde allerdings, anders als die vieler Herrschaftskomplexe im übrigen Nordgau, von Illuminatus Wagner aufs gründlichste erforscht. Was aber auch hier fehlt, ist die umfassende Einordnung in den Gesamtrahmen, eben weil dieser Gesamtrahmen selbst nicht befriedigend geklärt ist. Es soll nun nicht die Geschichte des Nordgaus unser Thema sein, sondern die Geschichte der Leuchtenberger und vor allem der herrschaftlichen Durchformung dieses Raumes zwischen Pfreimd, Naab und Luhe, die ihm ja die heutige Gestalt gegeben hat; die Geschichte der Herrschaftsentwicklung ist, wovon die Geschichtsfeindlichkeit der Gegenwart schlagend widerlegt wird, die wichtigste Komponente in der Entstehungsgeschichte der Gegenwart selbst. Aber ohne einen Blick auf die früheste Geschichte des gesamten Nordgaus ist wieder die Entstehungsgeschichte der Herrschaft, seit 1197 dann Landgrafschaft Leuchtenberg selbst wieder nicht verständlich, ich muß also den Bogen weiter spannen.

Was bereits bei einem raschen Blick auf die historische Karte der Oberpfalz, sagen wir um 1329, sofort auffällt, ist die gegenüber dem altbayerischen Stammesgebiet südlich der Donau so erstaunliche herrschaftliche Zerrissenheit des bayerischen Stammegebietes nördlich der Donau. Besonders die Grenzsäume im Westen, Norden und Osten sind eigentümlich ausgefranst, bis ins frühe 16. Jahrhundert herein nimmt der Abbröckelungsprozeß kein Ende, bis das Nürnberger Gebiet auf Lauf, Hersbruck und Altdorf ausgreift, der Markgraf von Ansbach‑Bayreuth auf Pegnitz und Wunsiedel, während das herrliche Egerland schon seit 1305 aus böhmischem Pfandbesitz nicht mehr freigekommen ist. Aber auch die Mitte wird immer wieder aufgerissen: Die Staufer, die Wittelsbacher, die Böhmen, zuletzt die 1505 neu gebildete Jungpfalz um Neuburg, Sulzbach, Burglengenfeld und Weiden lassen keine Zusammenfassung des gesamten Raumes zu. Diese politische Zerklüftung des Nordgaus korrespondiert sicherlich nicht zufällig mit der geographischen Zerklüftung des Raumes, die Natur selbst hat zwar nach außen hin durchaus starke Grenzen gezogen, aber im Innern sind es nicht weniger tiefe Einschnitte, die Teil und Teil von einander sondern. Entscheidend war aber dafür vor allem die politische Entwicklung.

Zur Zeit der bayerischen Landnahme, ein Prozeß, der sich wohl über mehr als ein halbes Jahrhundert hinzog, bleibt der Nordgau unberührt, die ältesten Zeugnisse bajuwarischer Besiedlung sind an der Altmühl im frühen 6. Jahrhundert, nördlich davon um die Mitte des 7. Jahrhunderts festzustellen. Hier ist auch der Ur‑Nordgau zu suchen, der räumliche Kern der herrschaftlichen Organisationsform, die nach und nach das später bayerisch besiedelte Land nördlich der Donau überzog. Erst um 1050 können wir mit dem Abschluß dieses Vorgangs rechnen, erst jetzt erreicht der Landesausbau die Eger.

Es ist kein Zufall, daß die Einbeziehung des Egerlandes in das Siedlungsland, das im Nordgau einen gemeinsamen Namen hat, in königlicher Initiative erfolgt: Kaiser Heinrich III. erteilt seinem Ministerialen Otnant die Erlaubnis, an der Eger zu roden. Der gesamte Nordgau ist Königsland, da er Kolonialland, Ausbauland auf terra inculta, unbesiedeltem Gebiet ist. Daß der Ur‑Nordgau zunächst organisiert von den Agilolfingern, wie die Ausgrabungen zu Lauterhofen gezeigt haben, seit Karl d. Gr. Königsland war, zeigt bereits die erste urkundliche Erwähnung: 806 bei der von Karl d. Gr. geplanten Teilung des Reiches unter seine Söhne werden die Königshöfe Ingolstadt und Lauterhofen im Nordgau ausdrücklich unter den karolingischen Besitzungen genannt.

Unmittelbare Königsherrschaft in einem Gebiet bedeutet in dieser Zeit Ausübung dieser Herrschaft durch Grafen, zunächst also ist keine Machtbildung durch große Adelsgeschlechter anzunehmen, wie das südlich der Donau schon für das mittlere 8. Jahrhundert möglich ist, der Raum ist politisch eine durch nichts unterbrochene Einheit. Die Grafen die uns als Vertreter des Königs begegnen, sind allerdings nur selten zu fassen, meist bei aktuellem Anlaß, nämlich wenn vom Nordgau als Aufmarschgebiet für Feldzüge nach Böhmen die Rede ist, die bis ins frühe 12. Jahrhundert nicht abrissen. Durch seine militärische Bedeutung vor allem ist also der Nordgau um diese Zeit wichtig, er untersteht deshalb auch als Grafen stets den Stellvertretern des Königs in Bayern – Ernst, Ratolt, Luitpold oder dem ersten neuen Herzog Arnulf.

Unter Luitpold wird auch unsere Gegend zum ersten Mal genannt, um 900 war also die Grafschaftsverfassung bis an die Luhe gedrungen. König Ludwig d. Kind schenkt 905 auf Interention "seines lieben Verwandten und erlauchten Markgrafen Luitpold" dessen Vasallen Immo das Eigengut einer Hufe in der Nähe des Flusses Luhe, in der Grafschaft Luitpolds gelegen. Diese Hube hatte früher einem Slawen namens Gruonkin gehört – in welcher Eigenschaft dieser Slawe Gruonkin an diesen Besitz gekommen war, muß hier offen bleiben. Die Namen Perschen und Pfreimd legen slawische Besiedlung spätestens im 9. Jahrhundert nahe, darüber dauern die Erörterungen jedoch noch an, fraglich ist, ob diese Besiedlung spontan erfolgte, als Einwanderung also, oder, wie neuerdings mehr angenommen wird, als gezielte Maßnahme im Landesausbau von Seiten der Grafen und Herrscher.

Mit Sicherheit läßt sich aus diesem Bericht entnehmen, auf welche Weise überhaupt die herrschaftliche Zerklüftung des Nordgaus erfolgen konnte, obwohl er doch ursprünglich Königsland war, also im absoluten Verfügungsbereich des Königs stand. Wir sehen wie durch königliche Schenkung an eine adeligen Gefolgsmann des Grafen Luitpold Eigen entsteht, Besitz also, der diesem Adeligen den Aufbau einer eigenen Herrschaft ermöglicht. Das ist das Thema der nächsten Jahrhunderte: überall im Reich, im Herzogtum Bayern, auf dem Nordgau entstehen Adelsherrschaften aller Art. Sie kennen die großen Geschlechter im Süden der Donau und an der Donau selbst, die Grafen von Wittelsbach, Andechs und Bogen, um nur die bedeutendsten zu nennen, am Lech und um Weingarten dann die Welfen. Nördlich der Donau herrschen die Grafen von Hirschberg an der mittleren, die von Abensberg an der unteren Altmühl, das Herrschaftsgebiet der Grafen von Sulzbach erstreckt sich von der Pegnitz bis an die Donau, von Hemau bis zum Oberpfälzer Wald, hier trifft es auf die seit 1077 vereinigte Markgrafschaft Cham‑Nabburg, der frühen Herrschaftsrechte hin über den gesamten Nordgau zugerechnet wurden. Damit wären die Diepoldinger, jenes Geschlecht, das diese Markgrafschaft seit 1070/77 in Händen hatte, auch als Herren über die Leuchtenberger anzunehmen, doch die spätere Entwicklung dieses Hauses wäre dann nicht mehr denkbar. Wir wissen heute, daß diese Markgrafschaft kein geschlossenes Territorium war und auch keine umfassenden Herrschaftsrechte besaß, sondern daß Heinrich III., so wie er gleichzeitig das Reichsland um Nürnberg organisierte, Reste vom Reichsgut Cham, Nabburg und an der Eger als Grenzsicherung zum Schutz und als Aufmarschgebiet in zwei Marken zusammenfaßte. Der Inhaber der nördlichen Mark war zunächst der Graf , der im mittleren Nordgau amtierte, ihn stellte vorerst das Haus der Grafen von Schweinfurt, das 1957 ausstarb.

Zwischen den verstreuten Stützpunkten dieser Markgrafschaft war also noch Raum für Herrschaftsgebiete aller Art, z. B. für klösterliche Immunitätsbezirke, wie sie 1118 Reichenbach, 1133 Waldsassen darstellten, beides Gründungen der Diepoldinger, oder Adelsherrschaften wie jener ausgedehnte Komplex der Herren von Hopfenohe – Pettendorf – Lengenfeld, aus deren Erbe jener Bezirk um Burglengenfeld an die Wittelsbacher gelangte, der zur Keimzelle der Wittelsbacher Herrschaft über den ganzen Nordgau wurde. Die Tatsache, daß Graf Otto von Wittelsbach der Schwiegersohn Friedrichs von Lengenfeld war, sagt genug über Rang und Bedeutung dieses hochadeligen Geschlechts aus. 1119 stirbt als letzter aus diesem Geschlecht eben dieser Friedrich von Lengenfeld. Damit tritt Otto in einen Teil des Erbes ein, den anderen Teil, nämlich die Herrschaft Waldeck um den Rauhen Kulm, erhält Gebhard von Lukenberge, der 1118 erstmals im Zusammenhang mit der Gründung des Klosters Reichenbach genannt wird. Gebhard war ebenfalls, wie Otto von Wittelsbach, mit einer Tochter Friedrichs von Lengenfeld verheiratet, mit Helwica, gehörte also ebenfalls dem Dynastenadel an und war dem Grafen gleich im Rang, gleich auch bezüglich der Herrschaftsrechte im Eigenbesitz. Dieser konzentrierte sich bei Gebhard um die Burg Lukenberg, die in ihrem ältesten Bestand wohl auf Gebhard zurückgeht, und um die Burg Waldeck, der später andere Burgen folgten, nämlich Neustadt und Kemnath, zeugen von den Bemühungen der Leuchtenberger um den Ausbau ihrer Herrschaft.
Burgruine Leuchtenberg
Der Schwerpunkt der leuchtenbergischen Geschichte ruhte aber stets, ungeachtet allen Ausgreifens bis ins Böhmische hinein, über die Donau und Baden, im Land an der Luhe, dem Fluß, von dem die Burg auch ihren Namen hat. Die Ableitung Wagners von einem Personennamen Liuko, der Kurzform für Liutger, ist sicherlich falsch; die Namensform Liukenberg, die dann zu Liugginberg führt mit der folgenden Diphtongierung Leuchtenberg, begegnet erstmals 1200, die ältere ist also Lukenberg.

Mit Gebhard beginnt die Geschichte der Leuchtenberger und ihrer herrschaftlichen Raumerfassung. Was vorher war, wissen wir nicht, es ist müßig, genealogische Spekulationen anzustellen. sicher ist nur, daß sie aus einem Geschlecht stammen, das ebenbürtig war den Grafen, Herzögen und Königen im Reich, und daß sie ihrer hochadeligen Abstammung auch die edelfreie Herrschaft verdanken. Die Verwandtschaft mit gräflichen Geschlechtern, nicht weniger aber die hervorragenden Dienste in Italien, die Gebhard II. den Staufern geleistet hatte, führten wohl zu seiner Erhebung zum Grafen, jedenfalls begegnet er seit 1158, seit dem Reichstag von Roncaglia, mit diesem Titel, ein Jahrhundert nach den Sulzbachern, die wohl ebenfalls auf ähnliche Weise den Grafentitel erlangten. Mit diesem Titel waren zunächst keine weiteren Rechte verbunden, da die edelfreien Herrschaften schon längst, etwa seit der Zeit Heinrichs IV., der Amtsbefugnis der Amtsgrafen entzogen waren und ihre eigenen Gerichtsbezirke besaßen, der Titel bedeutet nichts als eine Auszeichnung. Anders ist es mit der Erwerbung des Titels eines Landgrafen, die 1196 erfolgte, das eigentliche Signum also der Leuchtenberger.

Wie so oft in der Geschichte, beruhen die Folgerungen, welche Zeitgenossen und Nachwelt aus diesem Titel gezogen haben, auf einem Mißverständnis, haben aber trotzdem ihre Wirkung gehabt. 1196 starb die jüngere, die landgräfliche Linie der Burggrafen von Regensburg aus, die sich nach ihren Burgen Stefling und Riedenburg nannten. Landgrafen hießen sie im Gegensatz zu ihren Brüdern bzw. Vettern, den Burggrafen. Sie hatten keineswegs jene fürstliche Stellung wie etwa die Landgrafen von Thüringen. Was den Leuchtenbergern aus ihrem Erbe der ihnen verwandten Steflinger zukam, war überdies nicht die Herrschaft Stefling‑Riedenburg, diese fiel an Wittelsbach, sondern nur der Titel. Die Belehnung mit den landgräflichen Hoheitsrechten erfolgte durch den bayerischen Herzog Ludwig d. Kelheimer, es handelte sich also um kein Reichslehen, wie Wagner sagt, sondern um ein bayerisches Lehen, wie das auch noch im 15. Jahhundert anerkannt wurde, als die Leuchtenberger endlich unter den Reichsfürsten erscheinen. Die Belehnung hatte aber nicht nur einen bloßen Titel zum Inhalt. Es scheint, daß damals bereits aus der Parallele zu Thüringen Folgerungen gezogen wurden, welche die Art und den Umfang besonderer landgräflicher Hoheitsrechte betrafen, anders wären weder de förmliche Belehnung noch die späteren Verträge denkbar. 1282 nämlich verkaufte Landgraf Heinrich Gerichtsrechte wie Geleitsrechte an Herzog Ludwig den Strengen von Bayern, umgekehrt also legte dieser Wert darauf, seinen Besitz nördlich der Donau von solch fremden Rechten zu befreien. Tatsächlich werden in diesem Vertrag die Gerichtsrechte behandelt, wie solche eines kasierlichen Landgerichts, wie es etwa zu Nürnberg bestand; für den Nordgau nahm man die Existenz von zwei solchen Landgerichten an, dem der Grafen von Hirschberg, das in der Burg Graisbach lokalisiert war, und dem der Leuchtenberger. Geblieben ist also von diesem umfassenden Recht, das etwa mit einem Obergericht vergleichbar ist, einer Berufungsinstanz, nur das Geleitsrecht im weiteren Umkreis der Landgrafschaft Leuchtenberg selbst, ein Recht, das an sich ein Regal war, ein königliches Recht, und das in unserem Raum besondere Bedeutung besaß wegen der großen Straße Nürnberg – Prag, für die es galt, und der Straße von Regensburg nach Prag. Dieses Geleitsrecht brachte die Pflicht zum Schutz dieser Straße wie zu ihrem Unterhalt mit sich, aber auch das einträgliche Recht, von allen Benützern Abgaben zu fordern.

So bietet sich also um 1200 die Landgrafschaft Leuchtenberg in stattlichem Umfang an Land und Rechten dar. Wenn wir alles hinzunehmen, was dann später erst noch ausgebaut worden ist an Burgen, Amtssitzen oder Städten, was verlorenging und wiedergewonnen worden ist wie Wernberg, sind vor allem zu nennen: Burg und Stadt Pleystein, 1261 erstmals genannt, 1331 Stadt mit Stadtrecht von Nürnberg, 1350 böhmisches Lehen, 1413/18 an Pfalzgraf Johann von Neumarkt gefallen; dann Herrschaft und Burg Wernberg, 1280 an den leuchtenbergischen Ministerialen Konrad von Paulsdorf verkauft, dann an die Nothaft übergegangen, 1509 Jörg Wispeck von Velburg, dessen Witwe es 1530 wieder an Leuchtenberg verkaufte; Falkenberg, Neuhaus und Schwarzenwal waren nur wenige Jahrzehnte bei den Leuchtenbergern, an die es durch Heirat gekommen war. 1294 verkaufte die Witwe Gebhards VI. alle diese Burgen an Waldsassen.

Diese und andere ähnliche Bewegungen im Besitzstand kamen vor allem von den oftmaligen Besitzteilungen her. Gebhard III. und Diepold II. teilten nach 1244 den Gesamtbesitz unter sich, Mittelpunkte wurden Leuchtenberg und Waldeck, das dabei aber mitsamt allem Besitz um den Rauhen Kulm, zwischen Kemnath und Pressath, von 1280–1290 gänzlich verlorenging, zum Teil an den Burggrafen von Nürnberg, zum Teil an die Wittelsbacher. Auch die Leuchtenberger Linie steckte in ständigen Geldnöten und konnte den Besitzstand nur mühsam wahren, einzelne verluste, wie besonders Falkenberg, abgrechnet. Daß das Haus der Leuchtenberger dieses kritische 13. Jahrhundert ohne schwere Schäden überstanden hat, war aber die Grundlage für den späteren Aufsteig; das Aussterben der Grafenhäuser im ganzen Land ringsum, der Sulzbacher 1188, der Landgrafen von Stefling und Riedenburg 1196, der Diepoldinger Markgrafen 1204, der Grafen von Bogen 1242, der Andechser 1248, dann das Ende der Staufer 1268, hat immer nur ein Geschlecht begünstigt, die Wittelsbacher, die jetzt auf einmal nahezu den gesamten Nordgau in ihrem Besitz hatten, jedenfalls die wichtigsten Teile; außer dem Reichsland um Nürnberg und dem Egerland fiel der mächtige staufische Querriegel von Neumarkt und Altdorf bis Parkstein und Vohenstraß ebenfalls an Wittelsbach. Schon die Teilung Bayerns 1255, noch mehr die weiteren Teilungen nach 1300 haben aber die Wittelsbacher auch wieder entscheidend geschwächt, sie waren in Zukunft wieder auf die Zusammenarbeit mit dem regionalen Adel angewiesen. Besonders der im 14. Jahrhundert beginnende neue Aufsteig der Landgrafen von Leuchtenberg vollzieht sich im Zeichen dieser Zusammenarbeit.

Landgraf Ulrich (1293–1334) etwa, die imposanteste Gestalt unter den Leuchtenbergern dieses Jahrhunderts, gehörte zu den engsten Vertrauten Ludwigs des Bayern, zusammen mit seinem Schwager Conrad von Schlüsselburg, dem Reichsbannerträger dieser Zeit. Er nahm an seinen Kämpfen teil und half mit Geld aus. An Pfandbesitz, der freilich nicht immer zu halten war, kamen dafür in seine Hand Waldeck mit Pressath, Störnstein und Neustadt/Waldnaab, vor allem 1322 Pfreimd, das auch 1332 als einziges Besitz auf Dauer wurde und seither den Leuchtenbergern als Residenz diente. Die Burg Leuchtenberg selbst blieb Sitz eines Landrichters und Pflegers, der stets aus den Reihen der Leuchtenberger Ministerialen genommen wurde, den Zengern, Lichteneckern, Lengefeldern, denen von Murach, von Redwitz und wie sie alle hießen. Luhe erhielt damals Markrecht, mit den gleichen Bestimmungen wie Weiden.. Die gleichzeitige Verbindung mit Niederbayern brachte dann 1332 die Burg Schwarzenberg ein, den Markt Rötz und Stadt wie Gericht Waldmünchen. Damit schien ein Prozeß einzusetzen, der besonders infolge der Absicherung durch das Bündnis mit König Johann von Böhmen diesem Grenzraum im Osten den Aufbau eines mächtigen Herrschaftsraumes zwischen Pfalz und Bayern erlaubt hätte.

Zwei Ursachenkomplexe hielten diesen Prozeß wieder hintan, die Verwaltungsteilung nach dem Tode von Ulrich I. 1334, der 1366 dann die volle Landesteilung folgte, und die Schwenkung der böhmischen Politik unter Karl IV. Karl IV. suchte nicht mehr, wie sein Vater Johann, die Zusammenarbeit mit Niederbayern und dem Oberpfälzer Adel, sondern strebte die volle Einverleibung der einst staufischen Teile des Nordgaus in die Krone Böhmens an. Der Druck, der von dem Bündnis zwischen Rupprecht von der Pfalz und seinem Schwiegersohn Karl IV. ausging, zwang auch die Leuchtenberger, sich positiv zu dem Plan eines großen Neuböhmen auf dem Nordgau zu stellen, das Karl IV. für zwei Jahrzehnte tatsächlich erreichte. Pegnitz wird an Karl verkauft, Pleystein und andere Burgen als Lehen an ihn aufgetragen. Ulrich II. zieht mit dem Kaiser nach Italien und wird Landfriedenshauptmann von Franken. Grafenwöhr, der Besitz der Leuchtenberger, erhält 1361 von Karl IV. das Stadtrecht.

Die Landesteilung von 1366 setzt dem großräumigen Ausbau des Territoriums dann ein vorläufiges Ende. Waldmünchen mit Schwarzenberg blieben zwar ungeteilt, aber Leuchtenberg und Pfreimd fielen an den ältesten Sohn, an Ulrich II., Pleystein, Reichenstein mit dem Markt Schönsee, das erst 1333 erworben worden war, dazu Grafenwöhr, kamen an Johann I., der seinen Bruder um 30 Jahre überlebte und der bedeutendere der beiden war. 1375 erwarb er nach dem Tode seines Neffen Leopold von Hals die Grafschaft Hals bei Passau, zu der das Amt Bernstein nördlich und einige Herrschaften und Burgen südlich der Donau gehörten, darunter Osterhofen. Die Vogtei über dieses Prämonstratenserkloster wie über das Zisterzienserkloster Aldersbach war ebenfalls bei der Grafschaft, damit weiter herrschaftlicher Einfluß ins östliche Niederbayern hinein. Vollends seine Stellung als Statthalter im Herzogtum Niederbayern‑Straubing 1368 bis 1386 von Leuchtenberg, den Besitz der Herrschaft Pleystein und der Grafschaft Hals, zum mächtigsten Herrschaftsinhaber im Nordosten Bayerns. Die Stadtgründungen Hals oder Osterhofen geben Zeugnis auch von seiner Umsicht im Ausbau seiner Herrschaften. Er selbst aber war es auch, der 1381 dem Drängen seiner Söhne nachgab und den weitgespannten Herrschaftskomplex von Leuchtenberg bis Hals wieder zerschlug. Er selbst behielt Hals, die Söhne Johann II. und Sigost erhielten die Teilherrschaft Pleystein, an seinen Neffen Albrecht, den Sohn Ulrichs, den Besitzer von Leuchtenberg‑Pfreimd, verpfändete er Schwarezenberg, Rötz, Waldmünchen, Schönsee und Grafenwöhr, mehr als die Hälfte also der Herrschaft Pleystein, so daß das Gewicht der Hauptlinie wieder im Steigen war. Vollends im Verlauf des 15. Jahrhunderts unter den Söhnen und Enkeln kam es dabei zu ständigen Verlusten, bis zum Verlust von Pleystein 1411 und von Grafenwöhr 1414 an die Pfalz, zum Verkauf der Herrschaft Reichenstein‑Schönsee 1416 an Tobias von Waldau und zum Verkauf wichtiger Burgen des Halser Gebietes 1417 an den Grafen von Ortenburg, von Osterhofen 1420 an Niederbayern. Die Ursachen dafür sind vielgestaltig, nicht nur die Mißwirtschaft der Familie selbst, auch die Hussitenkriege waren beteiligt, die Finanzkrise der Zeit, aber auch bereits der steigende Druck von Seiten der pfälzischen Nachbarn.

Erstmals 1458 zeichnete sich eine Wende ab, als mit dem Tode Johanns III., der wie sein Großvater Statthalter von Niederbayern‑Straubing war, die Linie Pleystein‑Hals ausstarb und der Gesamtbesitz, freilich um vieles verringert, wieder in der Hand Leopolds von Leuchtenberg vereinigt wurde. Leopold, der Sohn Albrechts († 1404), war zweifellos noch einmal eine imponierende Gestalt, er hat die Burg Leuchtenberg ausgebaut, er war es wohl auch, der Pfreimd seinen Stempel aufgeprägt hat, wie sein großartiges Grabmahl vermuten läßt, wenn auch durch den Brand von 1481 die Stadt jetzt das Antlitz des 16. Jahrhunderts trägt. Erstmals Leopold zählt unter den Fürsten des Hl. Römischen Reiches, aber auch er stand, wie seine Vorfahren, in bayerischen und pfälzischen Diensten, die Einkünfte des Fürstentums ertrugen die Last einer Hofhaltung nur schwer.

Wir wissen wenig von Leopold, außer daß er auch Hauptmann des nordbayerischen Bundes der Ritter vom Eingehürn war, dem 61 Edelleute angehörten, Reichsfreie wie bayerische Landsassen, ein Bund, der sich gegen die Hussiten so wenig behauptete wie später gegen den strengen Zugriff Albrechts IIII. von Bayern‑München, der zahlreiche Burgen brach und die bayerischen Landsassen unter den Rittern von Eingehürn wieder zum Gehorsam brachte. Auch Leopold bewies nicht mehr Weitblick als seine Vorfahren oder seine Zeitgenossen, mit seinem 1463 brach, ohne daß er testamentarisch dagegen vorgebaut hätte, das eben wiedervereingte Gebiet noch einmal auseinander. Die Folgen wogen schwer.

1486 ergab sich infolge der angewachsenen Schuldenlasten für seine Söhne die Notwendigkeit, Hals gänzlich zu verkaufen, so daß trotz seiner beträchtlichen Erbschaft, nämlich der Grafschaft Grünsfeld in Baden, Johann IV. (1487–1531) aus einer im großen und ganzen beengten Stellung nicht herauskam. Er erhebt zwar 1497 Pfreimd "als ein Fürst des Hl. Römischen Reiches" selbständig zur Stadt, muß aber in den Dienst Georgs von Landshut treten, ein Verhältnis, das zu seiner Teilnahme am Landshuter Erbfolgekrieg mit nachfolgender Reichsacht führte. Später ist er fünf Jahre lang Kurpfälzischer Statthalter zu Amberg, bis ihm 1518 der Rücktritt nahgelegt wird. Prozesse gegen die Zenger wegen der Trausnitz, mit Jörg Wispeck wegen Wernberg verliert er, kann allerding 150 Wernberg wieder zurückkaufen, der einzige Erfolg, der ihm beschieden ist.

Johann IV. hat jedoch gleichzeitig den fortwährenden Niedergang wieder aufgehalten, durch das kurz vor seinem Tod erlassene Primogeniturgesetz. Georg III. (1531–1555) wird deshalb sein einziger Erbe, ein Fürst von bedeutendem Ruf, gebildet an der Universität Ingolstadt, rechtskundig, Rat und Kämmerer Karls V., geschätzt von den Herzögen zu München, zusammen mit seinem Sohn Ludwig Heinrich († 1567) Erbauer der heutigen Stadt Pfreimd. Seine Anlehnung an den Kaiser und an Bayern bestimmte die ganze Zukunft der Landgrafschaft, sie war aber kein Akt der Sympathie, sondern ein Gebot der Selbsterhaltung. Die zunächst freundschaftlichen Beziehungen zur Pfalz, die unter anderem auch 1503, im Bayerischen Erbfolgekrieg, zur Parteinahme für den Sohn des Pfälzer geführt hatten, den Schwiegersohn Georgs von Landshut, verschlechterten sich seit 1518 ständig; sie standen im Zeichen der überall in Europa um diese Zeit auftretenden Spannungen zwischen den Königen, die nach Konzentration ihrer Hoheitsrechte strebten und dem Adel. Im Reich spielten diese Rolle die Kurfürsten und Herzöge, zu dem ihnen gegenüberstehenden Adel gehörten auch die kleinen Fürsten. Der Streit ging dabei stets um einzelne Rechte, das Ziel aber war die Degradierung auch des Adels zu Untertanen, was bei einem Fürsten wie dem Landgrafen von Leuchtenberg allerdings nicht so leicht war.

Immerhin mußter er es hinnehmen, daß ein kurpfälzischer Beamter 1529 mit bewaffneter Hand in das Kirchweihfest zu Weihern einfiel und den Leuchtenberger Richter und fünf Bürger erschlug, alles nur, um das pfälzische Recht auf den Kirchweihschutz zu demonstrieren. Der darauf folgende Prozeß dauerte an die 20 Jahre; Sühne fand die Bluttat nicht. Auch die Streitigkeiten um Holz‑ und Jagdrechte, um Gerichtsrechte kamen nie zu einem Ende, trotz des Heidelberger Vertrages von 1546. Als wichtigster Gegensatz kam jetzt auch noch das verschiedene Bekenntnis dazu, da die Leuchtenberger, nicht nur um Rückhalt zu finden an Bayern, am Katholizismus entschieden festhielten.

Entscheidend für den so wenig rühmlichen Ausgang des Hauses Leuchtenberg war aber, neben dem Erlöschen der einstigen Kraft des Geschlechtes selbst, der grundlegende Strukturwandel im Reich, der die Existenz kleinräumiger Herrschaften nicht mehr dulden wollte. Die letzten Leuchtenberger haben die Konsequenzen, die sich aus den politischen, vor allem finanzpolitischen Gegebenheiten dieser Übergangsphase zum Absolutismus darstellten, selbst erkannt und auch gezogen. Sie waren an sich schon lange nicht mehr in der Lage, sich und ihre Untertanen zu schützen, wie es ihr usrprünglicher Auftrag gewesen war; sie stellten keine Macht mehr dar, seit die großen Fürsten dazu übergingen Söldnerheere aufzustellen; denn dafür reichten die Mittel in der Residenz zu Pfreimd nicht annähernd, sie reichten nicht einmal mehr für eine fürstliche Hofhaltung. Ganz Mittel‑ und Westeruropa war damals von einem Preisverfall für landwirtschaftliche Erzeugnisse ergriffen, gerade auf den Abgaben der Bauern aber beruhte die finanzielle Existenz des Adels.

Ludwig Heinrich von Leuchtenberg, der 1576 starb, zog wie sein Vater die Konsequenzen, er schickte seinen Sohn Georg Ludwig auf die Universität Ingolstadt, die dort empfangene Ausbildung setzte diesen instand, dem Angebot Kaiser Rudolfs II‑ zu entsprechen und das hohe Amt des Reichshofratspräsidenten zu übernehmen, den Vorsitz des höchsten Reichsgerichts. Am kaiserlichen Hof zu Prag ist Georg Ludwig auch 1613 gestorben, zuletzt noch Präsident des kasierlichen Geheimen Rats.

Georg Ludwig war zweifellos eine der imponierendsten Persönlichkeitenn unter den Leuchtenbergern, wenn nicht überhaupt die hervorragendste, an Bildung wie an Charakter. Sein einziger Sohn Wilhelm war in allem das Gegenteil, auch damals für einen Fürsten von ungewöhnlicher Liederlichkeit, kein Zureden half, keine Drohung. Schließlich erstach er 1612 im Trunk einen seiner Edelleute, der Vater enterbte ihn, ein kasierlicher Haftbefehl erging, das Land kam unter bayerische Verwaltung. Nur für kurze Zeit gelang es Wilhelm, den Gegensatz zwischen Bayern und der Pfalz, der sich dann ja im 30‑jährigen Krieg entlud, zur Zurückgewinnung seiner Herrschaft auszunützen, bis ihn das Schicksal ereilte. Auch der Eintritt in den geistlichen Stand änderte daran nichts – er hoffte, durch reiche Pfründe seine Finanzen aufbessern zu können –; als er in den Wirren der Kriegszeit in den Bereich Maximilians von Bayern geriet, griff dieser sofort zu und ließ ihn verhaften, ohne Prozeß blieb er in Haft, bis er 1624 durch den Eintritt in den Franziskanerorden ungefährlich geworden zu sein schien – aber so ganz war das nicht der Fall, niemand wurde fertig mit ihm. Nach zehn spannungsreichen Jahren der Freiheit wie strenger Klosterhaft ist er dann 1634 bußfertig im Franziskanerkloster zu Ingolstadt gestorben, wohl die erstaunlichste Gestalt in der langen Reihe.

Sein Sohn Maximilian Adam war der letzte seines Stammes, unbedeutend in jeder Hinsicht durch seinen Charakter wie durch die Ungunst der Verhältnisse außerstande, mit der ständig gewachsenen Schuldenlast fertig zu werden. Die laufenden Einnahmen betrugen im Jahr 9 400 fl, die festen Ausgaben 6600, die Schulden aber fast 200 000, allein die Zinsen erreichtend ie Höhe von 76 000 fl. Er nahm Dienst in der spanischen Armee, in den kritischen Jahren bis 1634 weilte er zu Pfreimd, völlig machtlos gegen die militärischen ereignisse, die Pfreimd wie Leuchtenberg furchtbar trafen, mit Brand, raub und Mord. Freund und Feind hausten gleich übel, Jahr um Jahr, bis zum Ende. Wenig zuvor ist der letzte Leuchtenberger als kaiserlicher Kommandant zu Nördlingen 1646 gestorben.

Der Ausklang der Geschichte der Leuchtenberger ist überschattet von einer Katastrophe, der gegenüber auch mächtigere und bedeutendere Fürsten keinen Rat wußten, dananch darf Max Adam nicht beurteilt werden. Nach diesem Krieg hätte es wohl auch für dieses kleinen Fürstentum, wie für so viele andere, etwa Sulzbürg oder die Herrschaft der Lobkowitz zu Neustadt a. d. Waldnaab, wieder Zeiten des Aufstiegs gegeben, aber der Übergang an Bayern 1646 – als heimgefallenes Lehen wie aufgrund des Erbrechts, da der Bruder Maximilians I., Albrecht, mit der Schwester des letzten Leuchtenbergers verheiratet war – ließ Pfreimd zum unbeachteten Landstädtchen herabsinken. Leuchtenberg, die Burg, verfiel, der Markt verlor jede Bedeutung. Niemand kümmerte sich mehr, von Amberg wie von München aus, um Wohl und Wehe dieser einst so stolzen Herrschaft, auch wenn sich noch eine ganze Generation und länger, bis 1705, der Sohn Maximilians I. Max Philipp nach Leuchtenberg nannte.

Wenn man von diesem Ende ausgeht, wird man am ehesten den Sinn kleinräumiger Herrschaften wie jener der Leuchtenberger zu bejahen vermögen. Was wäre Weimar, Gotha oder Coburg ohne die Zersplitterung der thüringischen Herrschaften in ihre vier Teile gewesen mit ihren vielen Residenzstädten; nie hätten die Zentren der vielen kleinen Fürstentümer oder die Bischofsstädte an Rhein und Main, Passau oder Salzburg ohne diese Vielfalt der politischen Machtverteilung ihre großartige Entfaltung erlebt. So war es auch mit Leuchtenberg, dem Herrschaftsmittelpunkt, der in seiner größten Zeit ausstrahlte bis Pegnitz und das Land um den rauhen Kulm, bis zur Donau und über sie hinaus. Überall entstehen nicht nur Burgen, sondern auch Städte und Märkte. Sie werden, auch wenn sie vielleicht gedacht sind als Mittelpunkte der Verwaltung, die Heimat von Menschen. Gewerbe blühen auf, handel und Wandel regen sich, künstlerisches Leben entsteht – einen lange Reihe von Namen wäre hier zu nennen, die den Leuchtenbergern ihre städtische Existenz danken: Neustadt a. Kulm, Eschenbach, Kemnath, Pegnitz, Grafenwöhr, Osterhofen und Hals, Schönsee, Waldmünchen, Wernberg und Luhe, das ansehnliche Pfreimd, schließlich Leuchtenberg selbst, dessen 850 Jahre zurückliegenden Eintritt in die Geschichte die heutigen "Leuchtenberger" 1974 feierten – mit Recht dankbar dem Geschlecht der Gründer, den Landgrafen von Leuchtenberg.
________________________________
Vortrag zum Leuchtenberg‑Jubiläum am 27. Juli 1974 zu Leuchtenberg.

Mittwoch, 16. September 2015

Besitzverhältnisse der Haimburg

Besitzverhältnisse der Haimburg
Von Rudolf Gerstenhöfer
(Die Oberpfalz, 1956)

Wer als Fremder die Autobuslinie Neumarkt-Altdorf benutzt, sucht, wenn er sich
für die Landschaft und deren Sehenswürdigkeiten interessiert, vergeblich nach den Überresten der Haimburg, von der er einmal gelesen hat, daß sie hier als eine der bekanntesten und mächtigsten Burgen des Mittelalters nicht nur das Schwarzach- sondern auch das Sindlbachtal beherrschte und auch noch lange nach der Zerstörung (1648) dem Pflegamt Haimburg den Namen gegeben hat.

Von weitem grüßt ihn zwar der Bergfried der Ruine Wolfstein, von den Mauerresten der Haimburg aber ist nichts mehr zu sehen. Wenn man sich dann nach ihr erkundigt, so zeigt einem der Einheimische bloß die Häuschen des Dorfes Haimburg, ehedem eine eigene Gemeinde, heute jedoch zur Gemeinde Sindlbach gehörend, die eingebettet zwischen dem Wald von der Höhe grüßen. Die Ruine selbst muß man erst in ihrer Nähe auf der heute bewaldeten und nach Westen vorstehenden Landspitze der ausgedehnten Jurahochfläche suchen, von der man noch vor 30 Jahren einen herrlichen Rundblick vom Schmausenbuck bei Nürnberg bis zum Wolfstein bei Neumarkt genoß, ein Zeichen dafür, daß die Burg einen einzigartig günstigen Standort hatte und zu den stattlichsten und schonstgelegenen Ruinen der Oberpfalz zählte.

Erst in der stürmischen Silvesternacht d. J. 1922 ist als letzter Zeuge verschwundener Macht der Rest des gewaltigen Bergfrieds eingestürzt, der an der Nordwestecke stand, mit seiner Bauart an den Wolfsteiner Bergfried erinnerte, und von dem es schon in einer Abhandlung aus dem Jahre 1899 in Anlehnung an Uhland heißt: "Doch auch diese letzte Säule, schon geborsten, kann stürzen über Nacht!" Ein eindruckvolles Bild dieser „Säule" vermittelt uns die beigegebene Ansicht der Ruine vom Anfang des 19. Jahrhunderts.

Seit dieser Zeit hat die Ruine, vor allem durch die starke Vegetation des Waldes, schwer gelitten. Solange noch die kurpfälzischen Pfleger in dem Pfleghaus, dem heutigen Bauernhaus Nr. 2 (Hausname Schirmbauer, zu Schürge, Scherge = Gerichtsdiener) wohnten, wurde die Ruine samt den dazugehörigen Gärten nach Möglichkeit gepflegt und erhalten.· Als aber i. J. 1803 das bayerische Landgericht Pfaffenhofen Haimburg gebildet wurde, das 1809 seinen Sitz in der aufgelassenen Abtei Kastl angewiesen erhielt, und somit die Pfleger wegzogen, kam das Gebiet in den Schutz der Forstverwaltung. Im Schloßhof, wie in den Gärten, auf den Mauern und Türmen wuchsen nun bald alle möglichen Waldbäume und Sträucher und sprengten mit ihren Wurzeln das Gemäuer, an dem auf allen Seiten der Efeu emporrankte. Heute,nach 150 Jahren, sieht es auf der noch ziemlich ausgedehnten Ruine fast urwaldmäßig aus und man kann sich dort nur mit großer Gefahr bewegen, wenn man sich nach den noch vorhandenen alten Grundrissen wenigstens einigermaßen zu orientieren sucht.


Die Geschichte der alten Burg, auch oft Schloß genannt, ist natürlich sehr wechselvoll
und gerade für das umliegende Gebiet besonders aufschlußreich und interessant. Die Haimburg, das Stammhaus derer von Haimburg, wird schon 1050 genannt, eine Seitenlinie der Herren von Stein (der Breitensteiner und Hilpoltsteiner) leiten ihre Abkunft von Babo von Abensberg her, weil sie wie jener den geteilten Schild und Adler in ihrem Wappen führten. Für die verwandtschaftlichen Beziehungen spricht auch folgende Tatsache: Noch im Jahre 1367 überweisen Graf Ulrich v. Abensberg und seine 5 Söhne dem Kollegialstift Essing bei Riedenburg und dem dortigen Spital u.a. als Fundation das jus patronatus der Pfarreien Sindlbach und Krappenhofen.

Die Haimburg liegt aber im Pfarrbezirk der Altpfarrei Sindlbach, deren 1. Pfarrer schon 1128 genannt wird. Uber die spätere Zeit sind wir schon genauer unterrichtet. 1266 saß der Ritter, Heinrich von Haimburg auf der Burg. Von seinen Söhnen erhielt Heinrich I., der Ältere, das väterliche Erbe, und zwar 1293. Diesem wurde auch 1305 die Vogtei über die Probstei Litzlohe, welche vorher 209 Jahre lang die Wolfsteiner besessen hatten, übertragen und diese Schutzherrschaft übte er bis zu seinem Tode im Jahre 1333 aus. Er hinterließ 8 Kinder; die seinem Vater nur Ehre machten und hohe Ämter (auch geistliche) bekleideten. Auf ihn folgte sein Sohn Heinrich genannt Ramunch als Burgherr und letzter Alleinbesitzer bis 1362. Nach seinem Tode wurde der große Besitz in 2 Hälften aufgeteilt. Auf Haimburg saß nun v. 1362-1371 dessen Neffe Heinrich III. v. Stein. Die andere Hälfte fiel an den Bruder Ramunchs, an Konrad v. Haimburg, Domprobst zu Regensburg (seit 1368 Bischof  dortselbst), dem letzten Sprossen des Haimburger Geschlechtes.

Damals war die „Veste Haimburg" ein Lehen Karls IV. v. Böhmen und Heinrich v. Stein erhielt 1370 für das Dorf Sindlbach (Sunelbach) unter Haimburg das Sulzbacher Stadtrecht mit Gericht und Wochenmarkt. Im Jahre 1373 kam die Hälfte Konrads an die Herzöge von Bayern und 1388 mit der anderen, die inzwischen durch verschiedene Hände gegangen war, an den Kurfürsten, bzw. 1410 an die Pfalzgrafen. Mit Einbeziehung des alten Amtes Troßberg wurde das Bayerische Pflegamt Haimburg gebildet. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hat unsere Heimat arg gelitten und die Haimburg wurde von den Nürnbergern zerstört. Sie bauten sie aber schon bald danach mit nicht geringen Mitteln wieder auf und gaben sie 1521 an den Pfalzgrafen Friedrich zurück. Am Ende des 30jährigen Krieges wurde das Schicksal der Burg nach einer leider nur kurzen Zeit der Blüte besiegelt; 1648 zerstörten die Schweden die Haimburg und damit endet auch ihre Geschichte. Das Charakteristische des wechselvollen Schicksales von Burg und Schloß ist zusammenfassend folgendes:

In der Zeit von nur 26 Jahren (1362-1388) hat die eine Hälfte des Besitzes dreimal und die andere sogar viermal ihren Besitzer gewechselt. Zweimal war die Burg böhmisches Lehengut: unter Bischof Konrad von Regensburg und unter Pfalzgraf Otto, dem Nachfolger des Pfalzgrafen Johann von Neumarkt. Zweimal wurde die Burg innerhalb von 13 Jahren verpfändet. So 1401 von König Rupprecht und dessen Sohn Herzog Ludwig an den Burggrafen Friedrich .v. Nürnberg und die eine Gutshälfte durch Herzog Stephan III. i. J. 1388. Das war - wie R. Rösermüller schreibt - ein Zeichen beständiger Finanznot der Fürsten und Gutsbesitzer in der sogenannten „guten alten Zeit".

***





Samstag, 5. September 2015

Abt Hermann von Kastl



Abt Hermann von Kastl (1322— 1356)
Von Georg Widenbauer

In der Reihe der 31 Äbte, die von 1103 (Jahr der Gründung) bis 1460 (Auflösung des Klosters) der hochangesehenen Benediktinerabtei Kastl auf dem bayerischen Nordgau vorstanden, nimmt Abt Hermann, der 19. Lenker der Geschicke des Stifts, einen hervorragenden Platz ein. Er war der Nachfolger des Abtes Siboto, der aus einem Ministerialengeschlecht stammte, das in unmittelbarer Nähe von Kastl seinen Sitz hatte.

Wenn man die umfassende segensreiche Tätigkeit Abt Hermanns genauer würdigen will, muß man sich vor Augen halten, mit welchen Schwierigkeiten das Stift im vor ausgehenden Jahrhundert zu kämpfen gehabt hatte, durch die es beinahe an den Ruin gelangt war. Das vergangene Jahrhundert war eine Zeit schwerster Bedrängnis von außen her, aber auch innerer Mißhelligkeiten gewesen, die das Kloster an den Rand des Verderbens gebracht hatten.

1217 fand ein Überfall auf das Kloster statt, bei dem es in Flammen aufging. Die Übeltäter waren die benachbarten Scharffenberger, 9 Brüder, die auf einem Burgstall in der Nähe von Ursensollen saßen. Sie waren mit dem Kloster in einen Streit geraten, des Begräbnisrechtes halber, brandschatzten das Stift, weil der Abt sich weigerte, einen Angehörigen ihres Geschlechts, der fern der Heimat (in Italien?) gestorben war, auf Kosten des Klosters in die Heimat zu überführen, um ihm in der Klosterkirche der Ehre des Erbbegräbnisses teilhaft werden zu lassen.

 Auf Beschwerden des Abtes vollzogen die Markgrafen von Hohenburg als Reichsvögte der Staufer die Acht, steckten die Burg der Frevler in Brand. Das Kloster wurde aus den Trümmern des Scharffenbergs und der schon länger verfallenen Burg Thierenstein (Stammsitz der Schweppermänner) wieder aufgebaut. Die Kirche wurde vom Bischof Hartwig von Eichstätt 1219 neu geweiht.

Wiederholt wurde Kastl in die kriegerischen Streitigkeiten verwickelt, die sich während der erbitterten Kämpfe zwischen dem Staufer Friedrich I und den Papst und während der kaiserlosen, schrecklichen Zeit des Interregnums entspannen. Es wurde Kriegsgebiet um 1242 in dem Streit um die Vogtei zwischen den Hohenfelsern und Hirschbergern, die als Nachfolger der Grafen von Kastl-Sulzbach ihre alten Rechte auf Kastl mit dem Schwerte verteidigten. Obwohl das Stift in dem Kampfe zwischen Kaisertum und Papsttum neutral zu bleiben suchte, wurde es doch wiederholt gebrandschatzt und mußte zur Befriedigung seiner Peiniger Schulden machen. Schließlich wurde das Stift beinahe in den finanziellen Ruin des letzten Erbvogts Gebhard VII. von Hirschberg verstrickt, der von den Regensburger Juden Geld aufnehmen mußte. Endlich entstanden widerliche Erbstreitigkeiten beim Aussterben der Hirschberger. Deren letzter Sproß hatte dem Kloster ein ansehnliches Vermächtnis zuerkannt, was aber von den bayerischen Herzogen als Haupterben bestritten wurde. Erst im Dezember 1307 er folgte ein Ausgleich auf einem Tag zu Nürnberg. Das Stift mußte einen nicht geringen Teil der ihm zugefallenen Schenkungen herausgeben, trotzdem aber dem Guttäter ein großartiges „Seelgeräte“ stiften.

Während dieser Wirren war die Klosterzucht gesunken und war Unfriede im Konvent eingekehrt. Das beweist die rasche Aufeinanderfolge der Äbte, die nach kurzer Amtszeit meist freiwillig oder gezwungen abdankten oder vertrieben wurden. Selbst der tüchtige Abt Albert von Blankstetten, der 1293 in Kastl eingesetzt, aber von 1294 bis 1297 vertrieben worden war, mußte. 1306 resignieren. Das zeigt genugsam von dem Tiefstand des klösterlichen Lebens.

Auch die äußere politische Stellung des Stifts war damals schwer bedroht. Die zielbewußte wittelsbachische Territorialpolitik suchte ihre Herrschaft auf dem Nordgau immer weiter auszubreiten und umklammerte Kastl von allen Seiten. Besonders wertvoll war für sie die Erwerbung des ausgedehnten Besitzes der Grafen von Hirschberg. Dadurch fiel den Wittelsbachern eine Reihe von Ämtern und Unterämtern zu, in denen das Stift selbst begütert war, so Sulzbach, Rosenberg, Pfaffenhofen, Ammertal, Werdenstein. Seit 1270 saßen die Wittelsbacher auch in Amberg, ebenso gehörte ihnen das Amt Bärngau mit der Stadt Neumarkt, dazu das Amt Berg. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, wann auch Kastl selbst der immer weiter um sich greifenden Landeshoheit der Wittelsbacher zum Opfer fallen mußte. Wir verstehen es daher, daß Abt Albert unmittelbar nach dem Tode des Erbvogts 1305 beim König Albrecht 1. in Nürnberg vorsprach, um sich die Privilegien der Stauferkaiser von neuem bestätigen zu lassen, durch die das Stift der Reichsvogtei unterstellt worden war.

Von der rücksichtslosen Territorialpolitik der bayerischen Herzöge bedroht, mußte es das erste Streben der Äbte sein, mit ihnen auf gutem Fuß zu stehen. Unter solchen Umständen kam alles darauf an, daß sich ein Mann fand, der es verstand und der auch die Kraft besaß, das Stift über alle Fährnisse hinweg einer neuen besseren Zukunft entgegen zu führen.

Insbesondere hing die Weiterentwicklung des Klosters wesentlich da von ab, ob es gelänge, dem wittelsbachischen Territorialstreben klug zu begegnen, das sich mit dem kastlischen wirtschaftlichen und politischen Ausdehnungsdrang kreuzte. Der Mann, der dies meisterlich verstand, war Abt Hermann. Der Konvent hätte keine geeignetere Persönlichkeit zur Bewältigung dieser schwierigen Aufgabe finden können.

Seine erste Sorge war es, mit den Wittelsbachern ein freundschaftlich, nachbarliches Verhältnis anzubahnen. Das hatte schon sein Vorgänger versucht. Es war ein Glück, daß der bayerische Herzog Ludwig 1314 zum deutschen Könige gewählt worden war. So war er durch den Thronstreit mit seinem Gegenkönig Friedrich dem Schönen gezwungen, wenn er im Kampfe um die Kröne über diesen obsiegen wollte, sich um Bundesgenossen umzusehen. Eine sehr wertvolle Hilfe vermochte ihm die streitbare Ritterschaft des bayerischen Nordgaus zu bieten. Er mußte also diese für sich zu gewinnen trachten und weilte deshalb häufig in Amberg, von wo aus er öfters das Stift Kastl aufsuchte. Hier wußte man seinen königlichen Ehrgeiz geschickt für die Zwecke des Stiftes auszuspielen. Man appellierte an sein königliches Rechtsempfinden und empfahl das Stift seiner königlichen Gunst. 1315 stellte König Ludwig dem Kloster zu Nürnberg einen Schutzbrief aus, der die 1165, 1219 und 1305 erlangten Freiheiten bestätigte und neuerdings die Reichsvogtei über das Kloster anerkannte. Obwohl Ludwigs landesfürstliche Interessen denen des Reichs zuwiderliefen, konnte er nicht umhin, hier die Rechte des Reiches wahrzunehmen, schon um sein eigenes Gesicht als König zu wahren. Er durfte den Abt auch nicht vor den Kopf stoßen, weil dieser großen Einfluß auf die Nordgauritterschaft besaß, mit der er wegen des Erbbegräbnisrechtes im Kloster Kastl häufig in Berührung kam. Ludwig war klug genug, das Stift zu einem Stützpunkt seiner Königsmacht auszugestalten, und suchte deshalb, dessen Abte als Parteigänger für sich zu gewinnen.

(Es sei gestattet hier einen kurzen Überblick über die politische Lage einzuschalten. Bei Mühldorf waren sich die feindlichen Heere bereits im Jahre 1319 kampfbereit gegenübergestanden, als Friedrich der Schöne mit seinem Bundesgenossen, dem Erzbischof von Salzburg, im September über Laufen ins Bayerische eingedrungen war. Sein Bruder Leopold hatte aus den österreichischen Vorlanden seine Scharen herangeführt. Ludwig wagte aber damals noch nicht, das Kriegsglück zu versuchen, weil er nur seinen Neffen, den Herzog Heinrich von Niederbayern, zum Verbündeten hatte. Dieses Zurückweichen Ludwigs vom Kampfe hatte zur Folge, daß Friedrich und Leopold nach ihrer Vereinigung Ober- und Niederbayern aufs furchtbarste verheerten. Sie drangen bis vor die Mauern von Regensburg vor, wo sie sich trennten.

Ludwig hatte dadurch zwar keine militärische, aber eine schwere moralische Niederlage erlitten. Sein Prestige war so tief gesunken, daß er selbst an Abdankung dachte.

Da war es der Erzbischof von Mainz, Peter von Aspelt, gewesen, der den Verzagten wieder aufrichtete. Er erschien persönlich anfangs Februar 1320 bei ihm auf der Burg Ehrenfels und redete ihm den Thronverzicht wieder aus. Ludwig unternahm im Sommer einen Vorstoß ins Elsaß, wich aber neuerdings einer Schlacht mit Leopold aus. Ein k schwerer Schlag widerfuhr ihm, als am 20. Juli 1320 Peter von Aspelt, seine Hauptstütze unter den hohen Prälaten, starb. Seine Sache hatte dadurch einen neuen Stoß er litten.

Umso zugänglicher mag er den Bezeugungen treuer Anhänglichkeit gewesen sein, die ihm bei seinen Besuchen im Kloster Kastl zuteil wurden. Hier fand er gar bald in Pater Hermann den congenialen, verständnisvollen Freund und Förderer seiner Pläne, den Mann, den er so nötig brauchte, um die wertvolle Unterstützung der nordgauischen Ritter- und Bürgerschaft und des Burggrafen von Nürnberg zu gewinnen. Denn erst da durch erlangte er die dringend nötige militärische Stärke, um den habsburgischen Widersachern mit Aussicht auf Erfolg gegenübertreten und ein baldiges Ende des langwierigen Krieges herbeiführen zu können. Darum lenkte er wohl selbst bei der bevorstehenden Abtwahl bewußt die Beschlüsse des Konvents auf Pater Hermann. Er brauchte bei seiner seelischen Verfassung einen zuverlässigen, treuergebenen Freund, und daß er sich in Abt Hermann nicht getäuscht hatte, beweist am deutlichsten die hohe Ehre, die er ihm da durch zuteil werden ließ, daß er ihn fortan „Freund und Gevatter“ nannte.)

Am 4. Januar 1319 weilte der Kaiser in Amberg und schloß am 12. Januar einen Vergleich mit dem Burggrafen Friedrich von Nürnberg. Dann fuhr er mit seiner Familie nach Kastl. Hier erkrankte sein Lieblingstöchterlein, das kleine 3jährige Ännchen und starb am 27. Januar. Es wurde in der Klosterkirche begraben, wodurch der kaiserliche Vater nur noch inniger mit dem Stift verbunden war. Am 13. Januar 1321 suchte er Kastl wieder auf und stiftete einen Jahrtag, wozu er den leibeigenen Ulrich Scherub von Ransbach und sein Weib Diemut nebst ihrem Sohn freisprach, gegen Zahlung von 3 Schilling langer und 1/2 Schilling Regensburger Pfennige durch ihn und seine Nachkommen.

Am 22. März 1322 wurde Hermann vom Konvent zum Vorsteher erwählt. Der Chronist rühmt ihn als „einen in jeder Hinsicht vortrefflichen Mann, einen frommen Priester, einen für die damalige Zeit ansehnlichen Gelehrten und würdigen Vorstand des Klosters. In der Tat hat sich denn auch Abt Hermann, über dessen Herkunft nichts Näheres zu erfahren ist, in jeder Hinsicht trefflich bewährt. Er war ein kluger, feinsinniger Kopf, ein geschickter Politiker und Diplomat und ein äußerst umsichtiger und tatkräftiger Wirtschaftsorganisator.

Seine nächste Aufgabe erblickte er darin, König Ludwig noch enger mit dem Kloster zu verknüpfen. In diesem Bestreben kamen ihm die augenblicklichen Zeitereignisse vor teilhaft entgegen. Der Thronstreit stand eben auf dem Höhepunkte. Hier setzte sich Abt Hermann mit Rat und Tat für König Ludwig und seine gerechte Sache ein. Aus der Tatsache, daß die Nordgauritter und der schon bei Gammelsdorf (1313) rühmlichst her vorgetretene Feldhauptmann Seyfried Schweppermann, der in engen Beziehungen zum Stift stand, in dem neuerlichen Kampfe mit den Hauptausschlag gaben zum glorreichen Sieg, in der denkwürdigen Schlacht bei Mühldorf (28. September 1322), darf man wohl schließen, daß Abt Hermann auf sie tatkräftig eingewirkt hat, um sie für die Sache des Kaisers zu gewinnen. Vor allem aber ist die Tatsache, daß das Dankesfest für diesen herrlichen Sieg am 8. Januar 1323 in der Klosterkirche zu Kastl gefeiert wurde, der beste Beweis dafür, daß sich der Kaiser dem Abte für die ihm geleistete wertvolle Beihilfe zu innigstem Danke verpflichtet fühlte. Hiefür spricht auch der Umstand, daß er den Einwohnern von Kastl damals Markgerechtsame verlieh. Mit einem Schlage waren so Kastl und sein „Gewaltiger Abt“, wie sein offizieller Titel lautete, ins hellste Licht der Öffentlichkeit gerückt und durch die Auszeichnung des sagenumwobenen Nordgau recken und bayerischen Nationalhelden Schweppermann in die Geschichte eingegangen.

Wohlbefriedigt konnte Abt Hermann auf diese glänzendsten Tage in der Geschichte des Stifts zurückblicken. Er hatte erreicht, was er erstrebt hatte, hatte sich die Gunst seines hohen kaiserlichen Herrn für immer gewonnen. Das kam dem Stift ganz außer ordentlich zustatten.

Insbesondere hatte das stolze Siegesfest, das die Mehrzahl der nordgauischen Ritter in Kastl um den Kaiser vereinigt hatte, das Ansehen und die Stellung des Abtes bedeutend gehoben und zugleich auch seinen Einfluß auf die nordgauische Ritterschaft ganz erheblich gestärkt. Das Stift begann aufzublühen. Während die meisten übrigen bayerischen Klöster, so Tegernsee, Scheyern, Rott, Polling u. a. wirtschaftlich zurückgingen und nur durch außerordentliche Steuererleichterungen des Landesherrn vor dem gänzlichen Verfall bewahrt blieben, erlebte Kastl als eifrigster Parteigänger des Kaisers einen ungeahnten Aufschwung. Das verdankt es vor allem der Klugheit, dem Fleiß und der Willenskraft seines Lenkers.

So sehen wir, wie die Freundschaft zwischen dem Kaiser und dem Abte sich immer inniger gestaltete. Zur Vertiefung derselben trug gewiß auch der Umstand bei, daß Abt Hermann einen Mönch seines Klosters beauftragte, die bereits in lateinischer Prosa vorhandene Chronik des Klosters in deutsche Verse zu übertragen. Diese Gründungsgeschichte des Stifts, kurzweg die „Kastler Reimchronik“ genannt, schien ihm geeignet, die lebhafteste Anteilnahme des Kaisers an den Geschicken des Klosters zu erwecken. Sie bildet, indem sie weniger das Stift selbst, als die Verdienste der Stifter und ihrer erlauchten hochfürstlichen Verwandten ins hellste Licht rückt, gleichsam das reklamehafte Aushängeschild zur Erlangung politischer und wirtschaftlicher Vorteile und diente, wie die Verbrüderung mit zahlreichen anderen angesehenen Klöstern, dazu, dem Stift nach außen hin höhere Geltung zu verschaffen.

Mit der Zeit wurde Abt Hermann seinem kaiserlichen Herrn als politischer Ratgeber immer unentbehrlicher, zumal in jenen stürmischen Zeiten, als er dem Bannstrahl des damals in Avignon residierenden Papstes Johann XXII. verfallen war (23. März 1324), der sich ganz im Fahrwasser der deutschfeindlichen französischen Politik bewegte. Da brauchte der von allen Seiten bedrängte Kaiser in seinen Gewissensnöten einen Freund, dem er sein Herz ausschütten konnte, der ihm in den schwierigen politischen Lagen als kluger Berater hilfreich zur Seite stand, der auch dem Gebannten die Treue hielt, wie auch andere hohe geistliche Würdenträger und der Orden der Franziskaner-Minoriten. Jedenfalls aber suchte er stets ausgleichend zu vermitteln und leistete insbesondere bei der Aussöhnung mit dem in Trausnitz in ritterlicher Haft gehaltenen Gegenkönig Friedrich dem Schönen wertvolle Dienste. So schuf er die Grundlage dazu, daß Ludwig, nun im Rücken frei, seinen Römerzug unternehmen und sich in Italien die Kaiserkrone holen konnte. Abt Hermann durfte ihn dabei begleiten und war Zeuge der glanzvollen Feste, bei denen Ludwig am 31. Mai 1327 zu Mailand die lombardische Königskrone und am 27. Januar 1328 zu Rom die Kaiserkrone erhielt. Vielleicht hat er auch einen nicht geringen Anteil an der Errichtung der deutschen Gralsburg Ettal, die der Kaiser nach seiner glücklichen Rückkehr aus Italien stiftete. Darauf läßt schon der Umstand schließen, daß dessen erster Abt aus dem kastlischen Tochterkloster Reichenbach berufen wurde.

(Auf italischem Boden erfolgte auch die Aussöhnung Ludwigs mit seinem Neffen Rudolf in dem berühmten Teilungsvertrag von Pavia (4. August 1329), wonach die Söhne und Enkel Rudolfs die pfälzischen Lande und die später als obere Pfalz bezeichneten Gebiete des bayerischen Nordgaus erhielten. Ludwig behielt Oberbayern, einige Besitzungen nördlich der Donau mit dem Vitztumamt (Burg)Lengenfeld, dessen Sitz nun nach Amberg verlegt wurde. Durch diesen Hausvertrag kam das Kloster Kastl zum pfälzischen Kuranteil, was den Kaiser sehr geschmerzt haben mag. Seine lebhafte Sorge um das ihm so vertraute Stift fand beredten Ausdruck in einer zu Trient ausgestellten Urkunde von 1330, in der er seinen Verwandten Kastl angelegentlichst ans Herz legte. „Da die Vogtei über das Gotteshaus Kastl von Reichswegen Uns gebührt, so empfehlen Wir Euch fleißig den Abt und Konvent desselben sowie ihre Leute und ihr Gut. Wir bitten Euch ernstlich und wollen auch, daß Ihr sie in Güte und von Unsertwegen beschirmt und bei Ihren Rechten belasset. Dadurch erzeuget Ihr Uns sonderliche Lieb und Treue.“

Wir haben allen Grund anzunehmen, daß hinter diesem Schutzbrief für das Kloster Abt Hermann stand. Wenn er auch später nicht mehr so häufig mit den Kaiser in engere Berührung kam — er beschwor noch 1340 einen Landfrieden mit — so ist doch glaubhaft, daß die Freundschaft beider bis zum jähen Ende des Kaisers (1347), fortdauerte. Ein Bindeglied zwischen dem Kloster und dem Kaiser bildete wohl der biedere Seyfried Schweppermann, der von Deinschwang oder dem nahen Pfaffenhofen aus Kastl öfters besuchte und hier nach seinem Tode 1337 im südlichen Kreuzgang des Klosters seine letzte Ruhestätte fand. Jedenfalls hat der Kaiser auf Anregung des Abtes ihm den schlichten Grabstein setzen lassen, der sich heute am nördlichen Chorbogenpfeiler erhebt.)

Nachdem das Königtum Ludwigs des Bayern fest gegründet war und durch Übertragung der Kaiserkrone seine höhere Weihe erhalten hatte, gewann Abt Hermann die wohl schon seit langem ersehnte Muße, die es ihm erlaubte, sich von der sorgenvollen, aufregenden Politik mehr und mehr zurückzuziehen und fortan sich mit größter Hingabe dem inneren und äußeren Aufbau des Stifts zu widmen. Das dünkte dem pflichtbewußten, schaffensfreudigen Mann die Hauptaufgabe seines Lebens.

Dieser Einsatz war ihm nun umso leichter möglich, als er bei seinen Maßnahmen zur Hebung des Stifts auf die wertvolle Unterstützung seines kaiserlichen Freundes rechnen konnte und nicht mehr befürchten mußte, dabei durch die Willkür eines Vogtes gehemmt zu werden. Denn das Stift war, durch das Testament des letzten Grafen von Hirschberg, seit 1315 von der einengenden Vormundschaft eines Vogtes befreit worden. Sein Lenker konnte nun, zum größten Segen des Stifts, ungehindert schalten und walten, wie es dessen Interesse gebot. Zum größten Vorteil gereichte, daß Abt Hermann eine verhältnismäßig lange Regierungszeit beschieden war. Volle 34 Jahre stand er seinem Kloster vor und bereicherte es mit seinem unermüdlichen Schaffensdrang, seinem tiefen Wissen, seinem Weitblick und seinen Erfahrungen.

Um eine genauere Kenntnis von Umfang und Stand des klösterlichen Besitzes zu gewinnen, ließ Abt Hermann zwischen 1334 und 1338 ein übersichtliches Wirtschaftsbuch anlegen, das älteste Kastler Urbar, für uns Heutige eine Wirtschaftsquelle ersten Ranges, das uns über die Entstehung und Entwicklung des gesamten Klosterbesitzes wert volle Aufschlüsse gibt und insbesondere die Pachtverhältnisse eingehend beleuchtet, eben so die Erträgnisse der inkorporierten Pfarreien darstellt.

Es ist hier nicht Raum genug, alle die Gebietsvergrößerungen des Stifts, die von dem rührigen Abt veranlaßt wurden oder die dem Kloster durch freigebige Schenkungen zu flossen, in ihren Einzelheiten aufzuführen. Die Monumenta Boica, Bd. XXIV, geben hierüber den nötigen Aufschluß. Auf ihnen fußt Prof. Bosl in seiner Geschichte des Klosters Kastl (VHO 89. Bd., 1939). Abt Hermann war es nicht bloß darum zu tun, den Wirtschaftsbereich des Stifters auszudehnen, wie dies besonders durch Wiederbegründung von aufgelassenen Dörfern jenseits der Naab, gegen Böhmen zu, geschah, wo er Heumaden, Pockstrauf, Braunhartsreut, Pruck, Putzenreut, die mehr als 100 Jahre verödet gelegen hatten, mit stiftskastlischen Untertanen neu kolonisierte.

Nicht minder lag ihm die innere Verfassung des Klosters am Herzen, die Aufrechterhaltung und Belebung des benediktinischen Ordensgeistes. Diesem edlen Zweck dien ten vor allem die zahlreichen Verbrüderungen, die er mit geistesverwandten Klöstern, auch Frauenklöstern, z. B. Niederaltaich, 1326 mit dem böhmischen Kloster Kladrau, ebenso mit dem Zisterzienserinnen von Seligenporten, 1327 mit Metten, 1334 mit den Zisterzienserinnen von Pielenhofen feierte.

Seine besondere Fürsorge galt auch dem Siechenhaus, das mit der Zeit in Verfall geraten, 1302 aber neuerdings reich begabt und an den Fuß des Berges verlegt worden war. Der treusorgende Stiftsherr ordnete dessen Wiederverpflanzung in den engeren Bereich des Klosters auf dem Berge an. Der Bischof von Eichstätt erklärte dazu 1323 seine Zustimmung. Im Translationsbrief heißt es: „Das Spital ursprünglich auf dem Klosterberg gestiftet, sei 1302 auf Andringen des gestrengen Markwarts von Neumarkt, der es bei Lebzeiten verwaltete, aus vernünftigen Gründen an den Fuß des Berges verlegt worden. In neuerer Zeit aber habe das Spital bei der Bosheit der Menschen, bei der Last harter Fehden im Kriege, am Fuße des Berges keinen sicheren Bestand gehabt, und demnach sei es durchaus unmöglich, Gebrechliche, Kranke, Fremdlinge und andere über all herzuströmende Dürftige zu versorgen und ihnen die gewöhnlichen Liebeswerke zu reichen.“

Auf die Mehrung der allzu schmalen Klosterpräbenden bedacht, veranlaßte Abt Hermann den Bischof Gebhard III. von Eichstätt zur Inkorporierung der alten Pfarreien Lauterhofen und Illschwang, für die dem Abte von Kastl seit je das Präsentationsrecht zustand. Doch war dabei ausbedungen, daß die beiden Inhaber dieser Pfarrpfründe bei ihren Lebzeiten in ihren Einkünften nicht geschmälert werden dürften. Schon am 10. Mai 1310 hatte Bischof Philipp von Eichstätt die Pfarreien Pfaffenhofen und Dietkirchen dem Kloster inkorporiert. Dadurch hatte der Konvent eine größere Unabhängigkeit erlangt.

Nach einer äußerst fruchtbaren Tätigkeit von beinahe 3 1/2 Jahrzehnten starb am 27. Januar 1356 der so rührige Mann. Man wird gewiß dem Chronisten Brunner beipflichten, der der Ansicht Ausdruck verleiht, daß der um Kastl so hochverdiente Abt ein Denkmal in der Klosterkirche verdient hätte. Aber vielleicht ist ihm eins gesetzt worden und hat sich nur nicht bis auf unsere Zeit erhalten.

Das beste Zeugnis für die Lauterkeit und den Ernst seines eifrigen Strebens hat er sich, wie die MB XXIV, 374 berichten, selbst ausgestellt, mit der Versicherung, „daß er sich unablässig bemüht habe, für die zeitlichen Güter und Vorteile des Klosters zu sorgen, die Besitzungen vor schweren Beschatzungen und Beschädigungen zu bewahren, aber auch mit Hilfe der zeitlichen Güter den Dienst zur Ehre Gottes zu mehren und das Seelenheil der Gläubigen zu befestigen und zu sichern“.

Darum ist er auch des hohen Lobes würdig, das Prof. Bosl ihm in seiner Geschichte des Nordgauklosters Kastl zollt: „Wir wissen nicht, welchem Geschlechte er entstammte, ob er bürgerlich oder adelig war, eins aber wissen wir ohne Lebensbeschreibung, daß er eine Führernatur mit Energie, Klugheit, Erfahrung und Weitblick war. Er hat das Kloster auf jene wirtschaftliche und geistige Höhe gebracht, die es schon seinem zweiten Nachfolger Abt Otto Nortweiner (1378—1399) ermöglichte, die Kastler Klosterreform zu begründen, die der Kastler Benediktinerabtei für längere Zeit die geistige Führung einer Anzahl von Schwesterabteien nicht bloß in Süd- und Mitteldeutschland, sondern auch im deutschen Westen verschaffte.“

___________________________________


Sonntag, 30. August 2015

Die Schenkungen Heinrich II. im Nordgau

Die Urkunden über Schenkungen Heinrichs II.
im Nordgau 1008 bzw. 1009
Von Anton Reger

Das Bistum Würzburg erstreckte sich einst über das ganze Maingebiet bis hin zum Fichtelgebirge.  Auf Betreiben Königs Heinrich II. (973-1024) wurde der Ostteil dieses weiten Bistumsbezirkes abgetrennt und im Jahre 1007 das Bistum Bamberg gegründet.

Der Bischof war nicht bloß Kirchenfürst, sondern auch weltlicher Fürst. König Heinrich dotierte  "sein" Bistum beziehungsweise Hochstift zur Erstausstattung mit Zahlreichen Besitztümern.

Bereits im Gründungsjahr 1007 schenkte er den Ort Abbach, in dem er am 5. Mai 973 als Sohn des Herzogs Heinrich des Zänkers geboren war, dem neuen Bistum. Die Urkunde wurde am 1. November 1007 in Frankfurt ausgefertigt. Am gleichen Tag schenkte er Nittenau auf dem Nordgau in der Grafschaft Roudperts sowie die Orte Beilngries, Schambach und Fürth auf dem Nordgau in der Grafschaft Berengars. Die Urkunden dieser Schenkungen haben ebenfalls Frankfurt als Ausstellungsort. (Die Schenkung  des  Königsgutes  Fürth verdeutlicht die nordwestliche Grenze des Nordgaues.)

Am 1. Juni 1008 (nach der Datumsangabe in der Urkunde - siehe spätere Ausführungen über ihre  Richtigkeit!) schenkt König Heinrich die "Alte Kapelle"  zu Regensburg der "ecclesiae Babenbergensi", die Urkunde wurde in Merseburg ausgefertigt,
Am 6. Juli 1008 (wieder Urkundedatum!) dotiert er sein Bistum, dem zu dieser Zeit Bischof  Eberhard vorstand, mit den drei "loca" Velda, Runbach und Keminata sowie mit dem "locum" Machindorf auf dem Nordgau in der Grafschaft Heinrichs. Die für die erstgenannten drei Orte gemeinsame Urkunde wurde in Frankfurt ausgefertigt. Die Urkunde über Machindorf, das ehemals im heutigen Truppenübungsplatz Hohenfels lag, wurde in Mainz ausgefertigt, es existiert aber eine zweite Urkunde, die ebenfalls Frankfurt zum Ausstellungsort hat und den gleichen Wortlaut wie jene in der Schenkungsurkunde der erstgenannten drei Orte aufweist.
Heinrich schenkt auf Intervention der Königin Kunigunde dem Bistum Bamberg den Ort Machendorf im Nordgau in der Grafschaft des Grafen Heinrich mit allem Zubehör zu freiem Verfügungsrecht zum Nutzen des Bistums (quia nos ... nostrae quendam proprietatis locum Machindorf dictum in pago Nordgouui et in comitatu Heinrici comitis situm ad ... episcopalem sedem ... donamus). – Guntherius canc. vice Uuilligisi archicap.; mit Ausnahme des Ortsnamens eine wörtliche Wiederholung von DH. II. 203 (Reg. 1714), geschrieben von Ba. I; M.; SI. 3; „Saluberrimus igitur sacri.”
Den Urkunden ist ein "Chrismon" vorangestellt, das man häufig in mittelalterlichen Diplomen  antrifft. Darunter ist ein wie ein großes "C" geformtes Zeichen zu verstehen, das ein Symbol für die Anrufung Gottes darstellt.
Schenkungsurkunde von Berga
Der Text der Urkunden beginnt sodann mit den Worten "Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit". In der folgenden Passage wird das Verständnis Heinrichs als eines Königs Kraft der Güte Gottes bekundet.

Die Schenkungsurkunde von Velda, Runbach und Kemminata gliedert sich ebenso wie die  Schenkungsurkunde von Machindorf (zweite Fassung) in folgende, nach sachlichen Gesichtspunkten zusammengefaßte Teile:

Die Einleitung der Urkunde erinnert an die heilbringenden Anordnungen des göttlichen Wortes, auf zeitliche Güter zu verzichten und irdische Interessen hintanzustellen, um dann nach Besitztümern von Ewigkeitsdauer zu trachten. Dieser Grundhaltung der gehorsamen Befolgung der göttlichen Lehren entsprechend entschloß sich König Heinrich, wie die folgende Passage deutlich macht, das väterliche Erbe "Babenberg" (Bamberg) zum Sitz eines Bischofs zu erheben.

Es liegt nahe, wenn dann im folgenden Satz der Synode vom 1. November 1007 in Mainz gedacht  wird, auf der die Gründung des Bistums Bamberg erfolgte. Dies geschieht mit dem Hinweis auf die  päpstliche Bevollmächtigung, die Zustimmung des ehrwürdigen Würzburger Bischofs Heinrich, zu  dessen Bistum das obere Maingebiet gehörte, sowie auf die einheitliche und einträchtige Beratung und Beschlußfassung der Getreuen des  Königs (der Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte sowie der Herzöge und Grafen), den neuen Bischofssitz der hl. Gottesmutter Maria, den hl. Aposteln Petrus und Paulus sowie den Märtyrern Kilian und Georg zu weihen.

Der Dom an neugegründeten Bischofssitz Bamberg sollte, wie der Abschluß der Einleitung besagt, ein Denkmal des Königs, seiner Eltern und seines Vorgängers, des Kaisers Otto III., sein, der Bamberger Dom sollte aber auch für alle Rechtgläubigen eine Stätte der Verherrlichung der "salutaris hostia" sein.

Dieser feierlichen, religiös motivierten Dokumentation der Bedeutung, die der Gründung des Bistums Bamberg zukommen sollte, folgt nunmehr der nicht minder hochgemutete Wortlaut der Schenkung. Dem gegenwärtigen Geschlecht aller Getreuen wird ebenso wie den ihm folgenden Generationen zu wissen getan, daß auf Bitte und mit Zustimmung der geliebtesten Gemahlin Königin Kunigunde die in Eigenbesitz befindlichen Orte ... (Namen) ... auf dem Nordgau in der Grafschaft Heinrichs dem Bistum Bamberg geschenkt und übereignet werden.

Der Zusatz 'cum omnibus eorum pertinentiis sive adheratis' (mit all ihren Besitzungen oder Zugehörungen) macht deutlich, daß die genannten Orte nur 'Inbegriffe' von größeren Bezirken darstellen. Verdeutlicht man diese Feststellung am Beispiel der Schenkung von Keminata, so ist die Meinung wohl vertretbar, daß das Schenkungs-"Gebiet" vom Fichtelgebirge bis zum Pressather Forst und vom Fichtelnaabtal am Steinwald bis zum Rauhen Kulm in der Heidenaabsenke reichte.
Die Aufzählung von all dem, was zu diesen Orten gehörte, findet sich "formelhaft" in zahlreichen anderen Schenkungsurkunden. Man darf daher vermuten, daß in der Bamberger Kanzlei vorbereitete Diplomtexte vorlagen, die dann im Schenkungsfall benützt wurden. Zu den genannten Orten gehören (zusammengefasst wiedergegeben):

Dörfer                   Eigenleute (Knechte und           Grundstücke
Landgüter             Mägde, auch aus anderen          bebaute und
Kirchen                 rechtlich untertanen Orten        unbebaute Flächen
Wege, Ödungen    Wälder            Gewässer
bekannte und        Forste              Fischwasser
zu erkundende      Weideplätze     Mühlen
Aus- Rückwege     Jagden            Mahlwerke
bewegliche und    alles, was üblicherweise beschrieben und aufgezählt
unbewegliche       wird, bzw. sonstigen Zwecken dient.
Güter

Zur Bekräftigung der Schenkung wird hinzugefügt, daß ihre Empfänger, nämlich der in Christus geliebteste Bischof "Heberhardus" (Eberhard) und seine Nachfolger die freie Verfügungsgewalt über diese Orte mit allem, was zu ihnen gehört, besitzen, sie in ihrem Zustand erhalten oder nach eigenen Gutdünken darüber befinden können.

Diese "Zusicherung" soll wiederum am Beispiel der Schenkung von Keminata verdeutlicht werden: Das Schenkungsgebiet war zunächst vom Bistum Bamberg den Edlen von Lengenfeld-Pettendorf-Hopfenohe zu Lehen gegeben worden. Durch die Allodifizierung, also durch die Umwandlung in freies Eigentum, entwickelte sich dann im Laufe des 11. Jahrhunderts das Herrschaftsgebiet des Amtes Waldeck, das 1119 nach dem Tode des letzten Dynasten, Friedrich III., an dessen Schwiegersohn Gebhard von Leuchtenberg überging.

In einer abschließenden drastischen Passage wird die Würde und Unantastbarkeit der Schenkung hervorgehoben: Sollte sich jemand unterfangen, die Großzügigkeit der Schenkung zu zerstören oder zu verletzen, so sollte er am Tage des Gerichtes vor dem Angesicht Gottes mit einer unauslöslichen Strafe ewig dafür büßen.

Der Text der Urkunde ist mit dem Unterschrifts-Monogramm des "Herrn Heinrich, des unüberwindlichen Königs" versehen. (Der König trug in das Handmal nur einen 'Vollziehungsstrich' ein.) Darunter vermerkte der Kanzler Guntharius, daß er in Stellvertretung des Erzkaplans Willigis von der Unterschrift des Königs Kenntnis genommen habe.

Die Urkunde schließt mit der Angabe des Datums und des entsprechenden Regierungsjahres sowie mit dem Vermerk des Ausfertigungsortes. Der Textlautet: Gegeben am 6. juli, 7., im Jahre 1008 nach der Geburt des Herrn,im 7. Jahr der Regierung des Herrn Heinrich II., geschehen zu "Francofurt" (Frankfurt); "feliciter amen".

Das "Problem" der Datierung

Der Straßburger Urkundentheoretiker Harry Bresslau unterzog 1897 die Diplome Heinrichs II. einer kritischen Untersuchung hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Datierung. Er wies unter Verwendung anderer urkundentheoretischer Abhandlungen nach, "wie geringen Werth die Bamberger Schreiber auf correcte Eintragung der alten legten, wenn sie überhaupt im Stande waren, solche zu berechnen".
Als ein Beleg dafür wird von ihm die Datierung der Schenkung der "Alten Kapelle" zu Regensburg an das Bistum Bamberg angeführt, Als Ausfertigungsdatum ist in der Urkunde der 1. Juni 1008 enthalten. Die Schenkung kann jedoch erst "nach der im Frühjahr 1009 erfolgten Vertreibung Heinrichs von Baiern durch seinen königlichen Schwager" vorgenommen worden sein.

H.  Bresslau gelangt aufgrund seiner vergleichenden Ermittlung zu dem Schluß, daß in Anbetracht der "nachgewiesenen chronologischen Unzuverläßigkeit der Bamberger" die Schenkungsurkunden, die das Jahr1008 als "Incarnationsjahr" tragen und in Frankfurt ausgestellt wurden, in das Jahr 1009 datiert werden müßten. Darunter fallen somit auch die Urkunden über die Schenkungen von Velda, Runbach, und Keminata sowie die Urkunde über die Schenkung von Machendorf. Die Ausfertigung dieser Urkunden wäre also auf den 6. Juli 1009 anzusetzen, an dem sich der am 7. Juni 1002 gekrönte König Heinrich schon im 8. Regierungsjahr befand.

Trotz der subtilen, mitunter polemisch anmutenden Argumentation H. Bresslaus bereitet es keine geringen Schwierigkeiten zu verstehen, daß sich die Bamberger Schreiber nicht darüber im klaren sein konnten, welches "Jahr der christlichen Aera" (Kalenderjahr) zu datieren war. So darf es auch begreiflich erscheinen, wenn man in der Geschichtsliteratur von heute das Jahr 1008, beispielsweise für die Schenkung von Keminata, wie in der Urkunde lesbar, vorfindet, so in den "Kunstdenkmälern Bayerns" und im "Historischen Atlas von Kemnath". Man bezweifelt offensichtlich, ob der Datierung H. Bresslaus absolute Sicherheit zugesprochen werden kann.

Wenn es berechtigt wäre anzunehmen daß die Daten erst zu einem späteren Zeitpunkt nachträglich in die vorgefertigte Urkunde eingefügt wurden, so könnte die von H. Bresslau angeprangerte "Rechenkunst der Bamberger Notare" wohl ein milderes Urteil finden.

 ****